Bücher

Das Foto, das mein Freund Jean Willi von seinem Bücherregal in seinem Haus auf Ibiza gepostet hat, ist dazu geeignet, mich in tiefe Selbstzweifel fallen zu lassen. Ich kenne sein Haus in Santa Inés. Es ist nicht sehr groß. Und dennoch: Er schmeißt keines dieser Schätzchen weg.

Wer es sich leisten kann, richtet sich ein ganzes Zimmer für seine Bücher ein. Dort riecht es dann stickig und weil fast nie jemand vorbeikommt, wird es von der Jugend dazu benutzt, das auszuprobieren, wofür sie ihre Eltern noch zu jung erachten.

Normalbürger haben keine Bibliothek, sondern ein Bücherregal. Als wir noch auf Ibiza lebten, hat uns ein Freund, der im Sommer als Hüttenwirt in der Steiermark lebte, ein riesiges Regal gebaut. Darin hatte sogar meine ausufernde Plattensammlung Platz.

Womit wir nicht gerechnet hatten, war der Umstand, dass unser Haus keine Bodenplatte hatte und deshalb allerlei Gewürm sich über das im Haus verbaute Holz machte. Bald aber fanden die Viecher heraus, dass Papier auch sättigt und man sich dabei weniger anstrengen muss als beim Verzehr von „pino del norte“.

Als ich eines Tages etwas nachschlagen wollte, fand ich einen Buchrücken, zwei Deckel und sonst nichts vor. Alarmiert suchte ich in den übrigen Büchern nach und fand darin zum einen Teil ebenfalls nichts und zum anderen wie ich fand, grinsende, aber auf jeden Fall eklige Maden. Es blieb nichts anderes übrig als fast alle Bücher und das Regal zu verbrennen. Glücklicherweise wollten wir damals sowieso nach Mallorca übersiedeln. So tröstete ich mich damit, dass wir uns den Transport der schweren Bücher erspart hatten. Immerhin, die Schallplatten hatte die widrigen Würmer verschmäht.

Seltsamerweise kam keine Trauer über den Verlust auf. Alles, was sich seit meiner Studentenzeit an Büchern gekauft hatte, war mit mir nach Ibiza umgezogen. Ich fand, ich hätte ein Recht darauf, traurig zu sein. Ich strengte mich an, aber da war nichts.

„Hast halt ein Gemüt wie ein Metzgershund,“ tröstete ich mich.

Jahre später beschlossen wir, von Mallorca nach Berlin zu ziehen. Auf einem Flohmarkt unter der Kathedrale verkaufte ich meine Bücher, unter anderem fast alle von Herbert Rosendorfer veröffentlichten Werke. Ein Flaneur bedauerte es, mit dem Flieger nach Mallorca gekommen zu sein, sonst hätte er mir alles abgekauft. Etwas beschämt war ich dann aber schon, als er mich tadelte und meinte, er würde sich lieber von seiner Frau scheiden lassen, als sich von seinen Rosendorfer-Büchern zu trennen. Meine Entgegnung, ich läse Bücher nicht zwei Mal kam irgendwie flau rüber. War ja auch gelogen. Unterdessen habe ich mir einige Bücher von Herbert Rosendorfer nachgekauft.

Grundsätzlich aber gilt nach wie vor: Ich hänge nicht an Büchern. Jetzt steht wieder ein Umzug ins Haus und siehe da, mein sowieso schon seht kleines Bücherregal sieht richtig gerupft aus.

Wahrscheinlich bin ich jetzt bei allen bücherliebenden Gelehrten, Forschern, Autoren, Schöngeistern und Kulturaufrechterhaltern unten durch.

Nur die Buchhändler werden mich lieben. Denn noch immer kann ich schwer an einem Buchladen vorbeigehen, ohne etwas zu kaufen.

Dabbn

Was im übrigen Deutschland Hausschuhe oder Puschen heißt, wird in Franken Dabbn genannt. Leicht zu verstehen, weil man in solchen Schuhen herumtappt, rumdabbd.

Allein schon das Wort suggerierte, dass es sich um ein Utensil handelt, das sich der Vornehmheit entzog. Ich habe meine Großeltern oder Eltern nie in Hausschuhen, geschweige denn Dabbn gesehen.

