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Ihr könnt unsere Hurensöhne werden

Ihr könnt unsere Hurensöhne werden

Als auf dem amerikanischen Kontinent außer in den USA und Kanada sich fast ausschließlich Diktatoren tummelten, war das Credo der US-Außenpolitik einfach: „He is a son of a bitch, but he is our son of a bitch!“

Handels-, Sicherheits- und Machtpolitik waren wichtig. Einen Gedanken daran zu verschwenden, was die Hurensöhne mit ihrem Volk anstellten, wäre da nur hinderlich gewesen.

Viel belächelt war Jimmy Carter der erste US-Präsident, dem es wichtig war, dass diejenigen mit denen er sprach, wenn sie schon die Menschenrechte nicht achteten, so doch wenigstens ein paar unangenehme Minuten lang erdulden mussten, wie er ihnen die Leviten las.

Seither gehört es zum Pflichtprogramm demokratischer Politiker, dass sie beim Besuch ihrer nicht ganz so demokratischen Kollegen auf die Einhaltung der Menschenrechte drängen. Viel hilft es nicht, aber steter Tropfen höhlt den Stein, auch dann, wenn man oft den Eindruck hat, die Bundeskanzlerin mahne den Diktator XY nur deshalb, weil es zu Hause gut ankommt.

Es ist den USA zu verdanken, dass die Wahrung der Menschenrechte nach 1945 in Europa in die Verfassungen geschrieben wurde, und dass in der UNO darauf geachtet wurde, dass die Mitglieder wenigstes die Charta dieser Rechte unterschrieben.

Die Generation meines Vaters hat noch belächelt, dass die Sieger, und allen voran die USA, mit ihrem „way of life“ hausieren gingen. „Das wird nicht klappen, es gibt eben Gesellschaften, die funktionieren nicht in Freiheit. Warum sollen wir die missionieren?“ Gleichzeitig wurde massiv gespendet für die Missionierung Neu-Guineas etc.

Ich bin sicher, dass es nie gelingen wird, dass überall auf der Welt die Menschenrechte geachtet werden. Dennoch muss es unser Anspruch bleiben, daran zu arbeiten. „The pursuit of happiness“ wird in der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung beschworen. Wie aber kann man glücklich sein in einem Land, in dem gefoltert wird, wo es keine freie Presse gibt, wo Gewerkschaften verboten sind, wo sich Wenige auf Kosten der Vielen bereichern, wo Bürgerkrieg herrscht?

Nun hat der 45. Präsident in seiner viel beachteten Rede in Riad vor fünfzig Potentaten aus der Region gesagt, er sei nicht gekommen, um ihnen zu erklären, wie sie leben sollten. Allgemein wurde das so verstanden, dass er seinen Geschäftspartnern nicht weiter mit den Menschenrechten auf die Nerven gehen wolle.

Man fragt sich unwillkürlich, was der Präsident von den Menschenrechten im Inland hält, wenn er den Anspruch auf sie im Ausland fallen lässt?

„Immerhin dient es dem Geschäft“ atmen die Bosse auf.

Der Verdacht breitet sich immer mehr aus, dass der 45. Präsident gar keine Politik macht. Es geht ihm nur ums Geschäft. Er ruft den Potentaten dieser Welt zu: „Ihr könnt unsere Hurensöhne werden! Lasst Euch nicht weiter von den europäischen Prinzipienreitern ärgern! Buy american, we do not care a dime about human rights, we just care about dimes!“

Das widerspricht allem, wofür die USA seit über 200 Jahren stehen. Das widerspricht allem, wofür sich die Gründerväter eingesetzt haben. Das ist zutiefst unamerikanisch.

 

The Right to Vote as an Achievement

The Right to Vote as an Achievement

After the democracies of classical antiquity in Greece and Rome, it took a long time until people were once again convinced that ancestry provides no guarantee for brains or leadership qualities. Especially Europe was repeatedly forced to put up with nutty, half-demented, mentally ill, and just plain stupid rulers. Sometimes the subjects didn’t even notice, sometimes they paid for it with their lives. The outbreak of World War I speaks volumes in this respect.

Afterwards, the European peoples agreed that if you have kings at all, they shouldn’t really have any say. They were given the post of moral authority, which, it has to be said, most of them fill quite professionally.

