Warum tust Du Dir das an?

In der Weihnachtspost fielen mir zwei Karten auf, die sich auf meine Schreiberei in facebook bezogen.

In der einen wurde ich gefragt, warum ich mir das antue, ich setzte mich ja auch enormem Widerspruch aus, in der anderen schrieb ein Freund, er amüsiere sich über meine linken Ansichten.

Beide Meldungen nehme ich zum Anlass darzulegen, weshalb ich auf dieser Plattform ab und zu lustige Geschichten schreibe und weshalb ich auch immer wieder Überlegungen zu unseren durch die Verfassung garantierten Grundrechten anstelle.

Die erste Frage ist am leichtesten zu beantworten: Ich schreibe gern, ich unterhalte gern und wenn das gefällt, umso besser. Dann aber wird es schon schwieriger.

Ich bin in einem kleinen Dorf in Unterfranken aufgewachsen. Mein Beiname „der Schloss-Hans“ sagt alles. Dort war die Zeit stehen geblieben und mit ihr die Gedanken und die Zustände. Man kann mit Fug und Recht sagen, dass ich in einer demokratiefernen Umgebung aufgewachsen bin.

Vom Sozialkundeunterricht im Internat blieb mir eigentlich nur im Gedächtnis, dass der Lehrer, als wird das Justizsystem durchnahmen, sagte: „Passt auf, es könnte sein, dass ihr einmal in die Verlegenheit kommt, zeugen zu müssen.“

Was Demokratie wirklich ist, habe ich erst an der Uni unter der Rubrik Staatslehre I und II gelernt. Ich war beeindruckt und begeistert. Und dann zog ich nach Spanien, wo ich miterleben durfte, wie ein autoritärer Staat zu einer Demokratie wird.

Als ich 2014 nach Deutschland zurückkehrte, merkte ich, dass nicht nur in der Allgemeinheit, sondern auch unter meinen Bekannten, Verwandten und Freunden ein erschreckendes Maß an Unwissen über die Konsequenzen dessen besteht, Grundrechte zu haben. Ich stellte fest, dass der Konsum derselben bereitwillig angenommen wird, es aber offenbar nicht klar ist, dass auch anderen diese Grundrechte zustehen. Um es primitiv zu sagen, mancher denkt, die Grundrechte hätten genau die eigene Schuhgröße, sagen wir 43. Es gibt aber auch Menschen mit Schuhgröße 36 und solche mit 46. Die Grundrechte sind nicht starr, sie sind nicht so, wie es einem passt, nein, sie müssen weit interpretierbar sein, damit sie auch Menschen mit anderer Meinung passen.

Im vergangenen Jahr bin ich mit meinen Beiträgen mehrfach angeeckt.

Ad eins: Religionsfreiheit. Dass diese auch für Nichtchristen gilt, scheint zu erschrecken. Dass der Staat sich aus der Religion heraushalten muss, wird oft nicht verstanden. Die Tatsache, dass Religion Privatsache eines jeden Einzelnen ist, führte zu Widerspruch. Dass die Freiheit, seinen Glauben zu praktizieren, in Deutschland auch für solche Menschen gilt, in deren Heimat Christen unterdrückt werden, führte zu Beleidigungen. Dass das Grundgesetz über dem Glauben steht, wurde negiert.

Ad zwei: Abtreibung: Ich bin dagegen. Dessen ungeachtet aber weiß ich, dass der demokratische Staat gesetzliche Regelungern bereithalten muss, die es Frauen ermöglichen, eine Schwangerschaft abzubrechen, wenn das Austragen neuen Lebens unzumutbar ist. Da wurde sofort geantwortet, ich redete Mördern das Wort. Was Mord ist, entscheidet das Gesetz und die Gerichte, die es anwenden. Man kann, wie ich auch, gegen Abtreibung sein, aber niemandem steht es zu, die Mordkeule auszupacken und damit jede abweichende Meinung und jeden abweichenden Lebensentwurf totzuschlagen. So unverständlich es für Viele klingen mag: Die Notwendigkeit einer gesetzlichen Abtreibungsregelung ist Konsequenz der Menschenwürde.

