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Bar Tiburón, diesmal mit Hund.

Los Vikingos wurden bei ihren abendlichen, besser nächtlichen Besuchen der Bar tiburón von Paddy`s Hund begleitet. Der konnte nur an Land pinkeln. Da Paddy`s Segler an einer Boje in der Bucht von San Antonio hing, musste er morgens und abends mit dem Beiboot an Land gerudert werden. Er hörte auf den Namen Cú Paddy, eine Verballhornung des Namens der irischen Sagengestalt Cú Chulainn, was der Hund des Chulainn bedeutet.

Cú Paddy war ein „mil leches“, vulgo eine Promenadenmischung. Er war in der Bar Tiburón sehr beliebt, einfach deshalb, wie er sich unter eine Bank legte und keinen Mucks machte. Allerdings wusste er, wann sein Herrchen genug hatte, dann bellte er so lange, bis die anderen Säufer den Iren samt Hund rauswarfen. Hank, der Norweger, ging immer, wenn auch protestierend mit, denn sie hatten nur ein Beiboot. Sie hatten auch nur eine Boje, was eigentlich verboten war. Sie lagen als „Päckchen“ in der winterlichen Bucht.

Eines Abends kamen Paddy und Hank sichtlich schlecht gelaunt in die Bar Tiburón. Ihnen folgte hinkend und noch schlechter gelaunt Cú Paddy. Er hatte einen riesigen Verband um den Bauch gewickelt.

Es war schwer, herauszufinden, was passiert war, denn Hank und Paddy sprachen nicht, weder miteinander noch mit den anderen “Habitués“.

Schließlich lockerte der Alkohol doch die Zungen. Was war passiert?

In Hanks Boot hatte bei einer der Ausfahrten zwecks Hebung der Messingschraube der Motor gestottert. Am nächsten Morgen machten sich beide über das Trum her, schraubten, hämmerten und fluchten, was das Zeug hielt.

Darüber vergaßen sie, an die körperlichen Bedürfnisse von Cú Paddy zu denken. Sein Jaulen wurde überhört und so pinkelte der Hund in seiner Not an Bord. Dies tat er – aus schierer Bosheit, davon war Hank überzeugt – durch das Bullauge direkt auf dessen Kopf. Unflätig fluchend warf er mit dem Siebzehnerschlüssel nach dem Köter und traf wider Erwarten.

Er hatte dem armen Vieh den Bauch aufgeschlitzt, überall war Blut an Deck verspritzt, und Paddy drohte, nach Hank mit dem Zwanzigerschlüssel zu werfen, allerdings ins Gemächte.

Der Tierarzt verlangte ein, wie beide versicherten, geradezu unflätiges Honorar, was die Hebung der Messingschraube umso dringlicher erscheinen ließ.

Zunächst aber feierten los Vikingos Versöhnung und ruderten nach Erreichung der Volltrunkenheit einträchtig und von Cú Paddy bewacht zu ihren Seglern in die dunkle Nacht.

Bar Tiburón.

In San Antonio auf Ibiza gibt es sei undenklichen Zeiten ganz am Ende des Hafens die Bar Tiburón, die Haifischbar.

Dort treffen sich frühe Fischer auf einen „carajillo“, um den Magen aufzuwärmen und später Zecher, meist um zu vergessen.

In den 80er Jahren gehörten zu Letzteren „los dos Vikingos“. Sie hießen so, weil sie beide rothaarig waren. Sie verband ein gemeinsames Schicksal.

Paddy, der Name sagt es, war Ire und Hank, der eigentlich Haakon hieß, war Norweger.

Ihr gemeinsames Schicksal war eine frühe Erbschaft, die es ihnen ermöglicht hatte, den Traum eines eigenen hochseetüchtigen Segelboots zu ermöglichen. Da weitere Erbschaften ausblieben, war bald kein Geld mehr da. Sie trafen sich per Zufall im Hafen von San Antonio, wo man damals noch für billiges Geld in der Bucht an einer Boje überwintern konnte.

Sie hatten nahe der Insel Conejera ein Wrack in wenig tiefen Gewässern entdeckt und beschlossen, der finanziellen Misere ein Ende zu setzen. Die große Messingschraube des Bootes sollte geborgen und verkauft werden. Damals bekam man dafür noch viel Geld.

In der Bar Tiburón schmiedeten sie ihre Pläne und ließen die Stammmannschaft allabendlich an ihren Fortschritten teilhaben.

Das Problem war zunächst, die Schraube von der Achse zu lösen. Der Wirt riet zum Allheilmittel „Caramba, tres in uno“ „Damit krieg ich jede verrostete Schraube an meinem Auto los“ sagte er und spendierte den Vikingos ein Bier.

„Tu caramba ser mierda,” beschied Paddy am nächsten Abend den Wirt. Man beschloss zu sägen. Dazu liehen sich die beiden Tauchgeräte aus.

Die Zeit unter Wasser, es war Winter, unterkühlte die beiden derart, dass sie ihr Vorhaben vorerst aufgeben mussten.

Eines Abends berichtete Toni, ein Fischer aus Alicante, der im Norden von Ibiza Gambas fischte, er habe zwei tote Windsurfer samt ihren Brettern in ihren Neopren-Anzügen auf hoher See entdeckt.

