Was man so dachte

Was man so dachte

Meine Rentweinsdorfer Großmutter wurde im Jahre 1882 in der Neumark geboren. Weder für den Zeitpunkt noch für den Ort konnte sie etwas, aber man merkte es ihr an.

Ältere Vettern und Cousinen berichten, sie sei eine sehr strenge Großmutter gewesen, mit uns war sie nur eine unendlich liebe und hingebungsvolle „Ümä“, die jeden Abend zu uns kam, um uns vorzulesen: Märchen, Pearl S. Buck aber auch Berichte aus dem ersten Weltkrieg. Damals war ihr Bruder Werner gefallen und als sich herausstellte, dass mein jüngerer Bruder Mathias diesem ähnlich sah, avancierte er sofort zu ihrem Lieblingsenkel.

Dieser Status geriet ins Wanken, als Sebastian, der ältere Bruder zur Bundeswehr eingezogen wurde und in Uniform nach Hause kam. Mir wurde schlagartig klar, dass für Ümä ein Mann erst dann ein vollwertiger solcher war, wenn er Uniform trug. Sie lebte noch in den Werten und Vorstellungen des kaiserlichen Preußen. Manchmal erzählte sie vom Hofball. Nur Prinzessinnen durften die Schleppe an den Schultern festmanchen, ihre musste an der Hüfte gegürtet sein. Sie empfand das immer noch als Schmach. Bei einem der Hofbälle stand ein Fräulein von Oppenheim aus der Kölner jüdischen Bankiersfamilie neben einem knarrenden General, als ein Marsch auf die Melodie des Weihnachtsliedes „Tochter Zion…“ gespielt wurde. Ganz laut habe der General gesagt: „Freuln von Oppenheim, det spieln se für Sie!“

Ümä fand das komisch, sonst hätte sie es uns nicht erzählt. Der latente Antisemitismus durchzog die preußische Gesellschaft wie das Continuo die Brandenburgischen Konzerte (was die Sache nicht besser machte). Anhängerin der NS Ideologie zu werden, kam allerdings gar nicht in Frage. Ihre Familie, die Wedemeyers, waren sozusagen die Erfinder des Pietismus, Bonhoeffer war mit ihrer Nichte verlobt.

Und dennoch war sie Rassistin. Sie konnte uns gar nicht genug davor warnen, eine Mischehe einzugehen: Einmal bekamen wir zum Abendbrot Stullen, die mit „kariertem Neger“ belegt waren. Das hieß damals noch so und war eine Blutwurst, in die kunstvoll weiße Speckstreifen gelegt worden waren, so dass sich ein schwarz-weißes Schachbrettmuster ergab. Sie nahm dies zum Anlass, erneut vor der Mischehe zu warnen: „So sehen dann eure Kinder aus!“ Ob wir danach gut geschlafen haben, weiß ich nicht mehr.

Ihre Anschauung der Welt war kolonial, das heißt, die in den Kolonien lebenden Menschen waren uns schlicht unterlegen. Ich erinnere mich, verzweifelt in mein Kissen geweint zu haben, weil die armen Negerkinder doch nichts dafürkonnten, dass sie in eine so unausweichliche Situation hineingeboren wurden.

Als ich einmal eine Bananenschale von außen ableckte, verbot sie mir das mit den Worten: „Du weißt doch nicht, was für ein Neger das vorher in der Hand hatte.“

Von Sozis hielt sie nichts, aber manchmal waren sie ihr nützlich: Sie besaß Aktien der Wladikawka Eisenbahngesellschaft und Anleihen des Kreises Teltow. Nachdem alle „anständigen“ Banken ihr versichert hatten, dass die Papiere nichts mehr wert seien, schrieb sie an die Bank für Gemeinwirtschaft, dem Geldinstitut der Gewerkschaften. Erst als auch von dort die Wertlosigkeit bescheinigt worden war, glaubte sie es halbwegs. Tatsächlich nur halbwegs, denn sie hat mir die Wertpapiere vermacht, man weiß ja nie.

Natürlich lebte in ihr die deutsch-französische Erbfeindschaft weiter. Sie machte „bonne mine à mauvais jeu“ als wir zunehmend nach Frankreich fuhren und im Austausch junge Franzosen ins Haus kamen.

Sie liebte es, uns jungen Leuten zuzuschauen, wenn wir im „Unteren Saal“ tanzten. Sie sah sogar ein, dass wir uns nicht nur im Walzertakt drehten, sondern zu Liedern „hopsten“ die die Mambos aus Zeil spielten. Auch dass die Texte englisch waren, nahm sie hin.

Als aber einmal „All you need is love” dran war, ein Beatles Song, der bekanntlich mit der Marseillaise endet, da meinte sie entrüstet: „Muss das jetzt sein?“

Carl Orff

Wir hatten im Landheim Schondorf Orffs Osterspiel aufgeführt. Ich habe mitgewirkt, aber nicht viel vom Ganzen wahrnehmen können, weil ich einer der Engel war. Die standen oder saßen hinter einem Vorhang an der Rückwand der Bühne und warteten auf ihren Einsatz. Der kam ein oder zweimal und wir mussten mehrstimmig singen: „silete, silete, silentium habete.“ Das war natürlich keine abendfüllende Aufgabe und die versammelten Engel langweilten sich. Mit dem Finger naschten wir Schokoladencreme aus dem Glas, (was wir nicht sollten und uns streng verboten war) mit dem Erfolg, dass auf meinem Engelsgewand ein riesiger brauner Fleck prangte.