Ad drei: Migranten. September 2015 war ein Notstand. Die Bundeskanzlerin öffnete damals keine Grenzen, die waren nämlich in der EU eh schon offen. Sie sagte lediglich, dass Deutschland so viele wie irgend möglich dieser Flüchtlinge aufnehmen würde. Das sei Gesetzesbruch gewesen, wurde argumentiert. Seltsamerweise hat sich bislang noch kein deutsches oder europäisches Gericht finden lassen, das das auch so sieht. Dass ich noch dazu die Meinung vertrat, man werde angesichts der demographischen Entwicklung in Deutschland über diesen Zuzug dankbar sein, führte dazu, dass man mir vorwarf, der Islamisierung Deutschlands das Wort zu reden. Es gibt keinen Anspruch darauf, dass Deutschland auf ewig überwiegend christlich geprägt bleibt. Wobei, unter uns, die Angst vor der Islamisierung ist beim derzeitigen Stand der Dinge geradezu lachhaft. Läuft unter der Abteilung Panikmache.

Ad vier: Ehe für alle. Ich finde das gut. Hier haben wir ein Beispiel dafür, dass die Politik sehr spät hat erkennen wollen, dass es mit der Würde des Menschen nicht vereinbar ist, jemanden wegen seiner sexuellen Orientierung zu diskriminieren. Immerhin handelt es sich um eine einvernehmliche Hinneigung zum eigenen Geschlecht. Das ist weder eine Sünde noch ein Defekt, das gibt es, seit es Menschen gibt. Homosexualität schadet niemandem. Ich habe mir sagen lassen, es gäbe heterosexuelle Hinneigungen, die erheblichen Schaden anrichten.

Dies kurz zu meiner Motivation. Sie ist weder links noch rechts. Ich denke, ich sollte da weitermachen, zumal dann, wenn im kommenden Jahr wieder mal jemand politischen, intellektuellen, moralischen oder wissenschaftlichen Dünnpfiff verbreitet.

Das war’s für dieses Jahr. Ich wünsche allen meinen Freunden, Lesern und Gegnern frohe und gesegnete Weihnachten sowie ein gesundes und diskutierfreudiges Neues Jahr.

Ist Missbrauch katholisch?

Nein! Missbrauch hat gar keine Konfession, zumal diese Untat überall vorkommt. Seien es katholische oder evangelische Typen, die seltsamerweise Würdenträger genannt werden, Missbrauch gibt es weltweit, auch in Moscheen, auch in buddhistischen Klöstern, Hindu Tempeln und Synagogen.

In meiner Jugend wurden immer wieder Leiter von Kinderchören wegen Missbrauchs angeklagt. Das zeigt aber nur, dass man sich gegen Kleriker nicht getraut hat, aufzustehen. Fußballtrainer, Pfadfinder, Theaterintendanten, berühmte Dirigenten und Hollywood Größen, alle wurden dabei erwischt. „Würdenträger“ bezeichnenderweise damals noch nicht.

Nun schon. Das macht nachdenklich, denn bei aller Diskussion um die Opfer, deren Entschädigung und über die Zustände, die den Missbrauch in irischen Gemeinden möglich machten; kam manchmal der Eindruck auf, man müsse „Würdenträger“ sein, um für solch abscheuliche Taten prädestiniert zu sein.

Wenn man näher hinschaut, ist es die Autorität, die die Menschen dazu bringt, sich herauszunehmen, anderen Menschen Gewalt anzutun. Homo homini lupus.

Es ist ja nichts Neues, dass von vielen Menschen das Ausleben ihres Sexualtriebes als Waffe zur Unterdrückung anderer, zur Gewalt genutzt wird.

Der Unterdrücker, der Tyrann, der Diktator muss immer in der Machtstruktur, in der Hierarchie über seinem Opfer stehen. Wenn dem nicht so wäre, könnte es ja zu einvernehmlichem Sex kommen, eine Horrorvorstellung für jeden Missbraucher.

Überall dort, wo ein Mann unumstößliche Wahrheiten verkündet, überall dort, wo ein Mann über Karrieren entscheidet, ist Widerspruch nicht geduldet und deshalb ist es für die Opfer schwer, über die Tat selbst zu sprechen oder gar den Aggressor anzuzeigen.

Es sind nicht die Kirche oder die Religion denen man allein die Verantwortung für das Geschehene zurechnen muss.

Schuld sind die Verhältnisse. Natürlich muss es Hierarchien geben, natürlich muss es Vorgesetzte geben. Aber solange die Verhältnisse es zulassen, dass jemand, der aufsteigt, denkt, für ihn hatte das geltende Recht nur sehr eingeschränkt Bedeutung, solange wird es Missbrauch geben. Hinzu kommt, dass das Leben diesen Typen ja sogar Recht gab. Wer hat sich denn gegen fingernde Popen, grapschende Dirigenten und schweinigelnde Produzenten und Vergewaltiger am Arbeitsplatz geweht?

Es ist doch ganz neu, dass die Opfer klerikalen Missbrauchs sich melden und die „Me Too“ Bewegung ist auch noch recht jung.