In aller Herrgottsfrühe stachen los Vikingos in See und tatsächlich, sie fanden die beiden Unglücklichen. Sie hieften sie an Deck und zogen ihnen die Neopren-Anzüge aus. Dann übergaben sie die Leichen den Fluten.

Als wären es Schleppnetze zogen sie ihre Beute hinter ihrem Boor her und berichteten am Abend, die Anzüge stänken nur noch wenig.

Die Arbeit ging nun flotter, die beiden konnten länger unter Wasser bleiben. Irgendwann war die Achse halbwegs durchsägt und brach unter der Last der Schraube ab. Leider sank sie dabei um einige Meter in die Tiefe. Am Abend feierten Paddy und Hank aber schon mal in der Bar Tiburón. Auf Pump, wie ein Kenner der Szene später berichtete.

Tolo, der Besitzer der Renault Werkstatt, versprach, einen Flaschenzug zu leihen. Am Morgen holten sie das verrostete Ding ab, behandelten es mit Caramba und schipperten hinaus, nunmehr felsenfest überzeugt, dass dies der Tag werde, der ihnen den ersehnten Erfolg brächte.

Hank tauchte und befestigte die Schraube an einen Tau, dann half er oben seinem Kumpel, den Flaschenzug zu bedienen. Das Segelboot krängte bedenklich. Das störte nicht, man achtete nur auf den Flaschenzug. Die beiden glaubten schon, die Schraube sehen zu können, zumal die Schieflage des Bootes den Blick in den Abgrund der See immer direkter werden ließ.

Da gab es einen Riesenknall. Der Flaschenzug hatte sich aus der Verankerung auf dem Boot gerissen und sank mitsamt der Schraube ins unergründliche Meer.

Das Boot stellte sich wieder auf und los Vikingos kehrten abends wie die begossenen Pudel in die Bar Tiburón zurück.

Sie beschlossen aufzugeben. Die Stammmannschaft der Bar war betrübt, denn im Winter gibt es auf Ibiza nicht allzu viel, worüber man abends in der Bar hätte reden können.

Paddy und Hank verbrachten den Rest des Winters damit, reichen Schweizern den Garten um ihre Fincas herum zu richten. Im Tiburón ließen sie sich nicht mehr blicken. Immerhin schuldeten sie Tolo einen Flaschenzug und dem Wirt die Sause vor der misslungenen Schraubenhebung.

Baiser

Wenn mein Vater Geburtstag hatte, wurde immer vorher bei Café Wagner in Ebern eine Baiser-Torte abgeholt. Das Geburtstagskind, ein unermüdlicher Schüttelreimer, bestand darauf, dass die Konditorei eigentlich Waffé Kackner hieß.

Uns erklärte er zweierlei: Erstens sei „Baiser“ das französische Wort für Kuss und zweitens hieße das Ding gar nicht Baiser-Torte sondern Beseh-Torte, man könne sie daher nur anschauen außer dem Jubilar natürlich.

Wir bekamen alljährlich dennoch ein Stück ab, auch wenn das Ritual vom Schüttelreim bis zum bloßen Hingucken alljährlich wiederholt werden musste.

Meine Zunge erinnert sich noch heute an das irgendwie prickelnde Gefühl, wenn schließlich doch der „Baiser“, der Kuss, der jedes Stück der Torte zierte, in meinem Mund gelandet war – der Inbegriff von Luxus und Genuss.

Die Torte sah irgendwie unscheinbar aus, eher grau, wo doch die Buddergremdorddn in weißer Pracht und die Schwadswäldä-Kirsch-Dordde fast kunterbunt in Meister Wagners Vitrine stand. Diese Erzeugnisse verachteten wir, weil unsere Mutter uns eingeredet hatte, die einzig „vornehme“ Torte sei die Baiser-Torte. Das glaubten wir ihr, ohne diesen erkennbaren Blödsinn zu hinterfragen, zumal es ja keine andere Torte gab außer das eine Mal im Jahr eine Baiser-Torte, die Kusstorte.

Später bin ich oft nach Frankreich gefahren, mal per Anhalter, auch im eigenen Auto. Ich gewann das Land lieb, noch mehr aber die Sprache, die man dort spricht.

Das kam mir sehr zugute, als ich nach Ibiza „auswanderte“. Spanisch konnte ich nicht außer „todo va mejor con una mujer“: Aber ich wähnte meine französischen Sprachkenntnisse seien allumfassend. Da ich dort zunächst nur französische Freunde hatte, machte das alles erheblich einfacher und bald war ich aufgenommen in den Kreis einer französischen Großfamilie, die zum Teil auf der Insel lebte, zum anderen Teil im Sommer dort ihre Ferien verbrachte.

Bei einer Familienfeier hatte ich das Glück einen Sitzplatz neben – nennen wir die Monique – zu ergattern. Sie war zum Niederknien schön, sie lachte, wenn ich dumme Späßchen machte, es blieb mir gar nichts anderes übrig, als mich in diese junge Halbgöttin bis über alle Ohren zu verlieben.  

