Eine Lanze für die USA

Als mein Vater Kriegsgefangener in Tennessee, war, bekamen alle im Lager politischen Unterricht. Sie sollten Bannerträger der Demokratie werden in einem Land, das Demokratie als Chaos empfunden hatte und dessen Bevölkerung in erschreckend kurzer Zeit alles mitmachte, was die Nazis vorgaben.

Beim Entlassungsappell brüllten die Sergeanten andauernd „are you ready, are you ready“, bis einer der Kriegsgefangenen mit sardonischem Humor zurück brüllte: „We are ready for peace, freedom and democracy“.

Glücklicherweise haben das mit dem Frieden, der Freiheit und der Demokratie doch viele Deutsche sehr ernst genommen, und mit Hilfe der US Besatzer wuchs im Westen Deutschlands bald eine Demokratie heran, die durch einige Skandale geläutert, schließlich auch vom Mann auf der Straße als solche erkannt und geachtet wurde. Ich habe meine Jugend in der US Zone verbracht, ich weiß daher nicht, welchen Beitrag zur Demokratisierung die französischen und britischen Besatzer erbracht haben, denke aber, dass der überschaubar war.

Trotz des Wissens um die Verdienste der USA für den Aufbau eines freiheitlichen Gemeinwesens auf den Trümmern, die ein Verbrechersystem hinterlassen hat, erinnere ich mich nicht daran, je konform gegangen zu sein mit dem, was in den USA geschah.

Wie auch? Atombombe, Vietnam, Rassenunruhen, Aufrüstung, Irak und jetzt der 45. Präsident, all das verband oder verbindet sich mit den USA und hat stets meine Ablehnung, wenn nicht Abscheu hervorgerufen. Ganz besonders gilt das für den Irak Konflikt: Ich dachte zunächst, es sei gut, wenn das Saddam- Regime beseitigt würde, solange, bis wir feststellen mussten, dass der US Außenminister Powell den Sicherheitsrat belogen hatte, um das Okay für die militärische Mission zu bekommen.

Und dennoch: Ich werde den USA und der dort gelebten Kultur stets dankbar sein.

Was wäre mein Leben ohne die Songs von Leonhard Cohen, The Papas and the Mamas, Cat Stevens, Joan Baez und Bob Dylan?

Was wäre aus mir geworden ohne die Bücher von Philipp Roth, John Steinbeck, Charles Bukowski, Mark Twain, Harper Lee, Arthur Miller, Norman Mailer und Thornton Wilder?

An welchen Vorbildern hätte ich mich orientieren können, hätte es nicht John F. Kennedy, Martin Luther King, Satchmo, Madeleine Albright oder Steve McQueen gegeben?

Wie hätte ich es geschafft, mich aus dem fränkisch-familiären Kokon zu befreien ohne Blue Jeans, den Gedanken an Woodstock und die Gleichheit aller Menschen?

Wie hätte sich mein Gespür zum Erzählen entwickelt, ohne die Komödien von Billy Wilder, ohne die Filme von Woody Allen und ohne die Unzahl von Inszenierungen vom Broadway?

Es ist leicht, sich angesichts der derzeitigen Entwicklung über die Amis lustig zu machen. Es gibt allerdings noch das andere Amerika, das unsere Kultur, unsere Ästhetik, unseren Humor und unseren „european way of life“ so stark geprägt hat. Dieses andere Amerika, das sich nicht resigniert zurückzieht.

Und, Eines dürfen wir nicht vergessen, es gibt auch die politische Bildung, die nach dem Krieg und eigentlich bis heute von dort auf uns kommt. Unter anderem hat sie bewirkt, dass fast alle Deutschen, ja fast alle Europäer, es sich nicht mehr vorstellen können, nicht in einem demokratischen Rechtsstaat leben zu wollen.

Seien wir also geduldig. Das wird schon wieder. Die USA sind stark genug, Vollpfosten auszuhalten. Die Geschichte der europäischen Monarchien hat ja bewiesen, dass sowas geht.

