Das Recht auf die eigene Menstruation.

Wer erinnert sich noch? Es war die Zeit, in der es begann, dass man eigentlich über alles reden konnte. Nur Eines war tabu: Frauen führten eine geheimnisvolle Tabelle, in die sie ihren männlichen Freunden, Kommilitonen, Kollegen und Bekannten keinen Einblick gewährten. Es wurde nicht darüber gesprochen, aber es wurde fleißig darauf herumgekritzelt.

Es handelte sich um den Perioden Kalender. Ihn zu führen war Voraussetzung dafür, um nach der Knaus-Ogino Methode verhüten zu können. Wenn ich mich recht erinnere, war das die einzige Form der Empfängnisverhütung, die Pillen Paule in seiner Enzyklika „Humanae vitae“ gerade noch durchgehen ließ. Knaus-Ogino war bekannt für seine legendäre Unzuverlässigkeit.

Ich erinnere mich an eine Karikatur, die heute natürlich längst als politisch unkorrekt geächtet wäre, dort sah man eine Sau, an deren unzähligen Zitzen je ein Ferkel saugte. In der Sprechblase stand: „Ich habe verhütet, mit Knaus-Ogino.“

Heute führt niemand mehr ein Menstruations-Tagebuch, das übernimmt längst schon eine kluge App. Dass damit einhergeht, dass persönliche Daten aus dem Umfeld der Nachkastl-Schublade in die weite Welt verabschiedet werden, nahm man hin, einfach deshalb, weil Frauen mit Recht davon ausgehen konnten, dass die Buchhaltung über den eigenen Monatszyklus nicht nur niemand etwas angingen, sondern auch niemanden interessierten.

Seit letzter Woche ist das nun anders: Das oberste Gericht der USA hat das Recht auf Abtreibung abgeschafft. Seither löschen hunderttausende von US-Bürgerinnen ihre Perioden Kalender Apps.

Denn plötzlich könnten diese Apps zu Beweismitteln werden, die Frauen, aber nicht nur die, ins Gefängnis bringen.

Wie das? Man reibt sich verwundert die Augen. Die Sache ist ebenso einfach wie perfide.

Diese Apps halten den Zeitpunkt gehabter Perioden fest. Sie halten aber auch den Zeitpunkt ausbleibender Perioden fest. Und von dann ist die Sache ganz einfach: Eine ausbleibende Periode führt zu einer Geburt. Bleibt die aus, geht der Staatsanwalt von einer gehabten Abtreibung aus. Die Beweislast, dass dem nicht so war, liegt bei der Frau. Und da alles miteinander vernetzt ist, kann man feststellen, ob die Frau ein Taxi bestellt hat, das sie zur Praxis eines Gynäkologen gebracht hat, ob eine Apotheke einschlägige Mittel verkauft hat, wer am betreffenden Tag in der Arztpraxis Dienst hatte und Vieles mehr.

Das Urteil des Supreme Court nimmt somit alle Frauen in Geiselhaft, alle Frauen, bei denen eine Periode ausgeblieben ist, sind per se erstmal verdächtig eine Straftat begangen zu haben. Es sei denn, sie kann beweisen, dass dem nicht so ist. Wie kann man das?

Es ist nicht nur das Abtreibungsverbot selbst, das einen massiven Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht der Frau darstellt, nein, mit einem Handstreich werden alle Frauen im gebärfähigen Alter kriminalisiert.

Ich weiß nicht wieso, aber irgendwie erinnert mich das ans Mittelalter. Damals gelang es auch schon, Frauen zu kriminalisieren. Der Vorwurf lautete, Sex mit dem Teufel gehabt zu haben. Das war absurd, führte aber dennoch schnurstracks auf den Scheiterhaufen.

Es fällt mir schwer, zu glauben, die von Männern beherrschte Welt, suche noch heutigentags nach instrumentalisierten Methoden der Unterdrückung der Frau. Das Urteil der Richterinnen und Richter aus Washington hat mich eines Besseren belehrt.