Wenn mich meine Erinnerung nicht täuscht, hat Carl Orff bei einer der Aufführungen zugesehen, er wohnte ja in Dießen am Ammersee, das war nicht weit.

Uns wurde danach erzählt, die Darstellung des Teufels, Florian Raff gab ihn, sei des Residenztheaters würdig gewesen. Hinter dem Vorhang hörten wir ihn nur wüten.

Immerhin, die Musiklehrerin lobte hernach unseren Gesang und überging gnädig meinen Fleck. Meine Kameraden hänselten mich natürlich ausgiebig und behaupteten, der braune Fleck sei nur deshalb auf meinem Bauch gelandet, weil ich das Engelsgewand umgedreht hätte.

Wie dem auch sei, durch diese Aufführung kam es zu einer ersten Verbindung zwischen Landheim und Carl Orff und tatsächlich, wenige Monate später kam er, um uns von seiner Musik und von seinem Leben zu erzählen.

In der Turnhalle wurde auf der Seite zum Wald hin eine kleine Bühne aufgebaut, darauf stand ein Sessel und daneben eine Stehlampe. Im Halbkreis waren die Stühle darum aufgebaut. Alle kamen, die Schüler, die Lehrer, die Erzieher, denn niemand wollte sich den berühmten Komponisten entgehen lassen.

Wir Kleinen, die Frösche, durften ganz vorne sitzen und konnten so das faltige, weise und uralte Gesicht des Vortragenden genau studieren.

Ich erinnere mich, dass er über die Carmina Burana sprach und über den Schwan, der aus der Bratpfanne hüpft. Natürlich erzählte er auch von seinem Schulwerk, und wie wichtig Rhythmus und Intonation seien. In diesem Zusammenhang erwähnte er den einzigen Satz in deutscher Sprache, der nur aus Vokalen besteht. Klar, das ist nicht Hochdeutsch, vielmehr stammen die Worte aus bayerisch Schwaben, wo man, wie er hinzufügte einen Dialekt pflegt, den nur Eingeweihte verstehen.

Der Satz geht so: „I a ee a Oa oi.“ Ins Hochdeutsche interpretiert bedeutet er etwa: „Ich habe ja schon ein Ei (vom Korb auf dem Schrank) heruntergenommen.“

Der Satz ist ja sowieso schon eine Sensation, aber Carl Orff übte mit uns den Rhythmus:

. . – .- .

Immer schneller und schneller, Carl Orff dirigierte. Heute würde man sagen, er rockte die Turnhalle.

 

 

 

 

 

Fränkische Stereotypen

Ob das heute noch gilt, kann ich nicht beurteilen. In meiner Jugend aber gab es wiederkehrende Situationen auf die der echte Franke stets wiederkehrend gleich reagierte:

Freche Kinder: Ölla nei aan Sagg gsdeggd, draufghiem, ´s driffd immä än Richdichn.

Schmusendes Liebespaar: Muss Liebe schön sein! (auf nachgeäfftem Hochdeutsch)

Dieselben, als Brautpaar aus der Kirche tretend: Die Leud wern ned gscheider!

Beim Sonntagskaffee: Ja, so droggn ka ich mein Kaffe fei ned gadring. (mit nachfolgendem Griff zur Bierflasche)

Wenn schlechter Wein ausgeschenkt wurde: Den Wä wenn ich meiner Gäs auf’n Schwanz schüdd, drei Johr boggd sa nümmer!

Rappeldürres Mädchen: Wie a Gäs am Gnie.

Bei Trockenheit: Des Johr in meiner Gerschdn, die Spergn ham sich fei müss gnie.

Bei plötzlichem Tod: Ledsda Wuchn hob ich na fei nuch gsänn, hob ich na fei nuch gagrüsd. — hadder fei nuch gedangd.

Wenn die Oma mit neuen Schuhen heimkam (singend): Wer soll das bezahlen, wer had so viel Geld, wer had so viel Binge Binge, wer had das bestelld.

Wie geht’s? Noja, geschdern is nuch ganga.

Bei Glatteis: Kurz aagabremsd un bis auf Bamberch gazüschd.

Bei Hitze: Die Sunna brennd der dir, zergoar die Sdrasser saufn Limo.

Bei Kälte: Du wennst naus gehsd, die Böbbl derfriern der in die Nosn.

Trockenes Sauerkraut: Des Graud bollerd aufn Deller rum.

Bei offenem Hosenstall: Frische Lufd dudd gudd, un ausser diesen, wu a Doder lichd, muss a Fensdä offn sei.

Fussgänger trödeln auf dem Zebrastreifen: Leud gäb’s zum derschlogn – wemmer ner Zeid hädd!

Drohung: Bruder am See, ich dräff dich!

Bei Erkrankung: Hosd edserd du die Gräng oder die Freggn?

Am Silvestertag: An guudn Bäschluss.

Am Neujahrtag: Brosd Neujohr, mei Gäld is gor.

Wenn Teenager ausgingen: Zu, mir gehn ford’s kirrn.

Einer fährt auf dem Fahrrad vorbei. Schorsch, bass auf, dai Keddn hot ka Lufd.