Dabei störte natürlich die anwesende Großfamilie. Ich beschloss, auf irgendeine Weise meine „Ansprüche“ manifest zu machen und dachte, mir, ein Kuss sei dazu gerade das richtige Mitte, deutlich genug aber nicht so weitgehend, dass die Mutter der Angebeteten erzürnen müsste. Also holte ich mein bestes Französisch zusammen und sagte laut genug, dass alles es hören konnten:

 »Monique, tu es tellement mignonne, il faut que je te baise. »

Ich dachte Substantiv und Verb seien wie im Deutschen gleich. Darum wunderte ich mich um so mehr, dass sich bleierne Stille über die Gesellschaft legte. Dann kicherten Einige und Moniques Mutter blitzte mich wütend an. Später erfuhr ich, dass das französische Verb des Kusses etwas ganz anderes bedeutet als von mir gedacht, nämlich den Vorgang der natürlichen menschlichen Reproduktion.

Daran hatte ich bei meinen „Ansprüchen“ noch gar nicht zu denken gewagt.

Aus der Sache wurde dann auch nichts

Merde!

Bücher

Das Foto, das mein Freund Jean Willi von seinem Bücherregal in seinem Haus auf Ibiza gepostet hat, ist dazu geeignet, mich in tiefe Selbstzweifel fallen zu lassen. Ich kenne sein Haus in Santa Inés. Es ist nicht sehr groß. Und dennoch: Er schmeißt keines dieser Schätzchen weg.

Wer es sich leisten kann, richtet sich ein ganzes Zimmer für seine Bücher ein. Dort riecht es dann stickig und weil fast nie jemand vorbeikommt, wird es von der Jugend dazu benutzt, das auszuprobieren, wofür sie ihre Eltern noch zu jung erachten.

Normalbürger haben keine Bibliothek, sondern ein Bücherregal. Als wir noch auf Ibiza lebten, hat uns ein Freund, der im Sommer als Hüttenwirt in der Steiermark lebte, ein riesiges Regal gebaut. Darin hatte sogar meine ausufernde Plattensammlung Platz.

Womit wir nicht gerechnet hatten, war der Umstand, dass unser Haus keine Bodenplatte hatte und deshalb allerlei Gewürm sich über das im Haus verbaute Holz machte. Bald aber fanden die Viecher heraus, dass Papier auch sättigt und man sich dabei weniger anstrengen muss als beim Verzehr von „pino del norte“.

Als ich eines Tages etwas nachschlagen wollte, fand ich einen Buchrücken, zwei Deckel und sonst nichts vor. Alarmiert suchte ich in den übrigen Büchern nach und fand darin zum einen Teil ebenfalls nichts und zum anderen wie ich fand, grinsende, aber auf jeden Fall eklige Maden. Es blieb nichts anderes übrig als fast alle Bücher und das Regal zu verbrennen. Glücklicherweise wollten wir damals sowieso nach Mallorca übersiedeln. So tröstete ich mich damit, dass wir uns den Transport der schweren Bücher erspart hatten. Immerhin, die Schallplatten hatte die widrigen Würmer verschmäht.

Seltsamerweise kam keine Trauer über den Verlust auf. Alles, was sich seit meiner Studentenzeit an Büchern gekauft hatte, war mit mir nach Ibiza umgezogen. Ich fand, ich hätte ein Recht darauf, traurig zu sein. Ich strengte mich an, aber da war nichts.

„Hast halt ein Gemüt wie ein Metzgershund,“ tröstete ich mich.

Jahre später beschlossen wir, von Mallorca nach Berlin zu ziehen. Auf einem Flohmarkt unter der Kathedrale verkaufte ich meine Bücher, unter anderem fast alle von Herbert Rosendorfer veröffentlichten Werke. Ein Flaneur bedauerte es, mit dem Flieger nach Mallorca gekommen zu sein, sonst hätte er mir alles abgekauft. Etwas beschämt war ich dann aber schon, als er mich tadelte und meinte, er würde sich lieber von seiner Frau scheiden lassen, als sich von seinen Rosendorfer-Büchern zu trennen. Meine Entgegnung, ich läse Bücher nicht zwei Mal kam irgendwie flau rüber. War ja auch gelogen. Unterdessen habe ich mir einige Bücher von Herbert Rosendorfer nachgekauft.

Grundsätzlich aber gilt nach wie vor: Ich hänge nicht an Büchern. Jetzt steht wieder ein Umzug ins Haus und siehe da, mein sowieso schon seht kleines Bücherregal sieht richtig gerupft aus.

Wahrscheinlich bin ich jetzt bei allen bücherliebenden Gelehrten, Forschern, Autoren, Schöngeistern und Kulturaufrechterhaltern unten durch.

Nur die Buchhändler werden mich lieben. Denn noch immer kann ich schwer an einem Buchladen vorbeigehen, ohne etwas zu kaufen.

Bei die Doro

Auf Ibiza hatte ich einen Freund, Achim. Er kam aus Nürnberg und das hörte man auch.

