Das hätte man wissen können

Wahrlich, wahrlich, ich bin keiner von denen, die von sich behaupten, immer alles im Voraus gewusst zu haben, und noch weniger gehöre ich zu denen, die glauben, von Politik wirklich etwas zu verstehen. Nur:

Erstens:

Gleich nach dem Fall der Mauer habe ich in einem Brief an meine damals noch lebenden Eltern vor dem Aufleben der Nazis in den „neuen Bundesländern“ gewarnt. Begründung: Die DDR hat sich immer als antifaschistisch empfunden und deshalb sah sie keinerlei Veranlassung die Naziverbrechen aufzuarbeiten, die Nazivergangenheit zu bewältigen. Der Erfolg war, dass die Jugendlichen vom Opa erzählt bekamen, wie schön es doch unter Adolf war, als man noch auf Russen schießen durfte. Das wäre im Westen auch so passiert, hätten uns die Auschwitz-Prozesse nicht wachgerüttelt.

Zweitens:

Als nach dem Fall der Mauer die Sowjetunion moralisch, militärisch und ökonomisch am Boden lag, war es einfach, die NATO und die EU nach Osten zu erweitern. Es war auch einfach zu unterstützen, dass viele der ehemaligen Teilrepubliken selbständig wurden. Das war eine öffentliche Demütigung des machtverliebten Apparats in Moskau. Dass Obama auch noch nachtrat, indem er das verbleibende Russland zur Regionalmacht erklärte, machte die Sache nicht besser. Dass „Moskau“ auf Rache sinnen würde, dass man dort den „status quo ante“ würde wiederherstellen wollen, war jedem klar, der schon einmal bei einer Rauferei von einem Stärkeren in den Schwitzkasten genommen worden war.

Drittens:

Viele Soldaten und Offiziere der Bundeswehr glaubten, mit dem Fall der Mauer sei ihre Aufgabe erfüllt, nahmen den Abschied und versuchten ihr Glück in der Privatwirtschaft. Wenn Strukturen zerfallen, wenn sich Militärbündnisse auflösen, entsteht ein Machtvakuum. Niemand weiß, wer davon der Nutznießer sein wird. Statt aufzupassen, genoss man die wohlige Wärme eines nur scheinbar erreichten Friedens (peace in our time, Chamberlain dixit). Man glaubte, es sich erlauben zu können, die Bundeswehr runterlottern zu lassen. Ich verstehe vom Militärischen nur wenig, allerdings habe ich mich immer gewundert, weshalb man über die nicht einsatzfähigen Hubschrauber lachte, statt all das als Alarmsignal zu verstehen.

Fazit:

Wenn ich Depp das so gesehen habe, dann ist davon auszugehen, dass die vielen, vielen Menschen, die gescheiter sind als ich das auch so gesehen haben.

Warum ist es an verantwortlicher Stelle so schwer, Einsicht zum Handeln werden zu lassen? Ich verstehe, meine oben angeführten persönlichen Einsichten auszusprechen, war lange Zeit politisch nicht opportun. Aber wir hätten uns die AfD erspart, wir hätten Russland aus der Schmollecke holen können und wir wären nicht wieder einmal nur „bedingt abwehrbereit“.

Artikel 1 Grundgesetz

„Die Würde des Menschen ist unantastbar.“

Dieses Thema habe ich schon des Öfteren abgehandelt und langsam mag es dem einen oder anderen langweilig erscheinen. Es ist aber wichtig!

Artikel 1 GG ist eine Verpflichtung der staatlichen Gewalt dem Bürger gegenüber. Dies gilt bedingungslos. Während andere Grundrechte auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden können, darf die Würde des Menschen nicht geschmälert, beeinträchtigt oder hinterfragt werden.

Die Würde des Menschen ist sein Leben. Es zu gestalten, es zu leben, es zu beenden ist genuines Recht jedes Menschen auf dieser Erde. Es sind allerdings nur die wirklich lupenreinen Demokratien, die sich dazu verpflichten, dies zu achten und zu garantieren.

Kurios ist, dass das Objekt dieser Garantie, der Mensch, nicht verpflichtet ist, sich würdevoll zu verhalten. Es gehört zu seinem Selbstbestimmungsrecht, sich zu verhalten, wie es ihm behagt. Wer sich zu würdelosem Verhalten entschließt, darf allerdings dabei nicht so weit gehen, die Würde oder das Selbstbestimmungsrecht seiner Mitmenschen anzutasten oder zu beeinträchtigen. Im Zwischenmenschlichen greift dann das Strafecht, manchmal auch das Zivilrecht.