Natürlich muss von jedem Mächtigen korrektes Verhalten erwartet werden. Aber was passiert, wenn dies nicht eingefordert wird? Er wird übergriffig. Zuerst ein wenig, dann mehr und schließlich merkt er, dass er sich ungestraft alles erlauben kann.

Wenn die Mächtigen denken, sie könnten sich über die Rechte anderer hinwegsetzen, ohne dass das Konsequenzen nach sich zieht, dann ist das ein Strukturproblem unserer Gesellschaft. Dem kann man nur so begegnen, dass allen klargemacht wird, dass das Grundrecht auf Unverletzlichkeit des Körpers, auf Selbstbestimmung etwas ist, das jeder auf den eigenen Fingerspitzen tragen muss.

Wenn „die da oben“ meinen, solcher Firlefanz gelte für sie nicht, dann müssen „die da unten“ in die Lage versetzt werden, ihre Rechte zu verteidigen.

Das beginnt leider oft damit, dass erstmal klar gemacht werden muss, dass jeder Mensch unveräußerliche Grundrechte hat, die sich in dem Satz „die Würde des Menschen ist unantastbar“ zusammenfassen lassen.

Man sollte das Fach Zivilcourage an den Schulen einführen.

Spielschulden sind Ehrenschulden

Ein entfernter Verwandter meines Urgroßvaters diente nicht in Franken, sondern in der k.u.k. Armee als Oberleutnant. Er war in Galizien stationiert, wo es im Winter kalt, im Sommer heiß, immer aber langweilig war.

Man vertrieb sich die Zeit beim Spiel, und nachdem der Oberleutnant all sein Geld „verjeut“ hatte, stellte er fest, dass er bei seinem Regimentskommandeur riesige Spielschulden hatte, die er mit seinem mickrigen Sold nie werde abbezahlen können.

Der Kommandeur war mit einer sehr begüterten Wienerin verheiratet und hatte es wirklich nicht notwendig, auf der Bezahlung der Spielschulden zu bestehen. Dennoch bestellte er den Untergebenen zu sich und machte ihm in einem Privatissimum klar: „Spuilschuidn san Ehrnschuidn.“

Da der Schuldner wusste, dass an eine Bezahlung gar nicht zu denken war, kam diese Bemerkung einer Aufforderung zum Selbstmord gleich.

Unser armer Oberleutnant machte qualvolle Tage und Nächte durch, als ihn nach einer Woche der Kommandeur erneut einbestellte. Wieder begann er seine Rede mit dem schon bekannten Satz. „Spuilschuidn san Ehrnschuidn,“ und der junge Mann dachte schon, als nächstes werde ihm ein Revolver gereicht, als er freundlich gebeten wurde, Platz zu nehmen. Der Adjutant reichte Cognac und Zigarren und nachdem dieser sich zurückgezogen hatte, begann der Kommandeur zu sprechen.

Er machte darauf aufmerksam, wie viele wertvolle Leben das Laster des Spiels schon gekostet habe, er verstand auch die Seelenpein derer, denen es materiell unmöglich war, die Ehrenschuld abzutragen, um dann zu wirklichen Grund seiner Einladung zu kommen. Er habe in Wien eine einzige Tochter, Erbin des beträchtlichen Vermögens ihrer Mutter. Diese Tochter, ein reizendes Geschöpf übrigens, sei bisher unverheiratet, und wenn der Kamerad Oberleutnant die junge Dame heiraten würde, wolle der Kommandant auf die Zahlung der Spielschulden verzichten, darüber hinaus bot er eine ansehnliche Mitgift aus.

Ohne zu zögern oder gar zu überlegen, schlug der erleichterte junge Mann ein. Noch ehe er nach Wien fahren konnte, um seine Braut kennenzulernen, wurde die Verlobung in der Wiener Presse angezeigt, da gab es kein Zurück mehr.

Es stellt sich heraus, dass die Braut unbeschreiblich hässlich war. Als der Brautvater die Schockstarre des Bräutigams bemerkte, flüsterte er ihm ins Ohr „Spuilschuid san Ehrnschuidn.“ Der junge Mann entspannte sich und bald schon wurde Hochzeit gefeiert.