 

Wartet, ihr Arschlöcher

Im Internat in Schondorf war es üblich, einmal im Jahr, im Herbst eine Wandertour in die Alpen zu machen. Jede Klasse war in zwei „Kameradschaften“ aufgeteilt, die von einem Lahrer geleitet wurde. In der 2. Klasse, war meine Kameradschaftsleiterin Fräulein Beck, die uns Deutsch und Mathe beizubringen versuchte.

Sie hatte sich vorgenommen, dass unsere Kameradschaftstour eine Wanderung über den Berggrat sein sollte, der den Herzogstand mit dem Heimgarten verbindet.

Bis Kochel brachte uns die Bahn. Es war für mich ein großes „Staunerlebnis“, dass es die dicken Röhren tatsächlich gab, in denen vom Walchensee aus das Wasser nach unten schoss, um im Wasserkraftwerk Strom zu erzeugen.

Gewohnheitsmäßig zogen wir an allen VIVIL, Zigaretten und Kaugummiautomaten, und tatsächlich, ein Schieber öffnete sich und wir hatten eine Packung HB Zigaretten in der Hand. Der Ladeninhaber stürzte schimpfend heraus, und Fräulein Beck sorgte für die ehrenhafte Rückgabe der Beute.

Mit einem Kleinbus fuhren wir über eine Mautstraße, an deren Ende wir die Rucksäcke schulterten und der Anstieg begann. Wir waren alle Mitglieder im Bayerischen Alpenverein und durften deshalb auf den Berghütten übernachten und unsere Verpflegung mitbringen. Wir kauften in den Hütten nur das heiße Teewasser.

Der Anstieg begann bei etwa 800 Metern, die Hütte liegt auf 1.575 Höhenmetern, genug Zeit, um zu erfahren, was ein Laib Brot und eine Dauerwurst mit dem Rücken eines zwölfjährigen Rucksackträgers anstellt.

Am nächsten Morgen stiegen wie hinauf zum Herzogstand auf 1.731 Meter und von dort, ziemlich waghalsig, wie ich fand, auf einem schmalen Berggrat hinüber zum Heimgarten auf 1.790 Meter. Der Blick war grandios einerseits nach links in die Alpen und andererseits nach rechts ins bayerische Voralpenland.

Als Franke war ich solche Berge, solche Abgründe links und rechts vom Weg, solche Ausblicke und solche Weiten nicht gewohnt. Später beschrieb ich die Eindrücke in einem Brief an meine aus der Neumark stammenden Großmutter. Sie antwortete, dass sie, als sie als Braut nach Franken kam, erstaunt darüber war, dass Berge höher sein können als Häuser.

Ich weiß nicht weshalb, womöglich waren die Holzpreise gerade schlecht, jedenfalls hatte ich Wildlederstiefeletten an, die meine Mutter für 11 DM beim Valentin Schmitt in Ebern gekauft hatte. Die anderen trugen richtige Wanderstiefel mit etwa fünf Ösen und sieben Haken, um das Schuhwerk richtig zu verschnüren. Meine Elfmärkler hatten drei Ösen. Alles ging gut bis zur Heimgartenhütte, wo wir erneut übernachteten.

Beim Abstieg waren die Rücksäcke leichter, weil Dauerwurst und Brot aufgegessen waren. Aber es ging eben bergab. Als vollkommen untrainierter Bergwanderer mit schlechtem Schuhwerk fiel mir das entsetzlich schwer. Die Zehen rieben an der Schuhkappe und natürlich bekam ich einige schmerzhafte Blasen. Zudem war die Aussicht unspektakulär, zuerst sah man Latschenkiefern, dann ging es durch einen Bergwald.

Irgendwann vertrat ich mir den Fuß, wobei nur der Umstand erstaunlich war, dass es erst beim Abstieg passierte. Der Knöchel schmerzte spürbar und ich hinkte immer weiter  der Gruppe hinterher. Fräulein Beck trieb uns zur Eile, weil der Zug in Kochel auch ohne uns losfahren würde. Ich rief von hinten, man solle auf mich warten, blieb aber unerhört. Als der Abstand schon ziemlich groß war, schrie ich: „Wartet, ihr Arschlöcher!“

Meinen Kameraden war das wurscht, aber Fräulein Beck fühlte sich mitangesprochen. Sie wartete auf mich und klebte mir eine saftige Ohrfeige.