Bei der Selbst-Entwürdigung des Menschen gibt es aber feste Grenzen. So kann niemand einem Vertragspartner gegenüber einwilligen, dass seine Würde verletzt werde. Bestes Beispiel ist der Verkauf von Körperorganen, wie es leider immer noch in Indien geschieht. Noch schlimmer ist es, wenn die Entnahme von Körperorganen unter staatlichem Zwang vorgenommen wird. Da wird der Staat zum Verbrecher.

Als ich noch studierte, wurde an den deutschen Universitäten gelehrt, das vertragliche Verhältnis zwischen Freier und Prostituierter sei stets ein nichtiger Vertrag, also gar keiner. Das führte dazu, dass die Dame rechtlich keinen Anspruch auf Entlohnung hatte, womit die Jurisprudenz den schönste und einleuchtensten Beweis lieferte, wie wichtig, ja geradezu systemrelevant der Zuhälter sei, denn wer sonst könne auf Bezahlung einer Dienstleistung aus nichtigem Vertrag bestehen? Die allgemeine Meinung war damals, eine Frau könne ihren Körper weder vermieten, noch verkaufen. Das sei unwürdig. Unterdessen ist man in einigen Ländern dazu übergegangen, das Verhalten des Freiers für unwürdig zu erachten. Der Vertrag bleibt weiter nichtig, nur kann sich der Freier als Initiator nicht auf die Nichtigkeit berufen.

Zur Menschenwürde gehört es auch, seinen Verstand gebrauchen zu dürfen. Es gibt auch die Lehrmeinung, die Menschenwürde entfalte sich überhaupt erst zu ihrer schönsten Blüte, wenn der Verstand eingeschaltet worden sei.

Den Verstand absichtlich abzuschalten, gehört so lange zur Menschenwürde und zum Selbstverwirklichungsrecht, wie dadurch Dritte nicht geschädigt werden.

Womit wir beim Phänomen wären, Fakten zu leugnen. Das tun derzeit die Impfgegner. Sie schaden damit nicht nur sich selbst, sie beeinträchtigen damit auch die Unverletzlichkeit des Körpers Dritter, indem sie die Ansteckungsgefahr erhöhen.

An eine besondere Weiterung hat offenbar bisher noch niemand gedacht: Die Impfgegner richten mit ihrem Verhalten auch einen enormen wirtschaftlichen Schaden an. Würden sich alle impfen lassen, wären die pandemiebedingten Beschränkungen und die damit einhergehenden wirtschaftlichen Schäden längst obsolet geworden.

Ein klassisches Beispiel dafür, wie das Pochen auf dem, was die eigene Menschenwürde erlaubt, anderen Schaden zufügen kann.

Der Staat hat hier keine wirkliche Handhabe weil die Unantastbarkeit der Menschenwürde nur in der Beziehung vom Staat zu seinen Bürgern gilt.

Das bedeutet schlussendlich, dass wir, die wir faktisch basiertes Wissen anerkennen, diejenigen zur Verantwortung ziehen sollten, die sich dem verweigern.

Jeder sollte über die Sozialpflichtigkeit seines eigenen Verhaltens nachdenken.

Waldkrimi

Der „Freischütz“ ist besonders in den Alpenländern von einer gewissen Aura umgeben. Mut, Draufgängertum, Jungfernaugen leuchten, nur dem Torero auf der iberischen Halbinsel vergleichbar.

Heute haftet ihm etwas Miserables an, besonders nachdem bekannt wurde, dass der Polizistenmord bei Kusel begangen wurde, um Wilderei zu verdecken.

Als viele Menschen in den Nachkriegsjahren noch wirklich arm waren, gab es überall dort, in den bewaldeten Gegenden des Landes, auch Wilddiebe. Blutflecken im Laub brachten den Jagdberechtigten regelmäßig in Rage. Da Bussarde und Habichte ebenso verhasst waren wie Wilderer, keimte in mir bald der Verdacht hoch, es könne sich bei dieser Rage um eine Nebenform des Jagdneides handeln.

Dem Förster in Rentweinsorf, der Beggn Mardin, behagten diese Kerle natürlich auch nicht, aber er kommentierte deren Tun mit einer unnachahmlichen fränkischen Seelenruhe:

„Ich werd denna Fregger auf unnera Reh rum helf schieß.“

Das war nicht nur eine sprachliche Perle, das war auch eine durchaus ernst gemeinte Drohung. Sie war halt nur in Watte verpackt.

Die Wilderei war unserem Vater wahrscheinlich herzlich egal. Er betrachtete Rehe in erster Linie als Forstschädlinge und befürwortete deren Dezimierung uneingeschränkt. Er wies uns nur immer wieder auf die Gefahr der Wilderei für Dritte hin, weil halt so einer draufschießt „wo’s wackelt“.

