Archiv der Kategorie: Europa

Die Verbrecherin Merkel

Es war wohl Konrad Lorenz, der Erfinder der Verhaltensforschung, der feststellte, dass er und sein Hund immer vom riesigen Hund des Nachbarn verbellt wurden, der sich hinter einem Gartenzaun wie wild gebärdete. Eines Tages war das Gartentor sperrangelweit offen, und die beiden Hunde standen sich erstmals ohne den schützenden Zaun gegenüber. Und siehe da, der so übermächtig scheinende Nachbarshund zog den Schwanz ein und trollte sich.

Zuvor konnte er bellen, so viel er wollte, er wusste ja, es würde keine Konsequenzen für ihn haben, der Zaun schützte ihn.

Genau so verhalten sich all jene, die seit Jahren schreien, die Kanzlerin der Bundesrepublik sei eine Verbrecherin, sie hole die Flüchtlinge absichtlich ins Land, um allem Deutschen, (dem Deutschtum?) den Garaus zu machen, sie verletze wissentlich Recht und Gesetz, Seehofer möge sie verhaften und in den Kerker werfen.

Es gibt zu denken, dass kein einziger dieser Schreihälse bisher bei der Staatsanwaltschaft Strafantrag gestellt hat.

Auch gestern wieder hat der Hundskravattenträger im Bundestag davon geschwafelt, es herrsche „Rechtsbruch als Dauerzustand“.

Schreien, solange es keine Konsequenzen hat, das können sie. Aber es fehlt ihnen der Mumm über das Schreien hinauszugehen.

Wenn der Bürger eines demokratischen Rechtsstaates ein Verbrechen bemerkt, dann muss er dieses den Ordnungskräften seines Landes melden. Tut er das nicht, macht er sich der Strafvereitelung schuldig.

Wer also so etwas Gravierendes feststellt, wie ein von der Regierungschefin begangenes Verbrechen, der muss dies anzeigen.

Tut er es nicht, entlarvt er sich als

  • Wichtigtuer
  • Schwätzer
  • verantwortungsloser Hetzer
  • Naturtrottel
  • Schisser
  • hartgekochtes Weichei

Die deutsche Sprache hat für solche Typen einen wunderbaren „pars pro toto“ Ausdruck: Er fängt mit „A“ an und hört mit „loch“ auf.

Bewahrt den Rechtsstaat!

Mein Freund und Notar Álvaro Delgado Truyols hat an diesem Wochenende in der Balearen Ausgabe der Tageszeitung „El Mundo“ einen Artikel veröffentlicht, in dem er darlegt, weshalb insbesondere sozialdemokratische Parteien eine schwere Zukunft vor sich haben. Er schreibt, unterdessen hätte auch der verstockteste Politiker bemerkt, dass sozialistische Grundforderungen wie Gleichberechtigung von Mann und Frau, anständiger Lohn für anständige Arbeit, Gesundheitsvorsorge für alle und die Menschenrechte Dinge sind, derer sich die Politik annehmen müsse, und deren sie sich zum großen Teil bereits angenommen hat. All das ist nicht genuin „Linkes“ mehr.

Wir können das auch außerhalb Spaniens beobachten: Neue Parteien entstehen am Rand des politischen Spektrums, zum Teil links davon, zum Teil rechts davon. Für den an Kontinuität gewohnten Mitteleuropäer ein Graul.

Die Tatsache, dass im deutschen Bundestag nunmehr sechs Parteien vertreten sind, ja dass im Nationalrat in Wien ebenfalls sechs Parteien dazu aber noch eineinhalb Dutzend Fraktionslose sitzen, erinnert im Unterbewusstsein an italienische Verhältnisse.

Die Interessen der Menschen lassen sich nicht mehr in links und rechts katalogisieren. Bedürfnisse, die in unserer Kindheit und Jugend aus purer Mangelwirtschaft undenkbar waren, können plötzlich und müssen plötzlich politisch interessieren. Fragen der Ernährung, diffuse Ängste, geschlechtsneutrale Sprache, Arbeitsplatzerhalt, Erderwärmung, Flüchtlingspolitik, Einsatz der Bundeswehr im Ausland, Energiewende, Plastik im Meer, Manager, die ganze Völker betrügen, aber zu Weihnachten Millionenbeträge nach Hause schleppen, all das gab es früher nicht und interessierte deshalb auch nicht. Heute aber muss das interessieren und deshalb ändern sich auch die Ansprüche des Wählers an die Politik.