Oft gingen wir abends zum Essen aus und er bestand immer darauf, dass wir seinen Lieblingswein bestellten. Warum auch nicht. Er rief dann laut dem Kellner hinterher´: „Draenos un Sichlo Saggo.“ „Una Botella?“ fragte der Kellner. „Hombre, no freilich!“

Den Wein gibt es heute noch und er heißt heute noch Siglo Saco. Die Flasche wird in einen Sack eingenäht, das schützte beim Transport auf Eselskarren und hat sich einfach erhalten. Meist blieb es nicht bei einer Flasche. Ich fuhr ihn immer nach Hause zu seiner Inge, deren Hund ihn verlässlich verbellte, weil er den Betrunkenen nicht erkannte. Ich war natürlich nicht weniger voll. Damals galt auf Ibiza die Regel, solange man keinen Unfall baut, gibt es keine Promillegrenze. Das war natürlich in höchstem Maße unverantwortlich. Wir waren allerdings alle durchgehend unverantwortlich. Wir lebten in den Tag hinein und wunderten uns, wenn wir im Winter, wenn die Touristen ausblieben, kein Geld mehr hatten.

Achim hatte Glück, seine Inge war im Immobiliengeschäft. Da lief immer irgendwas.

Eines Tages kam es ganz aufgeregt in die Bar, wo wir morgens immer unseren café con leche zu uns nahmen. Also, das gestern, das sei wirklich ein tolles Erlebnis gewesen. Er sei „bei die Doro“ gewesen.

Vorsichtig fragte ich ihn, ob ihm denn seine Inge nicht genug sei, ob er denn wirklich seinen Status als im Winter ausgehaltener Liebhaber aufs Spiel setzen wolle? Achim sah mich verständnislos an. Erst dann schaltete ich meinen fränkischen Sprachumwandler ein und übersetzte: Er war nicht bei einer womöglich hübschen Dame namens Doro gewesen sondern bei den Stieren, „bei den Toros.“

Damals gab es in der Stadt Ibiza noch eine Stierkampfarena. Später kaufte sie mein Freund Pepe, er mit dem langen Nagel am kleinen Finger, auf, und baute dort ohne jegliche Baugenehmigung einen überdachten Markt hin. Zu seinem größten Erstaunen musste er das Werk nach jahrelangem Tauziehen wieder abreißen. Pepe schimpfte auf die Demokratie und meinte, unter Franco wäre ihm das nicht passiert, womit er wahrscheinlich richtig lag. Das Rund der Arena kann man noch heute vor dem Hotel Royal Plaza sehen.

Nach Ibiza kamen nur unbedeutende Toreros. Einer war ein Deutscher, Rüdiger von der Goltz. Den habe ich mal interviewt. Damals war ich Sprecher beim deutschsprachigen Radio auf Ibiza.

Aber zurück zu Achim. Der wandelte sich in Kürze zum Stierkampfexperten, schwärmte von der männlichen Eleganz der Toreros, der „bravura“ der Stiere und der Leichtfüßigkeit der Banderilleros, „die wo dena Fregger die Fähnla nein Rüggn steggn.“

Er ließ fortan keine der seltenen Corridas aus und träumte davon, einmal in Madrid oder Sevilla einen der Großen zu sehen.

Es wurde nichts daraus. Er verließ die Insel gedemütigt, enttäuscht und verzweifelt in Richtung Nürnberg. Er hatte eine Affaire mit Concha, einer feurigen Andalusierin, die er in der Arena kennen gelernt hatte.

Inge fand das heraus und verstieß ihn. Und so ganz ohne die Unterstützung seiner Gönnerin konnte er nicht leben, er hätte ja ganzjährig arbeiten müssen. Wer will das schon auf Ibiza.

Bei Babs, da ist was los! 

Nach glücklicher Scheidung kam Babs nach San Antonio auf Ibiza. Sie hatte dort ein kleines Häuschen und langweilte sich bald. Als lebensfrohe Rheinländerin lag der Gedanke nahe, eine Kneipe auf zu machen.

Was heute ein Kinderspiel ist, war damals schier unmöglich, der Generalissimo lebte noch und Recht und Ordnung wurden nach Gutdünken geregelt. Da genügte es eben nicht, einen Antrag zu stellen, da war voller Körpereinsatz gefragt. Das merkte Babs schnell und da sie nicht unansehnlich war, gelang es ihr in, wie man munkelte, verdächtig kurzer Zeit alle Papiere beieinander zu haben. Der hübsche Sekretär des hässlichen Bürgermeisters soll entscheidend beigetragen haben.

Die Bar „Bei Babs“ wurde zum Treffpunkt aller in San Antonio lebenden Deutschsprachler. Als ich dort im Jahr 1978 aufkreuzte, kostete das 0,3 l Glas San Miguel für Residenten 20 PTAS, für Touristen 25.

Ab und zu kam ein Spanier in die Kneipe, der schon erwähnte Gemeindesekretär, manchmal der an einen Stierkämpfer gemahnende Chef der Guardia Civil und öfter auch der Chef der Bierniederlassung. Das waren allesamt wichtige Personen, die sich Babs auf ihre Weise gefügig machte. Besonders im Hochsommer war es nicht immer ganz leicht, genügend Bier zu bekommen, es musste ja zur Gänze mit dem Schiff herantransportiert werden.

Babs konnte kein spanisch. Wenn einer ihres iberischen Triumvirats kam, dann hörte sie sich lange deren Wortschwall an, lehnte sodann den Unterarm auf den Schanktisch, beugte sich vor, so dass der Gesprächspartner auch visuell auf seine Kosten kam und sagte: „Yo pensar, tu tener razón,“ also „ich denken, du Recht haben.“ Nachdem Babs noch klargemacht hatte, dass sie die Bar heute um Mitternacht schließen werde, zog der wichtige Mann zufrieden und erwartungsfroh ab.