Etwas ganz anderes, viel Schlimmeres, war der Forstfrevel. Dahinter versteckte sich das unerlaubte Abholzen zur Brennholzbeschaffung. Der Forstfrevler verstand aber sein Handwerk nur unzureichend. „Die können nicht einmal die Axt anständig gebrauchen“, schimpfte Vater, wenn im Wald zerfledderte Stümpfe meist dünner Bäume aus dem Boden ragten. Posthum wurden sie natürlich als Zukunftsbäume hochstilisiert.

Eine besondere Sparte des Waldfrevels war der ach so beliebte Weihnachtsbaumlklau. Es gab Familienväter, die behaupteten, der echte Christfestfriede könne sich nur unter einer geklauten Tanne entwickeln. Forstleute gingen deshalb in der Adventszeit mit gespitzten Ohren durch ihren Wald. Wenn irgendwo das Schlagen einer Axt herübertönte, dann versuchte man den Dieb zu stellen, was meistens nicht gelang, zumal Weihnachtsbäume Nächtens gestohlen werden.

Einer meiner Onkel hatte Glück. Er überraschte ein städtisch gewandetes Ehepaar beim Klau. Er behauptete später, es sei mindesten ein Zahnarzt gewesen, sie im Pelzmantel er à la Sherlock Holmes. Er wies sich als Eigentümer des Waldes aus und erklärte sich bereit, den Diebstahl nicht anzuzeigen, allerdings unter einer Bedingung: Er werde sich jetzt auf seinen Jagdstock setzen, um ihnen zuzuhören, wie sie „O Tannenbaum“ sängen. Die Herrschaften zierten sich zunächst. Der Onkel wies erneut auf die Polizei hin. Nun begannen der Gesang, der Waldbesitzer bestand auf drei Versen. Danach bedeutete er ihnen, nun könnten sie der Weihnachtsbaum mitnehmen.

Als die beiden den Baum in ihren weiß lackierten Mercedes Coupé laden wollten, wurden sie daran gehindert, schließlich gehöre der Baum immer noch ihm, sagte der Herr der Forsten, packte den Baum in sein Auto und stellte ihn in sein Wohnzimmer.

Wie Österreicher überleben.

Ein sehr lieber österreichischer Freund hat mir Folgendes aus seinem Leben erzählt:

Noja, bei die Nazi hams auch mich eizogn zum Arbeitsdienst. Nach Schlesien bin ich kommen.

Orbeitn hammer miassn. Zum Fressen hams uns fast nix gebn.

Ich hab ja damois a resches Madl kennenglernt, wirklich a sehr resches Madl war des.

Ihrn Vattern hat a Metzgerei ghört.

Noja, was soll i sagn? Wie mir die Missionarsstellung zu fad gwordn is, hab ich gmerkt, dass an der Deckn die Würstln und die Schinken hängen.

Des hat mir damals sozusagn das Leben gerettet.

Das Gewaltmonopol des Staates.

Wir leben in bewegten Zeiten, die vielen Bürgern oft zum ersten Mal spüren lässt, dass es einen Staat gibt, der direkt in sein Leben eingreift.

Es ist daher nicht verwunderlich, dass da manchmal die Begriffe durcheinander geraten.

Nur um ein Beispiel zu nennen:

Es gibt Mitbürger, die empfinden das Prinzip des Gewaltmonopols des Staates als ersten Schritt in Richtung Tyrannei.

Das Gegenteil ist richtig, denn dieser Grundsatz eines Rechtsstaates besagt nichts anderes als dass nur der Staat und dann stets nur auf Grund einer gesetzlichen Autorisation Gewalt ausüben darf.

Unter dem Begriff „Gewalt“ darf man sich keine Pausenhofprügelei vorstellen. Unter staatlicher Gewalt versteht man die Möglichkeit und Notwendigkeit staatliches Handeln auch gegen den Willen Einzelner durchsetzen zu können.

Wer geht schon gern in den Knast? Wenn der Richter einen Kriminellen zu fünf Jahren Haft verurteilt, dann ist das staatliche Gewalt.

Jeder von uns kann Verträge schließen. Nehmen wir den Kauf einer Waschmaschine auf Raten. Wenn es da mit der Abstotterei nicht so richtig klappt, kann der Verkäufer nicht einfach das gute Stück wieder abholen. Das wäre Nötigung. Was ist das?

§240 des Strafgesetzbuches sagt es: „Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt…

Wenn der Verkäufer der Waschmaschine denkt, er habe einen Anspruch auf Herausgabe, dann darf er dies nicht in die eigene Hand nehmen. Er muss vor Gericht ziehen, wo festgestellt werden wird, ob dieser Anspruch besteht oder nicht. Wenn ja übernimmt der Staat die Gewalt für den Verkäufer und nimmt dem säumigen Zahler das Ding wieder ab.