Ich fühlte mich gedemütigt und ungerecht behandelt. Ich war derart sauer, dass ich den verknacksten Knöchel erst wieder im Zug bemerkte.

Ist Schwulsein Sünde?

Neulich fragte mich jemand, der in seinem katholischen Glauben fest verwurzelt ist, ob es eine Sünde sei, schwul zu sein.

Ich muss gestehen, dass ich aus allen Wolken fiel, denn auf so eine Frage war ich nichtmehr gefasst. Ich hatte mich mit der Problemstellung auch noch nie wirklich auseinandergesetzt.

Was antwortet man auf eine derart unerwartete und auch absurde Frage? Mein Hirn arbeitete fieberhaft und um Zeit zu gewinnen, begann ich etwas salbungsvoll damit, dass eben alles, was es auf der Welt gibt, Gottes Geschöpf sei.

Bei dieser These blieb ich und sie war dann auch der Schlüssel zu Beantwortung der Frage.

Wenn man gläubig ist, dann geht alles auf den Schöpfer zurück, das Leben und die Krankheit, die es bedroht, der Apfel und der Wurm, der sich in seinem Inneren mästet, der Mensch und das Tier. Das Tier kann nicht zwischen gut und schlecht unterscheiden, es geht instinktiv seinen Bedürfnissen nach.

Weil das beim Menschen anders ist, kann dieser sein Verhalten steuern, ist mehr oder weniger Herr über seinen Instinkt und kann durch seinen Intellekt geleitet nach Maßgaben handeln, die nicht er, sondern die Dritte gesetzt haben.

Natürlich meinen auch die großen Religionen, dass alles was da kreucht und fleucht Gottes Schöpfung ist.

Alles?

Nein! Die Religionen postulieren zwar, Gott habe zwar die Möglichkeit zur Sünde geschaffen, wenn aber ein Mensch sündhaft wird, tut er das aus eigenem Antrieb. Anders zu argumentieren wäre ja auch das Ende jeder Religion.

Durch die Erfindung der Sünde, haben sich die Kirchen die Deutungshoheit darüber angeeignet, zu bestimmen, was gut ist und was böse.

Dass die menschliche Sexualität ein weites Feld ist, wissen wir alle. Ihre Varianten sind ungeahnt und alles ist okay, solange damit nicht die Rechte der anderen verletzt werden. Dessen ungeachtet bestimmen mehrere Religionen, dass die einzig richtige und nicht sündhafte Art, die Sexualität auszuleben, die sei, Nachkommen zu erzeugen.

Wie kommen die denn da drauf?

Es geht um Macht. Die Kontrolle über uns Menschen muss aufrecht erhalten bleiben, und deshalb rufen alle Religionen zum Triebverzicht auf. Wer seine Bedürfnisse, seine Veranlagung und seine Lebensfreude zügelt, ist ein guter Glaubender, wer die Zügel lockerlässt, ist ein Lump, ein Sünder eben.

Was den Religionen nicht in den Kram passt, wird zur Sünde erklärt.

Die Erfindung des Begriffs „Sünde“ ist tatsächlich ein genialer Einfall aller Religionsstifter. Sie wird zu einem ausgelagerten Verhalten der ansonsten perfekten Schöpfung.

Das Ärgerliche ist, dass die Religionen so tun, als könnten sie allein bestimmen, was Sünde ist, und was nicht.

Gottgewollt?

Nein, menschengewollt.

 

Sittlicher Niedergang beim Riffelmacher

Als Kinder konnten wir nicht Konditorei sagen, dennoch war es einer der Höhepunkte, wenn wir in die „Kauerei“ eingeladen wurden.

In Bamberg gab es natürlich mehrere wunderbare Cafés, aber das schönste, das tollste, das begehrenswerteste war Riffelmacher. Gibt’s heute noch.

Vorbei an einer Glasvitrine, in der ungeahnte Tortenvariationen in Augenhöhe von uns Kindern dargeboten wurden, ging es nach hinten in das eigentliche, damals noch plüschige Café.