Allerdings, und das finde ich besonders erschreckend: Wir müssen nicht über den Atlantik schauen. Unser Nachbarland im Osten – Polen – praktiziert die beschriebene Kriminalisierung der Frau schon seit Langem.

Phönix aus der Asche

Wenn du durchfällst, darfst du im Sommer nicht zum Austausch nach England.

Natürlich flog ich mit Pauken und Trompeten durch. Da sagte mein Vater. „Zur Strafe musst du jetzt nach England, weil du auch wegen Englisch nicht versetzt worden bist.“ Man schrieb das Jahr 1966.

Diese Reise steht mir auch noch nach so vielen Jahren sehr deutlich vor Augen, denn es schien ein Ausflug in ein anderes Jahrhundert zu sein. Es gab da zwar auch Autos, aber die waren uralt, an Häusern und Fabriken schien seit Jahrzehnten nichts mehr gemacht worden zu sein und dann gewinnen diese Kerle auch noch die Fußball-WM.

Die allgemeine Rückständigkeit im Vergleich zu meiner Heimat stach ins Auge. Schließlich fragte ich unseren Gastgeber, woran das denn läge und der antwortete etwas kryptisch: „If you are in war, it is convenient to fight on Amerca`s side, but later you are better off as the defeated.“

Ich habe nicht gleich verstanden, was er damit sagen wollte. Es war nichts anderes als das Phönix aus der Asche Axiom: Wenn alles darnieder liegt, ist ein Neuanfang leichter als ein Neustart mit repariertem Alten.

Nach dem Krieg war in Deutschland fast alles zerstört. Die damalige Bundesrepublik hat aus dem Marshall Plan enorm profitiert, England hat mit dem weitergemacht, was nicht zerstört worden war.

So wenig man irgendeinem Land eine solche Situation wünschen kann und will, weder als Sieger noch als Besiegter, so sehr erinnert mich das alles an die derzeitige Situation in der Ukraine:

Mit unsäglicher Brutalität und Phantasielosigkeit zerstört Russland seinen „Bruderstaat“. Ganze Industrieregionen liegen in Trümmern, halbe Städte ebenso. Gleichzeitig blutet der Unhold, der Aggressor langsam wirtschaftlich aus. Wenn es – hoffentlich bald – zu einem Waffenstillstand kommen wird, werden sich insbesondere die bisher nichtsahnenden Russen die Augen reiben, weil ihnen das Geld und die internationale Unterstützung fehlen werden, das Land weiterzuentwickeln.

Nach Elmau aber wissen wir, dass die G7 Staaten „whatever it takes“ unternehmen werden, damit die Ukraine den Krieg nicht verliert und danach wieder auf die Füße kommt. Letzteres wird natürlich auf dem Stand der technischen und wissenschaftlichen Entwicklung geschehen. Das wird dann etwa mit der Situation vergleichbar sein, die ich 1966 erlebt habe.

Bei allem Entsetzen über das, was in der Ukraine passiert, stimmt mich diese Aussicht zuversichtlich.

Vielleicht sollten wir zum Ausgleich die Russen die Fußball WM gewinnen lassen.

Bitte nicht triumphieren.

Neulich las ich, jedes Kind sei das genuine Werk Gottes. Das ist sachlich falsch, weil Leben durch die Vereinigung von weiblichem Ei mit männlichem Samen entsteht. Andererseits ist diese Feststellung religiös übergriffig, denn sie bedeutet ja, dass auch ein indisches Kind das Werk unseres christlichen Gottes ist, es sei denn man will den Gottesbegriff relativieren, indem alle Gottheiten ein und dasselbe sind, nur anders heißen.

