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Wo ist die Post?

Neulich wollte mir ein Mandant von den kanarischen Inseln ein wichtiges Dokument schicken. Es kam in Deutschland an, wurde dann aber zwei Mal als unzustellbar zurückgeschickt.

Nun musste ich dem Mandanten selbst etwas schicken und wir waren übereingekommen, damit solange zu warten, bis ich von Mallorca aus die spanische Post beauftragen könnte.

Weil in Palma vorweihnachtlich alles verstopft ist, habe ich ein Postamt in einem Dorf gesucht und einen Passanten nach dem Weg gefragt.

Er erklärte mir, er sei gar nicht von hier, denn er habe nur seine Frau zum Zahnarzt begleitet. Sie müsse sich zwei Weisheitszähne ziehen lassen. Die Schmerzen seien seit Tagen unerträglich, etwa so unerträglich wie seine Frau selbst. Jetzt hoffe er auf Besserung des Eheklimas. Der Zahnarzt habe ihn weggeschickt, er brauche mindestens zwei Stunden und er solle einen „café“ trinken. Er habe schon drei getrunken und die Zeit sei immer noch nicht rum. Aber wo wie Post zu finden sei, das wisse er nicht.

Nun schaltete sich eine Matrone ein, die gerade ihr Enkelkind in der Kita abgegeben hatte.

Die Post sei ganz leicht zu finden: Du gehst immer diese Straße entlang. Wenn du an der Bar Manolo vorbeikommst, geht rechts eine Straße ab. Die nimmst du nicht, Übrigens, Manolo macht die beste tortilla española im ganzen Ort. Eigentlich mache die seine Frau, die Paquita. Von der hältst du dich fern. Sie ist ein gefährliches Klatschweib. Ich weiß das, weil sie mit mir verwandt ist.

Ja, aber eigentlich suche ich die Post.

Sag ich´s doch. Die Straße rechts nach Manolos Bar nimmst du nicht. Geh weiter geradeaus, dann kommt links einer Querstraße, sie heißt Calle del Mar. Dort findest du die Post.

Um es kurz zu machen: Eine Bar Manolo gab es zumindest in dieser Straße nicht, aber tatsächlich fand ich links eine Calle Estrella del Mar. Die Poststelle war nicht zu übersehen.

Dort nahm man bereitwillig mein Einschreiben auf die Kanaren an, fragte nach meiner e-mail Adresse und verlangte 8,40 €.

Als ich zu Hause ankam, war schon eine mail im Computer angekommen, in der mir die Versendung samt Sicherheitscode mitgeteilt wurde.

Moral und sittliche Nutzanwendung: Es mag in Spanien schwer sein, auf den rechten Weg gebracht zu werden, aber die Post funktioniert digital und zuverlässig, jedenfalls um Meilen entfernt besser als der Saftladen in Berlin.

Das Recht auf die eigene Menstruation.

Wer erinnert sich noch? Es war die Zeit, in der es begann, dass man eigentlich über alles reden konnte. Nur Eines war tabu: Frauen führten eine geheimnisvolle Tabelle, in die sie ihren männlichen Freunden, Kommilitonen, Kollegen und Bekannten keinen Einblick gewährten. Es wurde nicht darüber gesprochen, aber es wurde fleißig darauf herumgekritzelt.

Es handelte sich um den Perioden Kalender. Ihn zu führen war Voraussetzung dafür, um nach der Knaus-Ogino Methode verhüten zu können. Wenn ich mich recht erinnere, war das die einzige Form der Empfängnisverhütung, die Pillen Paule in seiner Enzyklika „Humanae vitae“ gerade noch durchgehen ließ. Knaus-Ogino war bekannt für seine legendäre Unzuverlässigkeit.

Ich erinnere mich an eine Karikatur, die heute natürlich längst als politisch unkorrekt geächtet wäre, dort sah man eine Sau, an deren unzähligen Zitzen je ein Ferkel saugte. In der Sprechblase stand: „Ich habe verhütet, mit Knaus-Ogino.“

Heute führt niemand mehr ein Menstruations-Tagebuch, das übernimmt längst schon eine kluge App. Dass damit einhergeht, dass persönliche Daten aus dem Umfeld der Nachkastl-Schublade in die weite Welt verabschiedet werden, nahm man hin, einfach deshalb, weil Frauen mit Recht davon ausgehen konnten, dass die Buchhaltung über den eigenen Monatszyklus nicht nur niemand etwas angingen, sondern auch niemanden interessierten.