Eines Tages erschien Günther auf der Bildfläche. Er kam aus dem Nichts, hatte nichts und konnte nichts. Er sah aus wie ein im Abstieg begriffener Vorstadtgigolo. Es war deutlich, dass er gekommen war, um in Deutschland über was auch immer Gras wachsen zu lassen.

Bald schon keimte in ihm der Gedanke auf, der Liebhaber einer Kneipenbesitzerin zu werden, wo sich alle Deutschen trafen, könne nur von Vorteil sein. Er verbrachte nun seine Abende im „Bei Babs“ und erzählte der Wirtin von seinen vergangenen Heldentaten und auch davon, wie ungerecht das Leben ihn jüngst behandelt habe, mit der Folge, dass er mittellos sei, aber voller Tatendrang, neu anzufangen.

Mag sein, dass es Babs danach war, sich mit einem ihrer Liebhaber auch verbal austauschen zu können, jedenfalls stieg Günther zum ständigen Begleiter der Wirtin auf. „Hauptbeschäler“, sagte Rolf, der einen Reitstall betrieb.

Das Triumvirat grollte. Da die drei kein deutsch und Günther kein spanisch sprachen, blieb es bei nonverbalen Bekundungen der gegenseitigen Geringschätzung.

Eines Abends kam es zum show down, der eine boxte den anderen vor die Brust, woraufhin der andere, das Bierglas am Tresen zerschlug und auf den Kontrahenten losging. Die Wirtin schrie grell auf und nach kurzem Gemenge lag Günther am Boden und in seinem Blute. Ich erbot mich, ihn nach Ibiza ins Krankenhaus zu fahren. Günther verließ erhobenen Hauptes das Feld, er fühlte sich als moralischer Sieger.

Im Auto fiel diese Pose rasch von ihm ab. Er wurde kleinlaut und erklärte mir, er habe schreckliche Angst vor der zu erwartenden Spritze und ich solle mich nicht wundern, wenn er schreien, ja weinen werde.

Genau so kam es dann auch, ich wurde dessen Zeuge. Als Übersetzer musste ich mit ins Behandlungszimmer.

Ich habe Babs davon nichts erzählt, dennoch waren seine Nächte in ihrem Bett gezählt. Das war auch vernünftig, denn das rotierende Triumvirat, sorgte für Biernachschub, Sicherheit und ein zugedrücktes Auge von wegen der Sperrstunde.

Bauen auf Ibiza.

In den Siebziger und Achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts war jeder auf Ibiza sein eigener Bauunternehmer.

Viele aus dem Ausland zugewanderte junge Abenteurer haben damals mit wenig Geld und viel Phantasie verfallene Fincas gekauft und wieder hergerichtet, wobei, es muss gesagt werden, die Frage der Baugenehmigung eine Marginalie war.

Das wirkliche Problem war der Mangel an Geld. Wer den Mörtel bei 35 Grad Celsius mit der Hacke anrührt, der sehnt sich nach dem Betonmischer, den er sich nicht leisten kann.

So kam einer meiner Freunde auf eine kluge Geschäftsidee: der Verleih von Baumaschinen. Er kaufte einen gebrauchten Dumper und eine gebrauchte Betonmaschine und verbreitete die gute Mär in den einschlägigen Bars rund um Santa Eulalia und Santa Gertrudis, in denen sich die erschöpften Bauherren abends trafen.

Bald schon bemerkte der Neuunternehmer, dass es unerlässlich war, die Geräte gegen Vorkasse zu vermieten, denn wenn das Dach repariert war und die Zisterne abgedichtet, war plötzlich kein Geld da und er guckte in die Röhre. Leider hat die Sache mit der Vorkasse dem Geschäft keinen Auftrieb gegeben, denn wenn jemand überhaupt Geld hortete, dann war es zu dem Zweck an Wochenenden den jam sessions im La Nada in der Calle Virgen teilnehmen zu können.

Wir dachten alle schon, die an sich brillante Geschäftsidee werde an den berechtigten Eigentümlichkeiten der sogenannten Hippies scheitern, als eines Tages Lutz mit einem etwas zu großen Auto vorfuhr und Dumper und Betonmischer gegen Vorkasse für zwei Wochen mietete.

Es entstand Aufbruchstimmung. Nachforschungen ergaben, dass Lutz ein Bauunternehmer, der erst kürzlich aus Deutschland zugezogen sei in den Bergen hinter San Rafael eine Finca gekauft habe, die er nun zu renovieren gedenke.

Etwas eingehendere Nachforschungen ergaben, dass Lutz in den vergangenen Jahren fast ausschließlich Bunker für die Bundeswehr gebaut hatte. Dabei war er sehr reich geworden und er war gern gesehener Gast bei allerlei militärischen Festlichkeiten.

Die Sache nahm ein abruptes Ende, als bei einer Umbaumaßnahme, die die Bundeswehr in Eigenregie vornahm, sich herausstellte, dass die Bunkermauern zwar tatsächlich einen Durchmesser von die Metern hatten, aber von außen nach innen betrachtet, aus einer Backsteinmauer, einem Hohlraum und dann wieder eine Backsteinmauer bestanden. Allerdings, und das wurde allgemein anerkannt, sah der Verputz einer fachgerechten Verschalung sehr ähnlich.

