Ceterum censeo Britanniam permanere

Je mehr ich an den Brexit denke, desto unwohler wird mir, desto betrübter bin ich und desto mehr muss ich daran denken, wieviel ich dem Vereinigten Königreich zu verdanken habe.

Da waren natürlich als erstes die Beatles, zuvor hatte ich nur die Schlagerparade des Bayerischen Rundfunks gehört. Ich verstand kein Wort aber dennoch öffneten uns John, Ringo, Paul und George das Herz und den Kopf, wohin wusste keiner von uns, aber es war spürbar.

Später flog ich mit meinem älteren Bruder nach London um in Guildford bei der Familie Gaultry unser Englisch aufzubessern. Der Vater arbeitete beim Geheimdienst, das war aufregend. Wir wurden ins Theater geführt, Shakespeare natürlich. Im Kino gab es in der Pause Eis der Marke „Dairy Maid“ und beim Chinesen fragte der Kellner ob wie „lice“ (Läuse) zum Bami Goreng haben wollten. Der Hausherr brachte uns vor dem Aufstehen Tee ans Bett und nachmittags gab es immer den obligatorischen afternoon tea mit köstlichem Gebäck. Wir erlebten vor dem Fernsehgerät der Familie das „third goal, no goal“ Drama. (1966)

London war für uns Dörfler aus Unterfranken überwältigend. Alle Versuche die Guards vor White Hall aus der Fassung zu bringen misslangen kläglich. Später wurde ich kurzzeitig verhaftet, weil ich auf dem Mittelstreifen der Mall den Horse Guards nachgelaufen war.

Als unsere Kinder in Schottland im Internat waren, haben wir immer an den Elterntag eine Woche Highlands drangehängt. Nirgends gibt es schönere Strände als dort, zum Baden ist es zu kalt. Die Schotten gehen dennoch ins Wasser. Nirgends gibt es schönere Einsamkeiten und die Erfahrung, wie sehr zwanzig Hirsche auf einem Haufen stinken, muss man nicht unbedingt machen. Beide Kinder geben zu, dass die Zeit in Gordonstoun zu ihrer Menschwerdung entscheidend beigetragen hat. Da kann man als Eltern doch nur dankbar sein!

Später hatte ich beruflich viel in Nottingham bei den Kollegen von Geldards zu tun und lernte die konzentrierte Lockerheit kennen, mit der britische Anwälte ans Werk gehen. Später studierte unser Sohn David dort und als wir ihn besuchten, machten wir zu seinem Verdruss „sight seeing“. Unvergessen, wie der Turm der Kathedrale von Ely aus dem Dunst der flachen Landschaft wächst. In der noch mittelalterlich gebliebenen Stadt stellten wir fest, dass am Abend in der Kathedrale das Requiem von Brahms gegeben werde. Englische und deutsche Musiker führten es auf. David meinte, das sei etwa so, wie wenn Madrid gegen Barcelona spielt, das dürften wir uns nicht entgehen lassen. Er hat dann im Hotel ferngesehen und Brigitte und ich hatten ein Musikerlebnis, an das wir noch in der Todesstunde denken werden. Ich habe „Aussöhnung“ nie zuvor erlebt, dort, in der einzigartigen Kathedrale von Ely, war sie spürbar. Kultur, Musik und die Verheißung „Wie lieblich sind deine Wohnungen, Herr Zebaoth“ machten spürbar, dass wir alle zusammengehören und zusammen gehören wollen auf unserem Teil der Erde, den uns Gott als Wohnung gegeben hat.

Und immer wieder London. Unzählige Theaterbesuche, die Museen, Portobello Road. Einmal überraschte uns sogar ein Bombenalarm in einem kleinen italienischen Restaurant. Als ich mit Angelo gerade handelseinig geworden war, dass er für die Zeit des Alarms den Wein billiger ausschenkt, kam ein Bobby herein und sagte, wir könnten jetzt wieder auf die Straße gehen.

Die Brexit Verhandlungen werden – wie jede Scheidung – schmerzhafte Wunden schlagen. Man könnte das ja begreifen, wenn die Scheidung notwendig wäre und wenn die Zukunft für alle leuchtend erscheinen würde. Aber unterdessen haben fast alle erkannt, dass der Brexit so unnötig ist wie ein Kropf, dass er allen nur schadet und womöglich das zerstört, was die Zuhörer in der Kathedrale von Ely gespürt haben.

 

Wer soll die Arbeit machen?

Gestern erzählte mir ein irischer Freund, in der Nähe von Belfast gäbe es einen riesigen fleischverarbeitenden Betrieb, in dem nur Polen arbeiteten.

„Und wer macht die Arbeit dort nach dem Brexit?“

Zu meiner Verblüffung bekam ich die Antwort, dort gäbe es genügend Arbeitslose, die die Jobs gerne übernehmen würden.