Alle Menschen leben in einer irgendwie gearteten staatlichen Gemeinschaft. Wenn man das Glück hat, in einer Demokratie zu leben, dann ist diese nicht dazu berufen, religiöse Inhalte zu transportieren. Vielmehr muss sie Regeln aufstellen, mit der Menschen der unterschiedlichsten Überzeugungen zusammenleben können.

Wer das auch so sieht, der wird einsehen müssen, dass gestern ein schwarzer Tag für Demokraten war: Das oberste US-Gericht hat das fast 50 Jahre alte liberale Abtreibungsrecht im Land kassiert.

Konservative Christen freuen sich darüber. Das sei ihnen gegönnt.

Kein mit Empathie gesegneter Mensch findet, dass eine Abtreibung ein erstrebenswertes Ziel sei. Eine schwangere Frau zur Abtreibung zu zwingen, ist ein abscheuliches Verbrechen. Wenn der Staat allerdings eine schwangere Frau daran hindert, sich für einen Schwangerschaftsabbruch zu entscheiden, dann wird er seiner Pflicht zur allgemeinen Fürsorge nicht gerecht.

Der demokratische Rechtsstaat muss für seine Bürger Instrumentarien bereithalten, die es ihm ermöglichen, sein Recht auf Selbstbestimmung zu verwirklichen.

Halt, wird da so mancher rufen, das Recht auf Selbstbestimmung hört beim Fötus auf. Das ist aber nur dann richtig, wenn man aus religiöser Überzeugung heraus argumentiert. Wenn Solches zur Maxime der Auslegung der Grundrechte würde, ließe man solche Menschen außen vor, die nicht religiös sind. Darf man das?

Ja, denn das ungeborene Leben muss geschützt werden, das geht allem anderen vor. Okay, dann leben wir aber nicht mehr in einer Demokratie, sondern in einem Gottesstaat.

Ein demokratischer Rechtsstaat ist per definitionem areligiös. Er muss Wege und Gesetze finden, die es Menschen aller Überzeugungen ermöglichen, friedlich und selbstbestimmt unter seinem Dach zusammenzuleben.

Die Menschenrechte definieren sich ohne Gottesbezug. Der demokratische Rechtsstaat muss deshalb Möglichkeiten der Lebensgestaltung gewährleisten, die eventuell den religiösen Überzeugungen einiger seiner Bürger zuwiderlaufen können. Krasses Beispiel: Man kann Bluttransfusionen nicht verbieten, nur weil Zeugen Jehovas das für Sünde halten.

Ich kann verstehen, wenn viele Christen den gestrigen Richterspruch mit Freude und Genugtuung aufgenommen haben.

Es wäre allerdings gut, deshalb nicht zu triumphieren, denn unser Gemeinwesen, in dem Christen ja auch leben, hat gestern erheblichen Schaden genommen.

Der Supreme Court hat sich als Popanz des amerikanischen Populismus geoutet, denn am Tag bevor er Abtreibung verbot, hat er entschieden, dass das Tragen von Waffen in der Öffentlichkeit ein Grundrecht sei.

Fazit: Auf Lebende darf man schießen, ein ungeborenes Leben aber nicht abtreiben. In den USA ist es gefährlicher geboren als ungeboren zu sein.

Das Dorf als autarke Einheit

Wenn früher jemand „die Greng“ hatte, dann lief er in die nächste Stadt zum Doggder.

Wenn es etwas Schwerwiegenderes war, dann handelte es sich um die „Freggn“, dann kam der Doggder nein Haus nei, es sei denn, die Sache war aussichtslos.

Von meinem Heimatort Rentweinsdorf war die nächste Stadt, Ebern, vier Kilometer entfernt. Dorthin lief man und auf dem Heimweg machte man einen kleinen Abstecher in die Abbodegn, so man en Röhrla mit Dableedn bekam. Weil die Lauferei langweilig war, kam so Mancher auf die Idee, die Dableedn nach und nach aufzuessen. Zu Hause angekommen, war er dann genesen.