Zankhafte Frau: A Guschn wie a Schwerdd. Replik: Die wenn naus die Nüss gedd, des Maul derfsda fei egsdra derschlogn.

Kinderreiche Familie: Die Leud könna vo den Sbielzeuch ned galoss.

Unbekannte Person: Wer war edserd des? – Unner Herrgodd wenn na ned bessä kennd, wie du un iech, kummder bastimmd nei die Höll.

Vor dem ersten Schultag: Do gedds fei aus an annern Fässla!

Vor Weihnachten: Sei ner schö brav, äs des Grisdkindla awos Gescheids bringd.

Ruf nach dem Kellner: Werdschafd!

Mutter droht mit der Faust aus dem Küchenfenster: Kumm ner ham!

Über den Pfarrer: Wenner nauf gedd, kumma die Lüüchn rundä.

Ganz früher, wenn die Nazis Beflaggung angeordnet haben: Die Fohna wenn halb so lang wärn, wärn sa immä nuch rod ganuch.

Und noch etwas, zwar keine Stereotype aber sehr bezeichnend:

Die Nazis veranstalteten auf dem Lichtenstein und dessen Felsen immer heroische und völkische Darbietungen. Komparsen waren die Bauern aus dem Ort. Kommentar: Un mir Gnörds derfn die Germana mach!

Libera me!

„Mozarts Requiem liegt mir mehr“, sagte eine Dame beim Hinausgehen.

Das geht Vielen so. Mozart schrieb Kirchenmusik für Menschen, die gläubig sind, die eine Totenmesse für einen Verstorbenen anhören und hoffen, dass er von den Qualen der Hölle erlöst werde.

Verdis Requiem folgt nicht der Liturgie. Es ist ein Aufschrei, ein verzweifeltes Gebet der geschundenen Seele. Angst vor dem Verderben und Hoffnung auf Erbarmen berühren während 90 Minuten das Herz, das Gemüt und das Gewissen der Zuhörer. In keiner anderen Totenmesse steht der lateinische Text derart explizit im Zentrum des Geschehens. Man merkt es nur nicht, weil Verdi um die Worte Drama, Wehklagen und Hoffnung komponiert hat.

Gestern wurde im Konzerthaus am Gendarmenplatz Verdis Requiem gegeben. Der Chor des Teatro la Fenice war aus Venedig gekommen. Es spielte das Konzerthausorchester.

Die Solisten und der Dirigent waren hervorragend, aber das was zählte an diesem Abend war der Chor. Bei seinen pianissimi schmolz der Saal dahin, bei den fortissimi schienen die Mauern desselben zu bersten. Das ist ein Chor, der sich traut, so leise zu singen, dass man ihn fast nicht hört. Er traut sich aber auch so laut zu singen, dass allen Sängern die Adern an den Schläfen schwollen, und die Zuhörer sich fragten, warum kein Sturm durch die Reihen weht.

Ich habe so etwas noch nie erlebt.

Es gibt wohl kaum ein Musikstück, das ich öfter gehört habe, bei dem ich die Partitur verfolgt habe, das ich auswendig kann, wie das Requiem von Verdi. Ich habe es auf Platten gehört unter Toscanini und Karajan, ich habe es auf CD gehört unter Muti, unter Abbado, unter Solti und Gergiev.

Einmal habe ich das Requiem in der Kathedrale von Palma live gehört. Wir saßen ganz hinten und der Ton wurde mit Lautsprechern übertragen. Da war die Atmosphäre wichtiger als die Musik. Das fand offenbar auch König Juan Carlos. Ein Freund, der im Tenor sang, berichtete, seine Majestät sei eingeschlafen, eine Leistung bei der Lautentfaltung. Womöglich wollte er aber nur seine musikbegeisterte Frau ärgern.

Gestern saß ich auf dem Rang und hatte das Privileg, sehen zu können, welches Instrument für welche Klangfarbe verantwortlich ist, zu verstehen, wie wichtig die Pauken sind, zu bewundern, zu was acht Kontrabasse fähig sind, nämlich nicht nur das Orchester zu begleiten, sondern es zu leiten.

„Vocame cum benedictis“ singt der Tenor und keiner kann sich dem Gedanken, dem Entsetzen entziehen, dass es durchaus möglich ist, nicht zu den Benedeiten gerufen zu werden.

„Gere curam mei finis“, wenigstens das: sei meinem Ende gnädig.

Dirigent war Juraj Valčuha, Krassimira Stoyanova, die Sopranistin zeigte beim „Libera me“, was sie kann, Daniela Barcellona, Alt, war nicht ganz sicher mit ihren Einsätzen, Antonio Poli, war der Operntenor, den man an dieser Stelle erwartet und Riccardo Zanellato, Bass, sang zwar wunderschön, war aber ein eitler Fatzke: Im Programm war ein Photo eines jugendlichen Helden veröffentlicht, vor dem Publikum aber erschien ein in die Jahre gekommener Hefekloß.

Das Konzerthausorchester, wunderbare Profis, ließen sich von der Gewalt des Chores mitreißen, zum Ende hin besiegte die pure Spielfreude die Disziplin. Es war einfach eine Freude, die Fagotte und die Querflöten auf ihren Stühlen herumhopsen zu sehen, begeistert über das, was sie da produzierten.