Ich habe da meine Zweifel. Wenn man über Jahre arbeitslos gewesen ist, macht das nicht nur psychisch mürbe, man baut auch in der Regel körperlich ab. Nicht jeder Langzeitarbeitslose kann so ohne Weiteres in einer Großschlächterei eingesetzt werden, das ist ein Knochenjob.

Während der Finanzkrise waren in Deutschland Gewerkschaften, Arbeitgeber und Politik gut beraten, die Kurzarbeit einzuführen. Das schlimmste, was in unserer hochspezialisierten Zeit passieren kann, ist wenn qualifizierte Arbeitnehmer entlassen werden müssen. Sie bleiben dann nicht auf dem Stand der Technik, geschweige denn, bilden sie sich weiter.

Das ist einer der Gründe, weshalb ich annehme, dass das mit der Wiederindustrialisierung des „rust belt“ in den USA nicht so leicht klappen wird. „Bring the jobs home!“ reicht wohl nicht aus. Es müssen zu Hause auch Arbeitskräfte vorzufinden sein, die die gleiche Qualität Arbeit abliefern können, wie das der Standard der Firma verlangt.

BMW kann ein Lied davon singen: Es hat Jahre gebraucht, ehe die in den USA hergestellten PKWs so gut waren, dass sie in Europa verkauft werden konnten, ohne vorher zerlegt und wieder zusammengeschraubt werden zu müssen.

Im „rust belt“ leben Menschen, die seit Jahrzehnten keine Arbeit mehr haben, die zunehmend verbittern und frustriert wurden. Was deren Väter und Großväter an technischem know how hatten, ging verloren und, was schlimmer ist, es wird heute nicht mehr gebraucht. Das vergangene Wissen wurde aber auch nicht durch Neues ersetzt.

Neulich habe ich Daniel Barenboim zugehört, als er sagte, die schlimmste Zeiterscheinung sie der Mangel an Erziehung. Er meinte damit den Zweiklang „Bildung des Herzens und des Verstandes“.

Wenn wir in den westlichen Industriestaaten so wenig in Erziehung investieren, brauchen wir uns nicht zu wundern, dass Arbeitslosigkeit fast immer auch ein Ausstieg aus der „Experise“ ist.

Cucumber Gang

Ich bin nicht der Vorsitzende des Dobrindt Fan Clubs, muss dem Bundesminister aber eines zugestehen: Als er in Zeiten der schwarz-gelben Koalition das Wort „Gurkentruppe“ in den politischen Sprachschatz einführte, hat er weit über den zeitgeschichtlichen Moment hinausgehend jedem „zoon politicon“, jedem, der sich für das, was sich vor seiner Haustür abspielt, etwas an die Hand gegeben, dass die Argumentationsbreite der Allgemeinheit um ein Vielfaches vergrößert hat: „Gurkentruppe“. Das ist griffig, schön pejorativ ohne beleidigend zu sein und stellt die Glieder dieser Truppe auf einen eindeutigen Platz in der Weltgeschichte. Dobrindt hatte es sicher nicht gewollt, ja nicht einmal erhofft, dass im Jahr 2017 seine Wortschöpfung eine unerwartete Brisanz und Aktualität bekommt.

Alle haben es bereits geahnt, ich sprechen von der Gurkentruppe, die derzeit das Weiße Haus bevölkert. Es ist nicht notwendig all das zu wiederholen, was dort seit Januar in Washington DC passiert oder, wenn man genauer hinschaut, eben nicht passiert.

Wir erleben die Selbstmontage einer Weltmacht live mit, und die Furcht macht sich breit, ach was, die pure Panik ergreift Politiker, Strategen und Zeitungsleser bei dem Gedanken, es könne wirklich mal was Schlimmes passieren und dann wären es die „cucumber men“, die diese Krise bewältigen müssten. Ein Albtraum.

Was gerade in den USA passiert, erinnert schmerzhaft an das, was vor 1914 in Berlin geschah, als Wilhelm II die Welt in eine allumfassende Katastrophe schlittern lies, weil sein Geltungsbedürfnis seine intellektuellen Fähigkeiten bei Weitem überstieg.

Unbestreitbar, die militärische Macht liegt nach wie vor in Händen der USA und Ihres Präsidenten. Aber wer kann beim voraussehbaren Ausscheiden der USA aus dem Kreis der ernstzunehmenden „global players“ die politische Führung übernehmen?

In Europa wünscht man sich eine Doppelführung: Merkel und Macron. Mir scheint das liegt in erster Linie daran, weil die politische Lage in London, Rom, Madrid, Warschau etc so desaströs ist, dass anderswo der Einäugige zum König gekürt wird.

Dann gibt es noch ein paar wenige versprengte Demokraten in Israel, Indien, Kanada, Japan und Australien, die aber alle weltpolitisch keine Rolle spielen.

Putin wird natürlich der Nutznießer der amerikanischen Schwäche sein, aber er wird niemals eine in der freien Welt anerkannte Führungspersönlichkeit werden, ebenso wenig wir die übrigen Potentaten dieser Welt.