Ich glaube, wir Kinder hatten auch keine Hausschuhe, mit dem Erfolg, dass, wenn wir im Winter in den dunklen Gängen Verstecken spielten, dies „strümpfich“ geschah und wir die ganze kalte Jahreszeit mit Rotznasen herumliefen.

Dabei wünschte ich mir nichts sehnlicher als Dabbn. Es gab knöchelhohe in beige gehalten, die ein dunkelbraunes Gittermuster überzog. Genau die wollte ich und genau die fand unsere Mutter besonders unmöglich, weil darin die Bauern, der Schmied, der Kaufmann, der Wirt, der Postbote, der Bäcker, der Schuster und der Schreiner nach Feierabend vor der Haustür standen, ja schlimmer noch, damit durchs Dorf „dabbten“.

Alle meine Freunde hatten solche Dabbn, ihre Eltern sowieso. Es gab sie für billiges Geld beim „Schmiddla“, dem Schuhhaus Valentin Schmitt in Ebern zu kaufen. Es wäre ein Leichtes gewesen, meinen Wunsch zu erfüllen, aber nein, an gewissen Regeln der Ästhetik, des Anstands und der Vornehmheit hielt meine Mutter eisern fest.

Später, als ich in Spanien lebte, brauchte ich natürlich keine Hausschuhe, es war da so warm, da hätte ich sogar „strümpfich“ Versteck im Dunkeln spielen können.

Nun wohne ich in Berlin, sogar im Ostteil der Stadt, was man daran merkt, dass die Besucher an der Haustür die Schuhe ausziehen. Begründung: In der DDR Zeit seien die Bodenbelege so schlecht gewesen, dass man sie mit Straßenschuhen nicht malträtieren konnte.

Nun, ich habe mich bisher an die Vorhalte meiner Mutter gehalten und des Ankaufs von Hausschuhen entraten.

Bis heute.

Wer ist schuld? „El puto Putin“, wer sonst?

Wir haben beschlossen nicht zu heizen. Leider haben das unsere Nachbarn auch beschlossen. Früher waren die Wände zu den Wohnungen immer warm. Dennoch halten wir daran fest, den Thermostat nicht klicken zu lassen. Dabei haben wir festgestellt, dass man mit kalten Füssen noch mehr friert als eh schon.

Drum haben wir heut, nach allen Seiten sichernd, damit uns auch ja niemand sieht, Pantoffeln gekauft.

Ich empfinde diesen Zwang als Demütigung. Das werde ich diesem Kerl im Kreml nicht vergessen.

Und meine Mutter auch nicht. Ich nehme an, dass sie gerade im Himmel beim Bedrus vorstellig wird, damit er mir diesen Sündenfall nicht zu arg anrechne, wenn ich dereinst an seine Pforte klopfen werde.

Dschornada Iddaliana

Gschäfdsdüchdich is sa fei scho, unner Dschordschina, des muss amol gsachd sei.

Wie mei Alder un iech nuch den Schwarzn Adler gführd ham, senn die Jächer ahmds zu uns kumma un ham ihra Hasn dodgsuffn. Oder amol a Hochzich hammer ghabd, un wenn die Liederdafl in Festsaal gabrobd had, is danooch a nuch a wengla was ganga. Aber sonsd war unner däächlich Brod der Stammdisch, wo däächlich, fei woar, däächlich die gleicha Baggasch rumghoggd is: Der Bernrieder Kurddi, der Schneiderbanger Bedä, der Kubitschegg Milan, den sei Vadder had vo Boln rübergamechd, aber sei Muddä,die war vo do, wasd scho, die Schwarzbacher Kunnl, und nadürlich der Metsgers Rudi, der hasd so weil ers is, ned weil er so hasd, schreim dud er sich Müller. Des war unner dreuersda Kundschafd. Aber richtig was los war blos, wenn der Ergenbrechd Adolf kumma is. Adolf hamsa na gadeffd ned wechn denn. Es war hald so, dass der Bruder von Ergenbrechd Adolf, der wo sei Boodla war, der had hald Adolf ghiesn, der scho wächa denn, aber Schwamm drüber. Wenn der Ergenbrechd Adolf ahms in die Wirtschaft kumma is, had der immer die dollsdn Gschichdn verzähld. Der had ja seinerzeid in Landratsamt gschaffd – Bauaufsichdsbehörde. Do isser rum kumma in Landgreis und had genau gewissd, was bei die Leud los war. Wer ohne Drauschein a Kind grichd, des hadder gewissd. Weddn hader drauf aagenumma ob ses vor die Niederkunfd noch zum Aldar schaffn. Er had aber aa gawissd, wenns do nix mehr zern schaffn gähm had, weil der Vadder schon verheierd war. Frache nichd nach Sonnenschein, ich sochs der. Södda Gschichdla, die ham die annern nadürlich inderessierd, un do senn hald a boar Seidla merra gazapfd worn wie a die normola Dooch.