Für anderes musste man das Dorf nicht verlassen. Es gab zwei Bäcker, zwei Metzger, vier Tante-Emma-Läden, zwei Brauereien, zwei Schmiede, drei Wirtschaften und einen Schreiner. Es gab auch zwei Haarschneider. Wir gingen zum Kaims Walter. Dort traf sich die Fußball Prominenz des Ortes. Auf dem Rasiertisch befand sich eine Schachtel, auf der stand „Hygiene und Sicherheit“.

Andere Buben gingen zum Barbier im Unterdorf. Die erkannte man daran, dass sie eine frühe Version von Volahieku hatten: Vorne blieb ein Liebreiz stehen alles andere wurde auf Millimeterlänge abrasiert. Das hielt dann etwa drei Monate.

Der Barbier (wer erinnert sich noch an seinen Namen?) machte auch Hausbesuche. Den gebrauchten Rasierschaum nahm er nachher mit und schmiss ihn bei denen, die er nicht mochte, in den Hausflur.

Der Barbier rasierte auch meinen Großvater. Er kam dazu regelmäßig ins Haus. Wir hatten etwas Angst vor ihm, weil wirklich aussah, als sei er aus der Welt gefallen.  Auch am 11. Mai 1959 rasierte er unseren Großvater. Als er mit der rechten Seite fertig war, merkte er, dass der alte Herr unter seiner Klinge verstorben war und ging nach Hause. Gutes Zureden half, er kam dann noch einmal und beendete sein Werk. Für uns Kinder kam der Trauerfall äußerst ungelegen, denn es war gerade Kirchweih. Wir durften die Losbuden und die Karussells zwar sehen, aber wir durften die Dorfstraße nicht überqueren, um am Trubel teil zu haben.

Zu einem der Bäcker wurden am Freitag die „Blootz“ hinausgetragen, riesige runde Hefekuchen, die dort in den Ofen geschoben wurden. Die Frauen trugen auf jeder Hüfte einen davon und hielten sie außen mit den Händen fest. Wir machten uns einen Spaß daraus, hinterher zu laufen und riefen: „Geh zu, batsch amol nei die Händ.“

Am Dienstag und Freitag kam der Pfarrer in die Schule und erteilte Religionsunterricht. Am Dienstag schimpfte er, dass wieder mehr Leute zum Fußballplatz als in seine Kirche gegangen wären, und am Freitag drohte er mit Höllenstrafen für diejenigen, die wieder den Kirchgang versäumen würden.

Vor den Höllenqualen hatten wir keine Angst, denn wir mussten jeden Sonntag in die Kirche, wo wir uns quälend langweilten. Später gab es Kindergottesdienst, den unsere Mutter leitete: Das hatte den Nachteil, dass wir aufpassen und uns benehmen mussten.

Richtig toll war es, wenn Kartoffeln für die Schweinemast gedämpft wurden, dann gab es für uns Kinder Aardöpfl mit Dibbdibb, Pellkartoffeln mit Salz.

Und wenn Kerwa war, und grad mal kein Verwandter gestorben war, war das auch schön.

Bewaffnet die Messdiener!

Die USA haben 330 Millionen Einwohner. Auf jeden von denen kommen 1,2 Schusswaffen, macht knappe 400 Millionen.

Roosevelt hat im 2.Weltkrieg den Alliierten Waffen geliehen, mit der Begründung, wer werde dem Nachbar den Gartenschlauch verweigern, wenn dessen Haus brennt. Wie wäre es, wenn die Amis ihre Waffen den Ukrainern ausliehen?

Dann wären die für einen Guerilla-Krieg gerüstet und die amerikanischen Schüler könnten ruhig und gefahrlos in die Schule gehen.

Um sich verteidigen zu können, benötigt man Waffen, gutes Zureden hilft bekanntlich nur begrenzt.