Angesichts dieses beängstigenden Vakuums baut sich eine neue Schreckensvision auf: Der berühmte „starke Mann“. Manche wähnen ihn in der Industrie, irgendein steinreicher Self Made Man, dem des Tohuwabohu einfach zu blöde wird und der die Deutungshoheit dieser Welt nicht nur für sich reklamiert, sondern sie auch ergreift.

Das wäre ein weiterer Albtraum, weil diese Person ohne Legitimierung, ohne Auftrag und ohne Kontrolle es fertigbringen könnte, die enttäuschten Massen hinter sich zu bringen und dann mit Geld, gekauften Medien und dem „gesunden Volksempfinden“ im Rücken all denen Recht geben könnte, die schon heute behaupten, Demokratie sei eine Schimäre, sei Augenwischerei.

 

Antiislamismus

Wenn Wasser nicht mehr weiter kommt oder darf, sucht es sich einen neuen Weg.

Angesichts des bedingungslosen und begründungslosen Antiislamismus in den sozialen Netzen, frage ich mich, ob dieses derzeit noch tolerierte gesellschaftliche Verhalten nicht einfach eine Ersatzhandlung für etwas ist, was man nicht mehr soll oder darf.

Ich spreche vom Antisemitismus.

Wer sich schnell im gesellschaftlichen Aus wiederfinden will, der outet sich als Antisemit. Wir müssen ja nicht so tun, als ob es diese nicht mehr gäbe, es gibt sie zu Hauf und in wachsendem Maß. Aber wenige nur geben sich als Antisemiten zu erkennen.

Sich allerdings als Antiislamist zu erkennen zu geben, wird je nachdem, in welchen Kreisen man sich bewegt, mit Applaus bedacht.

Ehen zwischen Muslimen und Christen schrecklich zu finden, blöde Witze von Bratwurst essenden und Bier trinkenden Moslems zu machen, das geht durch. Wenn man die vorgetragenen Meinungen hinterfragt, kommt bares Nichtwissen über den Islam zutage. Oft auch werden Suren des Koran zitiert, von denen alle Welt weiß, dass sie kämpferisch sind, von der muslimischen Theologie aber unterdessen ebenso eingeordnet wurden, wie das alttestamentarische „Zahn um Zahn“. Schließlich gibt es Antiislamisten, die sagen, sie hätten lange in arabischen Staaten gelebt und wüssten deshalb aus eigener Anschauung, wie böse der Islam ist.

Ich habe lange genug im evangelisch-pietistischen Unterfranken gelebt, um zu wissen, wie eine Religion zu einer menschenfeindlichen Einschüchterungsmaschine umfunktioniert werden kann. Dennoch käme ich nie auf die Idee, das Christentum als böse zu brandmarken.

Es gibt keine böse Religion, es sind wir Menschen, die sie zu bösen Zwecken missbrauchen.

Antiislamismus und Antisemitismus haben gemein, dass man sich an der fremden und unverstandenen Religion hochranken kann. Es ist ja noch nicht allzu lange her, da war es eine Katastrophe, wenn es zu einer evangelisch-katholischen Mischehe kam. Also, um wie viel „schlimmer“ ist es, jemanden in die Familie zu bekommen, dem erstmal erklärt werden muss, was es mit dem Pfingstwunder auf sich hat, der unter dem Weihnachtsbaum nicht mitsingen kann und unvermittelt einen Monat lang tagsüber weder isst noch trinkt.

Fast alle Anti-Haltungen richten sich gegen das Fremde. Vor dem Fremden hat man Angst. Deshalb wird es abgelehnt.

Viele Menschen brauchen einen Angstgegner. Es fällt mir schwer, zu verstehen, wie man Angst vor einer fremden Kultur oder einer fremden Religion haben kann. Geschieht das aus einem Gefühl der eigenen Schwäche heraus?

Was haben wir denn vom Fremden zu befürchten? Das Fremde bereichert kulturell und wirtschaftlich. Den Islam oder welche Religion auch immer zu verunglimpfen bringt gar nichts.

Und hier kommt mein „ceterum censeo“: Hetzen führt zu nichts. Wir müssen die Zugezogenen auf die bei uns geltenden Werte leiten: Gleichberechtigung, Menschenwürde, Schutz von Minderheiten, Respekt vor dem Anderen.

Aber mal ganz unter uns: Haben die jüdischen Mitbürger, die vor dem Holocaust Deutschland lebten, diese Werte nicht auch ganz selbstverständlich gelebt? Waren sie nicht integriert? Wie konnte es dann sein, dass aus dem deutschen Volk von Bildungsbürgern ein Volk wurde, das es tolerierte, dass in seinem Namen gemordet wurde?

Ich sehe Parallelen und mache mir große Sorgen um die geistige Verfassung meiner deutschen Nachbarn.

Wallfahrer ziehen durch das Land mit wehenden Standarten

Franken ist ein konfessioneller Flickenteppich. Vor 1806 bestimmte der Landesherr die Religion seiner Untertanen. Die Übermacht der Bischöfe in Bamberg, Würzburg und Eichstätt führte dazu, dass die kleineren Territorien, in denen Grafen oder Barone das Sagen hatten, evangelisch wurden.

