Gestern trafen sich Merkel, Hollande und Renzi auf der italienischen Insel Ventotene. Dort haben Pertini, Spinelli und andere das Manifest „Für ein freies und vereintes Europa“ verfasst. Sie waren dort als Gefangene Mussolinis festgesetzt. Das Gefängnis befindet sich nicht auf Ventotene, sondern auf einem Felsklotz etwas östlich davon, auf der Insel Santo Stefano.
Das Gefängnis wurde 1795 erbaut, Architekt war Francesco Carpi. Es war das erste Gefängnis, das mit einem Konzept gebaut wurde: Es sieht aus wie ein oben gedeckeltes U. Der „Deckel“ diente als Verwaltungsgebäude, die Zellen befanden sich im U selbst. Nun könnte man denken, ein Gefängnis mit Meerblick habe zumindest, was den Meerblick angeht, sein Gutes und Schönes. Hier aber kommt das Konzept ins Spiel: Der britische Philosoph Jeremy Bentham hatte die Idee entwickelt, Gefängnisse aber auch Fabriken so zu errichten, dass sie von einem zentralen Überwachungsturm im Idealfall von einem einzigen Menschen überwacht werden konnten. Der Blick nach draußen war verwehrt, indem die Fenster so weit oben angebracht waren, dass zwar Licht hineinkam, der Häftling aber nicht hinaussehen konnte. Die Idee hat bis in unsere Tage den Bau von Gefängnissen beeinflusst, man denke nur an die strahlenförmigen Haftanstalten „Modelo“ in Madrid und die JVA Moabit: wo die Zellentrakte in der Mitte zusammenkommen, das ist der Ein-Mann-Überwachungsturm.
Im Falle von Santo Stefano beinhaltete das Konzept auch, dass angenommen wurde, der Gefangene, der keinen sehnsüchtigen Blick auf´s Meer werfen kann, sondern nur den zentralen Überwachungsturm anstarrt, gehe eher in sich, da er ja nicht abgelenkt werde. Das war wohl ein Denkfehler.
Erstaunlich, ja erschütternd ist, dass die Italiener dieses Gefängnis erst 1965 aufgegeben haben.
Die Gefängniswärter wohnten mit ihren Familien auf der Insel Ventotene, sozusagen dem Vorhof zur Hölle.
In der Hölle selbst machten sich die antifaschistischen Widerständler Gedanken über die Zeit nach Mussolini, was angesichts der Trostlosigkeit ihrer Lage beachtenswert ist.