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Wald ist gut für den Charakter

Eine Heppe ist ein Handbeil, bei dem aus dem kurzen Griff die Schneide in Verlängerung desselben herausragt. Es ist eigentlich ein breites Messer, das in einer seitlichen Spitze ausläuft. Das Ding sieht einem Falken nicht unähnlich. Dieses Instrument lag immer im hinteren Kofferraum des Rentweinsdorfer Forst – Käfers. Mein Vater brauchte die Heppe zum Holz auszeichnen. Dazu ging er durch den Wald und markierte mit der Heppe die Bäume, die gefällt werden sollten. Bei Kiefer, Fichte, Eiche oder Lärche ging das einfach, nur die glatte Rinde der Buche machte Schwierigkeiten, dafür hatte er eine Art Taschenkralle, mit der die Rinde geritzt wurde. Nach welchem System Vater Bäume auszeichnete, war uns Kindern natürlich zunächst unklar. Erst langsam lernten wir, dass die Bäume gefällt werden müssen, die andere an der Entwicklung hindern, die anderen das Licht nehmen.

Mir war immer bewusst gewesen, dass wir vom Wald leben. Deshalb verstand ich nicht, warum immer nur die miesen Bäume gefällt werden

„Einen guten Baum zu fällen, macht uns reich und ich krieg ein neues Fahrrad“ argumentierte ich. Mit nicht enden wollender Geduld erklärte mir Vater stets, der Beruf des Forstwirts sei ein charakterbildender: „Die Früchte dessen, was ich heute tue, erntet mein Sohn oder vielleicht auch erst mein Enkel.“

Das fand ich natürlich entsetzlich langweilig. Was nützt das neue Fahrrad den Kindern meines Bruders?

Eine andere Arbeit im Wald war das Holz abnehmen. Dabei trugen wir einen Hammer, dessen Kopf aus einem vereinfachten Familienwappen bestand. Der Hammer wurde mit Teer eingeschmiert und auf die Schnittstelle gefällter Bäume gehauen. Es gab noch einen weiteren Hammer mit einstellbaren Zahlen. Die kamen neben das Wappen. Vater trug die Nummer in ein dickes Buch ein. Ich kam mir vor wie im Western, wenn Fohlen gebrandmarkt werden.

All das geschah natürlich bei eisigen Temperaturen im Winter. Dann herrscht im Wald Hochsaison. Heute kreischen Motorsägen und ein Baum fällt in spätestens fünf Minuten um. Als Kind habe ich noch beobachtet, wie Bäume „händisch“ gefällt wurden. Vorne bedienten die Arbeiter die Handsäge. Damit sie nicht vom Baum ein geklemmt werde, mussten hinter ihr Keile in die Schnittstelle getrieben werden. Der Baum ächzte und bewegte sich etwas in die Richtung, in die er fallen sollte. Am Ende tat er das aber nicht immer und es konnte passieren, dass der fallende Baum in den Armen eines anderen festhing. Das war eine Katastrophe, denn Waldarbeit wird im Akkord bezahlt. Die beiden Holzfäller beschimpften sich wütend und schoben einander die Schuld zu.

Mein erstes eigenes Geld im Wald habe ich mit „klubben“ verdient. Vater hatte von Onkel Konrad ein Stück Wald gekauft und nun musste festgestellt werden, wie viel Holz darauf stand. Dazu misst man mit der Klubbe, einer überdimensionierten Schublehre, den Durchmesser eines jeden Stammes etwa in Brusthöhe. So kann man den Festmetergehalt eines jeden Baumes ziemlich exakt berechnen. Bei diesem Tun stießen wir auf einer Lichtung, auf drei Grabsteine. Hier, neben seinen Hunden, wollte auch Onkel Konrad begraben werden. Wir waren beeindruckt.

Nicht so das Landratsamt. Als Onkel Konrad tatsächlich starb, wurde mit Verweis auf die bayerische Bestattungsverordnung eine Sarglegung außerhalb eines Friedhofes verboten.

Da nützte es auch nichts, dass sich Onkel Konrad extra im Krematorium in Coburg hatte verbrennen lassen. Als der Sarg unter Quietschen in der Versenkung verschwand, hörte man aus den Tiefen des Krematoriums eine Stimme, die dem Kollegen zurief: „Geh zu, pack amol aa!“

Eine Lanze für die USA

Als mein Vater Kriegsgefangener in Tennessee, war, bekamen alle im Lager politischen Unterricht. Sie sollten Bannerträger der Demokratie werden in einem Land, das Demokratie als Chaos empfunden hatte und dessen Bevölkerung in erschreckend kurzer Zeit alles mitmachte, was die Nazis vorgaben.