Man war entweder dezidiert katholisch oder dezidiert evangelisch. Als in Thüngen, die kleinere katholische Kirchengemeinde einen eigenen Friedhof haben wollte, baute man darauf auch gleich eine Leichenhalle. „Da bassn fei drei Särch gleichzeidich nei“, gab eine der Bäuerinnen an. Darauf deren evangelische Nachbarin: „Na bassd ner schö auf, äss ihr des Ding immer gscheid voll habd, nacher semmer euch Kuddnbrunser bal los!“

Es herrschte kein Konfessionskrieg, aber man kannte und verstand sich gegenseitig nur wenig. Vielmehr foppte man sich, wo es nur ging. Wenn in der Fastenzeit im katholischen Ebern die Kirchenglocken schwiegen, dann läuteten die in Rentweinsdorf länger und lauter.

Und es konnte noch so heiß sein, wenn die Wallfahrer durch ein evangelisches Dorf zogen, dann hauchte der Heilige Geist „der Mussig“ neue Kraft ein und sie spielten was das Zeug hielt.

Mein Vater wuchs auf der Burg Lichtenstein auf und berichtete, dass es eine Stelle am Waldesrand gibt, von wo auch die „Waler“ zum ersten Mal Kloster Banz und die Wallfahrtskirche Vierzehnheiligen erblicken können. Dort wurde immer eine Dankesmesse gehalten. Er und seine Freunde versteckten sich im Gebüsch und beschossen mit Zwillen die Pilger aber in erster Linie die Blasinstrumente, weil da so schön „ping“ machte, wenn man traf.

Diese ganze Wallfahrerei war uns „Lutherböcken“ natürlich vollkommen fremd. Das hielt unseren Vater aber nicht davon ab, uns ausgiebig und immer wieder nach Vierzehnheiligen mitzunehmen. Jedem, der nach Rentweinsdorf zu Besuch kam, wurden mittels einer Kunstfahrt die Schönheiten Frankens gezeigt und da durfte der „Ballsaal Gottes“, den Balthasar Neumann, auf die linke Mainseite gestellt hatte, nicht fehlen. Die Sammlung der Votivgaben fanden wir als Kinder natürlich viel reizvoller als das atemberaubende Konzept der Wölbungen mit ihren schief gelegten Rippen, oder dem bis zur Grausamkeit realistischen Gnadenaltar. Jeder der vierzehn Heiligen hält „sein“ Folterinstrument in Händen. Vor dem Abbild des Heiligen Dionys ließ Vater uns immer im Halbkreis antreten. Er deutete auf den Mann, der seinen Kopf unter dem Arm trug, und wiederholte jedes Mal: „So werden eure Kinder einmal aussehen, wenn ihr Verwandte heiratet.“

Mich faszinierten die Devotionalienhändler, schon allein deshalb weil ich mich fragte, welchen heiligenden Zweck es denn haben soll, etwas zu kaufen, was im Zweifelsfall von einer Maschine hergestellt worden war. „Immer wenn du denkst es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her“, stand auf einer Kerze. War das ein Bibelspruch? Also, in meiner Kinderbibel kam er nicht vor!

Immer besuchte ich eine besonders dicke Standlfrau und machte dort so lange rum, bis sie vorschlug. „No Bürschla, kaffst hald a Schnabsgläsla fern Vaddi.“ Ich amüsierte mich und gleichzeitig brandete in mir der „furor lutheranus“ hoch: Wie kann man Schnapsgläser neben betenden Händen oder Marienabbildungen verkaufen? Wir hatten den evangelischen Puritanismus eben mit der Muttermilch eingesaugt.

Letztlich aber blieb unser Wissen von der anderen Konfession auf dem Niveau dieses Kinderverses:

So bedn die Kadolischn (aneinanderlegte Hände)

So bedn die Efangelischn (gefaltete Hände)

So bedn die Oxn (aneinandergelegte Fäuste)

Und so gehd das Boxn (der Nebenmann bekam Prügel)

 

Was ist Trump?

Wer ist Trump? Das wissen wir. Er ist der 45. demokratisch gewählte Präsident der USA. Das muss vorausgeschickt werden, denn so Manchem scheint das nicht ganz klar zu sein.

Er ist der legitime Repräsentant seines Landes, der alle ihm von der Verfassung verliehenen Befugnisse im Rahmen des Rechts anwenden darf.

Dennoch steht man mit Staunen vor diesem Mann. Was ist des Pudels Kern bei Trump?

Noch nie gab es einen amerikanischen Präsidenten, der einen derart subjektiven Umgang mit der Wahrheit pflegte.

Und was passiert? Nichts!

Noch nie gab es einen amerikanischen Präsidenten, der unter Einmischung / Hilfe einer ausländischen Macht ins Amt gewählt wurde.

Und was passiert? Nothing!