Als alter Mensch steht man da natürlich manchmal vor dem Panorama und schüttelt den Kopf. Wie soll man das auch alles verstehen?

Nun ist es ja so, dass alte Menschen den nachrückenden Generationen Platz machen sollten. Peu à peu rücken wir von Posten, Vorstellungen und bisher ehernen Wahrheiten ab.

Ist ja auch gut und schön, allerdings unter einer nicht verhandelbaren Bedingung:

Rührt mir den Rechtsstaat nicht an!

Immer mehr habe ich den Eindruck, dass außer einigen Verfassungsrechtlern fest niemand mehr weiß, was der Rechtsstaat ist, und wie wichtig es ist, ihn stark zu erhalten.

Kümmert euch um ihn! Haltet ihn hoch! Verteidigt ihn mit Zähnen Klauen und Argumenten!

Wenn der Rechtsstaat einmal weg ist, wird es schwierig, ihn wieder herzuholen.

 

Ubi catacombae sunt?

Während des zweiten Weltkrieges fand sich mein Vater plötzlich in Rom wieder. Er musste einige Tage warten, bis ihn ein Flugzeug nach Tunesien übersetzen konnte.

Was tut der deutsche Bildungsbürger in Rom? Er schaut sich um und staunt. Heute gibt es wenige Europäer, die noch nie in Rom waren, aber damals war eine Reise dorthin noch lang und beschwerlich, selbst dann, wenn man die Eisenbahn nahm.

So lief auch mein Vater damals mit geistig offenem Mund durch sie Straßen und Gassen der ewigen Stadt, genoss es Zivil tragen zu können und leistete sich so manchen Espresso auf dem Platz vor dem Pantheon oder den wuseligen Straßen der Innenstadt.

Irgendwann dachte er, nun habe er alles gesehen, da fielen ihm die Katakomben ein. Er wusste, dass sie außerhalb der Stadt liegen, aber er wusste nicht wo. Seine Kenntnisse der italienischen Sprache waren inexistent und so wartete er den Moment ab, bis, wie er sich ausdrückte, ein „schwarzer Deibel“ seinen Weg kreuzte. Damals liefern die katholischen Priester noch mit schwarzer Soutane herum und hatten einen Hut auf, der so aussah wie der der Bauern aus dem Dachauer Moos, nur größer. Einen solchen Priester wollte er nach dem Weg fragen, in der Annahme, er werde Latein verstehen.

„Ubi catacombae sunt?“ fragte er den nächstbesten und der antwortete lachend mit Tiroler Akzent: „Da nehmens die Buslinie 118 ab der Pyramide“.

Viele Jahre später besuchten wir Rom. Als wir an der Kasse der der Katakomben Schlage standen, erzählte uns meine Mutter, die uns begleitet hatte, mit allen Anzeichen der Schreckens ja des Abscheus, sie sei neulich auf einer Taufe eingeladen gewesen, und der arme Bub habe den Namen „Emil“ abbekommen. „Wie können sich Eltern nur so versündigen“, schloss sie ihren Bericht ab. Da passierte das Unvermeidliche. Der Wartende vor uns drehte sich um und sagte: „Gnädige Frau, ich heiße Emil.“

Am Neujahrstag pilgerten wir auf den Petersplatz, wo eine Kapelle mit Bergmannsuniformen aufspielte, französische Feuerwehrleute die „Marseillaise“ runterschmetterten und italienische Musiker unterm Federbusch die italienische Nationalhymne vortrugen. Ich sang mit: „Fratelli d’Italia, l‘Italia s’è desta.“ Da drehte sich ein riesiger Italiener um und schnauzte mich an, ich solle damit aufhören, zumal als Deutscher… Unsere Tochter rettete die Situation, indem sie dem Wütenden klarmachte, eigentlich seien wir Spanier. Wir hätten nur deutsch gesprochen, weil „la Nonna“, die käme aus Deutschland. Wir schieden versöhnt und als Freunde für’s Leben.

Rom ist natürlich stets ein Erlebnis, nicht aber für einen jungen Mann in der Pubertät. Unser Sohn hatte bald von so viel Kultur, Papst im Fenster und unterirdischen Gräbern die Nase gestrichen voll. Als wir am Neujahrstag abends ins Hotel gingen, grüßte der Polizist vor einer Wache nebenan freundlich mit „Auguri“. The angry young man antwortete mit „Auguri, tu madre!“ Den Rest des Weges sind wir dann gerannt.

