Sie hatte es schwer in Franken, denn sie stammte aus Berlin. Damit aber nicht genug, ging ihr doch zu allem Unglück auch noch der Ruf voraus, eine Sandfrau zu sein.
Ihr Mann, allzu früh verstorben, hatte erst spät in den Hafen der heiligen Ehe gefunden, ja man munkelte, er habe überhaupt erst spät entdeckt, dass es das weibliche Geschlecht gibt, in concreto in Form seiner Sekretärin.
Als er sie heiratete, habe er damit der Gesellschaft Sand in die Augen streuen wollen, verbreitete die liebe Verwandtschaft landauf, landab.
Nun, ich habe das Licht nicht gehalten, das war alles vor meiner Zeit. Ich fuße diese Geschichte auf „hear say evidence“. Immerhin „evidence“ hätte Onkel Motte, der Bruder des Hochzeiters, nachgeschoben.
Die glücklich verwitwete Dame fand sich plötzlich als Erbin eines riesigen Schlosses wieder mit ganz viel Wald außen rum, dicht an der Demarkationslinie. So nannte man die bewehrte Grenze zur DDR damals noch. Von Norden dreuhte der Russe und von Süden die Gesamtfamilie, die ihr das Erbe nicht gönnte.
Sie war vollkommen schimmerlos, was man mit einem so riesigen Besitz anfangen sollte, sie war gelernte Fremdsprachenkorrespondentin.
Bald merkte sie, dass sie außer Neid und Missgunst von der Familie wenig zu erwarten hatte und so suchte sie sich externe Berater. Sofort ging das Gerücht um, diese Berater, wobei auf den Plural Wert gelegt wurde, seien nicht nur ihre Berater.
Die bösen Gerüchte waren allerdings nicht ganz aus der Luft gegriffen, denn einen durchaus wohlansehnlichen Berater in Sachen Wald versuchte sie zu adoptieren.
Als sich herausstellte, dass die künftige Mutter nur den Niesbrauch von ihrem Verblichenen geerbt hatte, verdünnisierte sich der Sohn in spe wieder.
Die Arme war zu bemitleiden, nur Mitleid hatte niemand mit ihr, da ging das irdsche Habenwollen dem christlichen Seinsollen schnurstracks voran.
Schließlich fand sie Herrn Kolkowski, der sie in wirtschaftlichen Dingen unterstützen sollte. Er war aus Ostpreußen nach Franken gekommen und hatte als Buchhalter bei der BAYWA bis zu seiner Pensionierung gearbeitet.
Herr Kolkowski bemerkte zunächst, dass seine neue Brötchengeberin ein besorgniserregendes Verhältnis zum Gelde hatte: Einnahmen waren hochwillkommen, Ausgaben bereiteten ihr körperliche Schmerzen.
Dass man Steuern zahlen müsse, so erklärte sie dem Buchhalter, sei geradezu vulgär. Dieser konterte mit der Volksweisheit, wonach das letzte Hemd keine Taschen habe, was aber zu keinem Sinneswandel führte. Als er bemerkte, dass der Fiskus kurz davor war, die Hand auf den Wald zu legen, alarmierte er den wartenden Nacherben. Der drohte mit Entmündigung. Schließlich wurden die Steuerschulden bezahlt und Herr Kolkowski im hohen Bogen hinausgeworfen. Das mit dem letzten Hemd hatte sie ihm nachhaltig verübelt, denn vor nichts hatte sie Angst, außer vor ihrem Tod. Das Wissen darum, dass für dieses Ereignis bereits die Sektflaschen im Keller des Nacherben lagerten, machte die Sache nicht besser.
Unterdessen waren die Jahre auch an ihr nicht spurlos vorübergegangen und als sie im ehemaligen Direktor der Kreissparkasse einen Ersatz für den ostpreußischen Buchhalter gefunden hatte, hoffte sie, nun werde endlich Ruhe einkehren.
Sie sollte sich täuschen, denn als der neue Berater bei ihr Antrittsbesuch machte, wie gesagt, er war bereits im Ruhestand, beging er einen Fehler: Die Dame des Hauses hatte ihn auf dem Schlosshof erwartet und als er aus dem Auto gestiegen war, sagte er, noch ehe er ihr die Hand gegeben hatte:
„Noja gnä Frau, die mehrschdn Kardoffln ham mir zwaa aa scho gassn.“
Er hat seinen Posten nie angetreten. Der buchhalterische Schlendrian griff wieder um sich, und dann hatte der liebe Gott doch noch ein Einsehen und holte sie zu sich, ehe es zu einem neuen steuerlichen Arrest kommen konnte.