Noch nie gab es einen amerikanischen Präsidenten, der durch geschäftliche Verknäuelungen derartig abhängig ist von einer ausländischen Bank, in dem Fall der Deutschen Bank.

Und was passiert? Nitschewo!

Noch nie gab es einen amerikanischen Präsidenten, der im Wahlkampf innenpolitisch alles versprach, aber, einmal im Amt, nichts zustande bekommt.

Und was passiert? Nada!

Was wir in Europa nur schwer verstehen können, ist der Umstand, dass Trump nur deshalb gewählt worden ist, weil ganz viele Wähler, die sonst nie zur Urne gehen, diesmal gewählt haben. In ihrer Hoffnungslosigkeit sehnen sie sich danach, seinen Versprechungen glauben zu können. Wer im ehemaligen steel belt , jetzt rust belt, lebt, wer sieht, wie alles, was er früher mit seiner Hände Arbeit hergestellt hat, jetzt aus dem Ausland kommt, der hofft, dem glauben zu können, der „America first“ verspricht.

Wer sagt, Klima sei ihm wurscht, aber die „miners“ sollen wieder Arbeit bekommen, der wird zur Lichtgestalt für alle, die seit Jahren arbeitslos sind. Motto: „Est kommt das Fressen, dann kommt die Moral.“

Auf Trump zu schimpfen, ihn für verrückt zu erklären, sich intellektuell über ihn zu erheben, bringt gar nichts. Dies führt nur zur Verharmlosung, und insbesondere, handelt es sich dabei um eine billige Ausrede: „Der Mann ist so daneben, mit dem muss ich mich nichtauseinandersetzen“.

Vielleicht muss man sich tatsächlich nicht mit Trump direkt auseinandersetzen. Wohl aber mit seinen Wählern. Denn wir haben in Europa auch potentielle Trump-Wähler! Nur mal ein paar Beispiele:

  • Die Jugend in den Vorstädten belgischer und französischer Städte.
  • Eigentlich ganz Griechenland.
  • Hartz IV Empfänger in der dritten Generation.
  • Arbeitslose Jugendliche aus Spanien oder Italien.

Perspektivlosigkeit ist ein ganz schlimmes Gift. Und Arbeitslosigkeit ist das Vehikel zur Perspektivlosigkeit. Wenn Helmut Schmitt sagte, ein Prozent mehr Inflation sei ihm lieber als ein Prozent mehr Arbeitslosigkeit, dann sprach er nicht als Wirtschaftspolitiker, sondern als Sozialpolitiker.

Trump ist kein allein amerikanisches Phänomen. Wenn abgehobene Politiker sich mehr um die Börsenwerte als um die Lohntüte der Wähler kümmern, dann haben es die leicht, die das Blaue vom Himmel herunterversprechen.

Lehnen wir uns also nicht bequem zurück und belächeln die Amis, die Trump gewählt haben. Passen wir vielmehr darauf auf, dass bei uns keine Situation entsteht, die einen Trump auch in Europa zum Erfolg führen könnte.

Die Schelle

Wir Kinder hatten einen Spielschrank. Es war eigentlich ein etwas tiefer geratenes Regal mit einem Vorhang davor. Letzterer hatte den Vorteil, dass man die Unordnung dahinter nicht sah, aber er störte halt beim Rausnehmen der Spielsachen und noch mehr beim Aufräumen.

Im Spielschrank wurden unsere Modellautos aufbewahrt, aber auch Bauklötze, zwei große LEGO Kästen, Werkzeug, Bälle und eine Burg, die wir aus Holzteilen immer wieder anders zusammenbauen konnten.

Jeden Abend mussten die Spielsachen in den Spielschrank geräumt werden. Das fand ich vollkommen idiotisch, denn am nächsten Morgen würden wir ja alles wieder herausnehmen. Noch heute empfinde ich Aufforderungen wie etwa meinen Schreibtisch aufzuräumen als reine Schikane, denn wo ich arbeite, da herrscht nun mal kreative Unordnung, zumal ich gelernt habe, dass sich manche Sachen von alleine erledigen, wenn man sie nur lange genug rumliegen lässt.

Kurz, ich hatte zu dem Spielschrank ein zwiespältiges Verhältnis, einerseits war er unnötig und lästig, andererseits waren aber unsere Spielsachen darin.

Irgendwann begannen mich Scheren zu interessieren. Ich fand es faszinierend, wie zwei an sich stumpfe Dinger im Zusammenwirken richtig scharf wurden. Nichts war vor mich sicher, überall schnipselte ich herum und eines Tages schnitt ich ein großes Loch in den Spielzeugschrankvorhang. Natürlich fiel der Verdacht auf mich, aber ich leugnete standhaft. „Wennstes doch warst, kriegste ne Schelle“ drohte meine Mutter. Einige Tage später schnitt ich mir selbst die Haare. Meine Mutter war entsetzt und zu dem ästhetischen Desaster kam hinzu, dass ich nach Beweislage der mit dem Vorhang gewesen sein musste. Meine Mutter war außer sich und schickte mich zur Strafe für den Rest des Tages ins Bett.