Das gilt vollkommen zweifellos für diejenigen, die sich gegen Putins Überfall wehren. Die amerikanische Innenpolitik will nun der Welt weismachen, das gelte auch für die wiederkehrenden Amokläufe in Schulen, Kirchen oder Supermärkten:

„Gegen einen bewaffneten Schurken hilft nur ein bewaffneter gesetzestreuer Bürger.“

Das ist eine Argumentation zum Gebrauch derer bestimmt, die den tiefen Teller nicht erfunden haben.

Gegen einen Aggressor von außen hilft nur der bewaffnete Widerstand. Gegen 1,2 Schusswaffen pro Kopf der eigenen Bevölkerung hilft nur eine Veränderung der Gesetzeslage. Dass jeder Amerikaner ein Recht hat, eine Waffe zu tragen, das stammt aus der Zeit, als Siedler auf einsamen Gehöften wohnten. Dieses Recht heute in einer zumeist urbanen Umwelt für notwendig zu erachten, ist nichts weiter als Macho-Gehabe von Männern, die sich ihrer Männlichkeit nicht sicher sind.

In Deutschland gibt es so was Ähnliches: Dort dürfen Männer, die sich ihrer Männlichkeit nicht sicher sind, mit 180 km/h über die Autobahn brausen. Also Vorsicht, wer behauptet, nur die amerikanische Politik sei lobbyverseucht.

Das Recht, eine Waffe zu tragen ist ebenso sinnlos, wie das Recht, rasen zu dürfen. Es ist aber nicht nur sinnlos, es ist auch gefährlich.

Nun hat unser aller Freund Trump auf der Vereinsfeier der Waffenlobby gesagt, man müsse die Lehrer bewaffnen, dann könnten die ihre Schulen verteidigen. Das hätte den Vorteil, dass ein hoffnungsfroher Amokläufer vorher keine Waffe besorgen müsste, weil er ja weiß, dass er in jedem Klassenzimmer eine finden würde.

Aber „uns Donald“ greift wieder mal zu kurz. Er vergisst die Kirchen, ein bekannter Magnet für Amokläufer.

Man stelle sich vor, das Sakrament von einem Pfarrer gespendet zu bekommen, von dem man weiß, dass er unter dem Talar eine geladene Pistole trägt.  Da erfährt der Begriff „Barmherzigkeit“ eine Erweiterung, die zu erhoffen, so mancher aufgegeben hat.

Und wie niedlich die Vorstellung, die Messdiener würden bei der Wandlung die Glöckchen klingen lassen, wenn aber ein bewaffneter Bösewicht kommt, dann ziehen sie eine Glock unter dem roten Talar hervor.

Der Westen ist der Böse

Je länger dieser Krieg dauert desto mehr wird die These laut, an allem schuld sei der Westen. Man habe Russland in die Enge getrieben, man habe Russland provoziert und vergessen, dass ein Volk auch einen Stolz habe.

Da ist natürlich was dran. Ich habe es als einen der größten Fehler erachtet, als Obama davon sprach, Russland sei nurmehr eine Regionalmacht. Nein, es war kein Fehler, es war eine Dummheit. Der Satz hat den USA nichts gebracht außer dem Trotz und dem Hass der Russen.

Dennoch ist es eine an Dümmlichkeit grenzende Wichtigtuerei, zu behaupten, der Westen sei verantwortlich für den Krieg.

Für einen Krieg ist immer der verantwortlich, der ihn beginnt, derjenige, der die Politik beiseitelegt und zur Waffe greift.

Der Aggressor ist Russland. Es sind russische Soldaten, die Zielschießen auf radelnde Opas spielen, es sind russische Raketen, die ganze Landstriche verwüsten und es ist Russlands Verantwortung, wenn in Ländern der Dritten Welt Hunger ausbrechen wird, weil ukrainisches Mehl und ukrainisches Sonnenblumenöl nichtmehr zu den Konsumenten kommen.

