Aleppo

Ich gehe nicht auf die Straße, weil ich weiß, dass es nichts bringt.

Ich gehe aber auch deshalb nicht auf die Straße, weil ich nicht weiß, wer in diesem Krieg der Schuftigste, der weniger Schuftige und wer nur ein Schuftito ist.

Statt gegen jemanden auf die Straße zu gehen, könnte ich ja auch für jemanden auf die Straße gehen. Okay, ich demonstriere nachher mal eine Stunde lang für die Zivilbevölkerung von Aleppo. Da wird man sich dort aber freuen!

Natürlich brauchen die Menschen in und um Aleppo materielle Hilfe. Ich spende aber nichts, weil ich überhaupt nicht weiß, wem ich mein Geld anvertrauen kann in der Hoffnung, dass damit eine Familie genährt, gewärmt und gekleidet wird. Wenn ich Geld gebe, bin ich vielmehr davon überzeugt, dass es entweder von der Korruption verschluckt oder gar zu Waffenkäufen genutzt wird.

Ich könnte Petitionen unterschreiben und tue es nicht, weil ich mutmaße, dass meine Unterschrift nur dazu dient, dass sich mit ihr und den vielen anderen jemand wichtigmachen will. Noch dazu, was soll ich unterschreiben, wenn ich nicht weiß, wer die Guten und wer die Bösen sind?

Ich engagiere mich nicht, weil ich feststelle, dass das Engagement wichtiger Staatslenker, ja ganzer Staaten, zu rein gar nichts Gutem führt.

Ich sehe mir das Grauen im Fernsehen an und lese in der Zeitung darüber. Ich bin Zeuge eines der größten Kriegsverbrechen seit 1945 – und tue nichts, denn ich weiß, dass keiner der Kriegsverbrecher je zur Rechenschaft gezogen wird.

Mein Nichtstun macht mich mitschuldig. Ich weiß das ebenso wie jeder, der dies liest, es ebenso weiß.

 

Jean Claude pfeift im Dunklen

Kaum hatte ich gestern meinen Betrag über das Abendland veröffentlicht, las ich abends auf der Terrasse eines Straßencafés in Palma einen Artikel den Tusk, Juncker und Stoltenberg in „El País“, der Süddeutschen Zeitung Spaniens, veröffentlicht haben.

Sie priesen darin die Zusammenarbeit zwischen EU und NATO in den höchsten Tönen und forderten, die Kooperation noch zu vermehren. Warum? Es ist doch allen vollkommen klar, dass EU und NATO für die Europäer und Amerikaner stets von hohem Wert waren. Das war bisher ein „win-win Spiel“.

Wozu muss man das betonen? Das weiß doch jeder!

Oft ist das Wichtige nicht der Inhalt, sondern der Zeitpunkt einer Veröffentlichung. So auch hier.

In gut einem Monat haben wir in den USA einen neuen Präsidenten, der zwar unberechenbar ist, aber unmissverständlich klar gemacht hat, dass er nicht mehr bereit sei, auszugleichen, was die Europäer in ihren Wehretats sparen. Bisher haben die USA – um ihrer Freude an der eigenen Hegemonie willen – den Großteil der militärischen Kosten und Lasten in der NATO getragen.

Toll sagten die europäischen Finanzminister und strichen die Verteidigungskosten dermaßen zusammen, dass ein großer Teil des militärischen Geräts entweder veraltet oder unbrauchbar geworden ist.

Das wird so nicht weiter gehen. Und deshalb hat der erwähnte Artikel ein „Gschmäckle“ weil er wirkt, als pfiffen die drei Herren in Dunklen, um so das „böse Tier“ nicht fürchten zu müssen.

Das „böse Tier“ ist die unangenehme Situation, dass die drei Herren genau wissen, dass sie etwas unternehmen müssen, aber nicht wissen wie.

Ganz eindeutig geht der Weg hin zu einer europäischen Verteidigungsallianz. Das wird teuer. Aber das ist noch das kleinste Problem, denn es wird schwierig werden, die europäischen Partner unter einen Hut zu bekommen. Es sind ja nicht nur die Regierungschefs, die sich einigen müssen. Hinter diesen steht ihr jeweiliges Wahlvolk. Und da mag so mancher Politiker die bekannte Arie anstimmen: „La gente è mobile, qual pluma al vento“.

Ich befürchte eine nicht enden wollende Diskussion, die nur zu Einem genutzt wird: Nichts zu tun.