Der Chor, etwa einhunderd Sänger, wird mir ewig in Erinnerung bleiben. Ich habe früher begeistert im Tenor gesungen und gemerkt, wie die Musik in meinem Körper schwingt. Noch nie aber wurde dieses Gefühl bei mir durch einen Chor, dem ich nicht angehörte, so elementar erzeugt.

Mozarts Requiem endet mit der Bitte, ihnen, den Verstorbenen, ewige Ruhe zu geben „requiem aeternam dona eis.“

Verdi endet mit „libera me“, befreie mich. Das Eingeständnis der eigenen Verstricktheit, des eigenen Fehlens. Wer perfekt ist, muss nicht befreit werden.

Ich bin davon überzeugt, dass gestern Gläubige, Indifferente und Atheisten gleichermaßen getröstet wurden. „Libera me“, wer wollte das nicht?

 

Zuständigkeitsfeststellung, nochmal.

Heute Morgen ging ich um 7 Uhr aus dem Haus, um möglichst ohne Wartezeit beim jobcenter am Goslarer Ufer dranzukommen.

Tatsächlich saß ich schon kurz nach 8 Uhr der Sachbearbeiterin gegenüber, die Leistungsgewährung für mein syrisches Mündel bearbeiten sollte. Sie prüfte zunächst ihre Zuständigkeit, die sie zu meiner Erleichterung bejahte. Dann aber brach es auch ihr heraus: Den Ausländern werde das Geld sonst wohin gesteckt, aber wenn sie in zwei Jahren pensioniert werde, bekäme sie eine winzige Rente, und das nach 48 Berufsjahren! „Darauf ha ick kein’n Bock“, seien es die kleine Rente, Akten, unverschämte Ausländer, Vorgesetzte, Leistungsberechtigte, die spät aufstehen oder „det Wetta“, sie hatte null Bock uff jarnüscht.

Mein ausschließliches Interesse war ja, endlich abschließen zu können, dass mein nun 15jähriges Mündel von jetzt an die Sozialleistungen vom jobcenter bekommt, statt wie bisher vom Sozialamt. Ich widersprach also nicht und wartete geduldig darauf, dass sie mir die Antragsformulare aushändigen würde, die ich allerdings anfangs des Monats schon im jobcenter in Steglitz ausgefüllt hatte. Nun legte sie die Stirn in Falten und sagte, ich müsse noch zum jobcenter in Steglitz fahren, denn dort habe man die Akte zu bearbeiten begonnen, und nun müsste ich ein Dokument beibringen, dass „de Kollejn“ ab sofort von diesem Tun abließen.

„Kann man das nicht per e-mail intern erledigen? „Nee, wo denken Se hin? Wenn da durch Balin ooch noch Akten hin- und herfliejen, stelln Se sich mal det Chaos vor“. Ich konnte.

Nun gut, ich fuhr also nach Steglitz, wo spätaufstehende Leistungsberechtigte unterdessen Schlange standen. Nach 40 Minuten war ich schon dran und sollte eigentlich eine Nummer bekommen. Die Dame am Empfang bezweifelte, dass das Goslarer Ufer zuständig sei und verschwand, um das mit ihrer Vorgesetzten zu besprechen. Die sah das offenbar auch so. Ich bekam tatsächlich eine Nummer und nach weiterer Warterei kam ich zu einem Sachbearbeiter, der ebenfalls dafür war, Steglitz sei zuständig. Da alle Anträge ausgefüllt seien, benötige er nun lediglich eine Folgezuweisung vom Wohnungsamt in Lankwitz. Es ginge um die KÜ. Ich hatte unterdessen gelernt, dass man darunter die Kostenübernahme verstand.

In Lankwitz freute sich der Beamte, mich wiederzusehen. „Sie sind der Herr von und zu mit dem spanischen Pass.“ Bei unserem ersten Treffen vor zwei Monaten hatte er mir ohne Weiteres eine KÜ ausgestellt. Damals war es heiß und er hatte kurze Hosen an. Heute war es kühl und er hatte wieder kurze Hosen an, wenn auch andere. Plötzlich verdüsterte sich seine Miene. Ich ahnte Schreckliches. Und tatsächlich, er begann seine Zuständigkeit zu prüfen.

„Nee Steglitz is nich zuständich, det sind die Kollejen am Goslarer Ufer. Ick wees det, det is bei mir frischet Wissn, meine Ausbildung war im verjangenen Jahr. Vorher war ick Koch.“

Er entließ mich ohne KÜ aber mit dem Rat, mich nur ja nicht aufzuregen und immer schön höflich zu bleiben.

Ich überlegte, wo ich ganz schnell eine Kalaschnikow herbekommen könnte, fuhr dann aber doch unbewaffnet zum jobcenter nach Steglitz zurück. Dort stürmte ich unter Missachtung alle Nummerholvorschriften das Zimmer des Sachbearbeiters und sagte:

„Ich weiche nicht, du ka-üst mich denn!“

Tatsächlich hatte der Mann ein Einsehen, allerdings erst, nachdem er mit seinem Vorgesetzten gesprochen hatte. Innerhalb von weiteren 5 Minuten hatte ich nun meine KÜ.

Er tröstete mich noch damit, dass die Beamtin, die das Zuständigkeitskarussell vorgestern in Schwung gesetzt hatte, wohl ein Ego-Problem habe.