Hinten rechts gab es ein Kabäuschen. Dort hantierten junge Frauen im kleinen Schwarzen mit weißer Schürze und weißem Servierhäubchen in geheimnisvoller Weise umher, um dann plötzlich mit einem Kännchen Kaffee oder Tee aus der Deckung zu kommen.

Leider bekamen wir nie etwas von den atemberaubenden Torten aus der Vitrine, ein Bamberger Hörnla musste genügen. Das aber wurde bei Weitem wettgemacht durch die heiße Schokolade mit Schlagsahne, die wir bestellen durften.

Sie wurde in einer geradezu abstrus barockisierenden hohen Tasse gereicht. Unten kochend heiße Schokolade, darauf kalte Schlagsahne. Die Kunst war es, die Schlagsahne mit der Schokolade gleichzeitig zu trinken, ohne sich dabei die Lippen zu verbrennen. Es durfte dabei sogar geschlürft werden, wenn auch ganz leise.

An den Nachbartischen saßen ältere Damen mit Hut samt Hutnadel. Die schauten zunächst mit Wohlwollen auf uns zumeist zahlreichen Kinder. Wenn wir aber begannen harmlose Spielchen, wie „Pinkepank wo ist der Schrank“ zu spielen, verwandelten wir uns plötzlich in unerzogene Blagen. Das wurde nur gemurmelt, wir hörten es aber dennoch und murmelten zurück, dass im Zimmer der Hut in die Garderobe und nicht auf den Kopf gehöre.

Kurz, Riffelmacher war einfach herrlich!

Meine Schwester erinnert sich besonders an einen Besuch in diesem Tempel der Gastlichkeit, weil irgendwann in den 70er Jahren am Nebentisch Jung-Siegfried saß. Es war Sommer, seine beachtlichen Muskeln kamen durch das Kurzarmhemd richtig zur Geltung, ebenso seine Tätowierungen. Meine Schwester war hin und weg, zumal er auch noch blond war. Seine braunen Augen blitzten unter seiner ausufernden Strohmatte hervor. Es war unsere Mutter, die bemerkte, dass an der Kopfhaut bereits dunkle Haare nachwuchsen.

Mutter, die sich sowieso schon ärgerte, dass Ihre Tochter förmlich dahinschmolz, begann zu summieren: Kurzarmhemd, ostentative Muskeln, Tätowierungen, gefärbte Haare! Eines dieser Attribute hätte ausgereicht, um den jungen Mann ins Reich des Hundsordinariats zu schicken. In der Summe war das einfach zu viel. Unter dem Eindruck dieses Sittenverfalls im Riffelmacher, seufzte Mutter schließlich:

„Jetzt wird’s aber wirklich Zeit, dass die Russen kommen!“

Neue Religionen

Dass es andere Glaubensbekenntnisse gibt, weiß ich von Karl May, durch’s wilde Kurdistan und so. Das lag damals weit weg. Wie nah andere Kulturen tatsächlich sind, merkte ich im Hafen von Alicante, wo die Hinweisschilder schon in den 70er Jahren auch in arabischer Schrift abgefasst waren.

Unterdessen sind andere und manchmal auch für uns fremde Kulturen und Religionen mitten unter uns angekommen, und es bleibt gar nichts anderes übrig, als sich damit auseinanderzusetzen, wie wir miteinander umgehen sollen.

An sich ist es ganz einfach: Das Grundgesetz und die bestehenden Gesetze regeln das Miteinander aller in Deutschland lebender Menschen.

Das Problem ist nur, das viele derer, die neu nach Deutschland kommen, das nicht wissen. Sie leben in einer Parallelwelt, wie so viele Deutsche auf Ibiza und Mallorca in einer Parallelwelt leben. Sie sprechen die Sprache nicht, haben keine Ahnung von der Kultur ihres Gastlandes und benehmen sich „wie daheim, nur mit mehr Sonne“.

Die Menschen, die nach Deutschland zugewandert sind, verhalten sich oft ähnlich: „Wie daheim, nur mit mehr Freiheit und Wohlstand.“

Das geht ja noch, wenn es sich um Fragen des Anziehens, der Ernährung oder des Glaubensbekenntnisses handelt. Der Spaß hört auf, wo Verhaltensweisen, Weltanschauungen und tägliches Handeln mit den Werten unseres Rechtsstaates nicht in Einklang zu bringen sind.