Following the example of the U.S., the old continent also began to elect those governing, and that on the whole went well, with one disastrous exception: Adolf Hitler. He came to power through democratic elections, but then he paid no attention to the separation of powers, rule of law, decency and morality. He found a parliament that just watched passively and, worse, empowered him to ignore it.

The consequence was World War II. Afterwards, the peoples were more convinced than ever that they should choose those who would govern, and supervise and check them. A fourth estate, initially viewed with suspicion, joined the executive, legislative, and judiciary branches. That was the free press that controlled all the branches of government. Since then, it has often enough proven that the other three don’t exert mutual control – the checks and balances – as effectively as it had been hoped.

That we elect our politicians, that nobody can assume an office of power without democratic legitimation, is an achievement that that required long struggles.

Now for more than 100 days we have a man in the White House who has managed to flout all democratic rules and customs.

How is that possible?

Recently I read an interesting interview, where a British political scientist said that for more than a hundred years, Bernie Sanders was the first American politician who tried to become President of the United States without attempting to buy his way into office.

The man was right. The many millions of campaign donations for the highest office in the land demonstrate one thing: the voting “little man” is, at best, regarded as a source of votes whose needs and interests are of little concern.

Is that worthy of a democracy?

I increasingly think we should stop regarding the U.S. as a democracy anymore. At the moment, not event the checks and balances work, which are supposed to guarantee the functioning of a democracy between elections.

The Americans see their country as the “land of the free.” One keeps hearing: “We can do what ever we want here.”

But who wants to encounter a policeman on a dark street over there? Who wants to be under suspicion of having committed a crime? Who wants to subject himself to arbitrary restrictions on entering the country? Who wants to live in a country where there are repeated and increasingly violent race conflicts? Who wants to lose his life in Iraq because the government lied to the UN Security Council?

From a European perspective, it appears that the mechanisms that keep a democracy alive and alert don’t work anymore in the U.S.

I’m writing from a European perspective, and I certainly wouldn’t say that all is well and good over here either.

But we must stay alert! Many citizens over here don’t appreciate anymore that elections are an accomplishment for which people fought and struggled long and hard. In several European countries, we have recently experienced that elections can have unexpected, close or indeed rather worrying results.

The people are the sovereign. But the sovereign is the entire people. Those who don’t vote, or who follow a pied piper, have surrendered their sovereignty.

That’s what people in the U.S. are now learning the hard way.

 

Die wahl als Errungenschaft

Es hat nach den klassischen Demokratien in Athen und Rom lange gedauert, bis sich wieder die Überzeugung breitmachte, dass Abstammung kein Garant für Grips oder Führungsfähigkeiten ist. Besonders Europa musste immer wieder depperte, halbdemente, psychisch kranke und brunsbieslblöde Herrscher über sich ergehen lassen. Manchmal bemerkte das der Untertan gar nicht, manchmal bezahlt er es mit dem eigenen Leben. Der Ausbruch des ersten Weltkrieges ist ein beredtes Beispiel dafür.

Danach waren sich Europas Völker einig, dass wenn man schon Könige hat, dann sollen die bittschön nicht mitreden dürfen. Sie werden auf den Posten einer moralischen Instanz verschoben, den, so muss man sagen, die meisten von ihnen auch professionell ausfüllen.

Man begann dem Beispiel aus den USA folgend auch auf dem alten Kontinent die Regierenden zu wählen, und das ging auch immer gut, bis auf eine verheerende Ausnahme: Adolf Hitler. Der kam auf demokratische Weise an die Macht, dann aber kümmerte er sich nicht mehr um Gewaltenteilung, um Rechtsstaat, um Anstand und Moral. Er fand sogar ein Parlament, das zuschaute und ihn ermächtigte, das Parlament zu missachten.

Die Konsequenz war der 2. Weltkrieg. Danach war es umso mehr die Überzeugung der Völker, diejenigen, die sie regieren sollten, selbst auszuwählen und zu beaufsichtigen. Eine zunächst mit Scheelaugen betrachtete vierte Macht kam zur Exekutive, zur Legislative und zur Judikative hinzu. Es war die freie Presse, die alle drei überwachte. Oft genug hat sie seither bewiesen, dass die drei klassischen Mächte sich eben doch nicht so effektiv gegenseitig kontrollieren, wie wir dies alle wünschen.