Seit letzter Woche ist das nun anders: Das oberste Gericht der USA hat das Recht auf Abtreibung abgeschafft. Seither löschen hunderttausende von US-Bürgerinnen ihre Perioden Kalender Apps.

Denn plötzlich könnten diese Apps zu Beweismitteln werden, die Frauen, aber nicht nur die, ins Gefängnis bringen.

Wie das? Man reibt sich verwundert die Augen. Die Sache ist ebenso einfach wie perfide.

Diese Apps halten den Zeitpunkt gehabter Perioden fest. Sie halten aber auch den Zeitpunkt ausbleibender Perioden fest. Und von dann ist die Sache ganz einfach: Eine ausbleibende Periode führt zu einer Geburt. Bleibt die aus, geht der Staatsanwalt von einer gehabten Abtreibung aus. Die Beweislast, dass dem nicht so war, liegt bei der Frau. Und da alles miteinander vernetzt ist, kann man feststellen, ob die Frau ein Taxi bestellt hat, das sie zur Praxis eines Gynäkologen gebracht hat, ob eine Apotheke einschlägige Mittel verkauft hat, wer am betreffenden Tag in der Arztpraxis Dienst hatte und Vieles mehr.

Das Urteil des Supreme Court nimmt somit alle Frauen in Geiselhaft, alle Frauen, bei denen eine Periode ausgeblieben ist, sind per se erstmal verdächtig eine Straftat begangen zu haben. Es sei denn, sie kann beweisen, dass dem nicht so ist. Wie kann man das?

Es ist nicht nur das Abtreibungsverbot selbst, das einen massiven Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht der Frau darstellt, nein, mit einem Handstreich werden alle Frauen im gebärfähigen Alter kriminalisiert.

Ich weiß nicht wieso, aber irgendwie erinnert mich das ans Mittelalter. Damals gelang es auch schon, Frauen zu kriminalisieren. Der Vorwurf lautete, Sex mit dem Teufel gehabt zu haben. Das war absurd, führte aber dennoch schnurstracks auf den Scheiterhaufen.

Es fällt mir schwer, zu glauben, die von Männern beherrschte Welt, suche noch heutigentags nach instrumentalisierten Methoden der Unterdrückung der Frau. Das Urteil der Richterinnen und Richter aus Washington hat mich eines Besseren belehrt.

Allerdings, und das finde ich besonders erschreckend: Wir müssen nicht über den Atlantik schauen. Unser Nachbarland im Osten – Polen – praktiziert die beschriebene Kriminalisierung der Frau schon seit Langem.

Bitte nicht triumphieren.

Neulich las ich, jedes Kind sei das genuine Werk Gottes. Das ist sachlich falsch, weil Leben durch die Vereinigung von weiblichem Ei mit männlichem Samen entsteht. Andererseits ist diese Feststellung religiös übergriffig, denn sie bedeutet ja, dass auch ein indisches Kind das Werk unseres christlichen Gottes ist, es sei denn man will den Gottesbegriff relativieren, indem alle Gottheiten ein und dasselbe sind, nur anders heißen.

Alle Menschen leben in einer irgendwie gearteten staatlichen Gemeinschaft. Wenn man das Glück hat, in einer Demokratie zu leben, dann ist diese nicht dazu berufen, religiöse Inhalte zu transportieren. Vielmehr muss sie Regeln aufstellen, mit der Menschen der unterschiedlichsten Überzeugungen zusammenleben können.

Wer das auch so sieht, der wird einsehen müssen, dass gestern ein schwarzer Tag für Demokraten war: Das oberste US-Gericht hat das fast 50 Jahre alte liberale Abtreibungsrecht im Land kassiert.

Konservative Christen freuen sich darüber. Das sei ihnen gegönnt.

Kein mit Empathie gesegneter Mensch findet, dass eine Abtreibung ein erstrebenswertes Ziel sei. Eine schwangere Frau zur Abtreibung zu zwingen, ist ein abscheuliches Verbrechen. Wenn der Staat allerdings eine schwangere Frau daran hindert, sich für einen Schwangerschaftsabbruch zu entscheiden, dann wird er seiner Pflicht zur allgemeinen Fürsorge nicht gerecht.