Man stelle sich vor, es gäbe das Gewaltmonopol des Staates nicht. Es herrschte im Geschäftsleben bald das Recht des Stärkeren und auf den Straßen käme es zur Lynchjustiz, Stichwort: „Zwirnt na nauf!“

Das Gewaltmonopol des Staates ist einer der Grundpfeiler, der ein geordnetes Miteinander in einem Rechtsstaat garantiert.

Wir erinnern uns: Jedes staatliche Handeln, egal, ob es der Bürger als Wohltat oder Zwang empfindet, darf nur und ausschließlich dann erfolgen, wenn es durch ein Gesetz so geregelt ist.

Aber es gibt Ausnahmen. Bei staatlichem Handeln ist das der übergesetzliche Notstand. Der 1961 trat bei der Flutkatastrophe in Hamburg ein, als der damalige Innensenator Helmut Schmidt am Grundgesetz vorbei die Bundeswehr um Hilfe bat.

Die andere Ausnahme gilt für jeden einzelnen von uns. Es ist die Notwehr bzw. die Nothilfe.

Man darf sich nicht von dem womöglich missverständlichen Begriff „Gewaltmonopol des Staates“ irre machen lassen. Er hat nichts mit Willkür oder Tyrannei zu tun.

Wir sollten überhaupt in diesen Tagen wachsender Besorgnis, die manchmal die Grenzen der Hysterie erreicht, uns gedanklich nicht verführen lassen.

Der Staat ist nicht unser Feind, auch wenn mancher das so darzustellen versucht.

Coronasieger: Globi

In diesen schweren Zeiten finden viele Großeltern ihr Glück darin, abends über facetime ihren Enkeln vorzulesen. Unsere Enkeltochter ist im vergangenen Sommer in die Schule gekommen und liest jetzt uns vor. Derzeit ist ihr bevorzugter Lesestoff Globi. Das muss für Nichtschweizer erklärt werden. Globus ist ein CH Kaufhaus, in dem von der Banane bis zum Kuli alles verkauft wird. Das klingt nach Ramsch, allein, das Gegenteil ist der Fall. Das merkt man spätestens an der Kasse. Ähnlich wie Salamander seinen Lurchi geschaffen hat, betreibt Globus schon seit 1935 Kundenbindung bei Kindern. Globi ist die erfolgreichste Comic-Figur der Schweiz. Bei ihrer Erschaffung stand Pablo Picasso Pate. Dessen Arlequin assis (1901) trägt ein blau-schwarz kariertes Hemd, dessen Karos trotz aller möglichen Verwerfungen des Stoffes stets in der Vertikalen bleiben. So ist es auch mit Globis rot-schwarz karierter Hose. Globi mag hüpfen, tanzen, knien oder bergsteigen, immer verbleiben die Karos seiner Hose parallel zum Bildrand, selbst dann, wenn Globi seine Hose auszieht, um damit Seenot zu signalisieren.

Neulich hat jemand, der meinen Beitrag zum Putzfimmel gelesen hatte, geschrieben, seine Frau sei Schweizerin, habe aber nie in der Schweiz gelebt und habe keinen Putzfimmel. Wie auch? Die Dame ist in ihrer Jugend sicherlich nicht in den Genuss der Globi-Bücher gekommen.

Diese dienen zufürderst dazu, jungen Eidgenossen in Paarversen helvetische Tugenden nahezubringen. Gestern war Globi bei der Feuerwehr, da ging es um Schnelligkeit, Pünktlichkeit und Umsicht. Globi hat sogar einen Knaben (reimt sich besser als Bub) aus der Feuersbrunst gerettet.

1940 kam der Band „Globi, der Soldat“ heraus, in friedlicheren Zeiten besann man sich dann aufs Geschäft, der Band „Hotel Globi“ erschien, gefolgt von „Globi bei der Post“ sowie „Globi und Wilhelm Tell“. Globi macht natürlich auch ein Praktikum bei der SBB und der Band „Globi beim Roten Kreuz“ machts möglich, das Philanthropische, das allen Schweizern innewohnt, den jungen Lesern ins Herz zu pflanzen.

Mehrere Reisen durch die Schweiz, über die Seen und Pässe des Landes ersetzen den Heimatkundeunterricht und begründen schon im zartesten Alter die unerschütterliche Gewissheit, dass es nirgends so gut, gesund, schön und abwechslungsreich ist, wie in der Schweiz, was ja auch zum großen Teil stimmt.

Den Sozialkontakt meiner Frau amüsiert bei den Globi-Büchern immer, wie hemmungslos alles auf Happy End unter besonderer Berücksichtigung helvetischer Sekundärtugenden gebürstet wird. Irgendwie drängt sich jedem Leser die Frage auf, weshalb es in der Schweiz überhaupt eines Strafgesetzbuches bedarf.