Die Ehe soll sehr glücklich gewesen sein. Mit dem riesigen Vermögen der frühversterbenden Mutter zog man sich nach Bamberg in eine Villa am Schillerplatz zurück. Dort wuchsen die drei Töchter auf, die durch die Bank nach der Mutter geraten waren. Sie hatten deren Aussehen und deren Wiener Akzent geerbt, nicht aber deren Vermögen. Der klägliche Rest desselben musste ja auch noch dreigeteilt werden. Keine hat je geheiratet. Immerhin blieb ihnen die Villa am Schillerplatz. Bekannt als „die drei Schillerplätzchen“ waren sie in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts der Schrecken so manchen jungen Mannes. Die Schillerplätzchen fühlten sich mit allen noch so entfernt Verwandten ganz nah verwandt, und wenn ein fescher Leutnant seine Dame auf der Langen Gasse in Bamberg ausführte, konnte es passieren, dass drei ältere Damen auf ihn zustürmten, und riefen „Geh her, kriegst an Schmatz.“ Das war für die Beziehung zu der jeweiligen jungen Dame in den seltensten Fällen förderlich.

Unser Vater wurde öfters mit einem „Schmatz“ bedroht und erzählte uns Kindern die Geschichte immer wieder, um uns vor den Gefahren des „jeuens“ zu warnen.

Immerhin: Keinen von uns fünf Geschwistern hat je die Versuchung des Glücksspiels gepackt.

Grundrechte sind nicht reziprok

Gestern sah ich auf facebook einen übel zugerichteten Mann in Ketten. Darunter stand, das sei einer, der Minderjährige vergewaltigt habe und im Gefängnis von seinen Mitgefangenen 20 Stunden lang „behandelt“ worden sei. Er habe das verdient, wenn nicht Schlimmeres.

Zunächst ist dazu zu sagen, dass es ein Totalversagen der Gefängnisverwaltung ist, wenn es gelingt, einen Häftling 20 Stunden lang zu quälen.

Doch nun zu meinem Hauptanliegen: Der Mann hat weder das noch Schlimmeres verdient.

Es ist schwer zu verstehen, aber die Tatsache, dass sich ein Vergewaltiger nicht um die Menschenwürde seiner Opfer schert, bedeutet nicht, dass dadurch seine eigene Menschenwürde antastbar würde.

Aus zwei Gründen: Das Recht zu strafen liegt ausschließlich in der Hand des Staates. Man nennt das Gewaltmonopol. Nur der Staat durch seine dazu per Gesetz ermächtigten Organe darf strafen. Damit soll unter anderem der Lynchjustiz („zwirnd na nauf!“) entgegengetreten werden, aber es soll damit auch gesichert werden, dass vergleichbare Straftaten vergleichbar bestraft werden.

Der zweite Grund ist Artikel 1 unseres Grundgesetzes: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Das ist ein absoluter Satz. Er kann nicht relativiert werden. Die Menschenwürde gehört zu den Grundrechten und die sind durch die Ewigkeitsgarantie des Grundgesetzes geschützt (Art 79,3 GG).

Das bedeutet, die Grundrechte dürfen weder abgeschafft noch in ihrem Wesensgehalt verändert werden.

Offenbar existiert im Bewusstsein vieler Menschen der Grundgedanke, dass nur dem Gutes zusteht, der selbst gut ist, also Menschenrechte nur für den, der diese auch selbst praktiziert. Das klingt zuerst einmal einleuchtend. Das aber kann nur dort funktionieren, wo ein Tyrann oder ein tyrannisches System für sich in Anspruch nimmt, Wohltaten oder deren Gegenteil unter der Bevölkerung zu verteilen.

Demokratische Verfassungen wollen gerade dies verhindern. Nicht der gesunde Menschenverstand oder das Empfinden der Masse ist entscheidend, sondern das, was das Recht sagt. Das Recht in einem demokratischen Staat hat seine primäre Aufgabe darin, das Individuum vor der Übergriffigkeit von Staat und Mitmenschen zu schützen.

Grundrechte sind niemals reziprok. Das ist an der Religionsfreiheit, ein weiteres Grundrecht, besonders deutlich zu erklären: Immer wieder wird gefordert, in Deutschland nur in dem Maße Moscheen zuzulassen, in dem die muslimischen Staaten den Bau christlicher Kirchen erlauben.

Dass vielerorts das Christentum oder andere Religionen unterdrückt werden, ist primär ein Zeichen dafür, dass in diesen unterdrückenden Staaten keine demokratischen Verhältnisse herrschen.

Es kann nicht sein, dass ein demokratischer Staat mit undemokratischen Mitteln reagiert, nur weil undemokratische Staaten undemokratisch handeln.

Es ist immer wieder erstaunlich festzustellen, wie sehr mündige Staatsbürger die Grundrechte genießen, ohne zu wissen, was das für sie selbst aber auch für ihre Beziehungen zu den anderen bedeutet.

