Ich gestehe es frei, dass ich nicht zu denen gehöre, die ihr Leben dem Verzehr von Körnern oder der allgegenwärtigen Leibesertüchtigung geweiht haben.
Ich gehöre keiner der vielen Fraktionen an, die ewige Gesundheit, ständiges Wohlsein und bella figura eterna predigen. Ich schreibe diese Zeilen an Euch, liebe Gesundheitsapostel, nicht aus einer Position der Konkurrenz, ich weiß nämlich nichts besser als ihr. Wenn ich einmal ganz, ganz ehrlich sein sollte, dann weiß ich sogar nicht einmal etwas von Gesundheit, Erhaltung der Lebensqualität etc.
Ich bin einfach nur ein Konsument Eurer Ratschläge, die Ihr mir meist ungebeten zukommen lasst. Deshalb vermute ich bei Euch ein gewisses Sendungsbewusstsein, weshalb ich mir erlaube Euch „Apostel“ zu nennen.
Um es vorauszuschicken: Ich weiß, dass jeder von Euch auf seine Methode schwört und sie für alleinseligmachend erachtet.
Allerdings lehrt uns die Vielzahl der angebotenen Methoden, Lebensweisen und Ernährungsprogramme, dass alle richtig aber auch alle falsch sein können.
Meine These ist die, dass die allermeisten Ratschläge tatsächlich richtig sind, aber sind sie auch zielführend?
Da habe ich erhebliche Zweifel.
„Ich wüsste nicht, was aus mir geworden wäre, hätte ich vor 30 Jahren nicht auf alle tierischen „Fette verzichtet.“
Richtig! Das weiss nämlich niemand! Allerdings verbreitet der obige Satz den Eindruck, der betreffenden Person, würde es heute ganz mies gehen, sie ginge am Stock, hätte Gicht und röche befremdlich, hätte sie damals nicht die Entscheidung weg vom tierischen Fett getroffen.
Beim Empfänger der Nachricht bleibt ein schlechtes Gewissen, denn ja, die Pirellis, der Schmerz im rechten Knie, das Magengeschwür und die nachlassende Beweglichkeit, das wäre sicher nicht so schlimm geworden, hätte man beizeiten die eigene Lebensweise umgestellt.
Ein schlechtes Gewissen zu generieren, ist ja gut und schön, viel schlimmer finde ich die Wirkung der verschiedenen Lehrmeinungen auf die innere Verfasstheit derer, die ihnen nachfolgen.
Wie? Die sind doch alle bumperlxunt!
Ja, körperlich. Aber im Hirn dieser Menschen hat sich der Gedanke festgesetzt, sie lebten ja so gesund, dass sie gar nicht krank werden könnten.
Ich habe es selbst erlebt: Da bekommt jemand eine Krebsdiagnose, ist noch nicht schlimm, muss aber operiert werden.
Dann beginnt eine Lauferei von Arzt zu Arzt, weil der Diagnose nicht stimmen kann, denn wer gesund lebt, kann bekanntlich nicht krank werden, das haben alle Ratgeber auch so rübergebracht.
Wertvolle Zeit geht verloren, schreckliche Zweifel beherrschen die Tage und besonders die Nächte des Kranken.
Es ist eine Qual für den Betroffenen und es ist eine Qual für dessen Umfeld, dies mit ansehen zu müssen.
Was ich damit sagen will?
Liebe Gesundheitsapostel, werdet demütiger, tut nicht so, als ob nur Ihr den Weg des Guten kennt und lasst erkennen, dass die Fährnisse des Lebens auch dem feil sind, der gesund, bewusst, bewegt und cerealophag lebt.
Im Übrigen: Langes Leben ist kein Gut an sich. Ich halte mich da an die amerikanische Erklärung der Unabhängigkeit:
Life, Liberty and pursuit of Happiness.