Ich entdeckte damals die außerordentliche Architektur der Jesuitenkirche „il Gesú“, ärgerte mich darüber, dass auf der Weltkugel über dem Eingang zur Sakristei im Petersdom zwar Mallorca zu sehen war, nicht aber Ibiza und wurde bei jedem besichtigten Weltkulturerbe heiterer. Ich freute mich daran, dass das alles umsonst war. Die Rotenhans sind rechtzeitig evangelisch geworden, und haben mit keinem Heller zur Finanzierung beigetragen. Meine Frau findet seither, ich sei ein rückwirkender Geizkragen.

 

 

Deutschland lächerlich?

Neulich saß die Grande Dame des Wiener Opernballs, Lotte Tobisch, in einer deutschen Talkshow. Der Moderator machte einen der stereotypen Witze über die Österreicher, worauf die Dame konterte:

„Macht’s euch nicht lustig über uns Österreicher, wir finden euch Deutsche nämlich mindestens ebenso lächerlich, wie ihr uns.“

Zwar lachte das Publikum pflichtschuldig, aber es war spürbar, dass die Vorstellung, dass andere die Deutschen lächerlich finden könnten, neu, zumindest ungewohnt war.

Die Deutschen lächerlich? Es gibt wohl in Europa wenige Völker, die in der Selbstbetrachtung derart wenig auf die Idee kommen, lächerlich zu sein, wie die Deutschen. Dabei machen sie sich und damit Deutschland gerade zur Lachnummer Europas.

Nur mal ein paar Fakten:

  1. Joe Kaeser, vulgo Josef Käser kriecht dem 45. Präsidenten der USA in Davos derart in den Hintern, dass nur noch seine Sporenräder rausschauen und behauptet danach in der SZ, er habe das Gespräch stets unter Kontrolle gehabt.
  2. Daimler-Benz versinkt in einem untertänigsten verbalen Kotau vor dem chinesischen Volk, nachdem man es gewagt hatte, den Dala Lama zu zitieren und damit die Gefühle des chinesischen Volkes verletzt habe. Quatsch, Daimler-Benz hat die „Gefühle“ einer korrupten und machtgeilen Führungsclique verletzt und fürchtet um seinen Absatzmarkt.
  3. Die deutsche Autoindustrie hat die ganze Welt mit ihren Abgastricksereien betrogen und man lässt es durchgehen, dass die Konzerne noch immer behaupten dürfen, die Spitze habe davon nichts gewusst.
  4. Regierungsbildung in Berlin.

Das Drama von Berlin geht leider nicht nur die Deutschen an. Europa steht still, wenn eines der großen Mitgliedsländer handlungsunfähig ist. Europa lacht über Liberale, die nicht regieren wollen, über Sozialdemokraten, die sagen, dass sie nicht regiere wollen, sich beleidigt in Zeitungsinterviews äußern, dann doch regieren wollen, derweil der Vorsitzende ein Harakiri hinlegt.

Offenbar erleben wir gerade einer Zeitenwende, die dazu führt, dass das, was gestern noch galt, nicht mehr opportun ist. Veränderungen sind ja an sich nicht schlimm, aber müssen die Baustellen bei Verlässlichkeit, Verantwortungsbewusstsein, Anstand aufgemacht werden? Wird alles beliebig, weil niemand mehr Wert darauflegt, sich von den Fakten leiten zu lassen?

Es beginnt eine stetige Korrosion unseres Gefühls, denen, die in Politik und Wirtschaft leiten, nichtmehr trauen zu können. Jetzt fehlt nur noch, dass die Generationen, die nach 1975 geboren wurden, also die, die jetzt „am Drücker“ sind, beginnen, unsere demokratischen Werte kleinzureden. Wenn das geschieht, wird es auch außerhalb Polens und Ungarns möglich werden, gänzlich ungeniert die Verfassung zu stutzen.

Ich habe den Eindruck, dass Deutschland sich derzeit lächerlich macht, weil viele hier vergessen haben, was Würde ist. Offenbar gilt das ganz besonders für die Menschen, denen es in einer Demokratie obliegt die öffentliche Würde zu wahren.