Jeder hat das Recht, über Verbrechen, Untaten, Ungerechtigkeiten und Missbrauch jeglicher Art empört zu sein. Aber niemand, wirklich niemand hat das Recht, dasselbe in die eigene Hand zu nehmen. Wenn wir sehen, dass diese Maxime vielerorts nicht eingehalten wird, bedeutet das nicht, dass wir uns auch nichtmehr daran halten müssen.

Es gibt keine selektive Zuteilung von Grundrechten. Wo dies dennoch geschieht, herrscht das Unrecht.

Über die Unwahrheit

Gelogen wurde schon immer. Manchmal wurde sogar zum Wohle des Volkes gelogen. Als Merkel und Steinbrück in der Kuppel des Reichstages versicherten, die Einlagen der deutschen Sparer seien sicher, wussten sie zumindest nicht, ob sie die Wahrheit sagten, eher ist anzunehmen, dass die eine „fromme Lüge“ verbreiteten. Allerdings wäre eine andere Aussage damals eine Katastrophe gewesen.

Ich erinnere mich, als Kind ein Interview mit Adenauer gesehen zu haben. Er wurde darin gefragt, ob er als Politiker je gelogen hätte. Er hat die Frage nicht beantwortet und sich war entsetzt. Adenauer ein Lügner? Das haute mein damaliges Wertesystem in kleine Stücke.

Man log damals nicht, oder besser, man ließ sich nicht dabei erwischen. Als Strauß und viel später Schäuble dabei erwischt wurden, hatte das einen gewaltigen Karriereknick zur Folge.

Es gehört einiges Geschick dazu, nicht die Wahrheit zu sagen. Die Unwahrheit muss ja plausibel klingen, und wenn die Sauerei auffliegt, muss erkennbar werden, weshalb gelogen worden war. War es eine „fromme Lüge“ (s.o.), war es eine diplomatische Lüge, war es eine Notlüge? Das war alles verwerflich, aber verständlich, weil man für die „res publica“ log. Nicht geduldet wurden Lügen, die die eigene Bereicherung verdeckten oder deutlich den Versuch erkennen ließen, die eigene Person zu schützen.

Sehr beliebt war der charmante Lügner, der jedes Telefongespräch mit einer Dame stets damit begann, zu versichern, gnädige Frau sähen heute Morgen wieder phantastisch aus.

Bismarck hat die Trilogie der Lügen wunderbar auf den Punkt gebracht: „Nirgend wird so viel gelogen wie vor der Wahl, im Krieg und nach der Jagd.“

Da wusste an, woran man war, Lügen waren einschätzbar und ihrem Zweck nach zuzuordnen.

Offenbar hat sich das unterdessen geändert. Neulich hat der Bundestag darüber diskutiert, ob das rechtsunverbindliche UN Migrationsabkommen nicht etwa doch gegen den Text desselben doch rechtsverbindlich sein könnte. Es ging nur darum, die Lüge zu streuen, die eigenen Anhänger würden ja sowieso nur das aufnehmen oder nur das sehen, was ihnen verhackstückt durch die sozialen Medien vorgelegt wird.

Dann glauben auf einmal ganz viele Menschen einem Sardellen legenden Phrasendrescher, in Afrika säßen Millionen auf gepackten Koffern, um sich baldmöglichst in von Deutschen bereitgestellte Hängematten zu legen. Das ist schon einmal deshalb zynisch und unwahr, weil diese bedauernswerten Mitmenschen weder das Geld haben, sich einen Koffer zu kaufen, und noch viel weniger Eigentum haben, das sie in denselben verstauen könnten.

Es geht nurmehr darum, die zweckdienliche Unwahrheit in die Welt zu blasen, aliquid haeret. Irgendwas bleibt hängen, das wusste schon Cicero.

Was nützt es, wenn Lügen noch so kurze Beine haben? Dem professionellen Lügner ist es vollkommen egal, wenn seine Gegner das von ihm Gesagte als die Unwahrheit entlarven. Es reicht, wenn die Gefolgsleute es glauben, oder gar hämisch grinsen, weil „der Unsere“ den anderen mal wieder so richtig heimgeleuchtet hat.

Lügen, ob notwendig, fromm oder diplomatisch immer sind widerlich und bisher noch nicht zur Maxime eines allgemeinen Handelns geworden.

Wirklich?

Gerade ist in Buenos Aires der G20 Gipfel zu Ende gegangen. Dort haben sich die Gottsöberschdn von China, Saudi-Arabien, Russland und der USA getroffen. Deren Bosse haben die Lüge zur Maxime ihres Handelns gemacht.