Der Ergenbrechd Adolf war ja a bassionierder Jächer, blos schiesn hadder ned gekönnt. Wenner wiederamol an Dreiber die Schrödn aufn Hosnbodn gablädsd had, hadder blos galachd und gsechd, wemmer kann Schbass versteht, söll mer ned an Dreiber mach.

Aber mir hams ja vo die Dschodschina ghabd. Edserd had sa in Eff Dee, wassd scho in Frängischn Daach a mords drümmer Aanzeiche gschaldn, auf Iddalienisch. Ka Word hab ich verstanna! Mei Dieder hads übersetz gakönnd. Zu a Dschornada Iddaliana hadsa eigaloodn. Erschd hab ich gadachd, die Dschordschina dud spinna. Aber an den Dooch war der Pargblads völler wie a die Kerwa, lauder Mercedes, BMW und nadürlich Alfa Romeo. Vo Würdsburch, Gronach, Nermberch zergoar von Ansbach had’s Nummernschilder gähm. A den Dooch hab iech hindern Dresn blei gamüssd, blos ausschenk. Iech ka ja ka Iddalienisch ned. Vo do hindn hab iech aber guud beobachdn gakönnd. Die ham Zeuch gässn, wo mir, wemmer blos dra dengn dun, kodsn müssn. So glaana rosa Würmla in Gnoblauchsuud, Dindnfisch, so langa Dinger mid Saugnäbf dro, Bulbo hasd des Zeuch. Des war aber blos die Vorschbeis. Dann is mid die Basda weiderganga. Ich waas doch ned, wie des alles haasn dud, Schbageddi grün un rod, breida Nudln mid Bilds. Ravioli schüsslweis un über alln an Haufn gariemner Käs. Nacher erschd is die Haubdschbeis kumma. Fisch un Schniddsl milanese. Ich freech mich, wie die Iddaliener des machen, äss sa so dünn senn, weil gsuffn wird bei denna! Für die Andibasdi a weißä, nacher roder, aber von guudn, un für die Nachschbeis, die wo ja aa noch neigamüssd had, Asdi Sbumande.

Ich hab gadachd, midn Diramisuh wär´s ferdich. Ja freilich! Da is erschd richdich losganga, weil da is a Gondolieri ohne sei Gondl kumma un had iddalienische Schlacher gsunga. Wie wennsdes aagsdochn häddsd! Auf die Schdühl senn sa naufgschbrunga, midgsunga ham sa, ummernandergaküssd, a boar ham zergoar gagrinna. Un immer weidäa Gedränge beschdelld. Mir war des ja rechd, verschdesd?

Ach un drum glabsd du, senn die Iddaliener so dünn.

Des häddsd fei a früher könn gsooch, äs des amol mid an Iddaliener ghabd hasd. Des hädd ich dir fei garnedamol zugedraud.

Mondebuldschano

Weil die Dschordschina ja vo do drundn kummd had unner Dieder auf aamol den Schwarzn Adler umgadeffd.

Edserd hasd die Wirdschaft „Aquila tricolore!“
Glabsd es!

Aber mei Alder had ja wiedä ned auf mich hörn wölln. „Wenn mei Dieder Koch lerna will, nacher reichd des Bratwurschglöggla in Nermberch ned aus“, hadder gemaand.