Dass wir unsere Politiker wählen, dass keiner ein Amt ohne demokratische Legitimation ausüben kann, das ist eine lang erkämpfte Errungenschaft.

Nun haben wir seit gut 100 Tagen einen Mann im Weißen Haus sitzen, dem es in derart kurzer Zeit gelungen ist, sich über alle demokratischen Regeln hinwegzusetzen.

Wie geht das denn?

Ich habe neulich ein interessantes Interview gelesen, in dem ein britischer Politologe sagt, dass seit gut 100 Jahren Bernie Sanders der erste US Politiker sei, der versucht habe, Präsident der Vereinigten Staaten zu werden, ohne sich diesen Posten durch Geld zu erkaufen.

Der Mann hat Recht. Die Abermillionen an Wahlspenden für die Bewerber um das höchste Amt in Washington DC sagen zumindest eines aus: Der wählende „kleine Mann“ ist, wenn es hoch kommt, Stimmvieh.

Ist das einer Demokratie würdig?

Ich glaube immer mehr, dass wir uns abgewöhnen sollten, in den USA noch eine Demokratie zu sehen. Zurzeit klappen ja nicht einmal mehr die „checks and balances“, die zwischen den Wahlen das Funktionieren einer Demokratie sicherstellen sollen.

Die US-Amerikaner betrachten ihre Heimat als „the land of the free“. Das hört man immer wieder: „Wir können hier machen, was wir wollen“.

Aber wer will dort schon abends auf dunkler Straße einem Polizisten begegnen? Wer will dort schon in den Verdacht geraten, eine Straftat begangen zu haben? Wer will sich schon willkürlichen Einreisebeschränkungen ausgesetzt sehen? Wer will schon in einem Land leben, wo es immer wieder zu gewalttätigen Rassenkonflikten kommt? Wer will schon wegen einer Lüge, die dem UN Sicherheitsrat aufgetischt wurde, im Irak sein Leben lassen?

Irgendwie scheint es aus europäischer Sicht so zu sein, dass die Mechanismen, die eine Demokratie wach und am Leben erhalten, in den USA nicht mehr richtig funktionieren.

Ich schreibe aus europäischer Sicht und erhebe beileibe nicht den Anspruch, hier sei alles Gold und eitel Sonnenschein.

Auch wir müssen aufpassen! Dass die Wahl eine hehre Errungenschaft ist, wissen viele Mitbürger schon nicht mehr. In mehreren europäischen Staaten haben wir erst kürzlich erlebt, dass Wahlen unvorhergesehen, knapp oder besorgniserregend ausgehen können.

Das Volk ist der Souverän. Aber der Souverän ist das ganze Volk. Wer nicht zur Wahl geht, oder wer Rattenfängern auf den Leim geht, der hat sich als Souverän abgemeldet.

Das erleben die Menschen in den USA gerade am eigenen Leib.

Kann man ihn ernst nehmen?

Immer dann, wenn die Realität des gelebten Lebens in deutlichem Kontrast zu dem steht, was uns die Regierenden einflüstern, entsteht eine neue Kultur des Witzes.

Die Kommunistischen Staaten waren im vergangenen Jahrhundert wahre Brutstätten für den politischen Witz.

Gestern las ich in der spanischen Zeitung „El País“ einen Artikel, in dem vorausgesagt wurde, dass wir kurz davor stehen, wieder in eine fruchtbare Epoche des Witzes einzutreten. Diesmal befindet sich die Zentrale allerdings nicht in Moskau sondern in Washington DC.

Es ist ja auch wirklich absurd, eigentlich ist es sogar undenkbar, was da gerade in den USA passiert:

Unliebsame Journalisten werden von den Pressenkonferenzen im Weißen Haus ausgeschlossen, ja wo sind wir denn?

Der 45.Präsident spielt die beleidigte Leberwurst und geht nicht zum Dinner der im Weißen Haus akkreditierten Korrespondenten. Das kann man sich nicht ausdenken, man kann sich nur an den Kopf fassen, wenn man sieht, auf welches Sandkastenniveau die Politik gesunken ist.

Das Schlimme ist, dass sich der Herr In Washington über kurz oder lang innenpolitisch eine blutige Nase holen wird, und dann macht er, was bisher alle Machthaber in so einer Situation gemacht haben: Er stürzt sich auf die Außenpolitik.