Wenn sich die USA mehr und mehr von der Weltbühne verabschieden, kann das durchaus sinnvoll und nützlich sein, aber es entsteht ein militärisches und diplomatisches Vakuum. Europa ist gut beraten, wenn es sich darüber klar wird, dass es die europäischen Staaten und Institutionen sind, die dieses Vakuum ausfüllen müssen.

„Das schaffen wir nie, Europa ist zu klein dazu!“ Ich höre die Rufe schon jetzt. Aber die Rufer haben nicht Recht. Die europäischen Staaten sind gemeinsam so stark wie die USA. Und sie haben einen wirklichen Vorteil: Ihr Image ist nicht so befleckt, wie das der Amis. Das mag daran liegen, dass sich die EU weltpolitisch immer fein rausgehalten und sich deshalb nicht die Hände schmutzig gemacht hat. Die Staaten Europas sind alle mehr oder minder vorbildliche Demokratien, ein Vorteil, der hoffentlich bei den anstehenden Wahlen nicht flöten geht.

Alles in Allem bedeutet das, Europa kann. Die Frage, ob es auch will, ist bisher unbeantwortet und die Herren Tusk, Juncker und Stoltenberg hatten sicher die Absicht, mit ihrem Artikel die notwendige Diskussion anzuschieben.

Marmelade, Mus und Saft

Im Herbst gibt es einen Geruch, den ich über alles liebe: Der Rauch der Kartoffelfeuer. Leider hatte mein Vater seinen landwirtschaftlichen Betrieb schon sehr früh insoweit rationalisiert, als nur noch das angebaut wurde, was mit dem Mähdrescher geerntet werden konnte. So musste ich zu den Bauern im Dorf ausweichen, wenn ich bei der Kartoffelernte mithelfen wollte, denn nur so kam man an die wunderbaren Kartoffeln, die in der Glut der Feuer gegart wurden.

Ich hatte mir den Metzgers Bedä ausgesucht und ging mit ihm und seiner ganzen Familie hinaus auf den Kartoffelacker

Der Metzgers Bedä hieß weder Metzger noch Peter. Da sein Vater Hausschlachtungen machte, hieß ursprünglich dieser so. Und dann war der Name halt auf den Sohn übergegangen, der eigentlich Martin Zürl hieß.

Der Metzgers Bedä hatte einen Apparat an seinen Traktor geschraubt, der die Kartoffeln aus dem Erdreich holte. Wir mussten die „Grumbern“ nur in geflochtenen Körben aufsammeln, die, wenn sie voll waren, in große Säcke entleert wurden. Mit der Zeit wurde das für mich, den damals noch nichtmal Zehnjährigen, anstrengend. Ich sehnte mich nach der Brotzeit.

Als es so weit war, wurden die vollen Säcke zu Boden gelegt und die Mannschaft versammelte sich darauf sitzend in der Nähe des wärmenden Kartoffelfeuers. Das Brot wurde mit der Hand geschnitten und aus den Brotzeitbeuteln kamen wahre Schätze an Wurst und Käse hervor.

Ich hatte natürlich auch eine Brotzeit von zu Hause mitbekommen, die ich nun erwartungsvoll auspackte. Sofort erntete ich Hohn und Spott in bisher nicht gekanntem Ausmaß, denn meine Brotzeit bestand aus einem Marmeladenbrot.

Ich hatte bis dahin überhaupt nichts Schlimmes an einem Marmeladebrot gefunden, aber das lag eben daran, dass ich vorher noch nie Brotzeit mit Menschen gemacht hatte, die körperlich hart arbeiteten. Eine Pause beim Schulausflug war halt keine Brotzeit.

Der Metzgers Bedä verbot mir schlichtweg, mein Marmeladenbrot zu essen. Seine Mutter schnitt eine riesige Scheibe vom Brotlaib ab und gab sie mir zusammen mit einer dicken Scheibe Rodgelechdn, zu Deutsch, rotem Presssack. So etwas gab es bei uns zu Hause nie, und wenn doch, dann ganz bestimmt nicht in solchen zentimeterdicken Scheiben.

Zur Freude aller genoss ich meine Brotzeit ungemein.

Als die Pause vorüber war, verkündete der Metzgers Bedä folgenden Sinnspruch, der mich seither bis in mein heutiges Übergewicht begleitet hat:

Mammelade, Mus und Safd, bringt viel Scheise, wenich Grafd.