„Du hast aber gesagt, ich krieg ne Schelle!“, versuchte ich das Unglück von mir zu wenden. Meine Mutter musste lachen und schickte mich zu meinem Vater, der mir die Schelle verpassen sollte. Sie viel eher milde aus.

Eine andere Taktik verfolgte mein jüngster Bruder. Den hatte meine Mutter im Verdacht, irgendetwas Verbotenes getan zu haben. Es folgten inquisitorische Verhöre und drakonische Strafandrohungen. Das alles war sehr zeitaufwendig und hinderten den Buben daran, mit seinen Freunden im Dorf zu spielen. Immer wieder kam Mutter darauf zurück. Irgendwann brach sie die Mauer seines Leugnens auf. Er gab zu, der Missetäter zu sein und bekam die angekündigte drakonische Strafe.

Einige Tage später stellte sich heraus, dass er es gar nicht gewesen sein konnte. Mutter war zerknirscht und Vater bat seinen Sohn zu einem Gespräch unter Männern, denn er machte sich ernste Sorgen und en Geisteszustand des achtjährigen. Behutsam ging er das Problem an, um dann eben doch zu fragen, weshalb er denn um Himmels Willen etwas zugegeben hätte, was er gar nicht verbrochen hatte?

Antwort: „Ich wollt halt endlich meine Ruh haben!“

 

A la chose, chérie! (II)

In der Auvergne sind die Straßen steil und kurvenreich. Irgendwann standen Schorsch und ich verlassen in einem Wald an der Landstraße und versuchten, mitgenommen zu werden. Nichts half. Hände flehend falten, verzweifeltes Fallenlassen der Arme, Haare raufen, niemand hielt an. Plötzlich kam ein kleiner weißer Peugeot auf uns zugeschossen. Als klar war, dass der Fahrer die Geschwindigkeit nicht reduzieren würde, weinten wir herzergreifend. Da quietschten die Reifen auf dem Asphalt und 100 Meter weiter stand das Auto auf der Straße. Wir rafften unsere Siebensachen zusammen und rannten hin. Der Fahrer entpuppte sich als eine junge Dame, die uns mit den Worten begrüßte „Vous êtes des bonnes acteurs, quand même.“ Schorsch setzte sich nach hinten, ich saß neben ihr. Was nun geschah, ist in seiner gesamthistorischen Dimension nicht mehr nachvollziehbar. Die Dame sagte, sie sei „professeur de mathe“ und verzauberte uns durch leicht dahingeträllerten französischen Singsang. Schorsch behauptet noch heute, sie hätte ihm durch den Rückspiegel verheißungsvolle Blicke zugeworfen. Das kann allerdings nicht stimmen, denn sie war viel zu sehr damit beschäftigt, beim häufigen Schalten wie zufällig mein Knie zu berühren. In der Nähe von Lyon ließ sie uns verklärt aussteigen und noch heute ist „la professeur de mathe“ als Verheißung von Nichterfülltem aber auf jeden Fall Großem in unserem Gedächtnis.

In Annecy angekommen trafen wir auf zwei engelsgleiche schwedische Schwestern, in die wir uns, la professeur de mathe“ schmählich vergessend, sofort verliebten. Wir hatten keine Chance, die einheimische Jugend war mutiger und wohl auch exotischer. Wir beschlossen, es gut sein zu lassen. Regen begann, der Sommer neigte sich seinem Ende zu und wir stellten und an die Straße, die nach Norden aus der Stadt führt und hielten den Arm raus. Schon ziemlich bald tat es einen dumpfen Schlag und ein uralter Citroën Kleinbus hielt vor uns. Hinter einer schwarzen Wolke, die aus dem Auspuff kam, erkannten wir einen würdigen Priester in Soutane, der uns sogleich half, das Gepäck zu verstauen. Er war mit einer Bande vom Sommercamp zurück nach Paris unterwegs. Es waren etwa zehn Buben, alle etwas jünger als wir. « On vous emmènera à condition que vous racontez de la vie en Allemagne ». Monsieur l’Abbé, so wurde er genannt, hatte das, was man eros pedagogico nennt: Er wollte, das seine Buben, statt Quatsch zu machen, ihren Horizont erweiterten. Ob wir je in Paris ankommen würden, war äußerst fraglich, denn bei jedem Runterschalten knallte es aus dem Auspuff. In einem Tunnel sahen wir sogar beim Knall einen Feuerschein.

Irgendwann machten wir Picknick und da fragte uns Monsieur l’Abée, ob wir Vézelay schon gesehen hätten? Wir waren natürlich schimmerlos. Nun begannen die Augen des Priesters zu leuchten. Er sprach von „un tout petit détour qui vaut la peine“ und tatsächlich, nach vielen Kurven und noch mehr Explosionen hielten wir in einem Dorf, das von einer riesigen romanischen Kirche gekrönt wurde. Wir hatten so etwas noch nicht gesehen: Eine helle, hohe romanische Kirche mit abwechseln roten und weißen Steinen in den Rippen der Gewölbe! Hier haben die Kreuzzüge begonnen. Bernard de Clairvaux hatte hier gepredigt, Philippe II vereinigte hier sein Heer mit dem von Richard Löwenherz und Thomas Becket war auch hier gewesen!