Que Dios nos coje confesados. Will heißen: wenn das geschieht, ist es besser, wenn wir vorher gebeichtet haben und uns auf das Schlimmste einstellen.

Doch zurück zum Politwitz. Ein wunderbarer, der punktgenau auch auf unseren Blondschopf passt. Er stammt noch aus Moskau: Was ist der Unterschied zwischen einem kapitalistischen Märchen du einem kommunistischen Märchen?

Das kapitalistische beginnt mit „Es war einmal“ und das kommunistische beginnt mit „Es wird einmal sein“.

So werden wir auch haufenweise Witze hören über die verbreiteten „fake news“ der US Regierung, die ja gleichzeitig behauptet, alles andere sei „fake news“. Bald wird man nichtmehr unterscheiden können, was Tatsache ist und was nicht.

Beispiel: Was ist falscher? Wenn Trump lügt oder wenn er die Wahrheit sagt? Antwort: Wenn er die Wahrheit sagt.

Auf welchem Niveau wir uns befinden, sehen wir daran, woher er seine Infos angeblich hat: 5.000.000 nicht berechtigte Menschen hätten gewählt. Hat ihm Bernhard Langer beim Golf erzählt. Terror in Schweden. „Hab ich bei Fox gesehen“. Flüchtlingsdesaster in Deutschland: „Hab ich von Joe.“

Man muss diesen Mann respektieren, weil er demokratisch gewählt worden ist und weil er erschreckend viel Macht hat. Aber kann man ihn ernst nehmen?

Justitia hilf!

Angst ist kein guter Ratgeber und Bedrückt sein auch nicht. Ich muss aber zugeben, dass ich mich nicht erinnere, je mit solcher Sorge in die Zukunft gesehen zu haben, wie derzeit.

Was in den USA passiert, ist en vollkommenes Novum. Bisher konnte man durchaus beobachten, dass jeder Regierende, jede Exekutive in einem demokratischen Land mal abtastet, bis wohin sie die Legislative gewähren lässt, wann sie „HALT“ schreit.

Seit dem 20. Januar 2017 gibt es in den USA eine Regierung, die sich einen feuchten Kehricht um die Verfassung schert. Ja, deren Mitarbeiter sogar offen zugeben, Auftrag bekommen zu haben, wie man zum Beispiel das Verfassungsgebot er Nichtdiskriminierung umgeht.

Sieht man davon ab, die Sinnhaftigkeit einer Mauer zu hinterfragen, sieht man davon ab, dass es in erster Linie Männer sind, die sich zu Beschützern und Vormunden des weiblichen Unterleibs aufspielen, sieht man davon ab, dass Millionen von Menschen der Zugang zu öffentlicher medizinischer Versorgung abgeschnitten wurde, sieht man davon ab, dass „America first“ unterdessen einen Zusatz bekommen hat, nämlich „Christians first“, dann ist und bleibt es nach vier vor extrem besorgniserregend, dass sich die Regierung des mächtigsten Staates des demokratischen Westens nicht zu blöde ist, Menschen in offen verfassungswidriger Weise zu diskriminieren.

Und nebenbei, „Schiss hamse auch hoch“ denn Muslims aus Saudi-Arabien und Ägypten sind von der Diskriminierung ausgenommen. Das sind wichtige Staaten. Aber Sudan? Jemen? Syrien? Somalia? Libyen? Irak? Iran? Außer dem letzten Land sind das Staaten die am Boden liegen oder nie irgendwie Bedeutung hatten. Den Stiefel einem Löwen in den Nacken treten, das erfordert Mut – aber eine Hauskatze?

Trotz ihrer Unbedeutendheit haben diese Länder eine Bevölkerung, die, vielleicht sollte man daran erinnern, aus Menschen bestehen. Das sind arme, zum Teil notleidenden Menschen. Diese sind für Hass und Propaganda besonders empfänglich. Wer glaubt denn bitteschön, dass Diskriminierung ein Mittel zur Eindämmung des Radikalismus wäre?

Was mich so fassungslos macht, ist die unsägliche, gehässige Dämlichkeit, die plötzlich Regierungsdoktrin wird.