Dieser Schwung hat mich insgesamt 13 Stunden Zeit und Ärger gekostet.

 

 

 

Umdenken! Nichts wird wieder, wie es war.

Umdenken! Nichts wird wieder, wie es war.

Wie leben in schwierigen Zeiten. Meine in den 50er Jahren geborenen Altersgenossen sehen mit Entsetzen, wie Vieles von dem, was wir aufgebaut haben, angegriffen wird, zerbröselt, lächerlich gemacht wird, und stattdessen Kräfte aus den Löchern kommen, von denen wir seit Langem gehofft hatten, sie seien endgültig verschwunden.

Ich spreche von Freiheit, auch von der Freiheit vor Angst. Ich denke daran, dass es in Europa Politiker gibt, die ganz offen von der Beschneidung verfassungsmäßiger Rechte sprechen, die ungestraft von einer illiberalen Demokratie schwadronieren können.

Ich glaube nicht, dass es gelingen wird, die Grundrechte selbst abzuschaffen, aber man wird sie enger auslegen.

Neulich habe ich mich zu diesem Thema mit einem jungen Mann unterhalten, der mich überrumpelt und erschreckt hat. Er meinte: „Vielleicht ist es ja die Schuld eurer Generation, dass es dazu gekommen ist.“

Wahrscheinlich hat er Recht, denn wir haben uns auf dem Erreichten ausgeruht, nachdem wir 1968 und danach Einiges verändern konnten. Wir waren mit den Zuständen zufrieden und haben nicht gesehen oder haben nicht sehen wollen, dass Andere in der Gesellschaft mit eben diesen Zuständen nicht zufrieden sind und dies auch nicht sein können.

Es wird also zu tiefgreifenden Veränderungen kommen, das ist unausweichlich und an sich auch gut so. Stillstand ist noch keiner Gesellschaft gut bekommen.

Wir müssen nur nicht glauben, dass es gelingen wird, nach den Veränderungen, die mir und vielen anderen nicht gefallen werden, wieder zum status quo ante zurückkehren zu können.

Ein klärendes Beispiel: Nach dem Desaster der Weimarer Republik und dem Horror der Nazijahre haben nicht einmal die Konservativsten nach dem Kaiser gerufen.

Restauration bringt es nicht.

Ich sehe deutlich, dass die aktuelle Entwicklung ins Verderben führt. Man stelle sich nur ein Erstarken der AfD vor, woraufhin einige Jahre eine kunterbunte Koalition regiert, nur um die AfD zu verhindern. Und dann kommen die rechten Populisten eben irgendwann doch an die Macht. Mir wird schlecht, bei dem Gedanken und ich schäme mich schon jetzt, so wie sich derzeit einige Österreicher, US-Amerikaner, Italiener, Polen und Ungarn schämen.

Ich kann nur hoffen, dass das „Danach“ nicht allzu lange auf sich warten lässt. Nur, danach wird nichts mehr so sein, wie bislang.

Unsere Aufgabe ist es daher, schon jetzt darüber nachzudenken, wie unsere Gesellschaft verfasst sein soll, wenn der befürchtete Spuk vorbei ist.

Als Denkanstöße nenne ich mal: Begrenzung der politischer Ämter auf zwei Legislaturperioden, Verdoppelung der Ausgaben für Erziehung und Bildung, Verstärkung des Jugendaustausches, Förderung der beruflichen Selbständigkeit, bezahlbare Wohnungen, tatsächliche Anstrengungen in Sachen Klimaschutz.

„Wenn alles bleiben soll, wie es ist, muss sich alles ändern“ heißt es in di Lampedusas „Der Gattopardo“.

Ich denke nicht, dass das klappen wird. Es wird alles ganz anders werden.

Zuständigkeitsfeststellung

Im Juni 2018 bekam ich einen Brief vom Sozialamt Charlottenburg-Wilmersdorf, in dem mir mitgeteilt wurde, einer meiner syrischen Mündel sei nun 15 geworden und somit sei für die Leistungen ab sofort das jobcenter (alias Arbeitsamt) zuständig. Ich möge mich kümmern und Vollzug melden.

Also ging ich zum jobcenter am Goslarer Ufer, wo man mir sagte, man sei nicht zuständig, nach der Geburtsdatumsregelung sei das jobcenter in Steglitz zuständig.

Dort stellte ich mich etwa eine dreiviertel Stunde an, um dann fast nicht weiterzukommen, weil ich zwar die Meldebestätigung meines Mündels dabeihatte, nicht aber meine eigene. „Dat Se inner Berliner Straße wohn tun, steht in Ihrm spanschn Personalausweis. Wat wees ick, wat die Spaniokln da rinschreim?“ Schließlich bekam ich eine Nummer und wartete noch eine halbe Stunde. Dann durfte ich bei einer sehr netten Dame vorsprechen, die zunächst erneut ihre Zuständigkeit prüfte und mir dann einen Haufen Antragsformulare übergab. Mit denen solle ich samt dem Mündel am 9.8. wiederkommen.

An besagtem Tag hielt sich die Warterei in Grenzen, ein anderer Sachbearbeiter prüfte allerdings erneut seine Zuständigkeit und stellte dann fest, dass die Dame, die mir obigen Brief geschrieben hätte, eine Bescheinigung hätte ausstellen müssen, aus der hervorgeht, dass sie nicht mehr zuständig ist.

