Unter dem Krummstab lässt es sich gut leben. Das gilt insbesondere für Unterfranken, wo man bis 1805 vom Fürstbischof in Würzburg regiert wurde oder vom Abt des nächstgelegenen Klosters. Wenn da nicht die wenigen und kleinen reichsunmittelbaren Gebiete gewesen wären, die waren evangelisch. Der gemeinsame Dialekt einte, aber sonst war man halt katholisch oder evangelisch.
Die Wallfahrer konnten noch so erschöpft gewesen sein, wenn es durch ein evangelisches Dorf ging, war keine Sonne zu heiß und kein Wirtshaus zu fern, als dass die Musik nicht Marienlieder spielte und alle sangen aus voller Kehle „Meerstern ich dich grüße.“
Und wenn in der Fastenzeit die katholischen Glocken schwiegen, dann wurden in Rentweinsdorf die Schallluken am Kirchturm „auf Ebern zu“ grad weit aufgemacht, damit man dort das Geläute auch wirklich hören konnte.
Glücklicherweise hat sich das heute weitgehend erledigt. Allerdings gibt es noch Gegenden, die durchwegs katholisch sind. So zum Beispiel der Lautergrund, die sogenannten „heilichn Länder“. Es beginnt in Köslau und endet dort wo bei Baunach die Lauter in die Baunach fließt. In Franken zeichnen sich katholische Dörfer und Schlösser dadurch aus, dass man dort vorzüglich isst. In den heiligen Ländern ist das der Gasthof Andres in Pettstadt und was die Schlösser betrifft, so ist mit noch heute ein Schweinekrustenbraten in Tambach unvergesslich.
Das leibliche Wohl spielt halt bei den Katholischen eine wohltuend größere Rolle als bei uns Luther-Böcken.
Auf ihre alten Tage haben meine Eltern sehr fleißig und ausdauernd Krankenbesuche im Kreiskrankenhaus in Ebern gemacht. Dort gab es übrigens zwei Internisten. Man hatte schon einen katholischen und dann suchte man einen evangelischen Chirurgen, fand aber keinen. Man nahm in der Not einen evangelischen Internisten nach dem Motto: „Des muss edserd gud du.“
Eines Tages kam unser Vater ganz beseligt von einem der Krankenbesuche nach Hause und lechzte förmlich danach, ein Publikum zu finden, dem er die folgende Geschichte erzählen konnte:
In einem Krankenbett lag die uralte Marchered aus Köslau und hatte das Bedürfnis zu erzählen:
„Mich besuchd ja kanner. Weil, ich war ja nie verheierd. Ned des Sie dengn, kanna hädd mich gawölld! Kann richdichn Beruf hab ich a ned ghabt, ich war hald a Kerwaköcha, und sonst hab ich bei die Bauern ausg’holfn.
Es folgte eine lange Lebensbeichte, in der ausgelassene Kirchweihtänze mit anschließenden Heimlichkeiten, Diebstahl „in die schlechdn Zeidn“, Engelmacherinnen, kurz, alles vorkam „was unner Herrgott verbot’n hat“.
Mein Vater berichtete, ihm sei bang und bänger geworden, denn was sollte er der alten Marchered sagen, sie lag ja ganz offensichtlich auf den Tod.
Unablässig kam die schwache Stimme aus den Kissen und berichtete weiter von ungeheuerlichen Geschehnissen. Unser Vater legte sich bereits tröstende Worte zurecht, da Gott ja immer dann verzeiht, wenn man seine Sünden bekennt und sie bereut, wir kennen das alle.
Da wurde die Stimme plötzlich stärker und man hörte die abschließenden Worte:
„Aber nein Himml kumm ich drodsdem, weil ich war die besta Glößköcha vo die heilichn Länder. Da hab ich so viel Leud glügglich gamacht, des wiecht viel mehrä wie die paar Sündn.“
Am nächsten Tag wollte unser Vater sie wieder besuchen. In der Nacht zuvor war sie auf Eliae Wagen in den Himmel eingezogen.