Der demokratische Rechtsstaat muss für seine Bürger Instrumentarien bereithalten, die es ihm ermöglichen, sein Recht auf Selbstbestimmung zu verwirklichen.

Halt, wird da so mancher rufen, das Recht auf Selbstbestimmung hört beim Fötus auf. Das ist aber nur dann richtig, wenn man aus religiöser Überzeugung heraus argumentiert. Wenn Solches zur Maxime der Auslegung der Grundrechte würde, ließe man solche Menschen außen vor, die nicht religiös sind. Darf man das?

Ja, denn das ungeborene Leben muss geschützt werden, das geht allem anderen vor. Okay, dann leben wir aber nicht mehr in einer Demokratie, sondern in einem Gottesstaat.

Ein demokratischer Rechtsstaat ist per definitionem areligiös. Er muss Wege und Gesetze finden, die es Menschen aller Überzeugungen ermöglichen, friedlich und selbstbestimmt unter seinem Dach zusammenzuleben.

Die Menschenrechte definieren sich ohne Gottesbezug. Der demokratische Rechtsstaat muss deshalb Möglichkeiten der Lebensgestaltung gewährleisten, die eventuell den religiösen Überzeugungen einiger seiner Bürger zuwiderlaufen können. Krasses Beispiel: Man kann Bluttransfusionen nicht verbieten, nur weil Zeugen Jehovas das für Sünde halten.

Ich kann verstehen, wenn viele Christen den gestrigen Richterspruch mit Freude und Genugtuung aufgenommen haben.

Es wäre allerdings gut, deshalb nicht zu triumphieren, denn unser Gemeinwesen, in dem Christen ja auch leben, hat gestern erheblichen Schaden genommen.

Der Supreme Court hat sich als Popanz des amerikanischen Populismus geoutet, denn am Tag bevor er Abtreibung verbot, hat er entschieden, dass das Tragen von Waffen in der Öffentlichkeit ein Grundrecht sei.

Fazit: Auf Lebende darf man schießen, ein ungeborenes Leben aber nicht abtreiben. In den USA ist es gefährlicher geboren als ungeboren zu sein.

Bewaffnet die Messdiener!

Die USA haben 330 Millionen Einwohner. Auf jeden von denen kommen 1,2 Schusswaffen, macht knappe 400 Millionen.

Roosevelt hat im 2.Weltkrieg den Alliierten Waffen geliehen, mit der Begründung, wer werde dem Nachbar den Gartenschlauch verweigern, wenn dessen Haus brennt. Wie wäre es, wenn die Amis ihre Waffen den Ukrainern ausliehen?

Dann wären die für einen Guerilla-Krieg gerüstet und die amerikanischen Schüler könnten ruhig und gefahrlos in die Schule gehen.

Um sich verteidigen zu können, benötigt man Waffen, gutes Zureden hilft bekanntlich nur begrenzt.

Das gilt vollkommen zweifellos für diejenigen, die sich gegen Putins Überfall wehren. Die amerikanische Innenpolitik will nun der Welt weismachen, das gelte auch für die wiederkehrenden Amokläufe in Schulen, Kirchen oder Supermärkten:

„Gegen einen bewaffneten Schurken hilft nur ein bewaffneter gesetzestreuer Bürger.“

Das ist eine Argumentation zum Gebrauch derer bestimmt, die den tiefen Teller nicht erfunden haben.

Gegen einen Aggressor von außen hilft nur der bewaffnete Widerstand. Gegen 1,2 Schusswaffen pro Kopf der eigenen Bevölkerung hilft nur eine Veränderung der Gesetzeslage. Dass jeder Amerikaner ein Recht hat, eine Waffe zu tragen, das stammt aus der Zeit, als Siedler auf einsamen Gehöften wohnten. Dieses Recht heute in einer zumeist urbanen Umwelt für notwendig zu erachten, ist nichts weiter als Macho-Gehabe von Männern, die sich ihrer Männlichkeit nicht sicher sind.

In Deutschland gibt es so was Ähnliches: Dort dürfen Männer, die sich ihrer Männlichkeit nicht sicher sind, mit 180 km/h über die Autobahn brausen. Also Vorsicht, wer behauptet, nur die amerikanische Politik sei lobbyverseucht.

