Das geht uns alles gar nichts an.

Ich habe die ganze Zeit gedacht, ich müsste mich über das, was Putin tut, aufregen, ich müsste mich in Solidarität mit den anderen wiegen, ich müsste ihn verurteilen und alles ganz schrecklich finden.

Aber: Im Traum widerfuhr mir Erleuchtung.

Das, was wir im Westen machen, ist Einmischung in die inneren Angelegenheiten Russlands. Was die da machen, geht uns überhaupt nichts an, deshalb sagen ja die vereinigten Linksrechten*innen die Wahrheit, wenn sie meinen, wir ruinierten ohne Grund unsere Wirtschaft und wir setzten die Bevölkerung willkürlich dem Frostbeulismus aus. Sanktionen, Diplomatie, Waffenlieferungen, Menschenrechte, alles Tinneff.

Denn was der liebe Putin da macht, ist doch nur, seine russischen Landsleute vor dem Terrorismus benachbarter Nazis zu schützen. Er holt seine Landsleute wieder heim ins Reich, an den weiten Busen von Mütterchen Russland. Und seht nur: er fragt sie zuvor sogar, ob sie das wollen.

Das Bisserl Teilmobilmachung (der Name sagts ja schon) was ist das in einem so großen Land wie Russland? Hat ein wenig Drill jungen Männern nicht schon immer gut getan? Stichwort Schule der Nation. Der Krieg ist der Vater aller Dinge, pardon, die militärische Spezialoperation ist die Mutter aller Dinge. Und, das sollte man auch nicht vergessen: Wo gehobelt wird, fallen Späne.

Weshalb regen wir uns also auf? Nur weil das alles näher liegt als das Schicksal der Uiguren? Schon Göte, der Dichterfürst, Sie wissen schon, hat gesagt, dass wir uns da raushalten sollen:

„Wenn hinten weit an Dnjepr’s Lauf

„Die Völker aufeinanderschlagen

„Man sitzt im Sofus, trinkt sein Bierchen aus

„Man wartet, dass die Fußball-Jungs den Gegner plagen

„Und später schlüpft man froh zu Mutti-Maus.

Ein Gespenst geht durch Europa: Die Russophobie.

Wenn der gute Putin das alles so haben will, dann sagt man als gute Franke nur: „Lassd na doch sei Frääd!“

Drrrring, drrrring, drrrring. Der Scheißwecker ruft.

Und schwupp, ist man wieder in der kruden Realität.

Wenn das Hirn aufwacht, wird eben alles schwieriger.

Geht Ihnen das auch so?

Männerverachtend

Die Presse berichtet von einer Frau, die in Polizeigefängnis einer Stadt im Iran zu Tode kam. Es wird vermutet, dass sie derart misshandelt wurde, dass sie schließlich ihren Verletzungen erlag.

Was war passiert? Die 22jährige Frau hat, so wird berichtet, das vorgeschriebene Kopftuch zu lässig gebunden. Mann konnte ihr Haar sehen. Das wurde von der Sitten- und Religionspolizei als unsittlich empfunden. Man verhaftete sie, der Rest, siehe oben.

Das Schicksal dieser jungen Frau hat weltweit, ja sogar im Iran selbst, zu Protesten geführt. Das ist richtig so und muss bei ähnlichen Fällen, die kommen werden, wieder so sei.

Angesichts des Schicksals dieser Frau lohnt es, einmal darüber nachzudenken, was hinter all dem steckt.

Es ist ja noch nicht allzu lange her, da wurden in viktorianischer Zeit, die Beine der Pianofortes mit schwarzem Samt verdeckt, damit die Zuhörer nicht auf unsittliche Gedanken kämen. Lachen Sie nicht, so war es.

Nicht derjenige, der unsittliche Gedanken bekommt ist der Sittenstrolch, sondern ein Gegenstand der Beine hat, oder in heutiger Zeit, eine Frau das Haar zeigt.

Es gibt ja sogar Religionswächter im Nahen Osten, die verlangen, dass Männer Bart tragen müssen, da ein glattes Kinn bei ihren Geschlechtsgenossen unsittliche Gedanken auslösen kann, geschweige denn eine Frau, die nicht verhüllt in die Öffentlichkeit geht.