Wie dem auch sei, die Tage von Lutz, dem Bunkerbauer, waren in Deutschland gezählt und er zog nach Ibiza um. Damals war das noch eine erfolgversprechende Maßnahme, zumindest, was die Vermeidung eines polizeilichen Zugriffs anging.

Da der Herr alles im Voraus bezahlt hatte, war die Besorgnis nicht sehr groß, als nach vierzehn Tagen die Baumaschinen noch nicht wieder zurückgebracht waren. Nach drei Wochen aber machten sich der Jungunternehmer ein Freund und ich auf, um auf der Finca nach dem Rechten zu sehen. Immerhin, die Geräte waren noch da. Lutz und einige Kumpane lagen vollkommen bekifft auf einigen Polstern vor dem Kamin, wenn ich mich recht erinnere waren da auch noch einige wenig bekleidete junge Damen.

Bei der weiteren Besichtigung der Finca stellten wir fest, dass Lutz ein riesiges Badezimmer gebaut hatte, an dessen Decke etwa acht Duschköpfe angebracht waren.

Als wir uns fragten, was das denn wohl sollte, kam Lutz schwankend aus dem Haus und erklärte uns, viele Weiber brauchten eben viele Duschen.

Später hörte man immer wieder von legendären Orgien, die sich in den sanitären Anlagen von C‘an Xicu de Dalt zugetragen haben sollen. Wir drei wurden nicht eingeladen, weil wir im Unfrieden von Lutz geschieden waren:

Sowohl die Mischmaschine als auch in der Landefläche des Dumpers war voll mit festgewordenem Beton. Es hat Tage gebraucht, das rauszumeißeln. Darüber hinaus war es das Ende der Firma „Alquier de Maquinaria de Construcción.”

Auf Ibiza ist man misstrauisch!

„Mi amo no está en casa”, sagte die alte Bäuerin und ich fiel fast auf den Hintern vor Verblüffung. Das Wort „amo“ kannte ich von meiner Schallplattensammlung, wo ein Terrier in ein Grammophon hineinhört und darunter steht: „La voz de su amo“, die Stimme seines Herrn.

Die Bäuerin hatte ihren Ehemann tatsächlich als ihren Herrn bezeichnet. Der Ihre war Pep der Älteste. Die anderen Brüder hießen Toni, Juan und Xisco. Einer meiner Klienten hatte sich in den Kopf gesetzt, die vollkommen verfallene Finca der Brüder zu kaufen. Damals konnte man Ruinen noch ziemlich problemlos wiederaufbauen und wenn das Innere etwas moderner ausfiel, dann störte das auch niemanden. Damals, und besonders auf Ibiza, galten Gesetze eher als Vorschläge…

Ich hatte mit den vier Brüdern verhandelt, wir hatten und sogar schon fast auf einen Preis geeinigt, sogar welcher Teil davon „so“ also schwarz fließen sollte war schon ausbaldowert worden und auch der Makler stimmte freudig zu, als ich ihm darlegte, dass seine Courtage im gleichen Verhältnis wie der Kaufpreis offiziell und nicht offiziell bezahlt werden würde. Auf Ibiza hatte damals niemand, ich eingeschlossen, das Gefühl, damit etwas Ungesetzliches zu tun, es war einfach so.

Trotz aller Einigkeit zierten sich die vier Verkäufer standhaft, den privatschriftlichen Kaufvertag zu unterschreiben. Tagelang hing das Geschäft in der Luft. Als ich mein Auto bei Xisco, dem Jüngsten, zum Ölwechsel brachte, fragte ich ihn, was denn da los sei. Zunächst druckste er herum und dann gestand er mir, dass er seinen Brüdern nicht über den Weg traue. Die hätten ihn schon mehrfach zu betrügen versucht und einmal sei ihnen das sogar gelungen. Er sei sicher, dass einer oder mehrere im Stillen mit dem Verkäufer ausgemacht hätten, noch ein zusätzliches Handgeld zu bekommen. Ich bedankte mich, und versprach ihm 500.000 PTAS für diese gute Information.

Mir war klar, dass jeder der vier so von seinen Brüdern dachte.

Nun sagte ich zu meinem Klienten, dass ich 2.000.000 PTAS in bar bräuchte, sonst würde das mit dem Vertrag nichts. Der schluckte etwas, aber wer kann schon meinen ehrlichen Augen widerstehen!

Dann setzte ich den Privatvertrag auf. Das war mühsam, denn PCs gab es noch nicht, Photokopien oder gar Durchschläge erkannte man als solche, ich musste die Verträge vier Mal im Original herstellen, für einen Legastheniker eine Titanen Aufgabe.

Pep, el amo, fand ich nach einigem Suchen in einer Bar in Santa Gertrudis. Er nahm die 500.000 PTAS sofort an und unterschrieb.