Beim Entlassungsappell brüllten die Sergeanten andauernd „are you ready, are you ready“, bis einer der Kriegsgefangenen mit sardonischem Humor zurück brüllte: „We are ready for peace, freedom and democracy“.

Glücklicherweise haben das mit dem Frieden, der Freiheit und der Demokratie doch viele Deutsche sehr ernst genommen, und mit Hilfe der US Besatzer wuchs im Westen Deutschlands bald eine Demokratie heran, die durch einige Skandale geläutert, schließlich auch vom Mann auf der Straße als solche erkannt und geachtet wurde. Ich habe meine Jugend in der US Zone verbracht, ich weiß daher nicht, welchen Beitrag zur Demokratisierung die französischen und britischen Besatzer erbracht haben, denke aber, dass der überschaubar war.

Trotz des Wissens um die Verdienste der USA für den Aufbau eines freiheitlichen Gemeinwesens auf den Trümmern, die ein Verbrechersystem hinterlassen hat, erinnere ich mich nicht daran, je konform gegangen zu sein mit dem, was in den USA geschah.

Wie auch? Atombombe, Vietnam, Rassenunruhen, Aufrüstung, Irak und jetzt der 45. Präsident, all das verband oder verbindet sich mit den USA und hat stets meine Ablehnung, wenn nicht Abscheu hervorgerufen. Ganz besonders gilt das für den Irak Konflikt: Ich dachte zunächst, es sei gut, wenn das Saddam- Regime beseitigt würde, solange, bis wir feststellen mussten, dass der US Außenminister Powell den Sicherheitsrat belogen hatte, um das Okay für die militärische Mission zu bekommen.

Und dennoch: Ich werde den USA und der dort gelebten Kultur stets dankbar sein.

Was wäre mein Leben ohne die Songs von Leonhard Cohen, The Papas and the Mamas, Cat Stevens, Joan Baez und Bob Dylan?

Was wäre aus mir geworden ohne die Bücher von Philipp Roth, John Steinbeck, Charles Bukowski, Mark Twain, Harper Lee, Arthur Miller, Norman Mailer und Thornton Wilder?

An welchen Vorbildern hätte ich mich orientieren können, hätte es nicht John F. Kennedy, Martin Luther King, Satchmo, Madeleine Albright oder Steve McQueen gegeben?

Wie hätte ich es geschafft, mich aus dem fränkisch-familiären Kokon zu befreien ohne Blue Jeans, den Gedanken an Woodstock und die Gleichheit aller Menschen?

Wie hätte sich mein Gespür zum Erzählen entwickelt, ohne die Komödien von Billy Wilder, ohne die Filme von Woody Allen und ohne die Unzahl von Inszenierungen vom Broadway?

Es ist leicht, sich angesichts der derzeitigen Entwicklung über die Amis lustig zu machen. Es gibt allerdings noch das andere Amerika, das unsere Kultur, unsere Ästhetik, unseren Humor und unseren „european way of life“ so stark geprägt hat. Dieses andere Amerika, das sich nicht resigniert zurückzieht.

Und, Eines dürfen wir nicht vergessen, es gibt auch die politische Bildung, die nach dem Krieg und eigentlich bis heute von dort auf uns kommt. Unter anderem hat sie bewirkt, dass fast alle Deutschen, ja fast alle Europäer, es sich nicht mehr vorstellen können, nicht in einem demokratischen Rechtsstaat leben zu wollen.

Seien wir also geduldig. Das wird schon wieder. Die USA sind stark genug, Vollpfosten auszuhalten. Die Geschichte der europäischen Monarchien hat ja bewiesen, dass sowas geht.

 

Wirtschaft wächst am Bosporus

Neulich las ich in der Zeitung über den unerwartet guten Lauf der Wirtschaft in der Türkei. Zuvor hatte ich von deren Rückgang erfahren, die ausländischen Investoren blieben aus, zumal die Elite des Landes im Gefängnis säße und man daher die guten Fachkräfte des Landes nicht einstellen könne.

An sich interessiert mich die Wirtschaft am Bosporus eher wenig, es reicht, wenn ich mich über Erdogan ärgere.

Diesmal aber bin ich der Sache nachgegangen und habe gelernt, dass es die Baubranche ist, die zu diesem so guten Ergebnis führt.

Das Bauen hat bekanntlich den Vorteil, dass man dazu keine ausländischen Investoren oder importierte High-Tec braucht.

Als in Spanien der Bauboom begann, machten die Banken Menschen, die einen Bauplan nicht verstehen zu Bauunternehmern. „El Pocero“ der Brunnenbauer, stieg zum größten Bauunternehmer des Landes auf: Er brüstete sich damit, dass seine Yacht größer war, als die des Königs. Er war Analphabet.