Eines aber fällt auf: Es fehlen zwei Bände: „Globi bei der Bank“, da würde die Frage nach dem Strafgesetzbuch möglicherweise doch wiederauftauchen. Auch nicht erschienen ist auch der Band „Globi putzt“. Der braucht auch gar nicht zu erscheinen, aber das können nur Schweizerinnen verstehen, die in der Schweiz aufgewachsen sind.

Coronasieger. Der Putzfimmel

Es gibt heimliche Sieger der Krise und es gibt offensichtliche Sieger der Corona-Zeit. Zu Letzteren zählt ganz klar der Putzfimmel.

Während man darunter bisher ein psychisches Problem mehrheitlich beim weiblichen (Achtung Genderfalle) Geschlecht verstand, mutiert der Putzfimmel nun zu etwas, das sich sehr verwandt anfühlt mit wandern, shoppen, Fußball oder einem Museumsbesuch. All dies ist nicht lebenswichtig, aber es macht das Leben schön und vertreibt die Zeit, ist daher positiv besetzt. Komisch finde ich das überhaupt nicht.

Mit brennender Sorge beobachte ich das erwähnte Phänomen bei meinem Sozialkontakt. Nun erreichte mich ein Hilferuf einer lieben Freundin. Sie weiß nicht, wie es weiter gehen soll. Mit Mann, Hunden, Pferden, Karnickeln und Kojoten lebt sie in der Nähe von Sända Fäi in New Mexico und man konnte bisher getrost davon ausgehen, dass sie dem Putzfimmel nicht anheimfallen werde, zumal sie mit der Versorgung der Tiere ausgelastet ist. Also, Karnickel und Kojoten versorgen sich schon allein, die einen fressen Gras und werden dann von den anderen gefressen.

Vorgestern hat meine liebe Freundin doch noch der Putzfimmel erwischt, sie hat das ganze Haus von innen und außen geputzt und nun stellt sie eine nationale Eigenart in sich fest, von der sie bisher gehofft hatte, sie sei von ihr verschont geblieben. Sie ist unglücklich, weil sie nicht weiter putzen kann, womit auch schon verraten wurde, dass sie Schweizerin ist.

Nun gibt es ja mehrere Arten des Drangs nach Sauberkeit. Bei mir beginnt sie, wenn der Dreck das Öffnen und Schließen der Türen erschwert. Bei meinem Sozialkontakt, mit dem ich bald 39 Jahre lang verheiratet sein werde, ist der Drang nach Sauberkeit eine nationale Eigenheit (s.o.). Er ist stets vorhanden und teilt sich in zwei Kategorien auf, die verständliche Reinlichkeit und die absurde Reinlichkeit. Ersteres kann selbst ich nachvollziehen, es geht dabei darum, das sauber zu halten, was man sieht.

Die absurde Reinlichkeit nennt man auch das bpb-Syndrom, das der Professor für angewandte Philosophie an der Sorbonne, Prof. Dr. (mult) Clément Briemont entdeckt und beschrieben hat. Interessanterweise geschah das kurz nach einer Gastprofessur an der Université de Genève. Es ist das „balayer pour balayer Syndrom“. Der Gelehrte hatte festgestellt, dass oft um des Kehrens willen gekehrt wird und zwar dort, wo man normalerweise gar nicht hinschauen kann.

Ein typischer Fall ist mein bei IKEA erworbenes Billy-CD-Kassetten-Regal. Da kann nun wirklich nicht viel Staub niedergehen, zumal nicht hinter und unter den CDs. Das hat aber meinen Sozialkontakt nicht daran gehindert, mir aufzutragen, dort abzustauben. Als sie sah, dass sich mein Gesicht zu einem Fragezeichen verformte, erklärte sie mir, wie sie sich das vorstellte.

Ich musste doch tatsächlich jede CD einzeln entstauben, dann auch das Fach, in dem sie mir all den anderen so dicht gedrängt stand, dass kein Staubkorn zu Boden fallen kann. Als ich vorschlug, die vertikale Rückwand mit Schawelwasser, abzuziehen, musste ich mir auch noch anhören, das sei mal wieder typisch für so einen „árroganten Sauschwob“ wie mich. Kein Wunder, dass die in der Schweiz so unbeliebt seien.

Egal, lassen wir das so stehen. Sicher ist nur, dass es immer noch etwas zu putzen gibt. Schränke eignen sich besonders, denn da kann man unter ihnen, hinter ihnen, in ihnen und auf ihnen putzen.

Ich habe jetzt begonnen, Wollmäuse zu züchten. Wenn sie ausgewachsen sind, lege ich sie unters Sofa oder das Bett.