 

 

Die AfD punktet

Die AfD schickt ihre Anhänger ins Land mit dem Auftrag, das Folgende unter die Menschen zu bringen:

„Seit Jahrzehnten werden wir jedes Mal, wenn wir mit dem Flugzeug verreisen, wie die Verbrecher behandelt. Unser Gepäck wird gefilzt, wir werden gefilzt und wenn wir Pech haben, werden wir auch noch begrapscht. Wir werden wie Terroristen behandelt. Aber dann pochen eine Million Flüchtlinge an unsere Grenzen und die Merkel lässt sie ohne jede Kontrolle rein.“

Knapp vorbei ist dennoch voll daneben. Hier wird das ganz deutlich: Eine internationale Maßnahme zur Sicherung des Flugverkehrs wird gleichgesetzt mit einer Notstandessituation. Miteinander zu tun haben beide Dinge gar nichts, aber sie sind scheinbar ähnlich.

Dass im Herbst 2015 unkontrolliert Hunderttausende nach Deutschland eingereist sind, ist ein Fakt. Es ist aber kein Argument.

Es ist ein essenzieller Bestandteil populistischer Politik, komplexe Probleme mit den Sorgen und Ängsten der Bürger gleichzusetzen. So versteht, oder besser „ver-spürt“ jeder Bürger sofort, wo der Hase im Pfeffer liegt, ohne viel nachdenken zu müssen.

Die unkontrollierte Einwanderung von Flüchtlingen, hat nichts mit den Kontrollen am Flughafen zu tun.

Die Gleichsetzung von kontrollierter Ausreise mit unkontrollierter Einreise weckt allerdings schlummernde Ressentiments: Die Ausländer kommen „so“ rein, aber wir Deutsche müssen uns bis aufs Hemd ausziehen. Nachtigall ick hör dir trapsen…

Im Herbst 2015 bestand ein menschlicher und politischer Notstand. Eine sofortige und effiziente Reaktion des Staates war notwendig. Man konnte weder auf dem Bahnhof von Budapest noch an den Grenzübergängen ungezählte Massen von Menschen verrecken lassen. Wenn Menschen ohne Verpflegung und Unterkunft in den eigenen Ausscheidungen leben müssen, wenn es für sie kein Ausweichen nach vorn oder hinten, nach links oder rechts gibt, dann nennt man das eine Katastrophe. Ins Juristische übersetzt, nennt man das einen übergesetzlichen Notstand.

Uns Älteren ist noch erinnerlich, wie Helmut Schmidt als Innensenator von Hamburg bei der Flutwelle ohne Recht und Gesetz, sogar ohne Befehlsgewalt, der Bundeswehr anordnete, Menschenleben zu retten. Er war ein Held, weil er den übergesetzlichen Notstand erkannte und handelte.

Im Herbst 2015 erkannte und handelte die Bundeskanzlerin Merkel nach den gleichen Maximen. Und wenn man eine gescheite Frau ist, wie Anita Lasker Wallfisch, dann nutzt man es, ihr vor aller Welt dafür zu denken, wenn man am Holocaust Gedenktag im Bundestag eingeladen ist, eine Rede zu halten.

Es ist unbestritten, dass nach dem Ansturm der Flüchtlinge die Behörden überfordert waren. Es ist auch unbestritten, dass die Politik auf die Überforderung spät, zankend und zögerlich reagiert hat. Und schließlich ist es auch unbestritten, dass durch den unkontrollierten Grenzübertritt radikale und gewaltbereite Menschen ins Land gekommen sind.

Die Folgen aber mit dem Ursprung gleichzusetzen, das ist die Infamie der AfD. Es ist intellektuell infam, es ist aber auch menschlich infam, weil diese Argumentation spaltet, statt zu einen.

Allerdings punktet die AfD mit der beschriebenen Propagandamasche.

Einfache Lösungen sind ja so charmant! Darauf hereinzufallen, kann einem aber nur dann passieren, wenn man nicht genügend nachdenkt.

Noch etwas zum Schluss: Offenbar kann in Deutschland noch immer damit gepunktet werden, wenn suggeriert wird, Deutsche seien vom Gesetz besser zu behandeln als Ausländer.

Hat die Zeit ohne Diktatur in Deutschland in den Köpfen der dort lebenden Menschen nichts bewirkt?