Offenbar ist es so, dass man in Kreisen nahöstlicher Religionshüter der Meinung ist, der Mann sei eine wilde, triebhafte Bestie, die in ihrem kruden Fortpflanzungsdrang nicht in der Lage ist, einen rasierten Mann von einer Frau zu unterscheiden. Er muss vor sich selbst geschützt werden, deshalb darf das andere Geschlecht ihn auf keinen Fall reizen.

Was ist denn das für ein Bild von uns Männern?

Natürlich ist es gut, wenn Frauen gegen Misshandlung, Unterdrückung und Schleierpflicht auf die Straße gehen, um zu protestieren.

Aber sollten nicht auch wir Männer protestieren?

Wir sind keine Sexual-Zombies, vor denen keine Frau sicher sein kann. Es ist männerfeindlich, was da im Nahen Osten gepredigt wird.

Manchmal habe ich den Eindruck, die Religionshüter am Golf haben Angst vor den Beatles:

Why don’t we do it in the road…

Und nachher?

Ob die letzten Tage wirklich die Wende im Ukraine Krieg eingeläutet haben, wage ich zu bezweifeln.

Sicher ist aber, dass dieser Krieg irgendwann zu Ende gehen wird.

Wenn Russland verliert, wird auch Putin und seine Clique aus dem Kreml verschwinden.

Wenn der Krieg aber siegreich oder unentschieden für Russland ausgeht, dann stellt sich die Frage, wie die Welt mit Verbrechern umgeht.

Es ist schlichtweg undenkbar, zum business as usual zurückzukehren, wenn die Waffen schweigen und Putin noch immer an seinem langen Tisch sitzt.

Wenn der Rest der Welt wieder normale Beziehungen zu Russland pflegen will, dann muss es Ziel alles Strebens sein, einen Regimewechsel in Moskau herbeizuführen. Wenn es gelänge die Kriegsverbrecher von Moskau vor den internationalen Gerichtshof im Haag bringen, dann wäre der Krieg wirklich gewonnen.

Im Westen muss es immer glasklar sein, dass der Gegner nicht das russische Volk ist, sondern dessen Regierung.

Deutschland ist das beste Beispiel dafür, wie die Welt mit einer von Verbrechern willig fehlgeleiteten Bevölkerung umgehen muss und kann. Natürlich soll man den Russen vorwerfen, dass sie blind der Propaganda des Kremls nachlaufen. Ebenso war es vor 1945 mit den Deutschen. Es ist offenbar so, dass man kollektiven Heldenmut nur von angegriffenen Völkern erwarten kann, nie von der Bevölkerung aggressiver Länder.

Deshalb ist es jetzt so wichtig, die Ukraine zu unterstützen. Ein Unentschieden oder gar ein Sieg Putins muss unter allen Umständen verhindert werden.

Es steht ja nicht nur die Freiheit der Ukraine auf dem Spiel. Es geht darum, dem Völkerrecht wieder Respekt zu schaffen. Es war schon sträflich genug, wie man dem Mann in Moskau es einfach so hat durchgehen lassen, als er sich die Krim unter den Nagel riss.

Völkerrecht, Unantastbarkeit bestehender Grenzen, Respektierung der Menschenrechte und ungehinderter Austausch von Gedanken, Menschen und Waren, das muss Ziel aller Nachkriegspolitik sein.

Wir werden Russland und all die anderen üblichen Verdächtigen nicht zu lupenrein demokratischen Staaten umformen können. Seien wir froh, wenn es gelingt, unsere Werte selbst zu bewahren, sie zu exportieren ist nur in den seltensten Fällen gelungen.

Erkennst du das Buchstabenfeld?

Im kleinen Schanigarten hinter dem Amalienplatz gibt es jetzt Pilsner Urquell vom Fass. Nach einem längeren Spaziergang am vergangenen Samstagabend machten wir einen kleinen Schlenker, um dort dem sportlichen Ereignis die verdiente Krone aufzusetzen. Auf der Terrasse saßen bereits drei Japanerinnen und ein Paar. Sie und er hielten je ein Handy in der Hand und lächelten uns irgendwie gequält an. Zumindest eines der Telefone war auf „Lautsprecher“ gestellt.