Auf diese Weise halte ich meinen Sozialkontakt bei Laune, weil sie so nie den Eindruck haben muss, es gäbe nichts mehr zum Putzen oder gar, ich lachte sie wegen übertriebener Reinlichkeit aus. Wenn man das bpb-Syndrom verstanden hat, wird Vieles leichter.

Coronaopfer: Das Silberfischchen.

Wer behauptet, er langweile sich nicht, der lügt. Man kann sich noch so viel vornehmen, irgendwann fällt jedem bei dieser Ausgangssperre die Decke auf den Kopf und es wird dann schwer, sich auszudenken, was gegen die Langeweile zu tun sei.

Meine Frau ist da besser aufgestellt als ich, denn sie ist Schweizerin, und als solche fällt ihr beim geringsten Betätigungsdefizit sofort fas Folgende ein:

MUSCH BUTZE!

Wer das nicht glaubt, der muss nur einmal die Staatsgrenze zwischen „la douce France“ und Helvetien kreuzen: Gestrichene Fensterläden, gepflegte Gärten, fleckenlose LKWs, ja sogar der Doubs scheint dort, wo er die Grenze bildet, auf der CH Seite in geordneteren Bahnen zu verlaufen.

Als ich einmal in Zürich aus dem Flieger stieg, sagte eine Mamá zu ihrem Kind im Zubringerbus: „Now we are in Switzerland. Everything is very tidy here.“

Nach dieser Einordnung komme ich auf meine häusliche Situation zurück, die mich mit Sorge erfüllt: Meine Frau hat mit dem Frühjahrsputz begonnen und droht, sollte die Ausgangssperre nicht bald aufgehoben werden, hinten wieder anzufangen, wenn sie vorn fertig ist.

Das könnte mir an sich egal sein, ist es aber nicht, weil ich befürchte, sie könne auf die Idee kommen, meine Hilfe einzufordern. A priori ist das durchaus legitim und ich füge mich dem auch nur mit leisem Murren. Dies ist allerdings nicht dem Umstand geschuldet, dass ich etwa nicht helfen wollte, sondern der Gewissheit, dass es zum Streit kommen wird.

Es ist nämlich so, dass die Vorstellungen meiner Frau und die meinen in puncto putzen, also nein, das sind wirklich Welten, die uns da trennen. Neulich habe ich ihr einen Staubsaugroboter geschenkt, der naturgemäß „by random“ durch unsere Zimmerfluchten brummt, seine Saugwege sind nicht vorherzusagen. Sofort behauptete meine geliebte Ehefrau, das Ding weiche dem Dreck nur aus. Jetzt saugt der Apparat bei meiner Tochter im Haus, zu deren Zufriedenheit, das nebenbei bemerkt.

Gestern war das Duschbad dran. Ich gebe zu, eine wirklich unangenehme Arbeit, die Arme musste unters Waschbecken kriechen und weil die Dusche so einen modernen seitlichen Abfluss hat, musste der auseinandergepopelt werden, und was sich darunter befand, war wirklich nicht erfreulich. Dessen ungeachtet verlangte sie von mir nur Hilfe auf der „halt mal eben das-Ebene“ und so. Ich war wirklich gerührt.

Später saß ich im blitzsauberen Bad und sinnierte, als sich am Boden etwas bewegte. Etwas Kleines Weißes huschte hin und her. Ich glaubte, meinen Augen nicht zu trauen: Ein Silberfischchen! Es musste sich vorkommen wie ein Überlebender nach einem Atombombenangriff. Ich stellte mir vor, wie Monsieur Silberfisch aus seinem Versteck heraus zunächst besorgt doch bald schon in heller Panik das Tun der putzenden Dame verfolgte. Silberfischchen sind keine Intelligenzbestien, aber sie kennen ihren natürlichen Feind: Die Sauberkeit an sich und sie übertriebene im Speziellen.

Der Arme muss gezittert haben, als eine weibliche Stimme rief: „Hans, wie macht mr de Schavelwasserflasche uff?“ worauf ein voluminöses Etwas das Duschbad betrat und die Flasche mit dem gefährlichen Bleichmittel tatsächlich öffnete.

Verkroch er sich noch tiefer in die Ritze, die ihm als Heimstadt diente, oder aber, im Krieg ist Information alles, verharrte er auf seinem Beobachterposten?

Sei dem wie es wolle, der Überlebende des Angriffs auf alles, was ihm lieb und schmutzig war, nutze die laue Abendstunde zu einem erholsamen Spaziergang, den er, ich gestehe es, nicht überlebt hat.

Hätte ich das Silberfischen verschont, wäre meine Frau vom Schlag hingerafft worden, wenn sei ihm begegnet wäre. Ich musste das pro und contra abwägen.