Das außergewöhnlich große Wirtschaftswachstum Spaniens zu Beginn dieses Jahrhunderts lag nur am Bauboom, der ausschließlich dadurch befördert wurde, dass die Banken zu viel Geld hatten. Hinter vorgehaltener Hand gab man auch zu, dass ein Teil davon aus Medellín stammte. Bedarf an so vielen neuen Wohnungen gab es keinen. Und so stand Spanien 2009 plötzlich mit einer Million unverkauften Wohneinheiten da. Auf jeder lastete eine Hypothek von durchschnittlich 200.000 €. Macht 200.000.000.000 €, zweihundert Milliarden €. Das verkraftet keine Volkswirtschaft.

Doch zurück zu Türkei: Die Bautätigkeit wird durch staatliche Kredite finanziert. Daran ist zunächst nichts Böses. Wenn man aber überlegt, dass der Tourismus, die industrielle Produktion des Landes und die ausländische Investition stagnieren, wenn nicht rückläufig sind, dann fragt man sich, wer die neuen Wohnungen, Büros und Hotels nutzen wird?

Es steht zu befürchten, dass in der Türkei Ähnliches passiert wie damals in Spanien: Fremdfinanzierte Immobilien stehen unverkauft herum und verrotten. Das wäre an sich schon ein riesiger volkswirtschaftlicher Schaden. Aber auch in der Türkei binden fremdfinanzierte unverkaufte Immobilien das in sie investierte Geld und auch in der Türkei laufen die Zinsen selbst dann weiter, wenn abzusehen ist, dass die staatlichen Kredite abgeschrieben werden müssen?

Es stellt sich daher die Frage, wer die Zeche zahlt? Der türkische Steuerzahler, wer denn sonst?

Im Grunde bedeutet all das, dass Erdogan mit dem Rücken and er Wand steht und er sein Image als Wirtschaftswundermann nur noch durch Kurbelei am Gelddrucker aufrecht erhalten kann.

Ein Hauch von Landesverrat

„I do solemnly swear that I will faithfully execute the Office of President of the United States, and will to the best of my Ability, preserve, protect and defend the Constitution of the United States.“

Womöglich wird ihn das Wort „Ability“ retten, denn offenbar hat er keine Fähigkeit. Wenn man sich das Tätigwerden des 45. Präsident anschaut, dann muss man unwillkürlich überlegen, zu wessen Gunsten er eigentlich sein Land führt.

„America first, America first!“ hat er so in seiner Antrittsrede gesagt.

Und dann ist er aus dem pazifischen Wirtschaftspakt (TPP) ausgetreten und hat damit der Volksrepublik China ein Geschenk gemacht, das so riesig ist, dass man in Peking sein Glück noch gar nicht fassen kann.

Beim Wirtschaftsgipfel in Da Nang sagte er, die USA werden mit jedem Land des Pazifikraumes bilaterale Abkommen schließen, das an fairem Handel interessiert sei. Da lachten sich die Chinesen ins Fäustchen.

Eines ist sicher, nie hat ein US Präsident seinem Land solchen wirtschaftlichen Schaden zugefügt wie der, der sich brüstet, ein „master oft he deal“ zu sein.

Kaum hatte sich das „Staunen der Welt“ gelegt, sagt er doch glatt, er glaube dem Präsidenten aus Moskau, wenn dieser sagt, er habe den US Wahlkampf nicht beeinflusst. Das glaubt zwar nicht einmal Tante Mathilde, aber jeder darf dem Glauben schenken, dessen er für würdig erachtet.

Aber darf das der Präsident der USA? Natürlich nicht, denn wenn der dem machtpolitischen Gegner glaubt, obwohl alle seiner unzähligen Geheimdienste das Gegenteil sagen, dann desavouiert er damit nicht nur diese, sondern recht eigentlich sein ganzes Land.

„Stupor mundi“, das Staunen der Welt, das war Friedrich der Staufer, ein Egomane, der ein großer Staatsmann war. Diesmal staunt die Welt über einen Egomanen, dem es gelingt, sich zur Lachnummer zu degradieren.

Derzeit melden sich die USA von der politischen und wirtschaftlichen Weltbühne ab.

So etwas hat es schon immer gegeben. Weltmächte kommen und gehen, aber bisher sind sie nie freiwillig gegangen.

Der Schaden, den der 45. Präsident seinem Land zufügt, ist ebenso irreversibel wie die Gletscherschmelze. Einmal preisgegebener Boden kann in beiden Fällen nie wieder zurückgewonnen werden.

Man könnte amüsiert zuschauen. Dazu aber ist die Lage zu ernst.