Ich werde nicht müde, zu wiederholen, dass das insbesondere der Fall ist, wo nicht verstanden wird, dass die Werte unserer weltlichen Ordnung denen jedweder religiösen Ordnung vorgehen.

Gestern hörte ich im Radio, dass der Humanistische Verband Berlin-Brandenburg nun eine Anstalt des öffentlichen Rechts geworden sei, und somit den Kirchen nicht nur gleichgestellt sei, sondern auch Steuern von seinen Mitgliedern erheben könne.

Der Gedanke liegt nun sehr nahe, zu überlegen, ob in Deutschland nicht alle Religionsgemeinschaften Anstalten des öffentlichen Rechts sein müssten.

Zunächst gebietet das der Gleichheitsgrundsatz. Aber es gebietet auch eine Überlegung, die eng mit dem „ordre pubilc“ zusammenhängt:

„Wer zahlt schafft an“.

Fast alle neu zu uns gekommene Religionsgemeinschaften werden vom Ausland aus finanziert. Die großen Neubauten von Moscheen werden sämtlich von den Potentaten auf der arabischen Halbinsel bezahlt. Und es ist kein Geheimnis, dass die Imame entweder von türkischen Institutionen oder solchen aus den Golfstaaten bezahlt werden. Keines dieser Länder respektiert auch nur annähernd unsere durch die Verfassung geschützten Werte.

Wenn ein Religionsgesetz bestimmen würde, dass alle Glaubensgemeinschaften die Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts haben müssen, würden die Gläubigen, in deren Heimat ihr Credo Staatsreligion war, merken, dass die den Glauben verwaltenden Institutionen und Menschen keine gottgegebenen Autoritäten sind. Und dann wären die von den Anstalten des öffentlichen Rechts eingestellten Seelsorger auch leichter dazu zu bringen, die Werte dieses Landes zu achten, einfach deshalb, weil solche, die es nicht tun, gar nicht erst eingestellt werden können.

Jetzt müssen Verfassungsrechtler her, denn ich weiß nicht genau, ob das, was ich hier vorschlage, vom Gesetzgeber umgesetzt werden kann. Wünschenswert wäre es allemal.

Partnerfindung in Franken

Eines Tages erschien die Schneiders Renade erneut vor dem Amtsrichter in Bamberg. Es war das vierte Mal in fünf Jahren. Es ging – wie bisher immer – darum, den Vater ihres Neugeborenen auf Unterhalt zu verklagen.

Die Renade war Bedienung im Gasthaus zur Sonne in Breitengüßbach, der Kindsvater, der Nüssleins Beder hat in der Muna gearbeitet, dem Munitionslager, das die US Armee im Ort unterhielt.

Die Schneiders Renade war eine sehr stattliche junge Frau, schwarze Haare, grüne Augen, roter Mund, ein Prachtsweib, wie man damals noch sagte.

Der Nüssleins Beder war Mittelstürmer beim TSV Breitengüßbach, stark wie eine Eiche, das Gesicht heldenhaft unebenmäßig, beim Fußball geht halt oft einmal ein Nasenbein zu Bruch.

Die beiden waren wirklich ein schönes Paar.

Der Richter, der Rat Pfeuffer, stand kurz vor der Pensionierung und hatte sich angewöhnt, seinem Alter gemäß, die Verhandlungen in väterlich gelassenem Ton zu führen. Aktenstudium sparte er sich, er schöpfte aus dem immensen Fundus seiner Erfahrung.

„Ja, die Schneiders Renade aus Breitengüßbach kommt mal wieder zu mir“ begrüßte der Richter die Klageführerin. „Um was geht es denn dieses Mal, meine Liebe?“

„Wie immer“ murmelte die Renade.

„Bitte etwas lauter, ich habe Sie nicht verstanden.“

„Noja, es is hald a jeds Mol des selba.”

