Als der türkische Ministerpräsident Yildirim in Oberhausen ein ganzes Stadion anmietete, wurde gesagt, dies sei nicht zu verhindern gewesen, denn der Herr habe als Privatmann gehandelt.
Da wurde wohl absichtlich zu kurz gedacht. Der Privatmann Yildirim kann das Stadion in Oberhausen gar nicht mieten, dazu hat er nicht genug Geld. Es ist also klar, dass jemand dahinter stand, seine Partei oder der türkische Staat. Nur dadurch war es ihm möglich geworden, für die Einführung der Diktatur auf deutschem Boden zu werben.
Nun will auch Erdogan kommen und man kann nur hoffen, dass diesmal dem Ordnungsamt was Besseres einfällt, um diesen Akt der Verfassungsfeindlichkeit zu verhindern.
Dass Erdogan für die Abschaffung der Demokratie in der Türkei wirbt, ist ja aus seiner Sicht der Dinge durchaus verständlich, wenn auch verwerflich. Wenn er aber dies in Deutschland tut, weil er weiß, dass die Mehrheit der hier lebenden wahlberechtigten Türken seine Pläne unterstützen, dann ist das erheblich besorgniserregender als alle Reden Erdogans zusammen.
Die Türken leben in Deutschland schon in der vierten Generation und sind unterdessen ein sehr wichtiger Wirtschaftsfaktor geworden. Ihr Anteil am Immobilienbesitz, ihr Anteil am Steueraufkommen, ihre Beteiligung am Arbeitsmarkt sind sehr hoch. Viele Türken haben in Deutschland einen Lebensstandard erreicht, der in ihrer Heimat wohl immer ein Traum geblieben wäre.
Aber sind die Türken in der deutschen Gesellschaft angekommen?
Zweifel daran waren schon immer da und es ist klar, dass nicht nur die Türken schuld daran sind, dass sie nach so langer Zeit noch immer nicht integriert sind.
Aber es muss entsetzen, wenn festzustellen ist, dass die Mehrheit der in Deutschland lebenden Türken verfassungsfeindlichen Ideen nachhängt.
Man muss sich das mal vorstellen: Da lebt eine Familie seit 40 oder 50 Jahren in Deutschland, hat die Freiheit der Berufsausübung, die Freiheit der Meinungsäußerung, die Freiheit der Religionsausübung, den Schutz vor staatlicher Willkür, die Garantie der Unverletzlichkeit der Wohnung, die Rechtssicherheit und die Gleichstellung von Mann und Frau erlebt und gelebt, und dann?
Dann kommt einer daher und kratzt an der Fassade und hervor tritt ein in Deutschland lebender Mensch, der bereit ist, für die Abschaffung all dessen zu stimmen, was ihm in Deutschland Sicherheit und Wohlstand gebracht hat.
Das ist besorgniserregend und sollte all denen zu denken geben, die bereit sind, die Grundrechte zu verteidigen.
Aber was tun? Nicht mehr in türkischen Restaurants zu essen, oder in türkischen Läden zu kaufen, bringt’s ja wohl eher nicht. Eine Diskussion beim Ankauf von 2 Kilo Orangen an der Kasse?
Ich weiß es nicht, bin mir aber sicher, dass Erdogan nicht das Schlimmste ist. Viel schlimmer ist, dass offenbar in Europa noch immer nicht gelungen ist, die Wertigkeit von Demokratie zu vermitteln.
Die Leute, und ich meine nicht nur die Zugezogenen, wissen ja nicht einmal, wie wichtig es ist, zur Wahl zu gehen. Der Brexit hat es gezeigt: Da hat eine ganze junge Generation den Weg zum Wahllokal verschlafen und sich damit wahrscheinlich die Zukunft verbaut.
Es gibt viel zu tun.