Wird das noch drei Jahre oder gar vier weitere Jahre dauern? Ich befürchte, dass es so sein wird.

Es wird selbst dann so sein, wenn man in den USA bemerkt, dass der Amtsführung des 45. Präsidenten ein Hauch von Landesverrat anhängt.

Logik ist nicht immer Logik

Logik ist die Lehrer von der Folgerichtigkeit des Denkens. Es ist logisch, dass der Stein birst, wenn man lang genug mit dem Hammer draufhaut. Es ist auch logisch, dass das Hungergefühl nachlässt, wenn der Mensch etwas isst.

In den vergangenen Monaten aber mussten wir erleben, dass es ganz offensichtlich diesseits und jenseits des Atlantiks zwei verschiedene Denkschulen gibt, die die Folgerichtigkeit unseres Tuns unterschiedlich bewerten.

In Europa ist es verfestigte Überzeugung, dass eine allgemeine Krankenversicherung gut ist für alle Menschen und, wenn sie nur konsequent verwaltet wird, zur Verbesserung der Gesundheit der Menschen führt.

Nicht so in den USA. Dort denkt man, dass eine allgemeine Krankenversicherung die Menschen entmündigt, dass dies ein Anschlag auf die Freiheit des Bürgers sei, mit einem Wort: Sozialismus.

Der diffusen Angst der US Bürger vor dem, was sie Sozialismus nennen, was wir als Sozialdemokratie verstehen, könnte man begegnen, indem wir als Europäer nachweisen, dass die gehabten sozialdemokratischen oder sogar sozialistischen Regierungen in Europa dann nicht allzu schlecht waren, solang sie sich im demokratischen Wertesystem bewegten.

Davon aber will man jenseits des großen Teiches nichts wissen, selbst dann nicht, wenn sich nun herausgestellt hat, dass die Abschaffung der allgemeinen Krankenversicherung schwieriger ist, als deren Einführung.

Unsere Logik sagt, dass Amokläufer an ihrem Tun behindert werden, wenn der Zugang zu Waffen beschränkt ist. Wenn ein Verrückter eine Waffe hat, ist die Chance, dass er sie benutzt größer, als wenn ein Verrückter keine Waffe hat.

Selbst die Verletzten von Las Vegas aber sagten, nicht die Waffe sei gefährlich, sondern der Verrückte dahinter. Die Logik würde gebietet, wenn dem so ist, den Verrückten abzuschaffen. Da das nicht so ohne Weiteres geht, sollte man halt die Waffe abschaffen, oder zumindest ihren Erwerb erschweren.

Die Waffenlogik geht sogar noch weiter: Wären alle Besucher des Konzerts in Las Vegas bewaffnet gewesen, hätte man dem Schützen schnell den Garaus gemacht. Eine angesichts der ausgebrochenen Panik geradezu hirnrissige Idee.

Der 45. Präsident hat im Wahlkampf versprochen, „never ever“ die Waffengesetze zu ändern. Man kann nur hoffen, dass er mit diesem Versprechen ebenso sorglos umgeht, wie mit allen anderen. Ansonsten müsste man ihm vorwerfen, er nehme den Schusswaffentod von jährlich 33.000 US Bürgern billigend in Kauf. Dies erfüllt in europäischen Rechtsystemen den Tatbestand er Beihilfe zum Mord.

Das wird dem Herrn im Weißen Haus ziemlich egal sein, zeigt aber, dass Logik eben nicht Logik ist.

Von Zenon bis Kant rotieren die bedeutenden Denker dieser Welt in ihren Gräbern.

Wege zu unbewohnten Buchten

Früher war die Küste Mallorcas unbewohnt.Die Piraten waren eine ständige Gefahr, nur ein paar winzige Fischerhütten duckten sich am Strand und in den Buchten. Man aß Schweinefleisch und diese Typen waren verdächtig, die da Tiere aus dem Meer zogen, die schon schlecht rochen, wenn sie ihren Weg in die Dörfer gefunden hatten.

Irgendwann fiel mir auf, dass trotz der mangelnden Bebauung zu jedem Strand und zu jeder Bucht ein Weg führt.

Ich fragte meinen Freund Pau, der zunächst laut und dann verächtlich lachte. „So blöd kann auch nur ein Deutscher fragen. Irgendwie mussten die Schmuggler doch an’ s Meer kommen!“

Es stellte sich heraus, dass Paus Großvater einer der großen Schmuggler Bosse an der Südküste war. „Der hat dem Juan March doch erst gezeigt, wie das mit der Schmugglerei geht!“

Tatsächlich lebte Mallorca vor dem Einsetzen des Tourismus-Booms in erster Linie vom Schmuggel. „Contrabando de tabaco“, das war das Hauptgeschäft, aber auch Grundnahrungsmittel, Motoren, Nylon Strümpfe und Parfüm gehörten zu dem, was im Ausland billig zu holen war und am spanischen Zoll vorbei auf den Markt gebracht werden konnte.