 

Das Abendland

Am 12.12.16 hat Joschka Fischer einen sehr klugen Artikel in der SZ veröffentlicht. Er schreibt, wir könnten und langsam vom „Westen“ verabschieden. Er meint damit die nordatlantische Allianz, die mit Amtsantritt von Präsident Trump nicht mehr das sein werde, was sie bisher war.

Fischer führt aus, dass für uns Europäer nun das christlich-jüdisch geprägte „Abendland“ wieder wichtiger werde. Er meint damit in erster Linie den mediterranen Kulturraum.

Nichts Neues?

Doch, und wie!

Es ist unbestritten, dass die USA Europa von den Nazis befreit haben. Ebenso unbestritten ist, dass auch die UdSSR Europa von den Nazis befreit haben. Danach zerfiel Europa in zwei Blöcke, die politisch und kulturell möglichst wenig voneinander wissen wollten.

Die USA wurde „unsere“ Hegemonialmacht und die UdSSR wurde „deren“ Hegemonialmacht. Sie waren unsere jeweiligen Freunde und als solche waren sie sakrosankt.

Ich will jetzt wirklich nicht abwiegen, wer von den beiden Mächten  mehr oder weniger, Besseres oder Schlechteres geleistet hat. Offensichtlich aber ist, dass beider Mächte Zeit als Hegemonialmacht über Europa zu fungieren, abläuft. Die Zeiten ändern sich und damit ändern sich auch die politischen Allianzen.

Letztlich hat dieses Besinnen auf das Abendland auch etwas Gutes, denn wenn wir mal ganz ehrlich sind, dann ist Russland, der Rechtsnachfolger der UdSSR, kein Rechtsstaat und wenn wir noch ein bisschen ehrlicher sind, dann müssen wir auch zugeben, dass die USA kein Rechtsstaat in unserem Sinne sind.

Wenn wir der Türkei mitteilen, die Einführung der Todesstrafe sei eine Überschreitung einer roten Linie, wie behandeln wir denn eigentlich die vollstreckten Todesurteile in den USA?

Ich will hier keinem billigen Anti-Amerikanismus das Wort reden. Aber es scheint angebracht zu sein, sich auf unsere ureigenen kulturellen, geschichtlichen und  politischen Werte in Europa zu besinnen. Sie sind in Gefahr, nicht nur von außen. Sie sind in Gefahr weil es uns zum Beispiel nicht gelungen ist, unseren Kindern beizubringen, dass Demokratie nicht einfach die Diktatur von Mehrheiten ist. Vielmehr entscheiden Mehrheiten auf der Basis unverrückbarer Grundwerte wie Menschenwürde, Garantie einer von der Regierung unabhängigen Justiz, Achtung der Freiheit des anderen, Presse-und Meinungsfreiheit etc. pp. Das wird oft absichtlich nicht verstanden.

Fürchten wir uns nicht vor den Folgen der Politik der Putitrumps!  Unsere Hausaufgaben finden wir bei uns selbst: Wir müssen uns darüber klar werden, dass Europa sich immer mehr auf sich selbst wird verlassen müssen.

Das bedeutet in erster Linie einen riesigen Schritt des guten Willens der Europäer und ihrer Regierungen aufeinander zu. Wenn sich die Europäer nicht einig sind, wenn sie nicht mit einer Stimme sprechen, dann haben wir allen Grund, uns Sorgen zu machen über unser Abendland.

 

 

Ringelnatz

Autobahn, nach langer schweigsamer Fahrt

Vater: Drüben am Walde

Kängt ein Guruh.

Warte nur balde

Kängurst auch du!

Sohn.: Mpf

V.: Das ist Ringelnatz!

S.: Und wer soll das sein?

V.: Joachim Ringelnatz war ein deutscher Dichter. Er lebte von 1883 bis 1934.

S.: Dichter? Das ist doch ein kompletter Scheiss, gibt doch garkeinen Sinn.

V.: Aber merkst du den nicht diesen tollen Umgang mit der Sprache?

S.:     Die Strass ist rund

Der See ist tief

Das tu ich kund

Wenn Nas ich schnief!

V.: Na super!

S.: Offenbar bemerkst du nicht meinen tollen Umgang mit der Sprache.

V.: Bei dir kommt ja auch nicht das Verb „känguren“ vor, ich kängure, du kängurst, er kängurt.

S.: Ich bitte dich! Du hast uns dazu erzogen, nur die Realität anzuerkennen. Keine Hirngespinste! Es ist für mich schon schwer genug, zu akzeptieren, dass du an Gott glaubst – keine Hirngespinste und so.