Wir dürfen nie vergessen: Der Aggressor ist Russland oder genauer Putin und seine Spießgesellen.

Die Blödsinnigkeit der Behauptung, der Westen habe den Krieg zu verantworten, wird dann deutlich, wenn man den alten Machospruch bemüht, wonach das Opfer selbst schuld an der Vergewaltigung sei, der kurze Rock habe den Täter provoziert.

Das Internat als kulinarischer Höhepunkt

Als ich 1961 nach Schondorf ins Internat kam, eröffneten sich mir vollkommen neue und unerwartete Welten. Was uns dort zum Essen geboten wurde, war für mich der siebte Himmel. Während meine Klassenkameraden am Essen herummäkelten, war ich begeistert.

Es gab Köstlichkeiten, die es allein deshalb waren, weil es so etwas zu Hause nie gab. Ich erinnere mich an Rinderherz mit Kartoffelbrei. „Das sieht eklig aus“ schreien die einen. „Das schmeckt auch so“ skandierten die anderen.

Labskaus dito. Dieses vollkommen unbayerische Gericht wurde serviert, weil Fritze Fölisch im Krieg zur See gefahren war und die Küche ihm eine Freude machen wollte.

Ich fand alles nur köstlich, was auch kein Wunder war, denn die fränkische Küche auf in einem Schloss, in dem auch noch leibfeindliche Lutheraner wohnten, war durchaus übersichtlich. Es gab das, was nichts kostete, also Wild. Nur war das immer derart durchgebraten, dass auch dicke Mehlschwitzen die Sache nicht genießbar machten. Abends gab es im Sommer saure Milch. Die hatte immerhin den Vorteil, dass wir Zucker und Zimt darüber streuen durften.

Mittags gab es oft Auflauf. Einmal mussten wir um Ostern rum meinen Auflauf aus einem zufällig in der Speisekammer entdeckten Christstollen essen. Speziell war auch ein backsteingroßer Brocken Gefrierfisch, der mit einer Dose Tomaten übergossen wurde und dann in der Röhre heiß werden sollte, was nicht immer gelang.

In Schondorf gab es am Sonntag wunderbaren Hefezopf der – man stelle sich das vor – Butter und Marmelade bestrichen wurde.

„Der Marmelade merkt man an, dass sie neben der Wurst gestanden hat,“ mäkelte jemand. Bei uns war die Marmelade von Wurst und Käse im Eisschrank umzingelt, ja und?

Im Internat gab es Schweineschnitzel, Apfelstrudel, Müsli und manchmal Backhendl. Fräulein Beck erlaubte, dass man diese mit der Hand essen dürfe, allerdings nur mit einer gleichzeitig.

Es herrschte überhaupt große Vielfalt und Abwechslung. Daheim gab es zu Bohnenzeit Bohnen, mal mit Kartoffeln, mal mit Nudeln, und wenn die Tomaten reif waren, gab es die wochenlang zum Abendbrot mal mit Kräuterquark, mal mit Quark.

Im Internat aber bekamen wir abends rote Nudeln und Heidelbeeren mit Milch, der Himmel tat sich auf!

Gleich war nur das Tischgebet vor dem Essen.

Einmal wurde es im Speisesaal vom lauten Lachen einer der Schüler unterbrochen. Der Täter wurde zur Rede gestellt und berichtete, er habe gerade gebetet „Komm Harr Jesus sei unser Gast“, als er aus der Küche die grelle Stimme von Frau Held, der Oberköchin, hörte. Sie rief: „I kimm glei!“

Water – Gym

Mit der Begründung, so könne es nicht weitergehen, hat uns meine Frau zur Wassergymnastik angemeldet. Ganz in der Nähe hat ein ReHa Zentrum aufgemacht.