Das Recht, eine Waffe zu tragen ist ebenso sinnlos, wie das Recht, rasen zu dürfen. Es ist aber nicht nur sinnlos, es ist auch gefährlich.

Nun hat unser aller Freund Trump auf der Vereinsfeier der Waffenlobby gesagt, man müsse die Lehrer bewaffnen, dann könnten die ihre Schulen verteidigen. Das hätte den Vorteil, dass ein hoffnungsfroher Amokläufer vorher keine Waffe besorgen müsste, weil er ja weiß, dass er in jedem Klassenzimmer eine finden würde.

Aber „uns Donald“ greift wieder mal zu kurz. Er vergisst die Kirchen, ein bekannter Magnet für Amokläufer.

Man stelle sich vor, das Sakrament von einem Pfarrer gespendet zu bekommen, von dem man weiß, dass er unter dem Talar eine geladene Pistole trägt.  Da erfährt der Begriff „Barmherzigkeit“ eine Erweiterung, die zu erhoffen, so mancher aufgegeben hat.

Und wie niedlich die Vorstellung, die Messdiener würden bei der Wandlung die Glöckchen klingen lassen, wenn aber ein bewaffneter Bösewicht kommt, dann ziehen sie eine Glock unter dem roten Talar hervor.

Water – Gym

Mit der Begründung, so könne es nicht weitergehen, hat uns meine Frau zur Wassergymnastik angemeldet. Ganz in der Nähe hat ein ReHa Zentrum aufgemacht.

Wir gehen immer zum Termin um 17.30 Uhr weil um 18.30 Uhr riecht es manchmal nach Käsefüßen oder sonst was. Naja, die Dusche vorher ist ja auch nicht „mandatory“, ein Wort, das man in Berlin pandemiebedingt lernt, wenn man S-Bahn fährt.

Dort bezieht es sich aber auf die Maske.

Der Spaß kostet jedes Mal 12 € pro Nase. Ich darf gar nicht daran denken, dass man dafür in jedem fränkischen Gasthaus einen Schweinsbraten mit mindestens einem Kloß bekommt.

Nun gut, zur vorgegebenen Zeit lassen etwa zehn ältere Herrschaften ihre Revuekörper ins vorgewärmte Wasser gleiten, und dann geht es los.

Die Kommandos lauten hopp, zack zack und stopp. Etwas minimalistisch, wie ich finde.

Eine gertenschlanke Dame turnt vorne vor und es scheint anstrengend zu sein, denn sie kommt ganz schön ins Schwitzen. Wir haben Wasserkühlung, dennoch ist es ratsam aus olfaktorischen Gründen den Mindestabstand zu halten, Maske ist nur bis zum Beckenrand „mandatory“.

Das Problem ist die Uhr. Sie hängt hinter der Vorhopserin und geht einfach nicht ums Verrecken vorwärts. Zur Aufwärmung sollen wir Laufvortäuschungen machen und dabei mit den Armen wedeln. Ich langweile mich dabei und studiere die Veränderungen des Tattoos auf dem Rücken der Zweizentnerdame vor mir. Schier endlos laufe ich unter Wasser, dann sind grad mal drei Minuten vergangen. Es ist zum Verzweifeln, denn die Session dauert 45 Minuten.

Manchmal bekommen wir Scheiben, die den Widerstand des Wassers erhöhen sollen. Bis alle so ein Ding haben vergeht locker eine Minute. Hopp, jetzt linker Arm hoch und dabei mit dem rechten horizontale eine Bewegung machen, zack zack. Ich komme mir vor, wie der Schupo am Potsdamer Platz, von dessen akrobatischem Können meine Großmutter so oft erzählt hat.

Gestern bekamen wir einen Besenstiel in die Hand, mit dem wir Bewegungen vorführen sollten, die zu machen ich ohne Besenstiel nicht auf die Idee gekommen wäre. Gestern war ich der einzige Mann und ich muss zu meiner Schande zugeben, dass die neun anwesenden Damen den Besenstiel behänder manipulierten als ich. Offenbar ist es Hausfrauen vollkommen geläufig, mit gekreuzten Händen ein solches Instrument am Rücken auf und ab zubewegen. Die gertenschlanke Dame meinte, das sei eine Dehnübung. Ein Blick auf die Uhr tröstete mich, eine viertel Stunde war schon rum.