Monsieur l’Abbé war ein glühender Verehrer der Heiligen Magdalena. Reliquien der Heiligen schlugen ihn in ihren Bann. Wir und seine Buben aber stellten uns vor, wie die Kreuzritter in voller Rüstung um den Altar ritten wo ihnen der Bischof die Hostie reichte.

Vézelay ist bis heute eine meiner Lieblingskirchen. Ich werde Monsieur l’Abbé immer dankbar sein für „le tout petit détour“.

Von Paris fuhren wir mit dem Zug zurück. Zu berichten ist, dass wir uns einig waren, dass man in Speisewagen nur dann isst, wenn dieser auch rollt. Nachdem ich schon gegessen hatte, bekam Schorsch sein Mahl erst, als wir in den Bahnhof von Bar le Duc einfuhren. Wegen der Passkontrollen hatten wir dort eine halbe Stunde Aufenthalt. Aber er war standhaft. Er verspeiste sein Essen fahrend, kalt und auf deutschem Boden.

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A la chose, chérie!

Unsere Französischkenntnisse waren noch rudimentär, als mein Vetter Schorsch und ich beschlossen, einen gemeinsamen Patenonkel in Frankreich zu besuchen. Bis Paris kamen wir mit einer Mitfahrgelegenheit. Die französische Dame hatte ein deutsches Nummernschild und fuhr wie eine gesengte Sau. „Das mache in Frankreich immer so, damit die Franzosen auf die „boches“ schimpfen können“.

Als wir nachts in Paris ankamen, ließ sie uns irgendwo raus und wir legten uns unter den nächsten Busch in unsere Schlafsäcke. Im Morgengrauen weckten uns zwei Flics auf, die mit allen Anzeichen des Entsetzens klarmachten, wir könnten froh sein, mit dem Leben davongekommen zu sein. Wir waren mitten in der Stricher- und Drogenszene gelandet.

Wir packten unsere Sachen zusammen und liefen zum nahen Triumphbogen. Außen, auf einer der Bänke stellten wir den Camping Gaz Kocher auf und machten Kaffee. Mit der Blechtasse in der Hand überwand ich die Gefahren des Verkehrs auf der Place de l’Étoile, weil ich mir den Arc de Triomphe etwas näher anschauen wollte. Dort wurde ich fast verhaftet, weil die Wachhabenden dachten, ich wolle meinen Kaffee über der ewigen Flamme wärmen.

Schorsch hatte kurz vor unserer Abreise den Film „Zur Sache, Schätzchen“ gesehen und wollte unbedingt, dass ich ihn mir auch anschaute. Ich wand ein, dass wir doch gar nicht wüssten, wie der Film auf Französisch hieße. „Ist doch vollkommen klar: “A la chose, chérie“. Der Film war offenbar noch nicht synchronisiert worden, und so sahen wir uns an einem verregneten Nachmittag einen Film von Louis de Funès an, den wir nicht verstanden. Ich erinnere mich noch, dass viel Rad gefahren wurde. Danach folgten wir dem rat des Kellners auf einer Terrasse und tranken ein Pollanäre. Groß war das Erstaunen, als er zwei Gläser Paulaner Bier brachte.

Nach einigen Tagen Paris, Schwindelgefühl auf dem Eiffelturm und Enttäuschung vor der Mona Lisa (die ist ja so winzig) inbegriffen, fuhren wir mit der Bahn nach Chérence zu unserem Patenonkel. Der war aber grad in Deutschland. Immerhin erlaubte uns der Hausdrachen, unser Zelt auf dem Rasen vor dem Haus aufzubauen. Sie berichtete, dass in einer Höhle im Steilufer der Seine ein Clochard wohne. Den wollten wir uns natürlich anschauen. Als wir dessen Behausung näherkamen, griff uns ein riesiger deutscher Schäferhund mit lautem Gebell und Geknurre an. Schorsch blieb stock steif stehen und rief „ne pas, ne pas“, während ich meine Angst vor Hunden nicht zügeln konnte, und einen Salto rückwärts in den Abgrund vollführte. Ein Dornbusch fing mich auf. Schorsch war wütend, weil er mich aus den Dornen befreien musste und ich mich vor Lachen nichtmehr ein bekam. Die „ne pas Nummer“ war einfach zu komisch.

Von nun an trampten wir. Chartres, Orléans, Lyon und schließlich Annecy, wo wir beschlossen, umzukehren.