Ich rief die Dame an, sie versprach alles zu erledigen, und es geschah nichts. Nach einem erneuten Telefonat, kam der sogenannte Einstellungsscheid, den ich flugs ans jobcenter in Steglitz weiterreichte. Der Beamte meinte, was er nun noch brauche, sei eine Zuweisung des Wohnungsamtes Charlottenburg-Wilmersdorf, damit er, bzw das jobcenter, die Wohnkosten übernehmen könne.

Dieses Papier wollte ich heute besorgen. In etwa 600 Metern vom Rathaus Charlottenburg fand ich einen Parkplatz. An der Tür von Zimmer 104 hing ein Zettel. Darauf stand, dass heute die Sprechstunde in der Königin Elisabeth Straße 49 stattfände. Dort bekam ich in 400 Meter Entfernung einen Parkplatz. In Zimmer 2073 war ich erstaunlicherweise sofort dran, fand mich aber erneut vor der Hirsebreimauer der Zuständigkeitsfeststellung wieder. „Dat der Kolleje in Stegliz jeprüft hat, schützt und ja nich vor Fehlern.“

Nach einigen Minuten der Zuständigkeitsfeststellungsarbeit hellte sich das Gesicht der Sacharbeiterin auf: „Steglitz is nich zuständich.“

Sie kramte einen Zettel hervor und erklärte „Det is n internet Rundschreibn vom Januar 2016, det liest keena. Drinne steht aba, dat wenn Vawandte zusammlebn, det Jeburtsdatum vom Familjenoberhaupt zuständichkeitsbejründend is.“

Sie gab mir einen Schrieb mit und schickte mich wieder zum jobcenter am Goslarer Ufer, wo ich einen Parkplatz in 700 Metern Entfernung fand. Nach 40 Minuten Schlange stehen kam ich dran, übergab das Schreiben worauf die Dame zunächst ihre Zuständigkeit prüfte. Nachdem sie damit nicht zurande kam, rief sie Martin an. Martin war nicht da. „Ick liebe et, wenn die Kollejn nich am Platze sin.“ Nun rief sie Stefan an und erklärte die Sache mit dem Geburtsdatum des Familienoberhauptes, in dem Fall der Tante meiner beiden Mündel.

Na jut, Stefan, aber die Tante is ja nu der Familjenoberhaupt (sic) und danach sin wa zuständich, wa?“ Offenbar bestätigte Stefan diese Vermutung und nachdem ich bereits sechs Stunden heute Morgen in dieser Sache verbraten hatte, bestellte man mich für Donnerstag um 8 Uhr ein, „weil, wir sin ja nu zuständich, aba die Anträje müssn se neu ausfülln.“ „Könnten Sie mir die Formulare gleich mitgeben?“ Nee, det is streng vabotn.“

„Aber in Steglitz hat man mir die Antragsformulare ausgehändigt.“ Wat die Kollejn in Steglitz machen tun, jeht mir nüschte an, hier isset vabotn.“

¡LA VIRGEN DE LOS COJONES!

 

 

Umdenken! Der Konsument ist König.

Auf dem Markt wird weniger roter Thunfisch verlangt, seither ist der Fang dieser Fische zurückgegangen. Zwar sind sie immer noch vom Aussterben bedroht, aber es gibt wieder mehr rote Thunfische als zuvor. Ein wahrer Erfolg.

Der Konsum von Plastiktüten ist ebenfalls zurückgegangen, wir haben uns wieder daran gewohnt, mit der Einkaufstüte einkaufen zu gehen, so wie unsere Mütter dies mit dem Einkaufskorb taten.

Unser Verhalten hat direkte Auswirkungen auf diejenigen, die uns etwas verkaufen möchten, die uns von etwas überzeugen möchten oder die auf sich aufmerksam machen möchten.

Auf seiner Irlandreise hat sich Papst Franziskus entschuldigt. Er tat dies angesichts der tausendfachen Entwürdigungen und Missbräuche, die Priester und Nonnen an schutzbefohlenen Minderjährigen begangen haben. Allgemein wurde die bloße Entschuldigung als unzureichend empfunden, weil es der Papst vermied, die Kirche selbst für die Unsäglichkeiten verantwortlich zu machen.

Hätte er aber besser, denn erst dann wäre eine Veränderung möglich gewesen. Erst wenn klar ist, dass der Missbrauch von Körpern, der Missbrauch von Macht, der Missbrauch von anvertrauten Geldern allen Kirchen, den Hierarchien aller Religionen, systemimmanent ist, hätte man beginnen können, daran zu arbeiten, etwas dagegen zu tun, dass die Säkularisierung in riesigen Schritten an Terrain gewinnt.

Die Kirchen verwalten Gott, verwalten den Glauben und sagen ihren „followern“ wo es lang geht. Wer aber Gott verwaltet, fühlt sich ihm automatisch näher, zumal die Masse es nicht wagt, die Kirche zu kritisieren. Das wäre ja fast eine Kritik an Gott selbst.

Man muss Geistliche, seien es Priester, Imame, Rabbis oder Gurus, nur anschauen: Alle umgeben sich mit einer Aura der Erhabenheit, der Unantastbarkeit und der Besserwisserei.