„Und jetzt mit Schwung dem Stock aus dem Wasser und über den Kopf.“ Die anwesenden Damen wurden gewarnt, dabei könne es tropfen, wer gerade erst beim Friseur war, müsse nicht mitmachen.

Ich beschloss, einfach nicht mehr zu denken, mal sehen, ob die Zeit dann besser fliest. Nein, aber ich überhörte den Stoppbefehl und erntete missbilligende Blicke der pensionierten Oberlehrerin neben mir. Sie hatte rotgefärbte Haare, passend zum fliederfarbenen Badeanzug.

Dann wurde geklatscht. Damit zeigt man seine Zufriedenheit mit dem, was die gertenschlanke Dame vorgehopst hatte, wenn alles vorbei ist.

An der Pforte riet mir der freundliche Herr, doch einmal zu versuchen, ob die Krankenkasse einen Teil der Kosten übernähme.

Cita prévia.

Seit langem war geplant, dass ich am Montag und Dienstag in Palma sein würde, um beim Notar zwei Erbschaften abzuwickeln.

Am Freitag erfuhr ich, dass je ein wichtiges Dokument fehlt, nämlich das „certificado de últimas voluntades“, also eine Bestätigung ob und wenn ja bei welchem Notar in Spanien ein Testament hinterlegt worden sei. Das stellt die Dépendance des Justizministeriums in Palma aus

Macht ja nix, da geh ich halt am Montag an aller Früh hin.

Ja, aber vorher musst du die Gebühr zahlen, 3,86 € pro Zertifikat.

Mach ich, kein Problem.

Doch Problem, in die Bank kommst du nur noch mit „cita prévia“ mit vorheriger Terminvereinbarung rein.

Na, das werd ich schon irgendwie deichseln.

Nur, wie kommst du dann in die Dépendance des Justizministeriums rein? Da brauchst du auch eine „cita prévia“.

Ich verfiel in leichte Panik, denn ich weiß, wie streng man in Spanien bei der Durchführung von Bestimmungen ist, die dafür sorgen, dass Arbeit nicht in Arbeitswut ausartet.

Ich grübelte. Am Sonntag, kurz vor dem Abflug, hatte ich endlich die rettende Idee: Ich werde mich als Ausländer verkleiden. Also packte ich meinen Lodenjanker ein, sowas nennt man in Spanien „tirolés“. Kein Mensch kommt in Palma auf die Idee, sich mit so einem Kleidungsstück lächerlich zu machen. Ich aber setzte auf den Mitleideffekt: Da kommt einer in seiner Tracht aus seinem engen, schneebedeckten Alpental nach Palma, und dann haut man ihm eine cita prévia vor den Latz.

In die Bank kam ich, weil die Putzfrau gerade die Tür aufgemacht hatte, scheiterte aber am Kassenschalter.

¿Tiene cita prévia?“ Ich verneinte, verwies aber darauf, von dieser Neuerung nichts gewusst zu haben, schließlich sei ich Ausländer. Die Dame blieb unerbittlich und weigerte sich von mir zwei Mal 3,86 € entgegenzunehmen. Da winkte mir das Glück: Die Filiale hatte einen neuen Leiter bekommen, den ich kannte, und schon nahm man gnädig mein Geld an.

Schwieriger war es beim Justizministerium. Dort saß an der Tür eine „securata“, eine Sicherheitsagentin, deren Aufgabe es eigentlich ist, mich davon abzuhalten, dass Haus mit einer Pistole bewaffnet zu betreten. Stattdessen prüfte sie in einem Akt eklatanter Kompetenzüberschreitung meine Unterlagen nach juristischen Gesichtspunkten. Sie wurden für korrekt befunden, mir aber wurde erneut die Frage nach der „cita prévia“ gestellt. Davon wüsste ich nichts in meiner fernen Heimat, stammelte ich, erwähnte die Beschwerlichkeit der Flugreisen samt Maskenpflicht und wurde dann tatsächlich durchgelassen, obwohl der Sicherheitsbogen gefiept hatte.