Baris und Rom hads müssn sei. Ka Wunner äser mid so a Drudschn hamkumma is. Do wu die herkümmd, senn allsemal die Gasdarbeider auf ihrena Höhln gagrabbld. Weil sa nix zern fressn ghabd ham, sennsa zu uns kumma.

Aber die Dschordschia? Die had gleich wo sa kumma is den Feldwäbl gschbild und rumgablärrd:

In einer Dorfgneibe, wo’s seid Jahrzehndn Schweinsbrodn mid Glöös gähm had und dazu a Bier aus Graudheim, in sowos schaffd sa ned, da nähmerd sa lieber ihrn Dieder mid hamm nunder auf Redscho di Kalabria.

Mei Alder is nadürlich gleich eigagniggd und had sein Dieder ohne wenn und aber des ganza Zeuch übergähm.

Die Bedienung derf ich weider mach, ham sa gsechd.

Wölln hab ich ned gewölld, aber was willsd mach, mid meina fümfafuchzich griech ich doch ka neua Stellung. Un a wengala für mein Rendn muss ich aa nuch schaff.

Un edserd steh ich do mi mein Bschdellzeddl. Ich schreib Fokadscha hie und mei Dschordschina waas ned wos des is, Hör mer doch auf!

Früher hab ich mein Aldn in die Küchn nübergschrien: „An Schweinsbrodn mid zwaa Glöös, oder drei Bäärla mid Graud“ Des hadder verstanna und des Seidla hab ich selber derf zapf.

Heud gibds in Schwarzn Adler selichn Aangedengens Fegaddo fenedsiano un an Haufn Bidsa, äs sich kanner mehr auskennd un überall wird Käs draufgschdreud.

A Käs ghörd auf a Budderbrod aber doch ned auf die Nudln!

Wein saufn is edserd aansgesachd. Für a ehrlichs Bier senn sa sich zu schad, wenn sa aus ihrn Borsche gagrochn senn.

Ka Ahnung ham sa, aber heud muss‘s a Mondebuldschano sei und für die Tame a Bino Gridscho von Garda See, biddeschön. Je deuerer der Wein, desdo wenicher sänn die verheierd. Zuschdänd senn des, fraache nichd!

Un mei Alder? Der had sich aus obberadifn Gschäfd zuruckzogn, sechd er. Wos des hässd? Ganz eifach! Er läbbd edserd für sei Gsundheid. Greuder duder sammln für sei Schwiecherdochder. Wenner ahmds hamkummd mid an Schdreusla Liebscdöggl, dud sei Dschordschina wie sonsd was. Un nacher fassdsa mid beida Händ nei die Kisdn wo sa von Großmargd holn dud. Idalienische Gewürzmischung schdedd drauf gschriem.

Früher hads in Schwarzn Adler a Salzfässla un an Pfefferschdreuer gähm. Isa a ganga.

Österreich wählt

Gestern hat Österreich einen neuen Bundespräsidenten gewählt. Zum guten Glück wurde der amtierende Alexander van der Bellen mit über 60% wieder gewählt.

Und zum guten Glück hat er sich geweigert, bei den verschiedenen Fernsehrunden vor der Wahl mitzumachen. Er wäre von den Spinnern, die sich neben ihm zur Wahl stellten auf deren niedriges, zum Teil lächerliches Niveau herabgezogen worden.

Ich freue mich für den neuen/alten Bundespräsidenten, der bisher ein über Österreich hinaus leuchtendes Beispiel dafür abgegeben hat, wie man dieses Amt mit Würde und einer Prise Humor ausfüllen kann.

„Wir sind nicht so“ und „Es ist schon wieder was passiert“, mit diesen Sätzen wird er in die Geschichte eingehen. Er hat, ohne auszuteilen, klar gemacht, was er von den Unsäglichkeiten der Politiker der ÖVP und der FPÖ hält.

Gleichzeitig macht das Wahlergebnis aber auch besorgt, sind die anderen Wählerstimmen doch immerhin mit 14% auf einen Rechtsradikalen entfallen und mit je 8% auf die übrigen Vollpfosten, denen es gelungen ist, die Wahl zum höchsten Amt im Staat dazu zu benutzen, alle Welt von ihrer Vollpfostigkeit zu überzeugen.