Bald stellte sich heraus weshalb. Am Ende der Leitung befand sich eine Dame, die von ihr mit „Mutti“ angesprochen wurde, von ihm mit „gnädige Frau“.

Es wurde deutlich, dass die Dame wünschte einen Film anzusehen, dessen Titel mit „Letzter“ beginnt.

  • Wenn du den sehen willst, musst du in die Mediathek gehen.
  • Wir haben Samstagabend. Glaubst du, die hat noch auf? Und wo finde ich die?
  • Mutti, die Mediathek findest du in deinem PC.
  • Und wo da?
  • Gnädige Frau, sind Sie auf der Startseite des ZDF?
  • Natürlich, das habe ich Gundi doch schon gesagt!
  • Gut so, dann gehen Sie jetzt auf Mediathek.
  • Wie soll ich denn das machen, junger Mann?
  • „Mutti geh mit der Maus hin, also mit dem Pfeil, den du mit der Maus auf deinem Bildschirm bewegen kannst.

Unterdessen war unser Bier gekommen. Wir prosteten uns zu in der Gewissheit, dass dies kein gemütlicher Biergartenbesuch werden würde. Wir beneideten die Japanerinnen, allerdings umsonst. Madames Stimme war schriller geworden, das hörten auch die Töchter Nippons und verdrehten die Augen.

  • Wie soll ich das denn machen?… Mediathek sagtest du?  Ach ja, jetzt hab ich da was.
  • Gnädige Frau, sehen Sie links oben ein Buchstabenfeld?
  • Gundi, was redet der? Was ist ein Buchstabenfeld?
  • Das sieht etwa so aus wie die Tastatur einer Schreibmaschine. Du findest es links oben auf deinem Bildschirm.
  • Meinst du das mit den vielen Buchstaben?
  • Ja.
  • Das ist aber kein Buchstabenfeld. Das sieht aus wie die Tastatur meiner alten Schreibmaschine.

Nun wurde auch Gundis Stimme schriller.

  • Eben, und da gehst du jetzt mit der Maus drauf und drückst auf das L.
  • Warum?
  • Weil der Titel des Filmes, den Sie sehen wollen, mit L beginnt. Und dann gehen Sie bitte auf E.
  • Einfach so?
  • Ja.
  • Mutti und jetzt gehst du auf T, dann auf Z…
  • Nicht so schnell, Gundilein, ich bin eine alte Frau.
  • Hast Du Z?
  • Ja
  • Dann jetzt so weiter, bis du Letzter getippt hast. Dann drückst du die Leertaste

Eine halbe Minute herrschte Stille, dann krächzte der Lautsprecher erneut:

  • Was ist eine Leertaste.
  • Die drückt man, um zwei Worte voneinander zu trennen.
  • Da passiert gar nichts.
  • Hast Du nicht die Leertaste auf dem Buchstabenfeld gefunden.
  • Das hättest du mir sagen müssen, ich habe die Leertaste auf meinem Computer gedrückt. Wo sagtest du, ist die Leertaste?

Gundilein ließ sich verzweifelt in den Gartenstuhl sinken.

  • Gnädige Frau, wenn Sie das Wort „Letzter“ korrekt eingegeben haben, sollten unter dem Buchstabenfeld alle Filme auftauchen, deren Titel mit diesem Wort anfängt.
  • Da kommt aber nichts.
  • Mutti, hast du „Letzter richtig geschrieben?
  • Erlaube mal! Wofür hältst du mich?
  • Gnädige Frau, bitte buchstabieren Sie einmal für mich, was Sie geschrieben haben.
  • Huch, wie konnte das nur passieren? Da habe ich doch tatsächlich eines der beiden Ts vergessen. Ich glaube das Beste wäre, wenn ich alles lösche und von vorne anfange.

„Bloß nicht“, riefen die beiden, wir, der Wirt und auch die Japanerinnen schienen einzustimmen.