Es geschah zu Prag

Als über dem Hradschin noch die rote Fahne wehte, war man in der ČSSR natürlich besonders solidarisch mit allen afrikanischen Staaten, die auch nur annähernd eine linksgerichtete Regierung hatten. Man lieferte nicht nur Kabel und Kraftwerke sondern auch Kultur. Nach einer Konzerttournee durch mehrere afrikanische Staaten brachte das Tschechische Philharmonische Orchester nicht nur viele Eindrücke, sondern auch einen Geiger mit. Nennen wir ihn Mbene Awolowo.

Er sollte zum Spitzenviolinisten ausgebildet werden, er war der Stolz seines Vaterlandes. Es wurde sogar extra ein Vertrag abgeschlossen, in dem sich die ČSSR verpflichtete, Herrn Awolowo in die Geiger-Meisterklasse an der Musikhochschule in Prag aufzunehmen. Darüber hinaus sollte am Ende der zweijährigen Lehrzeit eine Langspielplatte aufgenommen werden, auf der Mbene Awolowo als Solist mit dem Tschechischen Philharmonischen Orchester zu hören wäre.

Mbene war bald die Sensation des Nachtlebens von Prag. Afrikaner sah man damals dort eher selten. Er konnte sich über den Zuspruch der Damenwelt nicht beklagen. In den Kneipen spendierte man ihm oft ein, zwei Bier, weil er halt so schön aus der fernen Welt erzählen konnte.

Die morgendlichen Aufenthalte an der Musikhochschule waren allerdings eher problematisch, weil Nachtleben und so. Aber nicht nur das: Im Lichte einer Meisterklasse betrachtet, war das Talent des Staatsgastes Mbene Awolowo eben doch etwas weniger scheinend, als es die Kulturfunktionäre seines Heimatlandes geschildert hatten. Vor Ort hatte man ihn nicht auf die Probe stellen können, damit hätte man womöglich die Kulturfunktionäre vor den Kopf gestoßen.

Aber Vertrag ist Vertrag. Die sozialistischen Staaten wurden stets von westlichen Konzernherren gelobt, sie seien zwar schwierige Verhandlungspartner, aber sie hielten dann die Verträge. So auch auf dem Musiksektor. Mbene wurde in der Meisterklasse mitgezogen, manchmal durfte er umblättern, manchmal erbarmte sich ein Lehrer und übte mit ihm eine Etüde ein.

Mbene war nicht wirklich unbegabt. Wenn er in den Studentenkneipen auf die Bühne sprang und mitspielte, tobte der Saal. Er spielte eigentlich jedes Instrument, aber halt nicht auf Meisterklasseniveau.

Als sich das zweite Jahr seinem Ende zuneigte, erinnerte man sich der Verpflichtung, eine LP mit ihm einzuspielen. Man holte Haydns Esterhazy Partituren heraus und versuchte, den Cellopart auf Violine neu zu arrangieren. Es misslang. Man befragte in höchster Not den Musikhistoriker an der Hochschule und der riet zu Oskar Riedings Violinkonzert in h-moll, op. 35. Das Konzert ist in erster Linie wegen seines leicht zu spielenden Soloparts bekannt geworden.

Am Tag der Aufnahme arbeitete das Tschechische Philharmonische Orchester wie immer sauber, fehlerfrei und engagiert. Letzteres galt auch für den Solisten, aber bei den schnellen Notenläufen haperte es. Was tun?

Jemand schlug vor, der erste Geiger solle all das spielen, was Mbene nicht so ganz schaffte. Der aber, so entgegnete der Direktor der Musikhochschule, könnte deshalb beleidigt sein und den Schmuh zu Hause ausplappern. Die Leitung der Prager Musikhochschule sah sich schon kollektiv in Sibirien.

Da meldete sich der Tonmeister: Man solle Herrn Awolowo unter irgendeinem technischen Vorwand, bitten, vor dem Tonmeister mehrmals alle möglichen Tonleitern zu spielen. Das geschah auch.

Der brave Tonmeister schnitt später aus der Gesamtaufnahme all die Stellen heraus, an denen Mbene gepatzt hatte. An ihrer statt setzte er ein aus Tonschnipseln zusammengesetztes Surrogat. Alle Welt war zufrieden.

Mit der LP unter dem Arm trat Mbene Awolowo die Heimreise an. Die Platte verkaufte sich wie warme Semmeln. Musikkenner fragen sich noch heute, wie es dem Solisten gelang, die einzelnen Töne in den Läufen so akkurat voneinander zu trennen.