Vielleicht sollte das alles auch mit Österreich versöhnen, ist es doch ein Land, das sich einen solchen Schmäh leisten kann, ohne dabei unterzugehen.

Et tu felix Austria elige!

Das geht uns alles gar nichts an.

Ich habe die ganze Zeit gedacht, ich müsste mich über das, was Putin tut, aufregen, ich müsste mich in Solidarität mit den anderen wiegen, ich müsste ihn verurteilen und alles ganz schrecklich finden.

Aber: Im Traum widerfuhr mir Erleuchtung.

Das, was wir im Westen machen, ist Einmischung in die inneren Angelegenheiten Russlands. Was die da machen, geht uns überhaupt nichts an, deshalb sagen ja die vereinigten Linksrechten*innen die Wahrheit, wenn sie meinen, wir ruinierten ohne Grund unsere Wirtschaft und wir setzten die Bevölkerung willkürlich dem Frostbeulismus aus. Sanktionen, Diplomatie, Waffenlieferungen, Menschenrechte, alles Tinneff.

Denn was der liebe Putin da macht, ist doch nur, seine russischen Landsleute vor dem Terrorismus benachbarter Nazis zu schützen. Er holt seine Landsleute wieder heim ins Reich, an den weiten Busen von Mütterchen Russland. Und seht nur: er fragt sie zuvor sogar, ob sie das wollen.

Das Bisserl Teilmobilmachung (der Name sagts ja schon) was ist das in einem so großen Land wie Russland? Hat ein wenig Drill jungen Männern nicht schon immer gut getan? Stichwort Schule der Nation. Der Krieg ist der Vater aller Dinge, pardon, die militärische Spezialoperation ist die Mutter aller Dinge. Und, das sollte man auch nicht vergessen: Wo gehobelt wird, fallen Späne.

Weshalb regen wir uns also auf? Nur weil das alles näher liegt als das Schicksal der Uiguren? Schon Göte, der Dichterfürst, Sie wissen schon, hat gesagt, dass wir uns da raushalten sollen:

„Wenn hinten weit an Dnjepr’s Lauf

„Die Völker aufeinanderschlagen

„Man sitzt im Sofus, trinkt sein Bierchen aus

„Man wartet, dass die Fußball-Jungs den Gegner plagen

„Und später schlüpft man froh zu Mutti-Maus.

Ein Gespenst geht durch Europa: Die Russophobie.

Wenn der gute Putin das alles so haben will, dann sagt man als gute Franke nur: „Lassd na doch sei Frääd!“

Drrrring, drrrring, drrrring. Der Scheißwecker ruft.

Und schwupp, ist man wieder in der kruden Realität.

Wenn das Hirn aufwacht, wird eben alles schwieriger.

Geht Ihnen das auch so?

Männerverachtend

Die Presse berichtet von einer Frau, die in Polizeigefängnis einer Stadt im Iran zu Tode kam. Es wird vermutet, dass sie derart misshandelt wurde, dass sie schließlich ihren Verletzungen erlag.

Was war passiert? Die 22jährige Frau hat, so wird berichtet, das vorgeschriebene Kopftuch zu lässig gebunden. Mann konnte ihr Haar sehen. Das wurde von der Sitten- und Religionspolizei als unsittlich empfunden. Man verhaftete sie, der Rest, siehe oben.

Das Schicksal dieser jungen Frau hat weltweit, ja sogar im Iran selbst, zu Protesten geführt. Das ist richtig so und muss bei ähnlichen Fällen, die kommen werden, wieder so sei.

Angesichts des Schicksals dieser Frau lohnt es, einmal darüber nachzudenken, was hinter all dem steckt.

Es ist ja noch nicht allzu lange her, da wurden in viktorianischer Zeit, die Beine der Pianofortes mit schwarzem Samt verdeckt, damit die Zuhörer nicht auf unsittliche Gedanken kämen. Lachen Sie nicht, so war es.

Nicht derjenige, der unsittliche Gedanken bekommt ist der Sittenstrolch, sondern ein Gegenstand der Beine hat, oder in heutiger Zeit, eine Frau das Haar zeigt.