Wir hatten geübt, die Autofahrer für und einzunehmen. Durch Gesten versuchten wir den Grad unserer Verzweiflung, nicht mitgenommen zu werden, auszudrücken. Einmal hielt ein riesiger LKW und heraus sprang ein winziges Männlein. « Il ne faut pas faire la grimace, quand on n‘arrête pas », schrie er uns an. Dann verschwand er wieder in seinem Führerhaus und brauste davon. Ein andermal hielt ein englischer Kleinbus. Old Swan Boys Club stand darauf. Die etwa zehn „boys“ wollten von uns Geschichten aus dem zweiten Weltkrieg hören. Sie konnten alle britischen Generäle auswendig und hatten überhaupt kein Verständnis dafür, dass uns das Thema weder interessierte noch wir uns darin auskannten. Für uns war neu und fremd, Gleichaltrige zu treffen, die vor Nationalstolz fast platzten. (Fortsetzung folgt)

 

Aufklärung in Franken

Unser Vater hat meinem Bruder und mir ein Aufklärungsbuch vorgelesen, das, nachdem klargestellt worden war, dass wir schwangeren Frauen die Einkaufstüten hochtragen sollen, in dem Satz gipfelte: „Das heißt aber nicht, dass ihr anderen dicken Frauen die Einkaufstüten nicht hochtragen sollt.“

Man sieht, mit der sexuellen Aufklärung war es nicht weit her in Rentweinsdorf. Eltern, die Lehrer und der Pfarrer machten sich Sorgen um die Tugend aber in erster Linie missbilligten sie ungewollte Schwangerschaften, wussten allerdings nicht, was dagegen zu unternehmen sei.

Man darf dabei nicht vergessen, dass es in den 50er noch üblich war, dass eine Braut, die heiraten „musste“, dies in einem schwarzen Kleid tat. Wenn sie doch weiß heiratete und das Kind eben zu früh kam, verkündete der Pfarrer von der Kanzel herab: „Die kirchlichen Ehren haben sich erschlichen…“

Nun ist es ja so, dass Entwürdigungen und Abkündigungen von der Kanzel herab weder der Natur Einhalt gebieten, noch ein wirksames Antikonzeptivum sind. Und so brach sich auch in Rentweinsdorf das Bahn, was letztlich zum Erhalt der Menschheit notwendig ist.

Besonders begehrt waren die im Nordflügel des Schlosses wohnenden Dienstmädchen meiner Mutter. Unter den jungen Burschen des Dorfes und der Umgebung war die Kenntnis darüber welche Stufen der „drübern Drebbn gnerdsn“ unersetzliches Fachwissen und diese Expertise wurde in jugendlicher Solidarität untereinander weitergegeben, durchaus mit Billigung der betroffenen jungen Damen.

Irgendwann aber raffte man sich im Gemeinde- und im Kirchenrat dazu auf, das zuzulassen, was anderswo längst Gang und Gäbe war. Die Sache mit dem Storch, sollte ein Eingeladener Experte vor der Jugend des Dorfes klarstellen und dabei sollte auch die Empfängnisverhütung zur Sprache kommen.

Doch kaum war der Gedanke geboren, meldeten sich auch schon die üblichen Bedenkenträger. „Des könnd ihr mid unnera Kinner ned gamach! Ihr bringd sa ja blos auf dumma Gedangn.“

Diesem Argument konnten sich weder Lehrer und Pfarrer noch Kirchen- und Gemeinderat verschließen, und so wurde der Experte gebeten, den Eltern beizubringen, wie sie „es“ ihren Kindern beibringen sollten.

An einem lauen Frühlingsabend traf man sich im „Juchendheim“ und der aus Nürnberg angereiste Herr erklärte den verblüfften Eltern die wissenschaftlichen Zusammenhänge dessen, was sie bisher unwissenschaftlich praktizierten. Aufklärung für Erwachsene sozusagen. Inwieweit er auch Rat vermittelte, wie man das Wissen an die eigenen Kinder weitergeben sollte, ist nicht überliefert.

Das Thema führte zu hitzigen Debatten in den verschiedenen Gasthäusern, Einkaufsläden, Metzgereien und natürlich über den Gartenzaun hinweg. Schließlich sah man sich genötigt, eine erneute Versammlung einzuberufen, um darüber zu sprechen, welchen Schaden der Nürnberger Experte angerichtet haben könnte. Man traf sich wieder im „Juchendheim“ und es schien, als ob die Teinehmerzahl seit dem letzten Ereignis gestiegen sei, denn so manche Omma wollte auch mitreden können.

Man war sich bald einig, dass die Sau aus Nürnberg nur Verwirrung gestiftet habe. Wie man derlei den eigenen Kindern nahebringen sollte, war allen schleierhaft. Da meldete sich der Hannfrieder aus dem Öberdorf, um seine Meinung zu sagen:

„Ich bin do nei, weil der Pfarrer gsochd hod, ich söll do nei. Aber ich sooch euch aans: Nix Neus hob ich galernd!“

Sofort erhob sich ein lautes Stimmengewirr, aus dem nur eines wirklich verständlich rüberkam: „Aff, blöder Aff, ned du söllst nuch wos lerna, dei Kinner söllns lerna.“