“Wollen Sie damit sagen, dass es wieder um Unterhalt geht?“

„Scho.“

Der Richter blätterte in seinen Akten. „In fünf Jahren, nun das vierte Mal, stimmt das?“

„Freilich.“

„Und sagen Sie bloß, es ist wieder der“ wiederholtes Blättern in den Akten, Peter Nüsslein?“

„Was dengen Sie von miä, ich bin doch ka Flittchen? Freilich war´s der Beder.“

Da bat der Richter die Klägerin nach vorne zu sich an den Richtertisch. Als sie ganz nah dran war, lockte er sie mit dem Zeigefinger, so dass schließlich nur noch die Gerichtsekretären hören konnte, was die beiden besprachen. Der Rat Pfeuffer sprach nun fränkisch:

„Renade, edserd hast schon vier Kinnerla vo den Beder. Hast denn nie dra gedacht, den Ma zern heiern? So a Haufn Kinner, die brauchn doch an Vadder!

„Herr Rad, dro gadachd hab ich scho, aber er war mer ned simbaddisch.“

 

 

Vietnam

Es gab wohl kein Ereignis, das mein Leben so nachhaltig beeinflusst hat, wie der Vietnamkrieg.

In meiner Jugend war Krieg etwas Normales. Alle Erwachsenen Männer, die ich kannte, waren im Krieg gewesen, manche sogar zwei Mal. In der Bibliothek standen bebilderte Bände, die das Tun im ersten Weltkrieg in allen Farben der Glorie beschrieben.

Natürlich wurde da auch gestorben und natürlich kam da so mancher Soldat verstümmelt nach Hause. Was im Gedächtnis blieb, war der Eindruck, dass Krieg den Mann zum Manne macht, da gibt es Orden und Beförderungen und darüber hinaus dient man dem Vaterland, was per se gut und nicht diskutierfähig ist.

Die Uniformen meines Vaters und meines Großvaters hingen im Kleiderschrank, rochen nach Mottenpulver und erheischten Ehrfurcht.

Als die USA in den Konflikt in Vietnam eingriffen, herrschte noch die Domino Theorie, wonach die Länder des westlichen Werte- und Kräftebündnisses wie Dominosteine nach und nach dem Sowjet in die Hände fallen würden, wenn wir diesem Dämon nicht konsequent und weltweit Paroli bieten würden.

Nach meiner militaristischen Erziehung und dem zuvor gesagten, war das Engagement der USA in Vietnam per se gut und nicht diskutierfähig.

Doch dann sahen wir im Fernsehen, wie Napalmbomben auf Zivilisten geworfen wurden, wie Kinder verbrannten und Wälder entlaubt wurden. Wir sahen den Krieg vor laufender Kamera und plötzlich wurde das Miserable des Krieges deutlich. Da war nichts Heroisches und da war auch nichts Gerechtes. Ein Polizeioffizier, der die Pistole einem Gefesselten an den Kopf hält, widersprach all dem, was ich vom Krieg gelernt hatte.

Und es war noch etwas: Die Amerikaner waren unsere Schutzmacht, von der wir hofften, sie sei stärker als die Sowjetunion. Die Amis waren die Guten.

Doch dort in der Ferne, ganz weit weg, gerierten sich diese Amis als grausame, menschenfeindliche Kobolde, die mit wechselnden korrupten Diktatoren gegen Menschen kämpften, die derart wenig bewaffnet waren, dass sie sich damit behelfen mussten, dem Feind Fallen zu bauen, in die er trat oder fiel.

Waren die Amis doch nicht die Guten? Das fragten sich auch die Amerikaner selbst, die ihrem Präsidenten Johnson zuriefen „LBJ, how many kids did you kill today?“

Die zwangsläufige Folge dessen, was wir da täglich sehen konnten, war die, dass es möglich wurde, eherne Wahrheiten zu hinterfragen und es wurde damit auch möglich, Autoritäten zu hinterfragen.

Das tat meine Generation mit Vehemenz. Familien zerbrachen dabei, Mütter weinten und Väter sahen sich in ihrer Rolle als geistig moralischer Haushaltsvorstand der Lächerlichkeit ausgesetzt.

Ich war nicht sehr vehement, ich bin auch nie bei einer Demo mitgelaufen. Ho-Ho-Ho-Chi-Minh war nicht Meins.