Es gibt ja sogar Religionswächter im Nahen Osten, die verlangen, dass Männer Bart tragen müssen, da ein glattes Kinn bei ihren Geschlechtsgenossen unsittliche Gedanken auslösen kann, geschweige denn eine Frau, die nicht verhüllt in die Öffentlichkeit geht.

Offenbar ist es so, dass man in Kreisen nahöstlicher Religionshüter der Meinung ist, der Mann sei eine wilde, triebhafte Bestie, die in ihrem kruden Fortpflanzungsdrang nicht in der Lage ist, einen rasierten Mann von einer Frau zu unterscheiden. Er muss vor sich selbst geschützt werden, deshalb darf das andere Geschlecht ihn auf keinen Fall reizen.

Was ist denn das für ein Bild von uns Männern?

Natürlich ist es gut, wenn Frauen gegen Misshandlung, Unterdrückung und Schleierpflicht auf die Straße gehen, um zu protestieren.

Aber sollten nicht auch wir Männer protestieren?

Wir sind keine Sexual-Zombies, vor denen keine Frau sicher sein kann. Es ist männerfeindlich, was da im Nahen Osten gepredigt wird.

Manchmal habe ich den Eindruck, die Religionshüter am Golf haben Angst vor den Beatles:

Why don’t we do it in the road…

Und nachher?

Ob die letzten Tage wirklich die Wende im Ukraine Krieg eingeläutet haben, wage ich zu bezweifeln.

Sicher ist aber, dass dieser Krieg irgendwann zu Ende gehen wird.

Wenn Russland verliert, wird auch Putin und seine Clique aus dem Kreml verschwinden.

Wenn der Krieg aber siegreich oder unentschieden für Russland ausgeht, dann stellt sich die Frage, wie die Welt mit Verbrechern umgeht.

Es ist schlichtweg undenkbar, zum business as usual zurückzukehren, wenn die Waffen schweigen und Putin noch immer an seinem langen Tisch sitzt.

Wenn der Rest der Welt wieder normale Beziehungen zu Russland pflegen will, dann muss es Ziel alles Strebens sein, einen Regimewechsel in Moskau herbeizuführen. Wenn es gelänge die Kriegsverbrecher von Moskau vor den internationalen Gerichtshof im Haag bringen, dann wäre der Krieg wirklich gewonnen.

Im Westen muss es immer glasklar sein, dass der Gegner nicht das russische Volk ist, sondern dessen Regierung.

Deutschland ist das beste Beispiel dafür, wie die Welt mit einer von Verbrechern willig fehlgeleiteten Bevölkerung umgehen muss und kann. Natürlich soll man den Russen vorwerfen, dass sie blind der Propaganda des Kremls nachlaufen. Ebenso war es vor 1945 mit den Deutschen. Es ist offenbar so, dass man kollektiven Heldenmut nur von angegriffenen Völkern erwarten kann, nie von der Bevölkerung aggressiver Länder.

Deshalb ist es jetzt so wichtig, die Ukraine zu unterstützen. Ein Unentschieden oder gar ein Sieg Putins muss unter allen Umständen verhindert werden.

Es steht ja nicht nur die Freiheit der Ukraine auf dem Spiel. Es geht darum, dem Völkerrecht wieder Respekt zu schaffen. Es war schon sträflich genug, wie man dem Mann in Moskau es einfach so hat durchgehen lassen, als er sich die Krim unter den Nagel riss.

Völkerrecht, Unantastbarkeit bestehender Grenzen, Respektierung der Menschenrechte und ungehinderter Austausch von Gedanken, Menschen und Waren, das muss Ziel aller Nachkriegspolitik sein.

Wir werden Russland und all die anderen üblichen Verdächtigen nicht zu lupenrein demokratischen Staaten umformen können. Seien wir froh, wenn es gelingt, unsere Werte selbst zu bewahren, sie zu exportieren ist nur in den seltensten Fällen gelungen.

Erkennst du das Buchstabenfeld?

