Wo jetzt in Rentweinsdorf der Marktsaal steht, stand bis in die 80er Jahre hinein der Heroldssaal. Er hieß so, weil ihn die Familie Herold zusammen mit der Schlossgaststätte bewirtschaftete.
Auf der Nordseite befand sich eine Bühne, auf der die Músik spielte und ab und zu wunderbare Theaterstücke von einer zusammengewürfelten Laiengruppe aufgeführt wurden.
Gegenüber gab es ein Separee mit großen Fenstern und darüber eine Empore. Sie umgab ein Flair des Geheimnisvollen, denn man konnte von unten nicht sehen, was da oben passierte.
Im Heroldssaal fanden die Versteigerungen der Lose fürs Brennholzsammeln im Wald statt. Dort wurden auch Dia-Vorträge abgehalten, nachdem der Diakonieverein mit dem Bus nach Südtirol gefahren war. Dort fand die Kinderfasnacht nach dem Umzug ihren Höhepunkt.
Wir Buben waren entweder als Cowboys oder Indianer verkleidet. Wichtig war aber nur, dass wir eine Klatsche hatten, mit der wir die Mädchen „batschen“ konnten. Manchmal gelang es nicht, uns gegen unsere Mutter durchzusetzen, die Cowboy und Indianer langweilig fand. Einmal verkleidete sie mich als Räuber. Nicht nur ich fand, dass ein Räuber so nicht aussieht. Sie hatte sich wohl eher an die romantischen Vorstellungen aus den Märchen gehalten. Über mir aber brachen Hohn und Spott herein.
Großereignisse waren die großen Fastnachtsbälle, die der Fußballverein mit großem Einsatz und Aufwand organisierte. Damals hießen diese Veranstaltungen noch Kappenabend, es genügte eine diskrete Verkleidung.
Im Jahr 1973 war es dann wieder so weit., der 1. FC Rentweinsdorf lud zum Ball. Bader-Meinhof waren noch nicht lange im Gefängnis und wer auf sich hielt, ging als Terrorist oder als dessen Braut.
Der Heroldssal war brechend voll, die Kapelle spielte vom Dreher bis zum Twist alles rauf und runter, die Stimmung war ausgelassen und der Kassenwart der Fußballer war zufrieden, weil viel mehr Leute gekommen waren als angenommen. Die Eintrittskasse klingelte.
Da entstand plötzlich ein Tumult am Eingang. Sofort bahnten sich die stärksten und stämmigsten Burschen ihren Weg zum Eingang und rangen dort jemanden zu Boden.
Es war still geworden im Saal und schnell verbreitete sich die Nachricht, ein Vermummter habe mit vorgehaltener Pistole die Kasse rauben wollen.
Nach kurzem Kampf hatte man den Räuber mit starken Fäusten gesichert. Man riss ihm die Maske vom Gesicht. Das nächste, was geschah, war ein Aufschrei, denn hinter der Maske kam das Gesicht unserer Mutter zum Vorschein: „Ach Godd, die Barona!“
Dann trat Stille ein, und ich glaube es war der Feuerwehrhauptmann, der sich vor der Missetäterin aufbaute, um ihr eine Standpauke zu halten: Sowas täte man nicht in diesen aufgewühlten Zeiten, das sei kein Spaß, sie hätte sich und andere unglücklich machen können, wenn etwas Ernstes passiert wäre. „Äs des a Schbridsbistoln is, had doch kanner könn säh in den Gerangl!“
Er hatte ja vollkommen Recht. Wir begleiteten unsere Mutter mit hängenden Köpfen nach Hause. Dort verlangte sie nach Sekt. Nicht um zu feiern, wie sie betonte, sondern um sich vom Schreck und den Schmerzen zu erholen.
Offenbar hatten die Burschen kräftig zugelangt.