Wir gehen immer zum Termin um 17.30 Uhr weil um 18.30 Uhr riecht es manchmal nach Käsefüßen oder sonst was. Naja, die Dusche vorher ist ja auch nicht „mandatory“, ein Wort, das man in Berlin pandemiebedingt lernt, wenn man S-Bahn fährt.

Dort bezieht es sich aber auf die Maske.

Der Spaß kostet jedes Mal 12 € pro Nase. Ich darf gar nicht daran denken, dass man dafür in jedem fränkischen Gasthaus einen Schweinsbraten mit mindestens einem Kloß bekommt.

Nun gut, zur vorgegebenen Zeit lassen etwa zehn ältere Herrschaften ihre Revuekörper ins vorgewärmte Wasser gleiten, und dann geht es los.

Die Kommandos lauten hopp, zack zack und stopp. Etwas minimalistisch, wie ich finde.

Eine gertenschlanke Dame turnt vorne vor und es scheint anstrengend zu sein, denn sie kommt ganz schön ins Schwitzen. Wir haben Wasserkühlung, dennoch ist es ratsam aus olfaktorischen Gründen den Mindestabstand zu halten, Maske ist nur bis zum Beckenrand „mandatory“.

Das Problem ist die Uhr. Sie hängt hinter der Vorhopserin und geht einfach nicht ums Verrecken vorwärts. Zur Aufwärmung sollen wir Laufvortäuschungen machen und dabei mit den Armen wedeln. Ich langweile mich dabei und studiere die Veränderungen des Tattoos auf dem Rücken der Zweizentnerdame vor mir. Schier endlos laufe ich unter Wasser, dann sind grad mal drei Minuten vergangen. Es ist zum Verzweifeln, denn die Session dauert 45 Minuten.

Manchmal bekommen wir Scheiben, die den Widerstand des Wassers erhöhen sollen. Bis alle so ein Ding haben vergeht locker eine Minute. Hopp, jetzt linker Arm hoch und dabei mit dem rechten horizontale eine Bewegung machen, zack zack. Ich komme mir vor, wie der Schupo am Potsdamer Platz, von dessen akrobatischem Können meine Großmutter so oft erzählt hat.

Gestern bekamen wir einen Besenstiel in die Hand, mit dem wir Bewegungen vorführen sollten, die zu machen ich ohne Besenstiel nicht auf die Idee gekommen wäre. Gestern war ich der einzige Mann und ich muss zu meiner Schande zugeben, dass die neun anwesenden Damen den Besenstiel behänder manipulierten als ich. Offenbar ist es Hausfrauen vollkommen geläufig, mit gekreuzten Händen ein solches Instrument am Rücken auf und ab zubewegen. Die gertenschlanke Dame meinte, das sei eine Dehnübung. Ein Blick auf die Uhr tröstete mich, eine viertel Stunde war schon rum.

„Und jetzt mit Schwung dem Stock aus dem Wasser und über den Kopf.“ Die anwesenden Damen wurden gewarnt, dabei könne es tropfen, wer gerade erst beim Friseur war, müsse nicht mitmachen.

Ich beschloss, einfach nicht mehr zu denken, mal sehen, ob die Zeit dann besser fliest. Nein, aber ich überhörte den Stoppbefehl und erntete missbilligende Blicke der pensionierten Oberlehrerin neben mir. Sie hatte rotgefärbte Haare, passend zum fliederfarbenen Badeanzug.

Dann wurde geklatscht. Damit zeigt man seine Zufriedenheit mit dem, was die gertenschlanke Dame vorgehopst hatte, wenn alles vorbei ist.

An der Pforte riet mir der freundliche Herr, doch einmal zu versuchen, ob die Krankenkasse einen Teil der Kosten übernähme.

Cita prévia.

Seit langem war geplant, dass ich am Montag und Dienstag in Palma sein würde, um beim Notar zwei Erbschaften abzuwickeln.