Wir wissen doch alle, dass sich die allermeisten Geistlichen noch immer so vorkommen, als stünden sie über dem Gesetz, als würden ihre Fehler, die Missachtung, mit der sie Frauen behandeln, und ihre Sauereien niemals auffliegen.

Solange das so ist, bleibt es bei der Flucht der Gläubigen.

Das ist keine Flucht vor Gott. Das ist eine Flucht vor Gottes unwürdigen Dienern, das ist eine Flucht vor denen, die Gott verwalten.

Wir sollten alle aus der Kirche austreten. Es ist unbestritten, dass mit dem Geld, das die Kirchen von ihren Gläubigen erhalten, auch viel Gutes getan wird, Stichwort Diakonie. Aber erst wenn den Kirchen das Wasser abgegraben wird, wenn die Geldquellen nicht mehr sprudeln, erst dann werden die Kirchen bereit – da gezwungen – sein, zuzugeben, dass der Missbrauch zur Kirche gehört, wie die Soß zum Kloß.

Es heißt immer, man brauche die Kirchen, um Häresien, falsche Auslegungen der Bibel zu verhindern.

Geschenkt! Wenn man die haarsträubenden, menschenverachtenden, blutrünstigen Fehldeutungen der wahren Lehren der Religionen dieser Welt anschaut, dann ist es „peanuts“ was der Einzelne in seinem Kämmerlein missversteht.

Seit den napoleonischen Kriegen sind erstmals in der Geschichte der Menschheit mehr Menschen in Säkularkriegen umgekommen, als in Religionskriegen. Das muss man sich mal klarmachen, um zu verstehen, wie fragwürdig es ist, einer Religionsgemeinschaft anzugehören.

Verhalten wir uns wie denkende Konsumenten: Erst wenn die Nachfrage nach „Kirche“ nachlässt, wird sich etwas ändern.

Niemandem kommt es in den Sinn, sein Abendgebet damit zu beschließen, Gott möge für das Wohl „seiner Kirche“ Sorge zu tragen. Es sind die Priester, die dies (sonn)täglich tun. Sie haben allen Grund dazu: Sie beten für den Erhalt eines Systems, das sie stützt und schützt.

Umdenken! Was tun gegen Überbevölkerung?

Angesichts der Gewissheit, dass im Jahr 2050 die Weltbevölkerung auf fast 10 Milliarden Menschen angewachsen sein wird – derzeit haben wir etwa 7,6 Milliarden –  kann man schon ins Grübeln kommen.

Und so grübeln auch Einige und haben schon wunderbare Vorschläge zur Eindämmung der Überbevölkerung verbreitet.

Das geht von staatlichen Hilfen für die Einkindehe über Zwangssterilisationen bis dazu, den Kampf gegen die Kleinkindsterblichkeit einzustellen. Das sind, versteht sich von selbst, alles Maßnahmen, die für Afrika, Asien und Südamerika ergrübelt worden sind.

Denn die weißen, westlich geprägten Menschen, das wissen wir ja längst, sind nun mal nicht so fortpflanzungsbesessen wie die, die auf der südlichen Hemisphäre leben.

Wenn man sich die Vorschläge genauer anschaut, dann fällt auf, dass es Handlungsbedarf offenbar in erster Linie dort gibt , wo die Überbevölkerung entsteht. Wenn man sich die Vorschläge noch ein wenig näher anschaut, dann sind sie alle mit dem Axiom der Menschenwürde unvereinbar.

Gelten denn die Grundrechte nur dort, wo sie in den jeweiligen Verfassungen stehen? Nein, dort sind sie nur im besten Falle einklagbar, aber an sich wird jeder Mensch mit dem ihm angeborenen Recht auf Wahrung seiner Würde geboren.

Die griechischen Philosophen unterschieden zwischen dem von Menschen gesetzten Recht, dem positiven Recht, und dem überpositiven Recht. Darunter verstanden sie all das, was dem Menschen als vernunftbegabtem Wesen bei der Geburt mitgegeben wird, unabhängig von Geschlecht, Staatsangehörigkeit, Geburtsort oder Religion.

Wir sprechen von den Menschenrechten. Wenn wir diese für uns reklamieren, müssen wir akzeptieren, dass diese Rechte für alle gelten, auch dann, wenn viele Individuen sie nicht genießen oder einklagen können.

Die oben erwähnten Lösungen kann jeder sofort verstehen, packt das Übel an der Wurzel! Dass sie allem Hohn sprechen, was jedem von uns wichtig ist, scheint Nebensache zu sein. Man schert sich nicht um das geltende Recht, Hauptsach am Biertisch kann der Wähler „jawoll“ grölen.

Natürlich können wir etwas gegen die Überbevölkerung tun. Wichtigstes Ziel: Alle müssen in Arbeit und Brot kommen.

Derzeit verhindert die EU das. Einerseits können zu Weltmarktpreisen gehandelte Lebensmittel hier nicht verkauft werden. Die Bauern, deren Produkte subventioniert werden, würden Sturm laufen. Andererseits exportieren wir in diese Länder Molkereiprodukte oder die Teile von hier geschlachteten Hühnern, die zu essen wir zu kompliziert finden, ich denke da an Hühnerflügel.

