Phönix aus der Asche

Wenn du durchfällst, darfst du im Sommer nicht zum Austausch nach England.

Natürlich flog ich mit Pauken und Trompeten durch. Da sagte mein Vater. „Zur Strafe musst du jetzt nach England, weil du auch wegen Englisch nicht versetzt worden bist.“ Man schrieb das Jahr 1966.

Diese Reise steht mir auch noch nach so vielen Jahren sehr deutlich vor Augen, denn es schien ein Ausflug in ein anderes Jahrhundert zu sein. Es gab da zwar auch Autos, aber die waren uralt, an Häusern und Fabriken schien seit Jahrzehnten nichts mehr gemacht worden zu sein und dann gewinnen diese Kerle auch noch die Fußball-WM.

Die allgemeine Rückständigkeit im Vergleich zu meiner Heimat stach ins Auge. Schließlich fragte ich unseren Gastgeber, woran das denn läge und der antwortete etwas kryptisch: „If you are in war, it is convenient to fight on Amerca`s side, but later you are better off as the defeated.“

Ich habe nicht gleich verstanden, was er damit sagen wollte. Es war nichts anderes als das Phönix aus der Asche Axiom: Wenn alles darnieder liegt, ist ein Neuanfang leichter als ein Neustart mit repariertem Alten.

Nach dem Krieg war in Deutschland fast alles zerstört. Die damalige Bundesrepublik hat aus dem Marshall Plan enorm profitiert, England hat mit dem weitergemacht, was nicht zerstört worden war.

So wenig man irgendeinem Land eine solche Situation wünschen kann und will, weder als Sieger noch als Besiegter, so sehr erinnert mich das alles an die derzeitige Situation in der Ukraine:

Mit unsäglicher Brutalität und Phantasielosigkeit zerstört Russland seinen „Bruderstaat“. Ganze Industrieregionen liegen in Trümmern, halbe Städte ebenso. Gleichzeitig blutet der Unhold, der Aggressor langsam wirtschaftlich aus. Wenn es – hoffentlich bald – zu einem Waffenstillstand kommen wird, werden sich insbesondere die bisher nichtsahnenden Russen die Augen reiben, weil ihnen das Geld und die internationale Unterstützung fehlen werden, das Land weiterzuentwickeln.

Nach Elmau aber wissen wir, dass die G7 Staaten „whatever it takes“ unternehmen werden, damit die Ukraine den Krieg nicht verliert und danach wieder auf die Füße kommt. Letzteres wird natürlich auf dem Stand der technischen und wissenschaftlichen Entwicklung geschehen. Das wird dann etwa mit der Situation vergleichbar sein, die ich 1966 erlebt habe.

Bei allem Entsetzen über das, was in der Ukraine passiert, stimmt mich diese Aussicht zuversichtlich.

Vielleicht sollten wir zum Ausgleich die Russen die Fußball WM gewinnen lassen.

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