Gelogen wurde schon immer, besonders in der Politik. Es ist also nichts Neues, was da in den USA passiert. Neu ist, dass dieser Präsident kaum etwas verlautbaren lässt, was entweder glatt gelogen ist oder ab er eine vollkommene Unkenntnis der der Realitäten zeigt.

Derzeit sieht es so aus, als erwachten die verfassungstreuen Amerikaner gerade aus ihrer Schockstarre nach dem Wahlausgang. Niemand bezweifelt, dass der 45. Präsident legitim und legal in sein Amt gewählt wurde. Nur, was er jetzt tut und unternimmt, das ist zum großen Teil weder legitim und legal.

Dass sich die USA immer hinter ihrem Präsidenten scharen, ist gute demokratische Tradition. Nichtsdestotrotz werden es die US-Bürger sein müssen, die dem gewählten Präsidenten Einhalt gebieten, indem sie die Gerichte anrufen.

Jetzt kommt die Stunde der großen Juristen, die so oft in Hollywood Filmen glorifiziert wurden. Der Supreme Court ist gefragt.

 

Unsere Werte

Es ist nun eine Woche her, dass Donald Trump der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika ist. Wenig Zeit, fürwahr!

Aber was hat er doch schon alles geleistet! Ein Gigant im Zupacken! Ein Gigant in der Kunst der Lösungsfindung! Wenn wir nur in den anderen Ländern der westlichen Demokratien solche Politiker hätten, dann sähe es bei uns und bei unseren europäischen Freunden anders aus.

Anders, ja, aber besser?

Donald Trump hat in dieser Woche gar nichts geleistet, aber er hat sich viel geleistet. Reden wir nicht vom Mauerbau, reden wir nicht von der teilweisen Abschaffung von Obamacare, reden wir nicht von seinen frauenfeindlichen Macho Eskapaden, sondern denken wir nur an Eines:

Donald Trump findet Folterungen gut und würde nichts dagegen tun, wenn seine Minister das Zufügen von Schmerz oder Panik als Mittel zur Wahrheitsfindung wiedereinführen würden. Das sagte er heute in einem TV Interview.

Was er vom Schutz der Grenzen, von der sozialen Absicherung seiner Mitbürger oder was er vom Schutz ungeborenen Lebens hält, das alles befindet sich im Rahmen der Gestaltungsfreiheit, die ein Präsident haben muss. Man kann da seiner Meinung sein oder nicht, und wenn man es nicht ist, muss man ihn als demokratischen Gegner mit demokratischen Mitteln bekämpfen.

Wenn Trump allerdings die Folter gutheißt dann hat er damit die Grenze überschritten, die von allen westlichen Demokratien in Stein gemeißelt wurde:

Die Würde des Menschen ist unantastbar!

Erdogan, Assad, Putin, Orban, die arabischen Potentaten und die vielen, vielen Diktatoren auf dieser Welt hören bei jedem Staatsbesuch aus Europa die Mahnung, sie müssten sich aber bitteschön schon ein Bisserl um die Menschenrechte kümmern, weil sonst wär das eben nix mit Kooperation, EU-Beitritt und Entwicklungshilfe.

Die europäishen Politiker sitzen auf einem hohen moralischen Roß. Dank den USA übrigens. Denn es ist unbestreitbar, dass nach dem zweiten Weltkrieg die Demokratie in Europa ohne den Einfluss der USA nicht so nachhaltig hätte Fuß fassen können. Da müssen wir wirklich dankbar sein.

Der Foltersündenrückfall des Präsidenten wird leider in den USA kaum politische Folgen haben, denn alle, die im US Kongress sitzen, wussten von den Fällen des „water boarding“ und haben nichts dagegen getan. Diese Leute werden den ersten und auch den zweiten Stein nicht werfen. Umso mehr sind nun die Bündnispartner in der NATO gefragt, den „Mut vor Fürstenthronen“, den sie vor afrikanischen Despoten herausholen, auch vor dem Egomanen in Washington DC zu zeigen.

Es kann doch nicht sein, dass wir von den Einen etwas verlangen, was wir von Trump nicht einzufordern wagen.