(se non è vero, è ben trovato. Mir hat die Geschichte Jaroslaw Opela, der spätere Dirigent der Wilden Gungl in München, in den 70er Jahren erzählt)

Ist facebook des Teufels?

Immer mehr Freunde und Verwandte schauen mich scheel an, weil ich im facebook aktiv mitmache.

Das Mildeste ist noch, wenn aus Gregor von Rezzoris maghrebinischen Geschichten zitiert wird: „Wer sich zum Mist macht, den werden die Hühner auseinanderkratzen.“

„Du machst dich da gemein mit Leuten, die niedliche Kätzchen posten, gleichzeitig nationalsozialistisches Gedankengut unter die Leute bringen und fake news nicht nur glauben, sondern auch noch teilen.“

Bedauerlicherweise ist es so, dass unterdessen ein erheblicher Prozentsatz seine Nachrichten aus der Welt über facebook empfängt. Kein Wunder, dass sich unterdessen selbst solche Propaganda hält, die erkennbar unwahr ist.

Und tatsächlich ist es so, dass sich facebook unterdessen zum Zentralorgan der Hetze gegen den Islam etabliert hat.

Für Otto Normaldenker ist doch klar, dass Nachrichten von Menschen publiziert werden müssen, die ihr Handwerk erlernt haben. Einen Stuhl kauft man ja auch nicht bei Bäcker.

Bei facebook aber darf jeder seine krude, undurchdachte, antidemokratische Bauchmeinung in die Welt hinausposaunen und kann noch dazu einer gewissen Aufmerksamkeit sicher sein.

Facebook-Hetzer erinnern mich an Kettenhunde. Auch diese gebärden sich wild und gefährlich, solange sie sich in dem von der Kette vorgegebenen Radius bewegen. Lässt man sie von der Kette, verlieren sie ihre Selbstsicherheit und verkriechen sich.

Das „Schöne“ an facebook ist ja, dass man aus der Ferne schimpfen kann. Es fehlt der Augenkontakt mit dem Kontrahenten. Das macht mutig.

Und deshalb haben manche Kritiker eben schon Recht, wenn sie sagen, facebook (pars pro toto) sei „des Teufels.“

Es ist ein Medium, in dem fern aller Norm, fern allen Anstandes und fern aller Kontrolle alles gesagt werden kann. Die Erfahrung hat uns gelehrt, dass dieses Gesagte zu einem ganz großen Teil schlimm, unwahr, volksverhetzerisch und unanständig ist.

Als ich vor Jahren ein facebokk account aufmachte, wollte ich es gleich wieder zumachen. Zu sehr war ich entsetzt von der Niveaulosigkeit, dem Fehlen an demokratischer Verantwortung, dem Unflat und der Spießigkeit.

Und dann nahm ich mir vor, möglichst oft etwas Lustiges, etwas Kritisches, etwas Informatives, etwas Unterhaltendes zu posten. Und ich nahm mir natürlich vor, mich nie auf das Niveau derer hinabzubewegen, die Andersdenkende abqualifizieren, sie mit Schimpforten überziehen und vermeintlich der Lächerlichkeit preisgeben.

Kurz ich wollte in all dem Hirnriss, all dem Unanstand, all der Hetze ein Zeichen von biederem europäischem Bildungsbürgertum setzen.

Es gab ja immer schon solche Idealisten, die sich mit Verbrechern gemein machten, weil sie dachten, ihr anständiges Verhalten werde den Kurs des Schiffes verändern können.

Mein Großonkel war aus diesem Grunde Nazi geworden. Er hat sich schließlich aus Verzweiflung erschossen.

Es gibt keinen Gut-Nazi. Und ich frage mich nun, ob es auch keinen Gut-facebooker geben kann.

Frieden seit 1945

Leider stimmt das nicht wirklich, denn es gab die schrecklichen Kriege im ehemaligen Jugoslawien. Dennoch gilt: Dies hat es noch nie gegeben: In Mitteleuropa herrscht seit 73 Jahren Frieden. Das ist die Lebenszeit von zweieinhalb Generationen.

Alle, die diese Zeilen lesen, wissen von einem Vater oder Großvater, der im Krieg war, alle wissen von Angehörigen, die gefallen sind oder die aus ihrer Heimat flüchten mussten.

