Ubi catacombae sunt?

Während des zweiten Weltkrieges fand sich mein Vater plötzlich in Rom wieder. Er musste einige Tage warten, bis ihn ein Flugzeug nach Tunesien übersetzen konnte.

Was tut der deutsche Bildungsbürger in Rom? Er schaut sich um und staunt. Heute gibt es wenige Europäer, die noch nie in Rom waren, aber damals war eine Reise dorthin noch lang und beschwerlich, selbst dann, wenn man die Eisenbahn nahm.

So lief auch mein Vater damals mit geistig offenem Mund durch sie Straßen und Gassen der ewigen Stadt, genoss es Zivil tragen zu können und leistete sich so manchen Espresso auf dem Platz vor dem Pantheon oder den wuseligen Straßen der Innenstadt.

Irgendwann dachte er, nun habe er alles gesehen, da fielen ihm die Katakomben ein. Er wusste, dass sie außerhalb der Stadt liegen, aber er wusste nicht wo. Seine Kenntnisse der italienischen Sprache waren inexistent und so wartete er den Moment ab, bis, wie er sich ausdrückte, ein „schwarzer Deibel“ seinen Weg kreuzte. Damals liefern die katholischen Priester noch mit schwarzer Soutane herum und hatten einen Hut auf, der so aussah wie der der Bauern aus dem Dachauer Moos, nur größer. Einen solchen Priester wollte er nach dem Weg fragen, in der Annahme, er werde Latein verstehen.

„Ubi catacombae sunt?“ fragte er den nächstbesten und der antwortete lachend mit Tiroler Akzent: „Da nehmens die Buslinie 118 ab der Pyramide“.

Viele Jahre später besuchten wir Rom. Als wir an der Kasse der der Katakomben Schlage standen, erzählte uns meine Mutter, die uns begleitet hatte, mit allen Anzeichen der Schreckens ja des Abscheus, sie sei neulich auf einer Taufe eingeladen gewesen, und der arme Bub habe den Namen „Emil“ abbekommen. „Wie können sich Eltern nur so versündigen“, schloss sie ihren Bericht ab. Da passierte das Unvermeidliche. Der Wartende vor uns drehte sich um und sagte: „Gnädige Frau, ich heiße Emil.“

Am Neujahrstag pilgerten wir auf den Petersplatz, wo eine Kapelle mit Bergmannsuniformen aufspielte, französische Feuerwehrleute die „Marseillaise“ runterschmetterten und italienische Musiker unterm Federbusch die italienische Nationalhymne vortrugen. Ich sang mit: „Fratelli d’Italia, l‘Italia s’è desta.“ Da drehte sich ein riesiger Italiener um und schnauzte mich an, ich solle damit aufhören, zumal als Deutscher… Unsere Tochter rettete die Situation, indem sie dem Wütenden klarmachte, eigentlich seien wir Spanier. Wir hätten nur deutsch gesprochen, weil „la Nonna“, die käme aus Deutschland. Wir schieden versöhnt und als Freunde für’s Leben.

Rom ist natürlich stets ein Erlebnis, nicht aber für einen jungen Mann in der Pubertät. Unser Sohn hatte bald von so viel Kultur, Papst im Fenster und unterirdischen Gräbern die Nase gestrichen voll. Als wir am Neujahrstag abends ins Hotel gingen, grüßte der Polizist vor einer Wache nebenan freundlich mit „Auguri“. The angry young man antwortete mit „Auguri, tu madre!“ Den Rest des Weges sind wir dann gerannt.

Ich entdeckte damals die außerordentliche Architektur der Jesuitenkirche „il Gesú“, ärgerte mich darüber, dass auf der Weltkugel über dem Eingang zur Sakristei im Petersdom zwar Mallorca zu sehen war, nicht aber Ibiza und wurde bei jedem besichtigten Weltkulturerbe heiterer. Ich freute mich daran, dass das alles umsonst war. Die Rotenhans sind rechtzeitig evangelisch geworden, und haben mit keinem Heller zur Finanzierung beigetragen. Meine Frau findet seither, ich sei ein rückwirkender Geizkragen.

 

 

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