V.: Realität ist das Eine, aber jeder Mensch braucht in seinem Leben auch ein wenig Poesie.

S.: Das Verb „känguren“ zu konjugieren, das nennst du Poesie? Steigerung davon im Imperfekt? Ich kängurte, du kängurtest, er kängurte. Grenzt das dann schon an Goethe?

V.: Immerhin merke ich, dass ich die Kosten für deine Ausbildung gut angelegt habe.

S.: Lenk nicht vom Thema ab. Du sagst, wir sollten uns nur an die Realität halten, gehst aber am Sonntag in die Kirche, offensichtlich wegen der Realität, und dann spinnst du auch noch mit Poesie herum, die vor Realität geradezu trieft. Mann!

V.: Gerade dann, wenn das eigene Leben von den Realitäten diktiert wird, braucht man manchmal intellektuelle Freiräume.Ich fass es nicht!

S.: Jetzt gibt es offenbar schon mehrere Realitäten, die man allerdings nur in intellektuellen Freiräumen findet.

V.: Sag ich doch: „Warte nur balde, kängurst auch du!“

S.: Fuck!

V.: Hey!

S.: Dann eben „fuck it“. Das bezieht sich dann nur auf dein intellektuelles Freiraumgedicht.

V.: Damit kann ich leben.

S.: Ich habe bisher gut damit leben können, nicht zu wissen, wie man das Verb „känguren“ konjugiert. So ein Schwachsinn!

V.: Denk, was du willst, aber gerade dieses Gedicht hat mich schon oft in schwierigen Situationen wieder froh gemacht.

S.: Mann, musst du ein beschissenes Leben haben. Hilft dir mehr Gott oder die Poesie, wenn alles mies läuft?

V.: Manchmal hilft auch, von der Autobahn abzubiegen und zu Hause anzukommen.

 

 

Die Werbebranche schläft nicht.

 

„20 % AfD Wähler! Mann das ist ja ein Wahnsinnspotential! Denn auch diese Mitbürgerinnen und Mitbürger sind Konsumenten. Die muss man doch ansprechen! Die kann man doch nicht schon wieder vergessen! Wir müssen denen das Gefühl geben, dass wir sie direkt mit dem Produkt ansprechen. Wir müssen den Auslöser des Kaufreflexes mit den politischen Überzeugungen dieser Leute koppeln. Hören wir auf, das Negative zu sehen! Die AfD Wähler haben auch eine positive Eigenschaft: Sie sind Konsumenten. Das sind unsere Leute.“

Soweit das Zitat. Es stammt aus dem Montagsbriefing der Werbeagentur Rödel, Baiersdorf und Rödel in Hamburg. Ich kenne Frau Baiersdorf aus früheren Jahren, sie verrät mir manchmal was.

Zunächst ist nun man bei den Werbern dabei, die politischen Überzeugungen der AfD Wähler zu analysieren:

Merkel muss weg. – Man denkt völkisch. – Viele leben von Staatsknete und sind dennoch dafür, dass die AfD Hartz IV abschaffen will. – Ausländer kennen sie nicht, sind aber dagegen – Schüsse an der Oder-Neisse Grenze, warum nicht? – Mehrheit der AfD Wähler sind Männer – Deuxit? Jawoll aber auch!

Und schon geht das brainstorming los:

„Und nun müssen wir nur noch die festlegen, welche Branchen, wir mit welcher Phobie koppeln:“

„Das hier ist für VW: Gib der Merkel Zunder! Kauf einen Golf Diesel und ihre Klimaduselei kann sie sich sonstwohin stecken“.

„Und das mit der Oder-Neisse Grenze bieten wir Hecker und Koch an. Auf so nahe Distanz trifft sogar das G-9 Gewehr!“

„Und noch mal VW: Denkt v…kisch. Volkswagen! Damit man seine Meinung wieder frei sagen darf.“

„Aber das mit dem free from the leaver away, das sparen wir uns, bitte.“

„Der deutsche Mann hat schon immer gesoffen. Wir stehen für Tradition und Sauberkeit. Die deutschen Brauer“.