Und so ist das arme Silberfischchen zu einem weiteren Opfer der Coronakrise geworden.

Binäre Quarantäne.

Das letzte mal war die Quarantäne irgendwie aushaltbarer. Vielleicht war es das Wissen, dass alle in Quarantäne stecken, weil der „Lockdown“ ein allgemeiner war.

Damals beobachteten wir unseren Staubsaugerapparat und legten ihm Fallen. Meine Frau tat das, um zu beweisen, dass er um den Dreck rumsaugt, ich tat das um ihr zu beweisen, das dem nicht so ist.

Unterdessen haben wir aufgerüstet und uns einen wunderbaren saugstarken Normalostaubsauger gekauft, der nun die Stellen absaugt, von denen meine Frau annimmt, der Automat sauge drumrum. Dann wird der Automat losgelassen, der nach getaner Arbeit einen Grundriss der Wohnung sendet, auf dem er vermeldet, wo er gesaugt habe: überall!

Aber sowas ist Glaubensfrage.

Ich bin froh, dass wir nun binär staubsaugen, immerhin sorgt es für Gesprächsstoff.

Das mit dem „binär“ habe ich aus der letzten Ausgabe der SZ am Wochenende, wo sich Schauspieler darüber auslassen, sie seien, „homosexuell, bisexuell, trans*, inter, queer, nicht-binär“. Das war ein sehr willkommener Beitrag, denn ich verbrachte einen halben Vormittag damit, zu googeln, was das alles ist. So vergeht auch die Zeit und man hat wieder was gelernt. Ich wusste bisher nichts von dieser blühenden Vielfalt. Aber das kommt davon, wenn man sein halbes Leben auf den Balearischen Inseln verplempert, statt sich unter das muntere Theatervölkchen zu mischen.

Später habe ich gelernt, dass man den halben Vormittag auch dadurch totschlagen kann, dass man einfach später aufsteht, dann allerdings ohne Wissenszuwachs.

Gestern wären wir eigentlich dran gewesen, wir hätten uns freitesten können. Nach irgendeiner Regel, ich glaube, es war die des Saarlandes, war genügend Zeit abgelaufen, so dass wir negativ sein könnten. Wir machten zu Hause je einen Test. Unsere Tochter hatte uns solche vorbeigebracht.

„Die waren ganz billig und die könnt sogar ihr handhaben.“

Das waren wirklich tolle Tests, denn wir waren negativ.

Und so machten sich auf auch Rotenhans zum offiziellen Schnelltest und weil es bis ins Saarland etwas weit ist, absolvierten wir den im heimatlichen Pankow.

Hätten wir nicht tun sollen, denn wir sind jetzt wieder positiv. Unter Umgehung der Quarantäneregeln kauften wir zwei neue Schnelltests. Diesmal nahmen wir den teuren: 5 €! Dafür bekommt man andernorts eine Halbe incl. Trinkgeld!

Aber was soll’s. Ich habe unterdessen eine Coronavorschrift eines anderen, wesentlich größeren Bundeslandes gefunden. Die ist toll, denn jetzt müssen wir noch mal zwei Tage warten, dann können wir den 5 Eurotest machen und wenn der wieder negativ ist, dürfen wir erneut zum offiziellen Schnelltest im heimatlichen Pankow, wo wir wohl wieder positiv befunden werden. Wenn das so eintritt, kaufen wir aus Rache wieder den billigen Schnelltest.

Aber das hat Zeit. Der Bringdienst unterhält ja auch. Neulich habe ich neben Käse, Obst, Beruhigungstee und Joghurt auch Wein dort bestellt. 6 Flaschen Primitivo aus Apulien und 6 Flaschen Riesling aus Deutschland.

Heute Morgen nun habe ich Unmengen Sauerkraut und Ossobuco bestellt in der Hoffnung, dass das weiße Gesöff wenigstens zur Herstellung von Weinsauerkraut taugt. Der Primitivo soll das Fleisch beim Schmoren begleiten.

Übrigens hat die Zusammenstellung der Bestellung beim Bringservice auch einen halben Vormittag gedauert.

Ich will nicht verheimlichen, dass meine Frau findet, die Zeit hätt ich grad so gut im Bett verbringen können, dann hätt ich sie nicht so gestört, während sie ihren Normalostaubsauger durch die Wohnung Gassi führte.