Im kleinen Schanigarten hinter dem Amalienplatz gibt es jetzt Pilsner Urquell vom Fass. Nach einem längeren Spaziergang am vergangenen Samstagabend machten wir einen kleinen Schlenker, um dort dem sportlichen Ereignis die verdiente Krone aufzusetzen. Auf der Terrasse saßen bereits drei Japanerinnen und ein Paar. Sie und er hielten je ein Handy in der Hand und lächelten uns irgendwie gequält an. Zumindest eines der Telefone war auf „Lautsprecher“ gestellt.

Bald stellte sich heraus weshalb. Am Ende der Leitung befand sich eine Dame, die von ihr mit „Mutti“ angesprochen wurde, von ihm mit „gnädige Frau“.

Es wurde deutlich, dass die Dame wünschte einen Film anzusehen, dessen Titel mit „Letzter“ beginnt.

  • Wenn du den sehen willst, musst du in die Mediathek gehen.
  • Wir haben Samstagabend. Glaubst du, die hat noch auf? Und wo finde ich die?
  • Mutti, die Mediathek findest du in deinem PC.
  • Und wo da?
  • Gnädige Frau, sind Sie auf der Startseite des ZDF?
  • Natürlich, das habe ich Gundi doch schon gesagt!
  • Gut so, dann gehen Sie jetzt auf Mediathek.
  • Wie soll ich denn das machen, junger Mann?
  • „Mutti geh mit der Maus hin, also mit dem Pfeil, den du mit der Maus auf deinem Bildschirm bewegen kannst.

Unterdessen war unser Bier gekommen. Wir prosteten uns zu in der Gewissheit, dass dies kein gemütlicher Biergartenbesuch werden würde. Wir beneideten die Japanerinnen, allerdings umsonst. Madames Stimme war schriller geworden, das hörten auch die Töchter Nippons und verdrehten die Augen.

  • Wie soll ich das denn machen?… Mediathek sagtest du?  Ach ja, jetzt hab ich da was.
  • Gnädige Frau, sehen Sie links oben ein Buchstabenfeld?
  • Gundi, was redet der? Was ist ein Buchstabenfeld?
  • Das sieht etwa so aus wie die Tastatur einer Schreibmaschine. Du findest es links oben auf deinem Bildschirm.
  • Meinst du das mit den vielen Buchstaben?
  • Ja.
  • Das ist aber kein Buchstabenfeld. Das sieht aus wie die Tastatur meiner alten Schreibmaschine.

Nun wurde auch Gundis Stimme schriller.

  • Eben, und da gehst du jetzt mit der Maus drauf und drückst auf das L.
  • Warum?
  • Weil der Titel des Filmes, den Sie sehen wollen, mit L beginnt. Und dann gehen Sie bitte auf E.
  • Einfach so?
  • Ja.
  • Mutti und jetzt gehst du auf T, dann auf Z…
  • Nicht so schnell, Gundilein, ich bin eine alte Frau.
  • Hast Du Z?
  • Ja
  • Dann jetzt so weiter, bis du Letzter getippt hast. Dann drückst du die Leertaste

Eine halbe Minute herrschte Stille, dann krächzte der Lautsprecher erneut:

  • Was ist eine Leertaste.
  • Die drückt man, um zwei Worte voneinander zu trennen.
  • Da passiert gar nichts.
  • Hast Du nicht die Leertaste auf dem Buchstabenfeld gefunden.
  • Das hättest du mir sagen müssen, ich habe die Leertaste auf meinem Computer gedrückt. Wo sagtest du, ist die Leertaste?

Gundilein ließ sich verzweifelt in den Gartenstuhl sinken.

  • Gnädige Frau, wenn Sie das Wort „Letzter“ korrekt eingegeben haben, sollten unter dem Buchstabenfeld alle Filme auftauchen, deren Titel mit diesem Wort anfängt.
  • Da kommt aber nichts.
  • Mutti, hast du „Letzter richtig geschrieben?
  • Erlaube mal! Wofür hältst du mich?
  • Gnädige Frau, bitte buchstabieren Sie einmal für mich, was Sie geschrieben haben.
  • Huch, wie konnte das nur passieren? Da habe ich doch tatsächlich eines der beiden Ts vergessen. Ich glaube das Beste wäre, wenn ich alles lösche und von vorne anfange.

