Wer kennt Harold Sakata? Niemand! Und dennoch ist er allen, die 1964 jung waren, als Oddjob, dem kraftstrotzenden Helfer von Gert Fröbe im James Bond Film „Goldfinger ein Begriff.
Es war einer dieser Momente, in denen jemanden Genialität streifte, als nach den großen Ferien ein untersetzter, fast viereckiger neuer Lehrer das Klassenzimmer im Landheim Schondorf betrat. Einem der erstaunten Schüler entschlüpfte das Wort „Oddjob“. Schon in der großen Pause war es rum, der neue Lehrer hatte seinen Spitznamen weg, den er übrigens mit Würde und Humor zu tragen wusste.
Ich und viele andere hatten das Glück, von ihm die englische und französische Sprache beigebracht zu bekommen. Er beschränkte sich aber nicht nur auf die Sprache, er versuchte auch durchaus erfolgreich, uns die Kultur Großbritanniens und Frankreichs nahe zu bringen.
Als Student hatte er beide Länder mit dem Moped bereist und eine riesige Sammlung von Dias angelegt. Die zeigte er uns in der „letzten Stunde“ vor den Ferien.
Was ein Menhir ist, weiß ich nicht von Obelix. Es war Oddjob, der uns Bilder davon zeigte. Was ein Kalvarienberg ist, hat er uns gezeigt und erklärt, wie Stonehenge aussieht, und was es womöglich bedeutet. Dass es auf den britischen Inseln wunderbare Kathedralen gibt, hat er uns erzählt, und auch dies: das erste und einzige authentische Foto von Nessie hat er geschossen.
Er war ein strenger Lehrer. Das hinderte ihn nicht daran, dafür Verständnis zu zeigen, dass wir all das, was er uns da beizubringen hatte, schrecklich langweilig fanden. Wenn wir kurz vor dem Einschlafen waren, brach er den Unterricht ab und sang mit uns englische oder französische Lieder. Auf langen Autofahrten singe ich noch heute:
Malbrough s‘ en va-t-en guerre
Mironton ton ton Mirontaine…
Ihm verdanke ich es, dass die Nasallaute in der französischen Sprache für mich nicht en, en, en, en und en sind. Einer in meiner Klasse hieß Konstantin. Oddjob dachte sich folgenden Nasal Lehrsatz aus:
« Nous avons un Constantin en classe » Nur wer bei ihm im Unterricht war, brilliert mit fünf unterschiedlichen Nasallauten.
Oddjob wohnte in einer sehr bescheidenen Bude im Zwischenbau, und kümmerte sich mehr als andere um die dort wohnenden Schüler. Was ihm zum Ruhme hätte gereichen sollen, wurde gegen ihn gewendet und bald munkelte man, der Oddjob treibe es mit dem Kümmern zu weit. Das war ein fieses Gerücht, weil es keinerlei Beweise gab.
Aber wie das so ist, aus einem Gerücht wird ein offenes Geheimnis und daraus eine Gewissheit. Irgendwann taten sich mehrere Halbstarke zusammen und bepinselten sein neben der Schlosserei geparktes Auto mit rosa Wasserfarbe.
Das war nicht nur gemein, es war nicht nur feige, es war auch ein Skandal. Zwar ging die Farbe leicht wieder ab, aber der Schaden war getan. Auch fand ich, dass die Solidaritätsbezeugungen des Lehrerkollegiums hätten enthusiastischer ausfallen können.
Wie dem auch sei, die Täter wurden nie gefunden, und der bedauernswerte Oddjob forschte in allen Waschräumen nach rosa Farbresten an den Handtüchern.
Einige Male wurde er auch fündig. Die Eigentümer der inkriminierenden Handtücher waren aber alles Pubertäter mit unreiner Haut. Alle konnten nachweisen, dass die von ihnen benutzte Pickel-Creme rosa war.