1939 – 1945, 1914 – 1918, 1870 – 1871, 1848 und die napoleonischen Kriege, all das steht für unsägliches Leid und Blutvergießen. Diese Kriege sind mehr oder weniger im kollektiven Gedächtnis geblieben. Man hat den Eindruck, die Kriege seien lediglich unterbrochen worden von jeweils etwa 30 Jahren des Verschnaufens.

Ist unsere Welt so friedfertig geworden, dass wir nichtmehr auf uns schießen?

Sicherlich nicht, aber seit dem Ende des 2. Weltkrieges haben die Staaten, ihre Politiker und nicht zuletzt die Menschen dafür gesorgt, dass es nicht wieder zum Krieg kam. Ob da das Gleichgewicht des Schreckens, die Nachrüstung und die Abrüstungsvereinbarungen immer die adäquaten Mittel waren, das wird die Geschichtsforschung finden müssen. Immerhin: Funktioniert hat’s.

Alle männlichen Leser müssen sich klar sein, dass sie in der Logik der europäischen Geschichte gefallen sein müssten, nur noch mit einem Bein rumlaufen könnten, den Bruder und den Vater verloren haben müssten und ein großer Teil der weiblichen Leserinnen wäre Witwe, hätte den Bruder oder Bräutigam verloren.

Davon kann keine Rede sein! Gott sei Lob und Dank!

Wenn man sich das klar macht, dann ist es einfach kleinlich und widerlich, die täglichen Verunglimpfungen anderer, die täglichen Tatsachenverdrehungen, den täglichen Hass in den sozialen Medien miterleben zu müssen.

Vergessen wir nicht: Bevor der Krieg 1933 losgehen konnte, mussten die Köpfe der Menschen manipuliert werden.

Negeraufstand ist in Kuba

Neulich sah ich in der österreichischen Nachrichtensendung ZIB 2 das Interview, in dem Armin Wolf, der Moderator, den FPÖ Spitzenkandidaten für Niederösterreich Udo Landbauer als ehemaligen stellvertretenden Vorsitzenden der Burschenschaft „Germania zu Wiener Neustadt“ interviewte.

Ein Liederbuch dieser Burschenschaft war bekannt geworden, in dem antisemitische und rassistische Lieder abgedruckt sind. Zunächst kam Christian Strache ins Bild, der FPÖ Chef. Er sagte, Landbauer träfe keine Verantwortung, denn das Buch sei gedruckt worden, als dieser 11 Jahre alt gewesen war, sprich 1997. Bei Liedern kommt es bekanntlich darauf an, wann man sie singt, nicht wann sie gedruckt wurden. Hauptsächlich aber ist es bedenklich, dass 3 Jahre vor der Jahrtausendwende es noch Burschenschaften gab, die es für notwendig erachteten, derlei Schund drucken zu lassen.

Es sind ja nicht alte Lieder aus der Nazizeit. Wenn „der Jude Ben Gurion“ darin vorkommt, und man werde die siebte Million auch noch schaffen, dann zeigt sich, dass es auch noch nach dem Holocaust Menschen gibt, die blöd, skrupellos und menschenverachtend genug sind, sowas zu erdenken.

Armin Wolf zitierte im Interview einen weiteren Titel: „Negeraufstand ist in Kuba…“, dessen Text so schrecklich sei, dass er daraus nicht zitieren wolle.

Ich bekam einen Schreck. Das Lied kannte ich. Wir haben es als Schüler gesungen und uns nichts dabei gedacht. Ich bin nicht sicher, ob es in einem Liederbuch abgedruckt war, aber wir wissen es ja alle, je blöder und/oder unanständiger ein Text ist, desto leichter prägt er sich ein.

Mit zunehmender Reife, haben wir das Lied nicht mehr gesungen, es ist einfach widerlich und eklig. Offenbar ist diese zunehmende Reife bei den österreichischen Burschenschaftlern nicht immer feststellbar, denn das besagte Liederbuch ist noch im Gebrauch. Bei einer Hausdurchsuchung im „Vereinsheim“ wurden 19 Exemplare gefunden.

Landbauer verteidigte sich, zu seiner Zeit seien die Texte geschwärzt gewesen, einige Seiten sogar herausgerissen worden, und überhaupt er sei ein schlechter Sänger.