Die Politik des feuchten Hosenbodens hat noch nie zu wirklichen Erfolgen geführt, bei Trump wird das erst recht nichts bringen. So wie es jetzt aussieht, hat sich gegen seine Spinnereien und krassen Verletzungen des demokratischen Konsenses in den USA noch keine Opposition formiert. Umso mehr muss nun Europa mit einer Stimme klarmachen, dass eine atlantische Zusammenarbeit nur auf der Basis dessen möglich ist, was die USA nach 1945 so kraftvoll und nachhaltig nach Europa gebracht haben:

„We the People of the United States, in Order to form a more perfect Union, establish Justice, insure domestic Tranquility, provide for the common defence, promote the general Welfare, and secure the Blessings of Liberty to ourselves and our Posterity, do ordain and establish this Constitution of the United States of America“.

 

Denn wo die Begriffe fehlen…

…stellt schnell ein neues Wort zur rechten Zeit sich ein.

Ja, was wären wir ohne unseren guten alten Goethe?

Bisher wurde dieses Zitat benutzt, wenn Mord auf einmal „Endlösung“ hieß, wenn Massenentlassungen plötzlich „Freistellungen“ waren oder wenn die Propagierung des Schießbefehls an deutschen Grenzen „ausrutschen auf der Computermaus“ genannt wurde.

Ein bisher gebräuchliches Wort wurde durch ein neues ersetzt, das den ursprünglichen Sinn vernebelte, ihm aber nichts von dem nahm, was es wirklich ausdrücken wollte. Jetzt sind wir einen Schritt weitergekommen, und, jeder hat es gemerkt, es handelt sich um einen Fort-Schritt.

Eine Rose ist eine Rose, eine Rose ist eine Rose. Das galt bis 2016. Dann kamen 2017 und Theresa May, die, mutig geworden durch überseeische Ereignisse, klarmachte, dass „Brexit heißt Brexit“ nicht etwa „Brexit heißt Brexit“ bedeutet, sondern „Ihr könnt uns alle mal.“ Damit blieb sie noch im Geltungsbereich des Goethe-Zitats.

Nun aber hat gestern Kellyane Convay, eine Beraterin des 45. Präsidenten die Deutungshoheit über Goethe an sich gerissen und gesagt: „Ab jetzt ist das wie folgt zu verstehen: Denn wo die Bilder nicht behagen stellt schnell ein alternativer Fakt sich ein.“

Ich finde das faszinierend: Der in meiner Groß-Familie so gepflegte subjektive Umgang mit der Wahrheit wird zur staatstragenden Doktrin zum Axiom einer „new brave era“

Wenn wir uns gerade daran gewöhnt haben, dass wir aus dem Zeitalter des Faktischen entwachsen sind und uns die Zeit der postfaktischen Wahrnehmung dieser Welt, dieser Zeit und ihrer Läufte zueigen gemacht haben, dann öffnet die Dame aus Washington DC ein großes Tor, und wir befinden uns – schwupp – in der in der atemberaubenden Welt der alternativen Fakten.

Das wird ein Leben! Steuerschulden? Liebes Finanzamt, ich verfüge da über alternative Fakten. Liebling, das war nicht die nette Nachbarin mit mir im Bett, alternativfaktisch, war das garniemand, und mein Personalausweis sagt nur zufällig, ich hieße Hans, eigentlich heiße und bin ich Napoleon. Für Letzteres kam man früher in die Klapsmühle, heute kann man mit so einer Wahrnehmung der Tatsachen einen US Präsidenten beraten.

Der ist übrigens ein Genie: Obwohl er ein Mann ist kann er zwei Sachen gleichzeitig: Eine plumpe, beleidigende Antrittsrede halten und bis 1.500.000 zählen. Wow!

Aber zurück zu den Fakten, beziehungsweise zu deren Alternative. Wir haben es hier mit einem Oxymoron zu tun (Meine Schulzeit war zu teuer, als dass ich mir das hier verkneifen könnte)

So, jetzt ist es gesagt, und wir können zum Normaldeutsch zurückfinden: Alterative Fakten, das ist ein schwarzer Schimmel. Das geht nicht. Das weiß auch Doña Kellyane. Was sie mit „alternative facts“ faktisch meint, also jetzt mal primärfaktisch, dann sind das „Anschauungsweisen“. Nur postuliert sie halt, dass die Anschauungsweise des 45. Präsidenten so zu behandeln sei, als wäre sie tatsachenschaffend.