Damit machen wir, ja wir, denn wir sind die EU Bürger, die Milchwirtschaft und die Geflügelzucht in weiten Teilen Afrikas und Asiens kaputt. Zu allem Überfluss subventioniert die EU solche Exporte auch noch, um ihren Absatz zu garantieren.

Es ist einfach widerlich, immer wieder hören zu müssen, man habe die Armut vor Ort zu bekämpfen, wenn zur gleichen Zeit unsere Wirtschaftspolitik die Möglichkeit, Arbeitsplätze zu schaffen, kaputtmacht!

Wenn wir in puncto Menschenrechte keine Pharisäer bleiben wollen, dann müssen wir abgeben.

Das Perverse ist, dass die populistischen Parteien und Bewegungen gerade die sind, die davor warnen, dass die Armutswelle über uns schwappen wird. Es sind aber eben auch genau sie, die gleichzeitig „Germany first“ schreien und nichts dagegen tun wollen, den armen Ländern eine Chance zu bieten, etwa zu lernen, dass der Wohlstand der Familie nicht durch Kinderreichtum sondern durch Arbeit und Einkommen gesichert wird.

Das können die Bewohner der armen und gleichzeitig überbevölkerten Länder aber nur dann lernen, wenn wir deren Arbeitsmöglichkeiten nicht systematisch torpedieren.

Umdenken! Wir brauchen diese Menschen.

Niemand baut Wohnungen für Singles, wenn die Demoskopen nicht vorhersagen würden, dass die kinderreiche Familie der Vergangenheit angehört. In Deutschland werden derzeit in erheblichem Masse Wohnungen für Menschen gebaut, die auf absehbare Zeit oder gar für immer alleine leben möchten.

Kurz, der schon jetzt nicht rückgängig zu machende Bevölkerungsrückgang wird sich nicht abschwächen.

Die Folge wird ein drastischer Rückgang der Steuereinnahmen sein. Weniger Menschen zahlen eben nun mal weniger Steuern als viele Menschen. Das ist Adam Riese, erstes Semester.

Unser Land ist derzeit eingerichtet darauf, dass dort praeter propter 80 Millionen Menschen leben. Wenn es nur noch 70 Millionen sein werden, dann kann man Krankenhäuser schließen, auch einige Schulen werden überflüssig. Nicht aber wird die bestehende Infrastruktur überflüssig werden. Die Rechnung, 10 % weniger Bevölkerung brauche auch 10% weniger Infrastruktur geht nicht auf. Man stelle sich nur vor, 10% der Autobahnbrücken würden gesperrt…

Dies wird aber passieren, wenn der Staat über weniger Steuereinnahmen bei gleichbleibender Infrastruktur verfügt. Da kann man die Steuern erhöhen, was zu einer voraussichtlichen Flucht derer führen wird, die sowieso schon viel zahlen.

Außer in Europa beobachten wir derzeit einen besorgniserregenden Anstieg der Weltbevölkerung. Da können wir Mauern und Zäune errichten, wie wir wollen, unter zu hohem Druck platzt jeder Ballon.

Das bedeutet, dass die europäischen Staaten gut beraten wären, wenn sie sich als Einwanderungsländer verstehen würden. Wenn man allerdings beobachtet hat, wie lange das Einwanderungsland Deutschland dazu gebraucht hat, sich wenigstens als Einwanderungsländle zu verstehen, dann kann einem angst und bange werden.

Nur mit einem klaren Einwanderungsgesetz wird es gelingen, die künftigen Migrantenström einigermaßen zu kanalisieren

Ja, so geht das nicht, schreien da Einige, Deutschland und Europa werden ihre Identität verlieren, eine Islamisierung wird Platz greifen, wir werden nicht mehr Herr im eigenen Hause sein.

Ich frage mich, wie viel Spaß es macht, Herr im eigenen Haus zu sein, dessen Infrastruktur und damit auch dessen wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zerbröselt, und ich frage mich auch, was die heutige Identität Deutschlands mit der von vor 200 Jahren, geschweige denn mit der von vor 80 Jahren zu tun hat? Und die Islamisierung? Wer was glaubt, muss in einer Demokratie egal sein. Nicht egal ist lediglich, dass sie oder er sich dabei an die jeweilige Verfassung hält. Daran müssen wir arbeiten.

Es ist der richtige Weg, der in der Schweiz begangen wird: Dort wurde einem arabischen Paar die Einbürgerung verweigert, weil sich beide weigerten, jemandem des anderen Geschlechts die Hand zu geben. Wer den Gleichberechtigungsgrundsatz nicht respektiert, der ist in einer Demokratie fehl am Platz.

Dessen ungeachtet werden wir umdenken müssen, wir werden in Zukunft dankbar sein, wenn Menschen aus Asien oder Afrika zu uns kommen, um den Schwund an unserer eigenen Bevölkerung wett zu machen. So wie wir den damaligen Gastarbeitern dankbar sein mussten und müssen, die vor Jahrzehnten kamen um den Arbeitskräftemangel zu lindern.

Unterdessen empfinden wir die gebliebenen Gastarbeiter als Bereicherung, kulinarisch, kulturell und wirtschaftlich.

Die ständige Hetze, die Angstmache vor der Überfremdung, vor dem Verlust der Identität, der Gefahr für die Demokratie geht mir nachgerade auf die Nerven.

Der Verdacht drängt sich auf, dass die wahre Gefahr für die Demokratie von den Hetzern ausgeht.