Diese Ausreden disqualifizieren ihn nicht als Politiker, aber sie disqualifizieren ihn als seriösen Politiker. Das mit dem Schwärzen und dem Herausreißen glaubt ihm eh keiner, und es ist allgemein bekannt, dass beim Grölen unsäglicher Lieder es noch nie darauf angekommen ist, eine gute Stimme zu haben.

Es war ein Fehler, die österreichische Regierung Schüssel-Haider von Beginn an zu ächten. „An ihren Taten sollt ihr sie erkennen.“ Das gilt auch jetzt wieder. Die schwarz-blaue Regierung in Wien muss die Möglichkeit erhalten, zu beweisen, dass die FPÖ unterdessen die braunen Unterhosen ausgezogen hat.

Es wird sich zeigen, wie Bundeskanzler Kurz und sein Koalitionspartner Strache mit dem Landbauer-Skandal umgehen. Und daran, wie damit umgegangen wird, wird sich auch zeigen, ob man der Regierung in Wien über den Weg trauen kann. Derzeit sieht es schlecht aus, denn der FPÖ-Innenminister Kickl hat in Überschreitung seiner Kompetenzen Ermittlungen ausgeschlossen.

Dass die Staatsanwaltschaft dennoch ermittelt ist ein Lichtblick.

Ist Schwulsein Sünde?

Neulich fragte mich jemand, der in seinem katholischen Glauben fest verwurzelt ist, ob es eine Sünde sei, schwul zu sein.

Ich muss gestehen, dass ich aus allen Wolken fiel, denn auf so eine Frage war ich nichtmehr gefasst. Ich hatte mich mit der Problemstellung auch noch nie wirklich auseinandergesetzt.

Was antwortet man auf eine derart unerwartete und auch absurde Frage? Mein Hirn arbeitete fieberhaft und um Zeit zu gewinnen, begann ich etwas salbungsvoll damit, dass eben alles, was es auf der Welt gibt, Gottes Geschöpf sei.

Bei dieser These blieb ich und sie war dann auch der Schlüssel zu Beantwortung der Frage.

Wenn man gläubig ist, dann geht alles auf den Schöpfer zurück, das Leben und die Krankheit, die es bedroht, der Apfel und der Wurm, der sich in seinem Inneren mästet, der Mensch und das Tier. Das Tier kann nicht zwischen gut und schlecht unterscheiden, es geht instinktiv seinen Bedürfnissen nach.

Weil das beim Menschen anders ist, kann dieser sein Verhalten steuern, ist mehr oder weniger Herr über seinen Instinkt und kann durch seinen Intellekt geleitet nach Maßgaben handeln, die nicht er, sondern die Dritte gesetzt haben.

Natürlich meinen auch die großen Religionen, dass alles was da kreucht und fleucht Gottes Schöpfung ist.

Alles?

Nein! Die Religionen postulieren zwar, Gott habe zwar die Möglichkeit zur Sünde geschaffen, wenn aber ein Mensch sündhaft wird, tut er das aus eigenem Antrieb. Anders zu argumentieren wäre ja auch das Ende jeder Religion.

Durch die Erfindung der Sünde, haben sich die Kirchen die Deutungshoheit darüber angeeignet, zu bestimmen, was gut ist und was böse.

Dass die menschliche Sexualität ein weites Feld ist, wissen wir alle. Ihre Varianten sind ungeahnt und alles ist okay, solange damit nicht die Rechte der anderen verletzt werden. Dessen ungeachtet bestimmen mehrere Religionen, dass die einzig richtige und nicht sündhafte Art, die Sexualität auszuleben, die sei, Nachkommen zu erzeugen.

Wie kommen die denn da drauf?

Es geht um Macht. Die Kontrolle über uns Menschen muss aufrecht erhalten bleiben, und deshalb rufen alle Religionen zum Triebverzicht auf. Wer seine Bedürfnisse, seine Veranlagung und seine Lebensfreude zügelt, ist ein guter Glaubender, wer die Zügel lockerlässt, ist ein Lump, ein Sünder eben.

Was den Religionen nicht in den Kram passt, wird zur Sünde erklärt.

Die Erfindung des Begriffs „Sünde“ ist tatsächlich ein genialer Einfall aller Religionsstifter. Sie wird zu einem ausgelagerten Verhalten der ansonsten perfekten Schöpfung.

Das Ärgerliche ist, dass die Religionen so tun, als könnten sie allein bestimmen, was Sünde ist, und was nicht.

Gottgewollt?

Nein, menschengewollt.