Trost und Hilfe bieten wie so oft die Weisheit und der Pragmatismus der Franken:

„Ich glaab, äs zwa Pfund Rindfläsch a guda Subbn gibd“

That‘s fact, Mr. President!

 

Die Werbebranche schläft nicht.

 

„20 % AfD Wähler! Mann das ist ja ein Wahnsinnspotential! Denn auch diese Mitbürgerinnen und Mitbürger sind Konsumenten. Die muss man doch ansprechen! Die kann man doch nicht schon wieder vergessen! Wir müssen denen das Gefühl geben, dass wir sie direkt mit dem Produkt ansprechen. Wir müssen den Auslöser des Kaufreflexes mit den politischen Überzeugungen dieser Leute koppeln. Hören wir auf, das Negative zu sehen! Die AfD Wähler haben auch eine positive Eigenschaft: Sie sind Konsumenten. Das sind unsere Leute.“

Soweit das Zitat. Es stammt aus dem Montagsbriefing der Werbeagentur Rödel, Baiersdorf und Rödel in Hamburg. Ich kenne Frau Baiersdorf aus früheren Jahren, sie verrät mir manchmal was.

Zunächst ist nun man bei den Werbern dabei, die politischen Überzeugungen der AfD Wähler zu analysieren:

Merkel muss weg. – Man denkt völkisch. – Viele leben von Staatsknete und sind dennoch dafür, dass die AfD Hartz IV abschaffen will. – Ausländer kennen sie nicht, sind aber dagegen – Schüsse an der Oder-Neisse Grenze, warum nicht? – Mehrheit der AfD Wähler sind Männer – Deuxit? Jawoll aber auch!

Und schon geht das brainstorming los:

„Und nun müssen wir nur noch die festlegen, welche Branchen, wir mit welcher Phobie koppeln:“

„Das hier ist für VW: Gib der Merkel Zunder! Kauf einen Golf Diesel und ihre Klimaduselei kann sie sich sonstwohin stecken“.

„Und das mit der Oder-Neisse Grenze bieten wir Hecker und Koch an. Auf so nahe Distanz trifft sogar das G-9 Gewehr!“

„Und noch mal VW: Denkt v…kisch. Volkswagen! Damit man seine Meinung wieder frei sagen darf.“

„Aber das mit dem free from the leaver away, das sparen wir uns, bitte.“

„Der deutsche Mann hat schon immer gesoffen. Wir stehen für Tradition und Sauberkeit. Die deutschen Brauer“.

„Toyota! Ausländisch aber stark, zuverlässig und ausdauernd. Könnte deutsch sein!“

„Für die TUI Wir sind für den Deuxit. Im Winter raus aus Deutschland. In Thailand erwartet dich dein schlitzäugiges Wunder, Mann!“

„Hey Kollegen, Ihr habt die Ernährungsindustrie vergessen! Weg mit Suschi, Döner und Veggie! Es war der deutsche Soldat, der Grünkohl mit Pinkel, Labskaus und Trockenwurst in Europa bekannt gemacht hat. Konserven aus dem Spreewald!“

„Und die Versicherer? Na klar: Macht Deutschland wieder sicher. Versichert Euch bei der Ravensburg-Oldenburgischen“!

„Oder mal was Sublimes: Merkel ist gegen Zuckerzeug für Kleinkinder! Aber der deutsche Zahnarzt, der ist immer auf der Seite des Volkes!“

„Und Immobilien? Na klar: Deutsche Immobilien in deutsche Hände. Die Deutsche Bank finanziert jetzt wieder in Deutschland.“

„Halt, wissen die denn, was eine Immobilie ist?“ fragt Klaus-Hinrich. „Mann Klausi, du bist genial! Wir ersetzen Immobilie durch Scholle.“

Ihr ahnt ja gar nicht, was da noch auf uns zukommt.

Spaniens Regierung, vielleicht.

Spaniens neue Regierung ist ein „Peutêterli“

Mit diesem wunderbaren Wort bezeichnen die Schweizer diese Gasfeuerzeuge, die mal funktionieren und mal eben nicht. Man weiss es vorher nicht.

Und so ist die angekündigte neue spanische Minderheitsregierung ein klassisches Peutêterli.