Pau schmunzelte, als er fortfuhr, er schien den alten Zeiten nachzutrauern: „Das große Glück waren die schlecht bezahlten Leute vom Zoll und von der Guardia Civil. Die bettelten geradezu danach, bestochen zu werden. Liebend gerne haben die dann woanders hin geschaut, wenn mal wieder eine größere Ladung ankam.“

Damals gehörte Algerien zu Frankreich und dort arbeiteten ganze Fabriken ausschließlich für den spanischen Markt. Einige dieser Fabriken kaufte später Juan March auf, ganz nach dem Motto; “Wozu hat der Mensch zwei Hände? Damit er zwei Mal kassieren kann.“ Einmal als Zigarettenfabrikant und ein zweites Mal als Schmuggler.

Pau gab zu, dass das Genie von Juan March das seines Großvaters übertraf. „Der hat dann die Banca March gekündigt und war über Jahre hin der reichste Mann Spaniens.“

Noch heute gehört seinen Nachkommen alles Land östlich von Colonia de Sant Jordi. „Westlich davon gehörte alles uns“, sagte Pau.

So befand sich die gesamte Südküste von Mallorca vom Faro des Cap de Ses Salines bis nach Sa Rápita unter der Kontrolle zweier Schmuggler Familien. Paradiesische Zustände!

Unterdessen sind das hoch angesehene Familien, es gibt eben nichts Besseres als ein kriminelles Genie zum Großvater. Wie angesehen, zeigt folgende Anekdote: Im Fischrestaurant Manolo in Ses Salines war für 14.30 eine Reservierung für eine Familie Rodríguez eingegangen. Als zur angesagten Zeit niemand kam, vergab Manolo den Tisch an Carlos March, dem Chef der March-Gruppe. Kaum hatten er und seine Familie sich hingesetzt, erschien Don Felipe mit Anhang. Damals war er noch Kronprinz. Er sagte, er habe zur Tarnung auf den Namen Rodríguez reserviert. Manolo antwortete, er bedauere, aber er habe wegen der Verspätung den Tisch schon weiter anderweitig besetzt. Carlos March reagierte sofort und geistesgegenwärtig: „Ich überlasse Hoheit unseren Tisch, wenn er nachher zu café, brandy y puro zu mir auf die Finca Sa Vall kommt“. So geschah es. Es soll eine große Sause geworden sein.

 

Vormund. Kosten wie im Hotel auf 7,84 qm

Heute habe ich eine Familienkonferenz einberufen und zu meinem Erstaunen kamen tatsächlich alle. Zuvor aber habe ich den „manager“ des Hostals gesprochen, in dem meine beiden Mündel mit Tante und Onkel leben. Er ist nach wie vor sehr besorgt, weil immer noch nicht klar ist, ob die Kostenübernahme vom LAGeSo bezahlt wird oder vom Bezirksamt. Ich verstehe seine Sorgen, denn er bekommt für ein Zimmer von 7,84 qm Größe mit zwei Kajütbetten 3.570 € vom Staat pro Monat. Das ist eine Miete von 455 € pro Quadratmeter.

Er sagt, er bekäme das, weil er sein Hostal bereitstelle und es in Berlin eben Wohnungsnot gäbe. Kein Wunder, dass auf seinem Schreibtisch ein Schlüssel mit dem Mercedesstern rumliegt. Das Dilemma ist, dass der Staat für eine Wohnung für vier Menschen nur 587 € + 162 € Heizkosten zahlt. Dafür finden meine Leute keine Wohnung und so bleiben sie halt notgedrungen für den sechsfachen Betrag in einem unzureichenden vollkommen überteuerten Zimmer.

Der älteste Bruder war gekommen, es war mir wichtig, ihn kennen zu lernen. Er wohnt am anderen Ende der Stadt und sagt, seine Notunterkunft sei gut für ihn, aber bitte, der Rest der Familie könne da unmöglich leben. Offenbar handelt es sich um eine Massierung von „Jungbullen“ und es spricht für ihn, dass er die Unzumutbarkeit erkennt.

Heute habe ich den immer schlafenden Onkel kennen gelernt. Er ist entweder depressiv oder traumatisiert. Zum Arzt aber geht er nur wegen der Pickel in seinem Gesicht. Offenbar kümmert sich dessen Vormund gar nicht.