„Toyota! Ausländisch aber stark, zuverlässig und ausdauernd. Könnte deutsch sein!“

„Für die TUI Wir sind für den Deuxit. Im Winter raus aus Deutschland. In Thailand erwartet dich dein schlitzäugiges Wunder, Mann!“

„Hey Kollegen, Ihr habt die Ernährungsindustrie vergessen! Weg mit Suschi, Döner und Veggie! Es war der deutsche Soldat, der Grünkohl mit Pinkel, Labskaus und Trockenwurst in Europa bekannt gemacht hat. Konserven aus dem Spreewald!“

„Und die Versicherer? Na klar: Macht Deutschland wieder sicher. Versichert Euch bei der Ravensburg-Oldenburgischen“!

„Oder mal was Sublimes: Merkel ist gegen Zuckerzeug für Kleinkinder! Aber der deutsche Zahnarzt, der ist immer auf der Seite des Volkes!“

„Und Immobilien? Na klar: Deutsche Immobilien in deutsche Hände. Die Deutsche Bank finanziert jetzt wieder in Deutschland.“

„Halt, wissen die denn, was eine Immobilie ist?“ fragt Klaus-Hinrich. „Mann Klausi, du bist genial! Wir ersetzen Immobilie durch Scholle.“

Ihr ahnt ja gar nicht, was da noch auf uns zukommt.

Na sowas! Deutscher Adel wird missbraucht!!

Jetzt duckt sich der deutsche Adel schon seit 98 Jahren unter den Fährnissen republikanischer Regierungen weg, hält mucks Mäuschen still, fällt überhaupt nicht auf, hat sich sozusagen auf Burgen, Schlösser und in den tiefen Wald zurückgezogen, da drängt er mit Macht in die Öffentlichkeit zurück. Besser gesagt, er wird in die Öffentlichkeit zurückgedrückt, ein Fall von eklatantem Missbrauch!

Noch dazu passiert das im Internet, wo sich ja jeder tummeln kann. Seit Neustem häufen sich auf facebook etc. Namen, die allesamt im Gotha, dem Vereinsregister des Adels, vorkommen.

Ja und?

Eine berechtigte Frage. Das Problem ist, dass sich hinter diesen vornehmen Namen obskure Gestalten verstecken, die glauben, nur weil sie ein „von“ vornewegstellen, fänden sie in den sozialen Netzwerken mehr Aufmerksamkeit. Ihre Beiträge fallen dadurch auf, dass putzige Tier G’schichterln mit abstrusen right-speech Meinungen gemischt werden und dann zu allem Überfluß manchmal sogar wirklich gute Musikeinspielungen kommen. Man gewöhnt sich an die Phantasienamen, ich erfinde mal ein paar:

Armand de Aldobrandini von Kaufmann, Hippolite von Kurland de Saxe, Justine de Habsbourg Tuscany oder, etwas bescheidener, Gustav von Zitzewitz.

So ähnlich heißen sie alle die vertrauenswürdigen Mitmenschen im Netz. Sie werden zu täglichen Besuchern, ja zu Bekannten. Wenn dieses Stadium erreicht ist, dann verschicken sie Nachrichten: Der Putin ist doch eigentlich ein ganz Lieber. Die soziale Marktwirtschaft, von „dunklen Mächten streng und bös umgeben“, ist nichts weiter, als eine Verschwörung der Wall Street gegen den kleinen Mann. Motto: „Brosamen vom Tische der Reichen.“ Und so weiter, und so weiter.

Nun ist es ja ein Markenzeichen aller Verschwörungstheorien, dass ihnen in erschreckendem Ausmaß geglaubt wird: Hitler lebt mit einer 23jährigen Exotin im bolivianischen Urwald. Der Mondflug fand im TV Studio statt. Die Erderwärmung kommt daher, dass die Chinesen so viel pupsen, dies aber abstreiten. Merkel ist von der Stasi damit beauftragt worden, deren Werk fortzusetzen. Söder mag keine Bratwörschd. Berlusconi ist eigentlich auch blond. Hollande ist ein Mallörchen von André Gide und tut nur so als ob er nicht auch schwul wäre.

Das mag ja sogar noch unterhaltsam sein, schlimm aber sind die Hetzereien, die diese Typen hinter ihrem Tarnnamen hervorbringen. Drum hier einige Merkmale zum Aufspüren dieser Trolle, so heißen die nämlich.

Ein Troll zeigt nie seinen wahren Namen, daher die erfundenen Adelsnamen.

Er zeigt auch nie sein Gesicht. Dort, wo ich links unten auf meinem fb Titel der Mitwelt zumute, mein Gesicht anzuschauen, sieht man bei den Trollen meist irgendwelche Wappen. Wenn ein Familienname gewählt wurde, den es wirklich gibt, dann wird links unten meist ein Wappen aus Siebmachers Wappenbuch von 1605 veröffentlicht. Man erkennt es am sehr spezifischen lay-out, siehe  Foto oben.

