Bewahrt den Rechtsstaat!

Mein Freund und Notar Álvaro Delgado Truyols hat an diesem Wochenende in der Balearen Ausgabe der Tageszeitung „El Mundo“ einen Artikel veröffentlicht, in dem er darlegt, weshalb insbesondere sozialdemokratische Parteien eine schwere Zukunft vor sich haben. Er schreibt, unterdessen hätte auch der verstockteste Politiker bemerkt, dass sozialistische Grundforderungen wie Gleichberechtigung von Mann und Frau, anständiger Lohn für anständige Arbeit, Gesundheitsvorsorge für alle und die Menschenrechte Dinge sind, derer sich die Politik annehmen müsse, und deren sie sich zum großen Teil bereits angenommen hat. All das ist nicht genuin „Linkes“ mehr.

Wir können das auch außerhalb Spaniens beobachten: Neue Parteien entstehen am Rand des politischen Spektrums, zum Teil links davon, zum Teil rechts davon. Für den an Kontinuität gewohnten Mitteleuropäer ein Graul.

Die Tatsache, dass im deutschen Bundestag nunmehr sechs Parteien vertreten sind, ja dass im Nationalrat in Wien ebenfalls sechs Parteien dazu aber noch eineinhalb Dutzend Fraktionslose sitzen, erinnert im Unterbewusstsein an italienische Verhältnisse.

Die Interessen der Menschen lassen sich nicht mehr in links und rechts katalogisieren. Bedürfnisse, die in unserer Kindheit und Jugend aus purer Mangelwirtschaft undenkbar waren, können plötzlich und müssen plötzlich politisch interessieren. Fragen der Ernährung, diffuse Ängste, geschlechtsneutrale Sprache, Arbeitsplatzerhalt, Erderwärmung, Flüchtlingspolitik, Einsatz der Bundeswehr im Ausland, Energiewende, Plastik im Meer, Manager, die ganze Völker betrügen, aber zu Weihnachten Millionenbeträge nach Hause schleppen, all das gab es früher nicht und interessierte deshalb auch nicht. Heute aber muss das interessieren und deshalb ändern sich auch die Ansprüche des Wählers an die Politik.

Als alter Mensch steht man da natürlich manchmal vor dem Panorama und schüttelt den Kopf. Wie soll man das auch alles verstehen?

Nun ist es ja so, dass alte Menschen den nachrückenden Generationen Platz machen sollten. Peu à peu rücken wir von Posten, Vorstellungen und bisher ehernen Wahrheiten ab.

Ist ja auch gut und schön, allerdings unter einer nicht verhandelbaren Bedingung:

Rührt mir den Rechtsstaat nicht an!

Immer mehr habe ich den Eindruck, dass außer einigen Verfassungsrechtlern fest niemand mehr weiß, was der Rechtsstaat ist, und wie wichtig es ist, ihn stark zu erhalten.

Kümmert euch um ihn! Haltet ihn hoch! Verteidigt ihn mit Zähnen Klauen und Argumenten!

Wenn der Rechtsstaat einmal weg ist, wird es schwierig, ihn wieder herzuholen.

 

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