Auch mit der Tante habe ich gesprochen, denn sie hat einen Termin beim Jobcenter. Ich habe ihr erklärt, dass sie jetzt anfangen muss, zu arbeiten. Sie sagte, sie könne nähen. Ich hoffe, dass sich da was findet.

Sie, die Analphabetin, führt das Konto auf das alle Leistungen des Staates eingezahlt werden. Das Hostal wird direkt bezahlt. Sie hat keinen Überblick über die Ausgaben. Ich bat sie, mir die Kontoauszüge zu schicken. Mal sehen, ob das klappt.

Unterdessen habe ich herausgefunden, dass es sehr rührige ONGs gibt, die sich um die Flüchtlinge kümmern. Die Caritas veranstaltet sogar einen Lehrgang für Vormunde. Da geh ich hin, denn als spanischer Anwalt habe ich natürlich keinen Schimmer von den deutschen Sozialgesetzen. Heute Nachmittag gehe ich zu „Pankow hilft“ in der Hoffnung, dass man dort mit der Wohnung helfen kann. Meine Leute brauchen endlich eine dauerhafte Wohnung. Sonst klappt das mit der Integration nie.

Die beiden Buben haben erneut erklärt, in Deutschland bleiben zu wollen.Die Hoffnung auf Frieden in Syrien haben sie offenbar vorerst aufgegeben. Ich habe ihnen erklärt, dass sie sich nun Gedanken über ihre Zukunft machen müssen. Wollen sie Abitur machen, mittlere Reife? Wollen sie ein Handwerk erlernen? Der Gedanke schien ihnen neu zu sein, obwohl ich schon mal darüber geredet habe.

Zum Schluss habe ich „Begrüßung“ mit allen geübt. Araber schauen beim eher laschen Händedruck weg. Ich habe ihnen erklärt, dass das in Deutschland so aufgefasst werde, als habe man etwas zu verbergen. Und dann übten wir festen Händedruck mit ebenso festem Blick in die Augen. Das führte zu großer Belustigung. Das hatte ich ja bereits bei meinen Vorträgen über Verfassungsrecht für Flüchtlinge so erlebt und festgestellt, dass gemeinsames Lachen gut ist, um Vertrauen aufzubauen.

 

 

 

Cucumber Gang

Ich bin nicht der Vorsitzende des Dobrindt Fan Clubs, muss dem Bundesminister aber eines zugestehen: Als er in Zeiten der schwarz-gelben Koalition das Wort „Gurkentruppe“ in den politischen Sprachschatz einführte, hat er weit über den zeitgeschichtlichen Moment hinausgehend jedem „zoon politicon“, jedem, der sich für das, was sich vor seiner Haustür abspielt, etwas an die Hand gegeben, dass die Argumentationsbreite der Allgemeinheit um ein Vielfaches vergrößert hat: „Gurkentruppe“. Das ist griffig, schön pejorativ ohne beleidigend zu sein und stellt die Glieder dieser Truppe auf einen eindeutigen Platz in der Weltgeschichte. Dobrindt hatte es sicher nicht gewollt, ja nicht einmal erhofft, dass im Jahr 2017 seine Wortschöpfung eine unerwartete Brisanz und Aktualität bekommt.

Alle haben es bereits geahnt, ich sprechen von der Gurkentruppe, die derzeit das Weiße Haus bevölkert. Es ist nicht notwendig all das zu wiederholen, was dort seit Januar in Washington DC passiert oder, wenn man genauer hinschaut, eben nicht passiert.

Wir erleben die Selbstmontage einer Weltmacht live mit, und die Furcht macht sich breit, ach was, die pure Panik ergreift Politiker, Strategen und Zeitungsleser bei dem Gedanken, es könne wirklich mal was Schlimmes passieren und dann wären es die „cucumber men“, die diese Krise bewältigen müssten. Ein Albtraum.

Was gerade in den USA passiert, erinnert schmerzhaft an das, was vor 1914 in Berlin geschah, als Wilhelm II die Welt in eine allumfassende Katastrophe schlittern lies, weil sein Geltungsbedürfnis seine intellektuellen Fähigkeiten bei Weitem überstieg.

Unbestreitbar, die militärische Macht liegt nach wie vor in Händen der USA und Ihres Präsidenten. Aber wer kann beim voraussehbaren Ausscheiden der USA aus dem Kreis der ernstzunehmenden „global players“ die politische Führung übernehmen?

In Europa wünscht man sich eine Doppelführung: Merkel und Macron. Mir scheint das liegt in erster Linie daran, weil die politische Lage in London, Rom, Madrid, Warschau etc so desaströs ist, dass anderswo der Einäugige zum König gekürt wird.

Dann gibt es noch ein paar wenige versprengte Demokraten in Israel, Indien, Kanada, Japan und Australien, die aber alle weltpolitisch keine Rolle spielen.