Man kann den Trollen antworten. Man kann sie im gegebenen Fall auf die Strafbarkeit ihrer Äußerungen hinweisen. Aber man kann sie nicht greifen. Dazu haben, so wollen wir mal hoffen, die Ermittlungsbehörden die notwendigen Mittel.

Wenn die Trolle, die „social bots“ und wie sie alle heißen mögen oder heißen werden, ihr Spiel zu weit treiben, bleibt nur der Gang zur Staatsanwaltschaft. Das hat aber nur dann Sinn, wenn wirklich strafbare Äußerungen nachweisbar sind.

Argumentieren hat jedenfalls keinen Sinn.

ARD Musikwettbewerb

Anfang der 70er Jahre hatte ich das Vergnügen, beim ARD Musikwettbewerb in München teilnehmen zu dürfen. Es ist dies einer der renommiertesten Wettkämpfe unter Musikern der Weltklasse. Aus letzterer Erklärung ergibt sich, dass ich dort weder gesungen noch gefiedelt habe. Meine Aufgabe war profaner aber überaus lustiger Natur: Ich fuhr den Shuttle-Bus: Rundfunkhaus – Musikhochschule – Studentenheim in Freimann – Musikhochschule – Rundfunkhaus. Ich musste die Teilnehmer hin und her kutschieren und der Kontakt mit ihnen ließ mich in eine bisher für mich fremde Welt einzutauchen. Natürlich war es toll, die Juroren kennen zu lernen, ich erinnere mich an Benny Goodmann und René Kollo. Nachhaltiger haben mich aber die wettkämpfenden Musiker beeindruckt. Da war der Sänger aus der DDR, der mir erklärte, er trage im Gegensatz zu Geigern usw. sein Instrument im Körper. Deshalb müsse er diesen ganz besonders pflegen. Er therapierte ihn mit saisonalem Zwetschgendatschi und Schlagsahne.

Mein besonderer Freund wurde John, ein US Percussionist. Einmal ging ich mit ihm durch den Hertie, wo er auf jeden Topf haute, weil er seinem Solo für Trommel, Pauke und Haushaltsgegenständen noch eine spezielle Ton Note geben wollte. Er kaufte schließlich eine sensationell hässliche Salatschüssel, aber der Klang, ich sage euch, der Klang… Er litt sehr darunter, dass seine Freundin Linda in den Staaten bleiben musste. Dieser Leidensdruck entlud ich eines schönen Nachmittags in dem Schrei: “I am so horny, I coud fuck a door“. Abends habe ich mir dann den Satz anhand des „Oxford Advanced Learner‘s Dictionary of Current English“ zusammengepfriemelt und war entsetzt.

John gewann den 2. Preis und musste deshalb im Herculessaal beim Abschlusskonzert vorspielen. Es stellte sich heraus, dass er nur einen Pullover zwei Jeans, eine für „casual“ und eine für „dressing up“, sowie Turnschule dabeihatte. An den Jeans war nicht zu rütteln. Immerhin kaufte er sich, wieder bei Hertie, hellbraune Lederschuhe und spielte das Konzert in der Jacke, in der ich später mein Jura Examen ablegte.

Ganz viele Sängerinnen kamen von der Julliard School in New York und ganz viele unter ihnen waren Jüdinnen. Das merkte ich daran, dass sie in der Leopoldstraße Ecke Elisabethstraße immer giggelten. Dort befand sich damals ein Juwelier, der für sich in Leuchtreklame warb: UHREN – SCHMUCK. Ein jüdischer Oboist klärte mich auf, dass Schmuck, auch Schmock ausgesprochen, die Zierde des Mannes sei. Ich machte in gewisser Weise einen Crash-Kurs mit. Besagter Oboist gewann später den ersten Preis. Sein schärfster Widersacher war ein britischer Oboist, der schon im zweiten Durchgang wider aller Vorhersagen scheiterte. Ich hatte von Anfang an vermutet, er werde überschätzt. Seine Oboe hatte goldene Klappen. Nach seiner Niederlage saß er vollkommen erschüttert und fassungslos in meinem Bus. Auf der Höhe der Münchner Freiheit tropften dann näselnd folgende Worte von seinen Lippen: „There are two things in my live I have no control about at all. One of those is my oboe.“