Oben, wo normalerweise reger Geschäftsbetrieb herrscht, traf ich auf gähnende Leere. Offenbar werden für den Montag keine „cittas prévias“ ausgegeben. Irgendwann muss der Beamte ja auch mal ungestört arbeiten können, vulgo in der Nase bohren, was die Vorzimmerdame genussvoll betrieb. Sie prüfte meine Unterlagen nicht, sondern betrachtete amüsiert meine Verkleidung. Ich stammelte erneut meine Mär vom Flugzeug, von meiner Unwissenheit, der Maske und überhaupt – und fand gnädiges Gehör. Ich konnte gerade noch erwähnen, dass über ihrem Haupte offenbar ein heller Schein schwebe, da befand ich mich schon vor dem Schreibtisch der Amtsleiterin und bekam in wenigen Minuten meine beiden Zertifikate.

Den „tirolés“ habe ich erst neulich in Wien gekauft. Er hat 260 € gekostet. Eine sehr lohnende Investition.

Acht Schwestern.

Mein Großvater in Thüngen war mit acht älteren Schwestern gesegnet, die ihm in der Masse aber auch als Einzelpersonen ganz haarig auf die Nerven gingen.

Er hatte es aber auch schwer, weil sie ihn im hohen Alter noch so behandelten, als sei er der kleine Bub, der er 70 Jahre vorher gewesen war.

Es war schier unmöglich, ihnen irgendetwas recht zu machen, was womöglich auch daran lag, dass Großvater sich für Landwirtschaft und Jagd interessierte und sonst für wenig anderes.

Wenn man sich die Berufe der Ehemänner ansieht, wird deutlich, wie weit die Lebensabläufe der Geschwister auseinanderdrifteten. Der eine war Kunstprofessor, der andere Prälat, der nächste Hotmarschall am Coburger Hof, dann kam eine Schwester, die zunächst einen Offizier und dann einen Prinzen heiratete, Tante Hatschwig hieß eigentlich Hedwig, da sie aber einen schlecht verheilten Beinbruch mit sich rumschleppte, hatschte sie. Immerhin war ihr Mann Landwirt. Tante Ruth war Diakonisse, deren jüngere Schwester war mit dem Direktor des CVJM verheiratet und die Jüngste brachte noch einen Pfarrer in die Familie.

Großvater schien irgendwie religiös überfüttert und lehnte das dauernde Gerede über Frömmigkeiten von Grund aus ab. Als einmal bei Mokka nach dem Mittagessen über Simonie gesprochen wurde, für mit der Materie nicht so Vertraute, das ist der Kauf kirchlicher Ämter und Pfründen, verbat er sich, beim Käffchen über solche Sauereien zu reden.

Vor Weihnachten fragte er reihum, was sich die Schwestern denn wünschten. Einen Mantel, sagte eine von ihnen.

Später beschwerte sie sich, dass er braun wäre, da doch ihr Schwiegersohn gerade im Sterben liege.

Der Höhepunkt war immer dann erreicht, wenn das Telefon klingelte, und eine der Schwestern mit brechender Stimme hauchte: „Wennste mich noch emal sehn willst, mach schnell.“

Sofort setzte sich der liebende Bruder ins Auto und fuhr zum jeweiligen Wohnort der Sterbenden, wo er sie mit rosa Bäckchen auf dem Sofa vorfand. Es gab irgend etwas zu besprechen, was der Schwester wichtig war, von dem sie aber wusste, dass es dem Bruder im besten Sinne wurscht war. Ohne die Berufung auf ihr nahes Ende, das wussten sie alle, würde er niemals gekommen sein.

Als unsere Großmutter früh und plötzlich verstarb, kamen alle Schwestern nach Thüngen und betrauerten die Schwägerin ehrlich.

Nach der Trauerfeier versammelte die Frau Prälat ihre Schwestern um sich. Sie hatte das Sagen, weil, wie man sagte, ihr Zeigefinger länger war als ihr Mittelfinger, was dem, was sie wagte deutlich mehr Gewicht verlieh.

Sie sah ihren Schwestern streng in die Augen und erließ dann folgenden Befehl:

„Jetzt wird fei nicht gleich weitergestorben! Und wenn, Anna, der Reihe nach.“

Das tat die dann auch,

Nummer 45 ist systemimmanent.