Am Freitag erfuhr ich, dass je ein wichtiges Dokument fehlt, nämlich das „certificado de últimas voluntades“, also eine Bestätigung ob und wenn ja bei welchem Notar in Spanien ein Testament hinterlegt worden sei. Das stellt die Dépendance des Justizministeriums in Palma aus

Macht ja nix, da geh ich halt am Montag an aller Früh hin.

Ja, aber vorher musst du die Gebühr zahlen, 3,86 € pro Zertifikat.

Mach ich, kein Problem.

Doch Problem, in die Bank kommst du nur noch mit „cita prévia“ mit vorheriger Terminvereinbarung rein.

Na, das werd ich schon irgendwie deichseln.

Nur, wie kommst du dann in die Dépendance des Justizministeriums rein? Da brauchst du auch eine „cita prévia“.

Ich verfiel in leichte Panik, denn ich weiß, wie streng man in Spanien bei der Durchführung von Bestimmungen ist, die dafür sorgen, dass Arbeit nicht in Arbeitswut ausartet.

Ich grübelte. Am Sonntag, kurz vor dem Abflug, hatte ich endlich die rettende Idee: Ich werde mich als Ausländer verkleiden. Also packte ich meinen Lodenjanker ein, sowas nennt man in Spanien „tirolés“. Kein Mensch kommt in Palma auf die Idee, sich mit so einem Kleidungsstück lächerlich zu machen. Ich aber setzte auf den Mitleideffekt: Da kommt einer in seiner Tracht aus seinem engen, schneebedeckten Alpental nach Palma, und dann haut man ihm eine cita prévia vor den Latz.

In die Bank kam ich, weil die Putzfrau gerade die Tür aufgemacht hatte, scheiterte aber am Kassenschalter.

¿Tiene cita prévia?“ Ich verneinte, verwies aber darauf, von dieser Neuerung nichts gewusst zu haben, schließlich sei ich Ausländer. Die Dame blieb unerbittlich und weigerte sich von mir zwei Mal 3,86 € entgegenzunehmen. Da winkte mir das Glück: Die Filiale hatte einen neuen Leiter bekommen, den ich kannte, und schon nahm man gnädig mein Geld an.

Schwieriger war es beim Justizministerium. Dort saß an der Tür eine „securata“, eine Sicherheitsagentin, deren Aufgabe es eigentlich ist, mich davon abzuhalten, dass Haus mit einer Pistole bewaffnet zu betreten. Stattdessen prüfte sie in einem Akt eklatanter Kompetenzüberschreitung meine Unterlagen nach juristischen Gesichtspunkten. Sie wurden für korrekt befunden, mir aber wurde erneut die Frage nach der „cita prévia“ gestellt. Davon wüsste ich nichts in meiner fernen Heimat, stammelte ich, erwähnte die Beschwerlichkeit der Flugreisen samt Maskenpflicht und wurde dann tatsächlich durchgelassen, obwohl der Sicherheitsbogen gefiept hatte.

Oben, wo normalerweise reger Geschäftsbetrieb herrscht, traf ich auf gähnende Leere. Offenbar werden für den Montag keine „cittas prévias“ ausgegeben. Irgendwann muss der Beamte ja auch mal ungestört arbeiten können, vulgo in der Nase bohren, was die Vorzimmerdame genussvoll betrieb. Sie prüfte meine Unterlagen nicht, sondern betrachtete amüsiert meine Verkleidung. Ich stammelte erneut meine Mär vom Flugzeug, von meiner Unwissenheit, der Maske und überhaupt – und fand gnädiges Gehör. Ich konnte gerade noch erwähnen, dass über ihrem Haupte offenbar ein heller Schein schwebe, da befand ich mich schon vor dem Schreibtisch der Amtsleiterin und bekam in wenigen Minuten meine beiden Zertifikate.

Den „tirolés“ habe ich erst neulich in Wien gekauft. Er hat 260 € gekostet. Eine sehr lohnende Investition.