  • Was ist denn das bei euch für ein Krach? Da kann sich ja kein Mensch konzentrieren!

Wir leerten schnell unsere Gläser, zahlten und verschwanden.

Bei die Doro

Auf Ibiza hatte ich einen Freund, Achim. Er kam aus Nürnberg und das hörte man auch.

Oft gingen wir abends zum Essen aus und er bestand immer darauf, dass wir seinen Lieblingswein bestellten. Warum auch nicht. Er rief dann laut dem Kellner hinterher´: „Draenos un Sichlo Saggo.“ „Una Botella?“ fragte der Kellner. „Hombre, no freilich!“

Den Wein gibt es heute noch und er heißt heute noch Siglo Saco. Die Flasche wird in einen Sack eingenäht, das schützte beim Transport auf Eselskarren und hat sich einfach erhalten. Meist blieb es nicht bei einer Flasche. Ich fuhr ihn immer nach Hause zu seiner Inge, deren Hund ihn verlässlich verbellte, weil er den Betrunkenen nicht erkannte. Ich war natürlich nicht weniger voll. Damals galt auf Ibiza die Regel, solange man keinen Unfall baut, gibt es keine Promillegrenze. Das war natürlich in höchstem Maße unverantwortlich. Wir waren allerdings alle durchgehend unverantwortlich. Wir lebten in den Tag hinein und wunderten uns, wenn wir im Winter, wenn die Touristen ausblieben, kein Geld mehr hatten.

Achim hatte Glück, seine Inge war im Immobiliengeschäft. Da lief immer irgendwas.

Eines Tages kam es ganz aufgeregt in die Bar, wo wir morgens immer unseren café con leche zu uns nahmen. Also, das gestern, das sei wirklich ein tolles Erlebnis gewesen. Er sei „bei die Doro“ gewesen.

Vorsichtig fragte ich ihn, ob ihm denn seine Inge nicht genug sei, ob er denn wirklich seinen Status als im Winter ausgehaltener Liebhaber aufs Spiel setzen wolle? Achim sah mich verständnislos an. Erst dann schaltete ich meinen fränkischen Sprachumwandler ein und übersetzte: Er war nicht bei einer womöglich hübschen Dame namens Doro gewesen sondern bei den Stieren, „bei den Toros.“

Damals gab es in der Stadt Ibiza noch eine Stierkampfarena. Später kaufte sie mein Freund Pepe, er mit dem langen Nagel am kleinen Finger, auf, und baute dort ohne jegliche Baugenehmigung einen überdachten Markt hin. Zu seinem größten Erstaunen musste er das Werk nach jahrelangem Tauziehen wieder abreißen. Pepe schimpfte auf die Demokratie und meinte, unter Franco wäre ihm das nicht passiert, womit er wahrscheinlich richtig lag. Das Rund der Arena kann man noch heute vor dem Hotel Royal Plaza sehen.

Nach Ibiza kamen nur unbedeutende Toreros. Einer war ein Deutscher, Rüdiger von der Goltz. Den habe ich mal interviewt. Damals war ich Sprecher beim deutschsprachigen Radio auf Ibiza.

Aber zurück zu Achim. Der wandelte sich in Kürze zum Stierkampfexperten, schwärmte von der männlichen Eleganz der Toreros, der „bravura“ der Stiere und der Leichtfüßigkeit der Banderilleros, „die wo dena Fregger die Fähnla nein Rüggn steggn.“

Er ließ fortan keine der seltenen Corridas aus und träumte davon, einmal in Madrid oder Sevilla einen der Großen zu sehen.

Es wurde nichts daraus. Er verließ die Insel gedemütigt, enttäuscht und verzweifelt in Richtung Nürnberg. Er hatte eine Affaire mit Concha, einer feurigen Andalusierin, die er in der Arena kennen gelernt hatte.

Inge fand das heraus und verstieß ihn. Und so ganz ohne die Unterstützung seiner Gönnerin konnte er nicht leben, er hätte ja ganzjährig arbeiten müssen. Wer will das schon auf Ibiza.