Ich habe nur gemerkt, dass ich da nicht mitmachen will. Die Vorstellung als Jurist in Deutschland mein Brot verdienen zu müssen, hat bei mir zu regelmäßigen Albträumen geführt.

Andere haben gehandelt und es erreicht, dass die Bundesrepublik nach dem Ende des Vietnamkrieges eine andere Republik geworden ist.

Ich bin ausgebüxt und nach Ibiza gezogen. Das war im Lichte dessen gesehen, was wir aus dem Vietnam Krieg gelernt haben, inkonsequent. Meine Freunde haben mir das noch lange vorgeworfen.

Für mich war es der Beginn eines endlich selbstbestimmten Lebens. Es war inkonsequent und richtig zugleich. Ich bin ein Profiteur der Auswirkungen des Vietnam Krieges.

Merkel, ein Endspiel?

Ich habe noch nie CDU oder CSU gewählt. Dazu gehört nicht viel, denn seit 1978 habe ich in Spanien gelebt.

Dennoch hatte ich von Anfang an das Gefühl, dass das, was die Bundeskanzlerin Merkel im Sommer 2015 machte, richtig war. Es war ja nicht nur richtig, es war sogar notwendig. Hätte man es als Europäer ausgehalten, mitanzusehen, wie von Budapest aus nach Südosten hin Tausende im eigenen Kot verrecken?

Natürlich hätte man Vieles anders, sicherlich auch besser machen können. Die Frage stellte sich im Spätsommer 2015 nicht, es musste einfach so oder so gehandelt werden.

Nun sind einige Jahre ins Land gegangen und, was wichtiger ist, es gab Bundestagswahlen, bei denen ein großer Teil der Bevölkerung der Kanzlerin klarmachte, dass ihre Flüchtlingspolitik nicht mehrheitsfähig ist.

Das macht ihr Handeln im Sommer vor zwei Jahren nicht falsch. Das Wahlergebnis müsste sie aber zum Umdenken zwingen. Davon merkt man nichts. Das Schlimme ist, dass man von der Bundeskanzlerin überhaupt nichts merkt.

Deutschland hat keine gewählte Regierung mehr. Merkel stellt den Anspruch, weiterhin Bundeskanzlerin zu bleiben.

„Um Himmels willen, dann tu doch was dafür“, will man ihr zurufen.

Der Bundeskanzler bestimmt die Richtlinien der Politik, sagt das Grundgesetz. Wann, wenn nicht jetzt, ist Frau Merkel denn in diesem Sinne gefragt? Jetzt wird der Kurs der neuen Regierung festgelegt. Jetzt müsste sie Flagge zeigen. Sie zeigt aber gar nichts.

Wie so viele große Staatslenker vor ihr, vergeigt Frau Merkel gerade die Chance zu einem würdigen Abgang.

Fehler sind offenbar dazu da, von allen noch mal gemacht werden zu müssen.

Kriminelle Kurzdenker

Gestern fand ich ein Foto in facebook, auf dem demonstrierende Moslems zu sehen waren. In den Kommentaren ging es gleich los, dass man da ja mal wieder sähe, dass das alles Terroristen seien, einer verstieg sich sogar zu dem Satz, ohne den Islam gäbe es garkeinen Terrorismus.

Das stimmt zweifellos, denn da sprechen Mustafa Breivik, Aishe Meinhof, Ali Bader, Omar Paisley, Tarik Ramírez Sánchez und natürlich Abdul Eta eine beredte Sprache.

Ohne den Islam, wären die nie und nimmer Terroristen geworden.

Wie neueste Studien von Professor Dr. Herwig Mümmel vom soziologischen Institut der Willi Sachs Universität in Schweinfurt ergeben haben, ist der Islam auch der spiritus rector des Nationalsozialismus gewesen, und ein gewisser Yussuf, alias Josef Dschughaschwili kam in Georgien zur Welt und hatte eine muslimische Amme.

Leider stellte sich im Laufe des Tages heraus, dass das genannte Foto zwar Moslems zeigte, jedoch waren die da gerade dabei, gegen den Terror zu demonstrieren, der im Namen des Islam betrieben wird.