Als mein Vater in amerikanischer Kriegsgefangenschaft mit der Bahn von A nach B transportiert wurde, wollten alle, die sonst auch noch in diesem Zug reisten, den Feind sehen. Eine nicht enden wollende Prozession Neugieriger zog an seinem streng bewachten Abteil vorbei. Schließlich baute sich dort ein alter Farmer auf, schaute sich den Mann in der fremden Uniform genau an und dann sagte er: „I thought, all Germans are black!“

Von dieser vollkommenen Unkenntnis dessen, was außerhalb der USA los ist, berichteten immer wieder Freunde, die das Land besucht hatten. Da stünde in der Regionalzeitung, dass Mrs. Williams nach Boston gereist sei, um dort ihren Sohn zu besuchen, aber darüber, dass in Paris (France) ein neuer Präsident gewählt worden sei, darüber erführe der geneigte Leser nichts.

Als Europäer, das muss man zugeben, fällt es schwer, die schiere Größe der USA zu ermessen und zu verstehen. Und noch schwieriger ist es wohl, sich die unendliche Langweile vorzustellen, die in weiten Teilen des mittleren Westens herrscht.

Vor Jahren bin ich mit meiner Frau und guten Freunden von Denver nach Santa Fe im Auto gefahren. Auf halber Strecke machten wir in einer Stadt mit dem vielversprechenden Namen Trinidad Station, um einen Kaffee zu trinken. Ich erinnere mich noch heute an den Schock, den ich damals erlitt, denn ich hatte noch nie zuvor eine vergleichbare Ansammlung menschlicher Behausungen gesehen, wo so absolut nichts los war, wie dort, niente, nada.

Vor einer solchen Stadt kann man entweder fliehen oder man muss dort verwurzeln. Dann aber sollte man sich zufriedengeben mit dem, was vorhanden ist (nada) und vom Blick über den Zaun ist dringend abzuraten.

Abgesehen von dieser erlebten Trostlosigkeit ist das Land tatsächlich so groß und vielfältig, dass ein US Bürger es gar nicht nötig hat, sein Land zu verlassen.

Vergessen wir nicht, dass George Dabbljuh Bush zum ersten Mal außer Landes reiste, als er schon Präsident war.

Kurz, es gehört zum Selbstverständnis eines Amerikaners, zu denken, dass „Gods own Country“ alles hat und bietet, was der Mensch braucht. Der Rest der Welt mit seinen Verboten, Waffen zu tragen, seinen Sozialversicherungen, diesen Autos, die fast keinen Sprit verbrauchen, und anderem Zeugs, was die dort „Errungenschaften“ nennen, all das stört nur und ist zutiefst unamerikanisch.

Wenn man sich in die Gedanken eines Durchschnittsamerikaners hineinversetzt, dann war die die Epoche nach dem 2. Weltkrieg ein einziger Irrtum. Was hat mein Land auf der Weltbühne verloren? Das ist nur teuer und kostet unseren „boys“ das Leben. Wie kommen die da in Washington dazu, unsere Soldaten nach Vietnam, Afghanistan und Irak zu schicken? Was haben wir davon?

Insofern hat jetzt der 45. Präsident sein Land wieder dorthin geführt, wo eine schweigende Mehrheit es schon immer haben wollte: Sich selbst genügend und auf die eigene Stärke vertrauend.

Es war nur Zufall, dass N° 45 seine in unseren Ohren so peinliche Rede in Davos gehalten hat. Sie war für das Publikum zu Hause bestimmt, dem er davon erzählte, dass die USA jetzt wieder groß dastünden, und nachdem er`s den anderen mal so richtig gezeigt hätte, die Wirtschaft boome und man sich um sonst rein gar nichts Sorgen machen müsse.

Es ist in den Ohren seiner Wähler die Bestätigung dessen, dass die auf Multilateralismus aufgebaute Welt vor seiner Präsidentschaft den anderen nützt, nicht aber den USA.

Wenn man den geographisch und geschichtlich gewachsenen Hang zur Isolation vieler Amerikaner verstanden hat, dann ist das Verhalten ihres Präsidenten systemimmanent.