Mit einem anderen Original fand ich mich in Tonis Gemischtwarenladen in San Rafael ein. Als er merkte, dass es um Geld ging, komplimentierte er mich aus dem Landen hinaus. Auf der Straße meinte er, das ginge seine Frau nichts an. Unterschrift und Geldübergabe fanden im Lieferwagen des Betriebes statt. Von Juan, einem Bankangestellten wusste ich, wo er um 9 Uhr seinen café trank. Die Sache lief auch dort problemlos, er unterschrieb ein weiteres Original und sackte das Geld freudig überrascht ein. Mit Xisco hatte ich etwas Schwierigkeiten. Er war misstrauisch, schließlich hatte er mich ja auf die richtige Fährte geführt. Ich schmeichelte ihm, auch in unserer Familie sei der jüngste der vier Brüder der Gescheiteste und schließlich zeigte ich ihm sogar die drei bereits unterschriebenen Verträge.

Da lachte er und meinte, die „alemanes“ seien schon komische Leute. Wir „Ibicencos“ klären solche Probleme mit Beschimpfungen, mit Fäusten oder auch mit Schrotkugeln. Aber für so was Geld auszugeben, auf die Idee käme hier wirklich niemand. Auch er unterschrieb und steckte lachend das Geld weg. Nun konnte ich die damals noch notwendige Militärgenehmigung einholen und ein paar Monate später fanden wir uns alle beim Notar wieder, wo die vier Brüder zusammen mit meinem Klienten die „Escritura Publica de Compra -Venta“ unterzeichneten.

Friede, Freude, Eierkuchen.

 

Der Schlaf Klaus

 

Ich habe schon davon berichtet, dass es unter den ausländischen Residenten auf Ibiza keine Nachnamen gab. Der Vorname musste ausreichen, allerdings geschmückt mit einem Beinamen. Da gab es den Sülzen Hans, der einmal groß zu einer Sülze eingeladen hatte, die ihm aber gigantisch misslang. Der Objekte Horst, er wurde von einer bayerischen Gräfin ausgehalten, verarbeitete die Korken der Weinflaschen, die er mit seiner Gönnerin leerte, zu Kunst, die er allerdings nie verkaufen konnte.

Dann gab es den Klaus von der Helga und den Friedhofs Klaus. Der wohnte neben dem Friedhof von San Agustín. Seine Freundin verblüffte mich eines Tages auf der Straße, denn sie trug meine Lederkniebundhose. Es stellte sich heraus, dass meine Frau das gute Stück am Samstag zuvor auf dem Flohmarkt im British Pub verhökert hatte. Sie fand, dass eine Kniebundlederhose mit dem Geist Ibizas nicht vereinbar sei, womit sie Recht hatte.

Eines Tages erschien ein weiterer Klaus auf der Bildfläche. Er ließ sich von Britt aushalten. Die Dame behauptete, bei Springer gearbeitet zu haben. Da ich damals gerade versuchte, die “Ibiza Wochenzeitung“ zu einem Erfolg zu machen, stellte ich sie ein. Es stellt kam bald heraus, dass sie bei Springer einen kosmetischen Ratgeber verwaltetet hatte. Schreiben konnte sie nicht, hatte aber aus einer glücklich geschiedenen Ehe genügend Mittel zur Verfügung, um sich und Klaus zu ernähren.

Nachdem ich Britt wegen manifestem Nichtskönnen entlassen musste, erschien ihr Klaus in der Redaktion und erklärte mir, ich könne teilhaben an seiner baldigen Eigenschaft als Millionär. Ich müsse nur, allerdings ohne Zahlung, in der „Ibiza Wochenzeitung“ redaktionelle werbende Artikel veröffentlichen, denn er habe das ultimative Mittel gegen Schlafstörungen erfunden, den Schlafstuhl.

Fürs Wochenende lud er alle ausländischen Residenten von den Hecken und Zäunen zu sich auf Britts Finca ein, um den Schlafstuhl auszuprobieren.

Als wir dort ankamen, begrüßte mich Britt kühl und wies auf die „era“ den Dreschplatz. Dort stand unter einem Baldachin die Erfindung, ein etwas klobiger Sessel, der mit einem Schafspelz gepolstert war. Neben dem Ding stand ein Citroën 2 CV, dessen Motor ratterte. Der Schlaf Klaus, so hieß er unterdessen, erklärte, Britts Finca habe keinen Stromanschluss, der Schlafstuhl liefe aber mit Strom, und müsse daher an die Batterie des „Döschwoh“ angeschlossen werden. Eine leicht bekleidete Freundin von Britt räkelte sich unterdessen auf dem Schlafstuhl und gab grunzende Laute des Wohlbefindens von sich, nachdem der Schlaf Klaus den Schalter umgelegt hatte und sich seine Erfindung in wiegende Bewegungen setzte.

Durch sinnreich aneinandergefügte ovale Zahnräder und verbogene Achsen erreichte der Schlaf Klaus die Mobilität seiner Erfindung. Ich kannte derlei aus meiner Jugend, als ich mit meinem Metallbaukasten Erfahrungen sammeln durfte, was passiert, wenn man gebogene Achsen und durch Drauftreten oval gewordene Zahnräder verbaut. Ich traute dem Frieden nicht und als ich das Ding einer Probe unterzog wurde ich nicht schläfrig, aber immerhin wurde mir schlecht.

Machen wir es kurz: Der Schlaf Klaus hatte mit seinem Schlafstuhl eben so wenig Erfolg wie der Objekte Horst mit seinen Objekten.