Putin wird natürlich der Nutznießer der amerikanischen Schwäche sein, aber er wird niemals eine in der freien Welt anerkannte Führungspersönlichkeit werden, ebenso wenig wir die übrigen Potentaten dieser Welt.

Angesichts dieses beängstigenden Vakuums baut sich eine neue Schreckensvision auf: Der berühmte „starke Mann“. Manche wähnen ihn in der Industrie, irgendein steinreicher Self Made Man, dem des Tohuwabohu einfach zu blöde wird und der die Deutungshoheit dieser Welt nicht nur für sich reklamiert, sondern sie auch ergreift.

Das wäre ein weiterer Albtraum, weil diese Person ohne Legitimierung, ohne Auftrag und ohne Kontrolle es fertigbringen könnte, die enttäuschten Massen hinter sich zu bringen und dann mit Geld, gekauften Medien und dem „gesunden Volksempfinden“ im Rücken all denen Recht geben könnte, die schon heute behaupten, Demokratie sei eine Schimäre, sei Augenwischerei.

 

Was ist Trump?

Wer ist Trump? Das wissen wir. Er ist der 45. demokratisch gewählte Präsident der USA. Das muss vorausgeschickt werden, denn so Manchem scheint das nicht ganz klar zu sein.

Er ist der legitime Repräsentant seines Landes, der alle ihm von der Verfassung verliehenen Befugnisse im Rahmen des Rechts anwenden darf.

Dennoch steht man mit Staunen vor diesem Mann. Was ist des Pudels Kern bei Trump?

Noch nie gab es einen amerikanischen Präsidenten, der einen derart subjektiven Umgang mit der Wahrheit pflegte.

Und was passiert? Nichts!

Noch nie gab es einen amerikanischen Präsidenten, der unter Einmischung / Hilfe einer ausländischen Macht ins Amt gewählt wurde.

Und was passiert? Nothing!

Noch nie gab es einen amerikanischen Präsidenten, der durch geschäftliche Verknäuelungen derartig abhängig ist von einer ausländischen Bank, in dem Fall der Deutschen Bank.

Und was passiert? Nitschewo!

Noch nie gab es einen amerikanischen Präsidenten, der im Wahlkampf innenpolitisch alles versprach, aber, einmal im Amt, nichts zustande bekommt.

Und was passiert? Nada!

Was wir in Europa nur schwer verstehen können, ist der Umstand, dass Trump nur deshalb gewählt worden ist, weil ganz viele Wähler, die sonst nie zur Urne gehen, diesmal gewählt haben. In ihrer Hoffnungslosigkeit sehnen sie sich danach, seinen Versprechungen glauben zu können. Wer im ehemaligen steel belt , jetzt rust belt, lebt, wer sieht, wie alles, was er früher mit seiner Hände Arbeit hergestellt hat, jetzt aus dem Ausland kommt, der hofft, dem glauben zu können, der „America first“ verspricht.

Wer sagt, Klima sei ihm wurscht, aber die „miners“ sollen wieder Arbeit bekommen, der wird zur Lichtgestalt für alle, die seit Jahren arbeitslos sind. Motto: „Est kommt das Fressen, dann kommt die Moral.“

Auf Trump zu schimpfen, ihn für verrückt zu erklären, sich intellektuell über ihn zu erheben, bringt gar nichts. Dies führt nur zur Verharmlosung, und insbesondere, handelt es sich dabei um eine billige Ausrede: „Der Mann ist so daneben, mit dem muss ich mich nichtauseinandersetzen“.

Vielleicht muss man sich tatsächlich nicht mit Trump direkt auseinandersetzen. Wohl aber mit seinen Wählern. Denn wir haben in Europa auch potentielle Trump-Wähler! Nur mal ein paar Beispiele:

  • Die Jugend in den Vorstädten belgischer und französischer Städte.
  • Eigentlich ganz Griechenland.
  • Hartz IV Empfänger in der dritten Generation.
  • Arbeitslose Jugendliche aus Spanien oder Italien.

Perspektivlosigkeit ist ein ganz schlimmes Gift. Und Arbeitslosigkeit ist das Vehikel zur Perspektivlosigkeit. Wenn Helmut Schmitt sagte, ein Prozent mehr Inflation sei ihm lieber als ein Prozent mehr Arbeitslosigkeit, dann sprach er nicht als Wirtschaftspolitiker, sondern als Sozialpolitiker.

Trump ist kein allein amerikanisches Phänomen. Wenn abgehobene Politiker sich mehr um die Börsenwerte als um die Lohntüte der Wähler kümmern, dann haben es die leicht, die das Blaue vom Himmel herunterversprechen.