Ein weiterer Trommler aus den USA war Rocco. Man erwartete ihn mit Spannung, denn er hatte mitgeteilt: „I play the gerkin.“ Keiner wusste Bescheid. Wieder kam mein Oxford Advanced…zum Einsatz. Am nächsten Morgen verkündigte ich im Sekretariat: „Rocco spielt die Gurke.“ Nachmittags traf Rocco ein, alle dachten an den imposanten Kerkermeister aus Fidelio (Bass). Es erschien aber ein quirrliger schwarzbelockter winziger Neapolitaner, der sich mit „Hi I’m Raccoe“ vorstellte. Niemand verstand ihn. Schließlich schrieb er seinen Namen auf und alle atmeten auf: „Ach, ju ahr Rocko! Wot is it wot ju pläi?“ Rocco verstand dennoch und holte aus seiner Tasche einen bunten Ratschkürbis. Xavier, der Gitarrist aus Barcelona half uns aus der Patsche: “Das ist eine kubanische Sambagurke“.

Xavier nutzte übrigens psychologische Mittel im Wettkampf: Seiner Mitstreiterin aus Israel erzählte er, dass die Musikhochschule, wo sie ein Übungszimmer zugewiesen bekommen hatte, ein ehemaliger Nazi Bau sei. Ich vermahnte ihn, das doch wirklich unnötig, geschmacklos und unfair, worauf Xavier nur sagte: „You know, I have got a sardonic sense of humor.“

Deutschland ist unsolidarisch

Sie zahlen am meisten nach Brüssel. Stimmt. Und sie sind auch sonst überall die Größten, „die Mehrsten“ und die Wichtigsten. Angesichts existierender und heraufziehender Rechtsregierungen in Europa wir Bundeskanzlerin Merkel die Funktion des demokratischen Korrektivs zugeschoben. Gar nicht auszudenken, wenn sie nicht wiedergewählt würde.

Ja, Deutschland ist wichtig und die Bundesregierung ist es auch. Allerdings entgeht demjenigen, der immer nur deutsche Presse liest und deutsche TV Nachrichten sieht, dass Deutschland sich innerhalb der Eurozone nicht solidarisch verhält. In der Griechenlandkrise haben sich deutsche Politiker zu den Gralshütern der Einhaltung der Stabilitätskriterien aufgemandelt und geflissentlich vergessen, dass Deutschland mehrmals dagegen verstoßen hatte.

Wenn es den deutschen Interessen genehm ist, dann darf die Inflationsschraube durchaus ein wenig gelockert werden, sonst aber ist nur der Gedanke daran schon Teufelszeug.

Es darf ja nicht vergessen werden, dass die Krise in den sogenannten PIGS Staaten (Portugal, Italien, Griechenland Spanien) auch dadurch entstanden ist, dass zumal deutsche Banken schrankenlos Kredite in diese Länder gepumpt haben. Das hat den Konsum und die Investition stark angekurbelt.

Und dreimal darf der geneigte Leser raten, wer denn in Europa Konsum- und Investitionsgüter herstellt? Erraten!

Jeder Euro, den Deutschland zur Rettung Griechenlands mitbezahlt, ist eine Kleinigkeit gemessen an dem, was die deutsche Wirtschaft und in Folge der deutsche Fiskus am Griechenlandexport verdient haben. Gleiches gilt für Spanien, Italien und Portugal.

Aber unterdessen war Deutschland daran interessiert, die Inflation im Euroraum klein zu halten und deshalb kam es in den anderen Euro Ländern zu wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die sich in erster Linie in großer Arbeitslosigkeit bemerkbar machten.

Während in einigen Euro Ländern die Jugendarbeitslosigkeit auf 50% stieg, sang man in Deutschland das Lied: “Wir haben ja noch China, trallala.“

Vom stabilen Euro profitiert in erster Linie Deutschland und deshalb wird durchgesetzt, dass es unter keinen Umständen irgendwo einen Schuldenschnitt gibt, obwohl alle genau wissen, dass die Schulden mancher Länder niemals zurückbezahlt werden können. Sie wirken als Hemmschuh für eine gesunde wirtschaftliche Entwicklung, und unter gesund verstehe ich, dass alle, die Arbeit suchen, auch welche finden.