ARD Musikwettbewerb

Anfang der 70er Jahre hatte ich das Vergnügen, beim ARD Musikwettbewerb in München teilnehmen zu dürfen. Es ist dies einer der renommiertesten Wettkämpfe unter Musikern der Weltklasse. Aus letzterer Erklärung ergibt sich, dass ich dort weder gesungen noch gefiedelt habe. Meine Aufgabe war profaner aber überaus lustiger Natur: Ich fuhr den Shuttle-Bus: Rundfunkhaus – Musikhochschule – Studentenheim in Freimann – Musikhochschule – Rundfunkhaus. Ich musste die Teilnehmer hin und her kutschieren und der Kontakt mit ihnen ließ mich in eine bisher für mich fremde Welt einzutauchen. Natürlich war es toll, die Juroren kennen zu lernen, ich erinnere mich an Benny Goodmann und René Kollo. Nachhaltiger haben mich aber die wettkämpfenden Musiker beeindruckt. Da war der Sänger aus der DDR, der mir erklärte, er trage im Gegensatz zu Geigern usw. sein Instrument im Körper. Deshalb müsse er diesen ganz besonders pflegen. Er therapierte ihn mit saisonalem Zwetschgendatschi und Schlagsahne.

Mein besonderer Freund wurde John, ein US Percussionist. Einmal ging ich mit ihm durch den Hertie, wo er auf jeden Topf haute, weil er seinem Solo für Trommel, Pauke und Haushaltsgegenständen noch eine spezielle Ton-Note geben wollte. Er kaufte schließlich eine sensationell hässliche Salatschüssel, aber der Klang, ich sage euch, der Klang… Er litt sehr darunter, dass seine Freundin Linda in den Staaten bleiben musste. Dieser Leidensdruck entlud ich eines schönen Nachmittags in dem Schrei: “I am so horny, I coud fuck a door“. Abends habe ich mir dann den Satz anhand des „Oxford Advanced Learner‘s Dictionary of Current English“ zusammengepfriemelt und war entsetzt.

John gewann den 2. Preis und musste deshalb im Herculessaal beim Abschlusskonzert vorspielen. Es stellte sich heraus, dass er nur einen Pullover zwei Jeans, eine für „casual“ und eine für „dressing up“, sowie Turnschule dabeihatte. An den Jeans war nicht zu rütteln. Immerhin kaufte er sich, wieder bei Hertie, hellbraune Lederschuhe und spielte das Konzert in der Jacke, in der ich später mein Jura Examen ablegte.

Ganz viele Sängerinnen kamen von der Julliard School in New York und ganz viele unter ihnen waren Jüdinnen. Das merkte ich daran, dass sie in der Leopoldstraße Ecke Elisabethstraße immer giggelten. Dort befand sich damals ein Juwelier, der für sich in Leuchtreklame warb: UHREN – SCHMUCK. Ein jüdischer Oboist klärte mich auf, dass Schmuck, auch Schmock ausgesprochen, die Zierde des Mannes sei. Ich machte in gewisser Weise einen Crash-Kurs mit. Besagter Oboist gewann später den ersten Preis. Sein schärfster Widersacher war ein britischer Oboist, der schon im zweiten Durchgang wider aller Vorhersagen scheiterte. Ich hatte von Anfang an vermutet, er werde überschätzt. Seine Oboe hatte goldene Klappen. Nach seiner Niederlage saß er vollkommen erschüttert und fassungslos in meinem Bus. Auf der Höhe der Münchner Freiheit tropften dann näselnd folgende Worte von seinen Lippen: „There are two things in my live I have no control about at all. One of those is my oboe.“

Ein weiterer Trommler aus den USA war Rocco. Man erwartete ihn mit Spannung, denn er hatte mitgeteilt: „I play the gerkin.“ Keiner wusste Bescheid. Wieder kam mein Oxford Advanced…zum Einsatz. Am nächsten Morgen verkündigte ich im Sekretariat: „Rocco spielt die Gurke.“ Nachmittags traf Rocco ein, alle dachten an den imposanten Kerkermeister aus Fidelio (Bass). Es erschien aber ein quirrliger schwarzbelockter winziger Neapolitaner, der sich mit „Hi I’m Raccoe“ vorstellte. Niemand verstand ihn. Schließlich schrieb er seinen Namen auf und alle atmeten auf: „Ach, ju ahr Rocko! Wot is it wot ju pläi?“ Rocco verstand dennoch und holte aus seiner Tasche einen bunten Ratschkürbis. Xavier, der Gitarrist aus Barcelona half uns aus der Patsche: “Das ist eine kubanische Sambagurke“.

Xavier nutzte übrigens psychologische Mittel im Wettkampf: Seiner Mitstreiterin aus Israel erzählte er, dass die Musikhochschule, wo sie ein Übungszimmer zugewiesen bekommen hatte, ein ehemaliger Nazi Bau sei. Ich vermahnte ihn, das sei doch wirklich unnötig, geschmacklos und unfair, worauf Xavier nur sagte: „You know, I have got a sardonic sense of humor.“