Einige Wochen später erschien er wieder in der Redaktion. Ja, die blöde Britt habe ihn rausgeworfen, und nun sei er mittellos, es sei denn, ich würde in spanischer Sprache einen Antrag an die Gemeindeverwaltung von Ibiza stellen. Er habe eine Idee, die der touristischen Entwicklung der Stadt auf die Sprünge helfen würde: Er wolle im Tor zur befestigten Oberstadt Kartoffelpuffer braten.

Der Antrag wurde abgelehnt. Als der Schlaf Klaus dennoch auf der Straße Kartoffelpuffer briet und sogar einen beachtlichen Absatz verzeichnen konnte, wurde er verhaftet. Nach zwei Tagen entließ man ihn. Im „calabozo municipal“ hatte er Läuse aufgesammelt und schimpfte wie ein Rohrspatz auf die Scheiss-Ibicencos. Danach ward er nie wieder gesehen.

Bei Babs da ist was los!

Nach glücklicher Scheidung kam Babs nach San Antonio auf Ibiza. Sie hatte dort ein kleines Häuschen und langweilte sich bald. Als lebensfrohe Rheinländerin lag der Gedanke nahe, eine Kneipe auf zu machen.

Was heute ein Kinderspiel ist, war damals schier unmöglich, der Generalissimo lebte noch und Recht und Ordnung wurden nach Gutdünken geregelt. Da genügte es eben nicht, einen Antrag zu stellen, da war voller Körpereinsatz gefragt. Das merkte Babs schnell und da sie nicht unansehnlich war, gelang es ihr in, wie man munkelte, verdächtig kurzer Zeit alle Papiere beieinander zu haben. Der hübsche Sekretär des hässlichen Bürgermeisters soll entscheide beigetragen haben.

Die Bar „Bei Babs“ wurde zum Treffpunkt aller in San Antonio lebenden Deutschsprachler. Als ich dort im Jahr 1978 aufkreuzte, kostete das 0,3 l Glas San Miguel für Residenten 20 PTAS, für Touristen 25.

Ab und zu kam ein Spanier in die Kneipe, der schon erwähnte Gemeindesekretär, manchmal der an einen Stierkämpfer gemahnende Chef der Guardia Civil und öfter auch der Chef der Bierniederlassung. Das waren allesamt wichtige Personen, die sich Babs auf ihre Weise gefügig machte. Besonders im Hochsommer war es nicht immer ganz leicht, genügend Bier zu bekommen, es musste ja zur Gänze mit dem Schiff herantransportiert werden.

Babs konnte kein spanisch. Wenn einer ihres iberischen Triumvirats kam, dann hörte sie sich lange deren Wortschwall an, lehnte sodann den Unterarm auf den Schanktisch, beugte sich vor, so dass der Gesprächspartner auch visuell auf seine Kosten kam und sagte: „Yo pensar, tu tener razón,“ also „ich denken, du Recht haben.“ Nachdem Babs noch klargemacht hatte, dass sie die Bar heute um Mitternacht schließen werde, zog der wichtige Mann zufrieden und erwartungsfroh ab.

Eines Tages erschien Günther auf der Bildfläche. Er kam aus dem Nichts, hatte nichts und konnte nichts. Er sah aus wie ein im Abstieg begriffener Vorstadtgigolo. Es war deutlich, dass er gekommen war, um in Deutschland über was auch immer Gras wachsen zu lassen.

Bald schon keimte in ihm der Gedanke auf, der Liebhaber einer Kneipenbesitzerin zu werden, wo sich alle Deutschen trafen, könne nur von Vorteil sein. Er verbrachte nun seine Abende im „Bei Babs“ und erzählte der Wirtin von seinen vergangenen Heldentaten und auch davon, wie ungerecht das Leben ihn jüngst behandelt habe, mit der Folge, dass er mittellos sei, aber voller Tatendrang, neu anzufangen.

Mag sein, dass es Babs danach war, sich mit einem ihrer Liebhaber auch verbal austauschen zu können, jedenfalls stieg Günther zum ständigen Begleiter der Wirtin auf. „Hauptbeschäler“, sagte Rolf, der einen Reitstall betrieb.

Das Triumvirat grollte. Da die drei kein deutsch und Günther kein spanisch sprachen, blieb es bei nonverbalen Bekundungen der gegenseitigen Geringschätzung.

Eines Abends kam es zum show down, der eine boxte den anderen vor die Brust, woraufhin der andere, das Bierglas am Tresen zerschlug und auf den Kontrahenten losging. Die Wirtin schrie grell auf und nach kurzem Gemenge lag Günther am Boden und in seinem Blute. Ich erbot mich, ihn nach Ibiza ins Krankenhaus zu fahren und Günther verließ erhobenen Hauptes das Feld, er fühlte sich als moralischer Sieger.

Im Auto fiel diese Pose rasch von ihm ab. Er wurde kleinlaut und erklärte mir, er habe schreckliche Angst vor der zu erwartenden Spritze und ich solle mich nicht wundern, wenn er schreien, ja weinen werde.

Genau so kam es dann auch, ich wurde dessen Zeuge. Als Übersetzer musste ich mit ins Behandlungszimmer.

Ich habe Babs davon nichts erzählt, dennoch waren seine Nächte in ihrem Bett gezählt. Das war auch vernünftig, denn das rotierende Triumvirat, sorgte für Biernachschub, Sicherheit und ein zugedrücktes Auge von wegen der Sperrstunde.