Macht nix, war der darauffolgende Kommentar, allein die Anwesenheit der Moslems in Europa zeige, dass wir ein Problem haben.

Die Leute, die solche Meinungen absondern sehen gewaschen und rasiert aus, haben sogar manchmal einen Schlips an, sind studiert, einige haben einen Doktortitel. Wie kommt ein kultivierter Mitteleuropäer dazu, Bockmist zu verzapfen wie den, Islam mit Terrorismus gleichzusetzen?

Zugegeben, derzeit sind die meister Terroristen Moslems. Und Tomás de Torquemada? Cesare Borgia? Girolamo Savanarola? Maximilien de Robespierre?

Es ist nicht „der Islam“, der zum Terrorismus führt, es ist der Missbrauch der Religion, der in der Mehrzahl der Fälle zum Terrorismus führt. Sogar friedliebende Buddhisten sind fähig, muslimische Rohingya zu terrorisieren.

Wer den Islam mit dem Terror gleichsetzt erfüllt den Tatbestand der Volksverhetzung. Wer so in den sozialen Netzwerken agiert, ist ein Krimineller.

In diesem Zusammenhang empfehle ich die Lektüre der Paragraphen 283 des österreichischen Strafgesetzbuches und 130 des deutschen Strafgesetzbuches.

Bedankemichsbrief

Liebe Tante Erika.

Ich bedanke mich für den Schal, den Du mir zu Weihnachten geschenkt hast. Ich habe mich sehr gefreut. Mutter hat gesagt, dass das aber mal ein praktisches Geschenk ist. Man kann so einen Schal ja auch wirklich gut gebrauchen

Unser Weihnachten war sehr schön. Zum Abendessen gab es Nudelsalat. Wir nennen das Kotzsalat, aber das dürfen wir nicht sagen.

Unser Weihnachtsbaum war wieder sehr schön. Vater hat gesagt, dass er so zaunrappeldürr ist, dass er gleich Feuer fangen wird. Ist aber dann doch nicht passiert.

Wie jedes Jahr hat sich Mutters Geschenketisch gebogen, weil sie so viele Pakete bekommen hat. Mein Tisch hat sich nicht gebogen, aber das lag vielleicht auch daran, dass ein Schal nicht sehr schwer ist.

Wie immer mussten wir viele Weihnachtslieder singen. Großmama hat gesagt, später würden wir froh sein, so viele Weihnachtslieder auswendig zu können, weil, wenn wir im Schützengraben liegen, dann helfen Weihnachtslieder, hat sie gesagt. Ich finde es ist eine Tierquälerei, wenn man ein Weihnachtslied nach dem anderen singen muss und man noch nicht weiß, ob der Geschenktisch mit dem Luftgeweht der für mich ist oder der mit dem Schal. Ferdinand, Du weißt, das ist mein älterer Bruder, hat nämlich von seinem Patenonkel ein Luftgewehr bekommen. Mein anderer Pate, der Onkel Max, hat mir eine Blockflöte mit einem Notenheft geschenkt. Mutter hat dazu nicht gesagt, dass das aber mal ein praktisches Geschenk ist. Wie ich Vater gesagt habe, dass es ungerecht ist, dass Ferdinand ein Luftgewehr bekommt, und ich eine Blockflöte, habe ich eine Schelle gefangen. Wegen Undankbarkeit, hat er gesagt.

Am zweiten Weihnachtsfeiertag hat dann der Ferdinand eine Schelle gekriegt, weil er einen Spatzen schießen wollte und dabei Großmamas Küchenfenster eingeschossen hat. Ich bin derweil Schlitten gefahren und war dankbar für Deinen Schal.

Morgen kommen unsere Vettern und Cousinen aus Ollendorf. Ich freu mich gar nicht darauf, weil sie mich wegen der Blockflöte auslachen werden.

Liebe Tante Erika, Du weißt ja, dass ich im März schon acht Jahre alt werde. Da wünsche ich mir dann von Dir was, was man nicht braucht, wo ich mich aber drüber freu.

Bitte grüße Onkel Ernst von mir.

Mit einem Handkuss bin ich Dein dankbarer Patensohn

Georg-Ludwig