Gestern haben sich die Sozialisten auf ihrem Parteikonvent entschieden, sich bei der Investitur von Ministerpräsident Rajoy der Stimme zu enthalten, um so eine Minderheitsregierung aus „Partido Popular“ und „Ciudadanos“ zu ermöglichen.

Das wird nicht ohne Fissuren in der sozialistischen PSOE abgehen. Die Präsidentin der autonomen Region der Balearen hat schon angekündigt, dem Votum der Partei nicht zu folgen. Sie befürchtet zu Recht, dass „Podemos“ aufhören würde, ihre Minderheitsregierung in Palma zu stützen, würde sie hülfe, Rajoy im Amt zu halten. Welcher Politiker gibt schon gerne den Stuhl her, auf dem er sitzt, nur um zu ermöglichen, dass der politische Erzfeind auf seinem Stuhl bleiben kann?

So geht es nicht wenigen Regional-Baronen der PSOE. Die katalanischen Sozialisten schreien „bei drei Tag“ hebe dich hinweg, Satan. Für einen wackeren katalanischen Sozialisten ist eine Regierung der PP gleich zweimal des Teufels: Zum einen, weil die eben konservativ sind und jeder einen Großvater hat, von dem er weiß, dass er gegen den Großvater eines PP-Politikers im Bürgerkrieg gekämpft hat. Und zum anderen ist alles, was aus Madrid kommt, per se für einen Katalanen bäbä, von wegen überhaupt und so.

Nun muss man wirklich zugeben, dass es Rajoy nicht verdient hat, zum dritten Mal Premier zu werden. Während der vergangenen Legislaturperiode regierte er mit absoluter Mehrheit und hat diese politische Konjunktur in einer Weise nicht ausgenutzt, dass es jedem Student der Politikwissenschaft im ersten Semester schlecht wird. Die deutsche Presse schreibt gebetsmühlenhaft, die Rajoy-Regierung habe es geschafft, dass die Wirtschaft wüchse und die Arbeitslosigkeit sinke.

Das ist die Außenansicht.

In Spanien empfindet man diese durchaus bescheidenen Erfolge als dem Diktat von „la Merkel“ geschuldet.

Es wird schwierig werden. Wenn Rajoy wiedergewählt ist, hört das Murren unter den Sozialisten ja nicht auf.

Letztlich spült der ganze Zinnober kurzfristig der„links-alternativ-populistisch-radikalen“ Partei „Podemos“ das Wasser auf die Mühlräder.

Da mag man sich darüber freuen. Ich freue mich darüber nicht, denn Podemos ist eine neue Partei, in der – wie bei der AfD – viele mitmachen, die woanders nichts wurden. Wenn der politische Alltag beginnt, werden auch dort die innerparteilichen Auseinandersetzungen beginnen.

Es ist abzusehen, dass PSOE sich selbst verhackstückt und Podemos bei seinen Wählern an Attraktivität verliert.

Dann gewinnt PP in vier Jahren wieder die absolute Mehrheit und musste nicht durchs Fegefeuer, um dort die Sünden der Korruption zu büßen.

Das kann auch niemandem gefallen.

Erstaunlich und erfreulich ist, wie der junge König aus dieser Schlammschlacht bisher nicht nur unbefleckt sondern gestärkt herauskam.

¡Viva el Rey!

Der jüdische Friedhof in Berlin-Weißensee

 

Der Besuch des jüdischen Friedhofs in Berlin-Weißensee lohnt wirklich. Es ist nicht nur ein landschaftliches und kulturelles Erlebnis. Die Visite macht auch klar, welche Rolle die Juden in Berlin gespielt haben. Mit der Unfassbarkeit der Shoah hat Deutschland nicht nur ewige Schuld auf sich geladen, es hat auch einen wichtigen Teil seiner kulturellen Vielfalt und einen sehr bedeutenden Teil seiner intellektuellen Elite verloren.

Diese Gedanken begleiten den Besucher fast zwangsläufig, während er die Vielzahl der Stelen artigen Grabsteine bestaunt. Natürlich gibt es bei der Gestaltung Moden. Es geht von filigranen schmiedeeisernen Rahmen die die Namenstafeln aus Marmor halten bis hin zu Protzbauten, die von den Stellungen preußischer Panzerhaubitzen nur schwer zu unterscheiden sind.

Und dann findet man das kleine Gedicht an „Meine Rachel“. Es hat mich sehr gerührt.