In Deutschland wird vergessen, dass der eigene Wohlstand auch damit erkauft wird, dass in anderen Ländern verlorene Generationen (im Plural) existieren. Menschen also, die keinerlei Perspektive haben, durch eigenes Tun zu überleben, zu prosperieren und keine Ahnung davon haben, was es ist, ein erfülltes und glückliches Leben zu führen.

Davon erfährt man wenig, wenn man sich aus deutschen Quellen informiert. In den übrigen Ländern aber wächst der Unmut. Man merkt dort, dass die eigene Politik nicht mehr selbstbestimmt ist. „La Merkel“ ist dann die Personifizierung des Übels und Deutschland ist gemeint.

In seiner Geschichte war Deutschland lange Zeit ein zerstrittener Haufen kleinerer und größerer Staaten. Und das war gut so, denn jedes Mal, wenn Deutschland geeint war, wurde es zur Gefahr für seine europäischen Nachbarn.

Es ist bitter, aber es ist ein großes Stück Wahrheit dran, wenn man sich anhört, was Aldo Moro, François Mauriac und andere gescheite Menschen über Deutschland vor der Wiedervereinigung gesagt haben:

„Ich liebe Deutschland. Ich liebe es sogar so sehr, dass ich froh bin, dass es zwei davon gibt.“

Es wird zunehmend Aufgabe deutscher Politik sein, neben der Wahrung der eigenen Interessen auch die der europäischen Partner im Blickfeld zu haben.

Bring das mal einen AfD Wähler bei!

„Alles was das Böse benötigt, um zu triumphieren,ist das Schweigen der Mehrheit.“ (Kofi Annan)

 

Jeder von uns bekommt ja nur einen Teil dessen mit, was auf facebook oder anderswo los ist. Manchmal kann man darüber nur froh sein, denn es gibt dort ja nicht nur Selbtspromoter, Tierfreunde, Philosophen oder Naturbewunderer, sondern auch Mitmenschen, die ihre Meinung kundtun. Das ist gut und wird vom Artikel 5 des Grundgesetzes garantiert.

Vergessen wird oft der Absatz 2 des Artikels 5. Hier kommt er:

„Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.“

Ich finde es unerträglich wie manche Mitmenschen sofort hochagressiv losbelfern, kaum wird ihnen das Stöckchen Merkel, Bischof, Asylant, Islam oder Grüne hingehalten.

Die eigene Meinung darf und soll jeder ausdrücken. Es hat aber nichts mit freier Meinungsäußerung zu tun, wenn sofort Hirnamputation, Verbrechertum, Volksverrat oder sexuelle Anspielungen losgetreten werden.

Ich möchte dazu aufrufen, diesen „posts“ entgegenzuwirken. Wir sollten derlei nicht unkommentiert vorbeirauschen lassen, denn damit verleihen wir dem Zeug eine gewisse Legitimation. „Wer schweigt, stimmt zu!“ Das wussten schon die alten Römer.

Allerdings halte ich nichts davon, auf Rechtschreib- oder Interpunktionsschwächen hinzuweisen. Auch die manchmal deutliche Unterbelichtung des Hetzers muss nicht manifest gemacht werden. Damit zeigt man nur, wie toll man selber ist und verfestigt den Brass des Autors nur noch.

Ich schlage vor, dass möglichst alle bei jedem Hassbeitrag, bei jeder Verschwörungstheorie, bei jeder Herabwürdigung anderer einen freundlichen Kommentar schreiben, in dem steht, dass niemand etwas gegen die freie Meinungsäußerung hat, dass es aber ein Gebot des Anstandes ist, diese in einer Weise vorzubringen, dass dadurch andere weder beleidigt noch bedroht werden. Es ist auch durchaus möglich im gegebenen Fall auf die Strafbarkeit von Beleidigungen hinzuweisen. Wichtig ist nur, nie den freundlichen und objektiven Ton zu verlieren.

Klar, wer da mitmacht, setzt sich Anpöbelungen aus. Da allerdings gilt das das gute alte bayerische Sprichwort: „Gar ned erschd drauf ignoriern!“

Es gibt aber auch unerwartet erheiternde Antworten, zum Beispiel, dass eine üble und beleidigende Meinungsäußerung durchaus legitim sei, da es sich dabei um die künstlerische Freiheit des Verfassers handele.

Es kann auch sein, dass man eine Übung in „Erkenne dich selbst“ mitmacht, Ich wurde schon arrogant, Großkotz, unwissender Degenerat und Naturtrottel tituliert.

Man wird es nicht glauben, aber ich habe sogar schon darüber nachgedacht, ob da was dran sein könnte!