„Bloß nicht“, riefen die beiden, wir, der Wirt und auch die Japanerinnen schienen einzustimmen.

  • Was ist denn das bei euch für ein Krach? Da kann sich ja kein Mensch konzentrieren!

Wir leerten schnell unsere Gläser, zahlten und verschwanden.

Bei die Doro

Auf Ibiza hatte ich einen Freund, Achim. Er kam aus Nürnberg und das hörte man auch.

Oft gingen wir abends zum Essen aus und er bestand immer darauf, dass wir seinen Lieblingswein bestellten. Warum auch nicht. Er rief dann laut dem Kellner hinterher´: „Draenos un Sichlo Saggo.“ „Una Botella?“ fragte der Kellner. „Hombre, no freilich!“

Den Wein gibt es heute noch und er heißt heute noch Siglo Saco. Die Flasche wird in einen Sack eingenäht, das schützte beim Transport auf Eselskarren und hat sich einfach erhalten. Meist blieb es nicht bei einer Flasche. Ich fuhr ihn immer nach Hause zu seiner Inge, deren Hund ihn verlässlich verbellte, weil er den Betrunkenen nicht erkannte. Ich war natürlich nicht weniger voll. Damals galt auf Ibiza die Regel, solange man keinen Unfall baut, gibt es keine Promillegrenze. Das war natürlich in höchstem Maße unverantwortlich. Wir waren allerdings alle durchgehend unverantwortlich. Wir lebten in den Tag hinein und wunderten uns, wenn wir im Winter, wenn die Touristen ausblieben, kein Geld mehr hatten.

Achim hatte Glück, seine Inge war im Immobiliengeschäft. Da lief immer irgendwas.

Eines Tages kam es ganz aufgeregt in die Bar, wo wir morgens immer unseren café con leche zu uns nahmen. Also, das gestern, das sei wirklich ein tolles Erlebnis gewesen. Er sei „bei die Doro“ gewesen.

Vorsichtig fragte ich ihn, ob ihm denn seine Inge nicht genug sei, ob er denn wirklich seinen Status als im Winter ausgehaltener Liebhaber aufs Spiel setzen wolle? Achim sah mich verständnislos an. Erst dann schaltete ich meinen fränkischen Sprachumwandler ein und übersetzte: Er war nicht bei einer womöglich hübschen Dame namens Doro gewesen sondern bei den Stieren, „bei den Toros.“

Damals gab es in der Stadt Ibiza noch eine Stierkampfarena. Später kaufte sie mein Freund Pepe, er mit dem langen Nagel am kleinen Finger, auf, und baute dort ohne jegliche Baugenehmigung einen überdachten Markt hin. Zu seinem größten Erstaunen musste er das Werk nach jahrelangem Tauziehen wieder abreißen. Pepe schimpfte auf die Demokratie und meinte, unter Franco wäre ihm das nicht passiert, womit er wahrscheinlich richtig lag. Das Rund der Arena kann man noch heute vor dem Hotel Royal Plaza sehen.

Nach Ibiza kamen nur unbedeutende Toreros. Einer war ein Deutscher, Rüdiger von der Goltz. Den habe ich mal interviewt. Damals war ich Sprecher beim deutschsprachigen Radio auf Ibiza.

Aber zurück zu Achim. Der wandelte sich in Kürze zum Stierkampfexperten, schwärmte von der männlichen Eleganz der Toreros, der „bravura“ der Stiere und der Leichtfüßigkeit der Banderilleros, „die wo dena Fregger die Fähnla nein Rüggn steggn.“

Er ließ fortan keine der seltenen Corridas aus und träumte davon, einmal in Madrid oder Sevilla einen der Großen zu sehen.

Es wurde nichts daraus. Er verließ die Insel gedemütigt, enttäuscht und verzweifelt in Richtung Nürnberg. Er hatte eine Affaire mit Concha, einer feurigen Andalusierin, die er in der Arena kennen gelernt hatte.

Inge fand das heraus und verstieß ihn. Und so ganz ohne die Unterstützung seiner Gönnerin konnte er nicht leben, er hätte ja ganzjährig arbeiten müssen. Wer will das schon auf Ibiza.