La Habana an der Moldau

Als der eiserne Vorhang brüchig zu werden begann, besann man sich in Spanien wieder der alten Kolonie, dem sagenumwobenen, ja paradiesischen Kuba. Die Reisenden kamen mit Berichten nach Hause, die besonders die männliche Bevölkerung zu dem Entschluss brachten, auch einmal in dieses gelobte Land reisen zu müssen. Plötzlich gab es ab Madrid und Barcelona Direktflüge nach La Habana und meine beiden Partner in der Kanzlei, der eine noch ledig, der andere frisch geschieden, überlegten, dort eine Dependance aufzumachen, das hätte ja auch den Vorteil, dass die Flüge steuerlich absetzbar wären.

Es wurde nichts daraus, aber andere setzten die guten Vorsätze um, so nahm ein Notar einen Lehrauftrag an der Universität der Hauptstadt an, ein anderer beteiligte sich an einer Mineralwasserquelle. Wichtig war nur, einen Grund zu haben, öfters hinfliegen zu können, ja zu müssen.

Wenn Fidel stirbt, kommt die Nacht der langen Messer. Nur wer schon vorher dort ist, wird auch bleiben können. Das war die Devise.

Nach einigen Semestern besuchten den Lehrbeauftragten erste Praktikantinnen in seinem Notariat in Palma, und lernten mit Erstaunen, was Eigentum ist und dass man es übertragen kann.

Seltsamerweise waren es stets Damen, die sich dadurch auszeichneten, dass sie, um es milde auszudrücken, visuell wenig hergaben. Ich fragte den Notar, ob es auf Kuba nur Hässliche zur Notarin bringen könnten, worauf er nur antwortet, nein, nein, die Hübschen machten andere Sachen.

Als wenige Jahre später der eiserne Vorhang in Europa gänzlich verschwand, breitete sich sehr bald die gute Mär aus, in Prag, der goldenen Stadt an der Moldau herrschten ähnliche Zustände wie im doch etwas entfernt gelegenen Kuba. Bald gab es Charter Flüge zwischen Palma de Mallorca und Prag. Man könne am Freitagabend hinfliegen und am Montag in der Früh sei man schon wieder an seinem Arbeitsplatz.

Da machten sich auf auch Rafa und Pepe in das tschechische Land zu der Stadt die da heißet Praha.

Nun ist es ja so, dass bis vor wenigen Jahren die Kenntnis von Fremdsprachen in Spanien – besonders unter Akademikern – wenig verbreitet war. Die Kellner an der Playa de Palma konnten besser ausländisch als alle Ärzte, Anwälte und Steuerberater der Insel zusammen.

Die Sprachbarriere, die zunächst als Hindernis angesehen wurde, konnte bald geknackt werden, als sich nämlich herausstellte, dass es in Prag junge Damen gab, die im Zuge der brüderlichen und sozialistischen Hilfe Fidel Castro geholfen hätten, dessen Vorstellungen von Kommunismus in die Tat umzusetzen.

Ihr müsst nur in eine Bar gehen und lauft spanisch sprechen, das haut immer hin, denn eingeladen werden wollen sie alle.

Das klappte auch bei Rafa und Pepe hervorragend, bald schon kamen sie mit zwei bildhübschen Frauen ins Gespräch. Man tanzte, die Korken flogen nur so aus den Krimsektflaschen und schließlich landeten die vier in einem angesagten Restaurant, wo bei viel tschechischem Bier und gutem Essen das Weitere vorbereitet werden sollte.

Man redete über dies und das und dann machte Pepe den Fehler, davon zu sprechen, welches Glück die beiden Maiden doch hätten, dass der bekloppte Sozialismus endlich vorbei sei.

Die Minen der beiden Tschechinnen verfinsterten sich. Es stellte sich heraus, dass sie bei der kommunistischen Partei gearbeitet hatten, ein Traumjob, der leider bedingt durch die Zeitläufte verloren gegangen sei.

Pepe und Rafa befürchteten bereits, der investierte Schampus, die menschliche Zuwendung und die Powidl Datschgerln, die gerade zum Nachtisch serviert wurden, wären umsonst investiert worden, als Rafa eine rettende Idee hatte.

Er erhob sein Bierglas und rief laut in den Speisesaal hinein:

Viva Fidel Casto!

Da konnten auch die Ex-Sekretärinnen einstimmen, der Abend war gerettet und Pepe und Rafa erzählten noch wochenlang davon, dass Prag tatsächlich golden sei.