Lehnen wir uns also nicht bequem zurück und belächeln die Amis, die Trump gewählt haben. Passen wir vielmehr darauf auf, dass bei uns keine Situation entsteht, die einen Trump auch in Europa zum Erfolg führen könnte.

Hat Trump Recht?

Der Berliner Kreis der CDU hat verlauten lassen, statt gegen den 45. Präsidenten zu argumentieren, sei es besser, sich auf das zu besinnen, was man aus dem Klimawandel an Positivem sehen könnte.

Natürlich hat der Klimawandel auch Vorteile, schon mal den, dass für die Inselbewohner im Pazifik, deren Heimat überflutet werden wird, Weidegrund in Grönland frei wird. Natürlich hat der Klimawandel auch den Vorteil, dass man bald in Baden-Württemberg statt Wein Pfirsiche, vielleicht sogar Orangen wird ernten können.

Man muss sich das mal vorstellen: Da sitzen die Leute vom Berliner Kreis zusammen und denken nachhaltig darüber nach, wie man den Ausstieg aus den Pariser Verträgen positiv bewerten könne. Nicht etwa, weil positive Bewertungen auf der Hand lägen, sondern, weil man der konservativen Gefolgschaft Argumentationshilfen geben muss. Wenn ich meinen Wählern keinen bull shit vorsetze, glauben sie den bull shit, den andere ihnen vorsetzen, sprich die AfD. Der Berliner Kreis hat mit seiner Verlautbarung nun für jeden deutlich gemacht, was viele konservative Politiker von ihren Wählern halten: Je weniger die nachdenken, desto besser!

Damit schaden diese Leute nachhaltig dem konservativen Gedankengut, das ja entgegen der Meinung Vieler nicht nur und nicht immer rückwärtsgewandt ist.

Perfider als die Plumpheit des Berliner Kreises ist ein Artikel in der Basler Zeitung. Dort wird unter dem Titel „Trump hat Recht“ gesagt, es sei für Politiker einfach, für die Pariser Verträge zu sein, weil damit den Wählern suggeriert werde, man gehöre zu den Guten. Wenn, wie der Artikel zu erkennen gibt, das ganze Umweltsgedöns zur kommenden Jahrhundertwende sich als Bluff erweisen wird, sind die jetzigen Befürworter des Pariser Vertrages längst tot. Im Übrigen sei der Pariser Vertrag sowieso schlecht, weil ein Kompromiss unter 195 Staaten, von denen die wenigsten demokratisch seien, sowieso ein fauler Handel sein müsse.

Natürlich ist das Pariser Klimaschutzabkommen nicht perfekt. Aber wir haben nur dieses! Immerhin ist es gelungen, mit 195 Staaten ins Gespräch zu kommen und einen Kompromiss zu finden.

Nun treffen sich die Repräsentanten dieser Staaten regelmäßig. Allein das ist ein Erfolg. Es ist doch so, dass die Mehrheit der Bewohner dieser Erde subjektiv die Folgen des Klimawandels überhaupt nicht wahrnimmt. Jetzt, nach dem Pariser Abkommen, erfahren sie wenigstens aus dem Fernsehen davon.

Und noch etwas: Trump kann nicht Recht haben, weil er mit seiner Entscheidung, den Vertrag von Paris zu kündigen, allen sagt: „Ich schere mich um das Völkerrecht einen Dreck, Leute, wenn ihr das auch so seht, meinen Segen habt ihr!“

Trump tut so, als beginne die Zeit neu, seit er die Amtsgeschäfte übernommen hat. Alles was vorher gut und richtig war, ist es nun nicht mehr. Alles steht zur Disposition, er braucht ja nur was zu unterschreiben. Und so finden sich die USA auf einmal in einem Club wieder, der aus Syrien, Nicaragua und den USA selbst besteht, Paris Gegner alle drei. Wäre ich Ami, ich würde mich schämen. Ich schäme mich aber auch so, einfach deshalb, weil ich zusehen muss, wie der Rechtsstaat, die Demokratie und die Völkerverständigung, an denen seit dem Ende des zweiten Weltkrieges beharrlich gearbeitet wurde, plötzlich unwichtig geworden sind.

Wenn ein Präsident der derzeitigen Hegemonialmacht dieses Planeten sagt, er trage Verantwortung für die Leute in Pittsburgh, nicht aber für die in Paris, dann zeigt das nicht nur Ignoranz, sondern, und das ist schlimmer, es zeigt auch, dass dieser Präsident noch überhaupt nicht begriffen hat, was sein Posten ihm abfordert.

Peinlich und widerlich die Leute, die jetzt auf dessen Boot aufspringen. Die versprechen sich doch davon was, oder?