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Das Gewaltmonopol des Staates.

Wir leben in bewegten Zeiten, die vielen Bürgern oft zum ersten Mal spüren lässt, dass es einen Staat gibt, der direkt in sein Leben eingreift.

Es ist daher nicht verwunderlich, dass da manchmal die Begriffe durcheinander geraten.

Nur um ein Beispiel zu nennen:

Es gibt Mitbürger, die empfinden das Prinzip des Gewaltmonopols des Staates als ersten Schritt in Richtung Tyrannei.

Das Gegenteil ist richtig, denn dieser Grundsatz eines Rechtsstaates besagt nichts anderes als dass nur der Staat und dann stets nur auf Grund einer gesetzlichen Autorisation Gewalt ausüben darf.

Unter dem Begriff „Gewalt“ darf man sich keine Pausenhofprügelei vorstellen. Unter staatlicher Gewalt versteht man die Möglichkeit und Notwendigkeit staatliches Handeln auch gegen den Willen Einzelner durchsetzen zu können.

Wer geht schon gern in den Knast? Wenn der Richter einen Kriminellen zu fünf Jahren Haft verurteilt, dann ist das staatliche Gewalt.

Jeder von uns kann Verträge schließen. Nehmen wir den Kauf einer Waschmaschine auf Raten. Wenn es da mit der Abstotterei nicht so richtig klappt, kann der Verkäufer nicht einfach das gute Stück wieder abholen. Das wäre Nötigung. Was ist das?

§240 des Strafgesetzbuches sagt es: „Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt…

Wenn der Verkäufer der Waschmaschine denkt, er habe einen Anspruch auf Herausgabe, dann darf er dies nicht in die eigene Hand nehmen. Er muss vor Gericht ziehen, wo festgestellt werden wird, ob dieser Anspruch besteht oder nicht. Wenn ja übernimmt der Staat die Gewalt für den Verkäufer und nimmt dem säumigen Zahler das Ding wieder ab.

Man stelle sich vor, es gäbe das Gewaltmonopol des Staates nicht. Es herrschte im Geschäftsleben bald das Recht des Stärkeren und auf den Straßen käme es zur Lynchjustiz, Stichwort: „Zwirnt na nauf!“

Das Gewaltmonopol des Staates ist einer der Grundpfeiler, der ein geordnetes Miteinander in einem Rechtsstaat garantiert.

Wir erinnern uns: Jedes staatliche Handeln, egal, ob es der Bürger als Wohltat oder Zwang empfindet, darf nur und ausschließlich dann erfolgen, wenn es durch ein Gesetz so geregelt ist.

Aber es gibt Ausnahmen. Bei staatlichem Handeln ist das der übergesetzliche Notstand. Der 1961 trat bei der Flutkatastrophe in Hamburg ein, als der damalige Innensenator Helmut Schmidt am Grundgesetz vorbei die Bundeswehr um Hilfe bat.

Die andere Ausnahme gilt für jeden einzelnen von uns. Es ist die Notwehr bzw. die Nothilfe.

Man darf sich nicht von dem womöglich missverständlichen Begriff „Gewaltmonopol des Staates“ irre machen lassen. Er hat nichts mit Willkür oder Tyrannei zu tun.

Wir sollten überhaupt in diesen Tagen wachsender Besorgnis, die manchmal die Grenzen der Hysterie erreicht, uns gedanklich nicht verführen lassen.

Der Staat ist nicht unser Feind, auch wenn mancher das so darzustellen versucht.

Grundrechte sind nicht reziprok

Gestern sah ich auf facebook einen übel zugerichteten Mann in Ketten. Darunter stand, das sei einer, der Minderjährige vergewaltigt habe und im Gefängnis von seinen Mitgefangenen 20 Stunden lang „behandelt“ worden sei. Er habe das verdient, wenn nicht Schlimmeres.

Zunächst ist dazu zu sagen, dass es ein Totalversagen der Gefängnisverwaltung ist, wenn es gelingt, einen Häftling 20 Stunden lang zu quälen.

Doch nun zu meinem Hauptanliegen: Der Mann hat weder das noch Schlimmeres verdient.

Es ist schwer zu verstehen, aber die Tatsache, dass sich ein Vergewaltiger nicht um die Menschenwürde seiner Opfer schert, bedeutet nicht, dass dadurch seine eigene Menschenwürde antastbar würde.

Aus zwei Gründen: Das Recht zu strafen liegt ausschließlich in der Hand des Staates. Man nennt das Gewaltmonopol. Nur der Staat durch seine dazu per Gesetz ermächtigten Organe darf strafen. Damit soll unter anderem der Lynchjustiz („zwirnd na nauf!“) entgegengetreten werden, aber es soll damit auch gesichert werden, dass vergleichbare Straftaten vergleichbar bestraft werden.

Der zweite Grund ist Artikel 1 unseres Grundgesetzes: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Das ist ein absoluter Satz. Er kann nicht relativiert werden. Die Menschenwürde gehört zu den Grundrechten und die sind durch die Ewigkeitsgarantie des Grundgesetzes geschützt (Art 79,3 GG).

Das bedeutet, die Grundrechte dürfen weder abgeschafft noch in ihrem Wesensgehalt verändert werden.

Offenbar existiert im Bewusstsein vieler Menschen der Grundgedanke, dass nur dem Gutes zusteht, der selbst gut ist, also Menschenrechte nur für den, der diese auch selbst praktiziert. Das klingt zuerst einmal einleuchtend. Das aber kann nur dort funktionieren, wo ein Tyrann oder ein tyrannisches System für sich in Anspruch nimmt, Wohltaten oder deren Gegenteil unter der Bevölkerung zu verteilen.

Demokratische Verfassungen wollen gerade dies verhindern. Nicht der gesunde Menschenverstand oder das Empfinden der Masse ist entscheidend, sondern das, was das Recht sagt. Das Recht in einem demokratischen Staat hat seine primäre Aufgabe darin, das Individuum vor der Übergriffigkeit von Staat und Mitmenschen zu schützen.

Grundrechte sind niemals reziprok. Das ist an der Religionsfreiheit, ein weiteres Grundrecht, besonders deutlich zu erklären: Immer wieder wird gefordert, in Deutschland nur in dem Maße Moscheen zuzulassen, in dem die muslimischen Staaten den Bau christlicher Kirchen erlauben.

Dass vielerorts das Christentum oder andere Religionen unterdrückt werden, ist primär ein Zeichen dafür, dass in diesen unterdrückenden Staaten keine demokratischen Verhältnisse herrschen.

Es kann nicht sein, dass ein demokratischer Staat mit undemokratischen Mitteln reagiert, nur weil undemokratische Staaten undemokratisch handeln.

Es ist immer wieder erstaunlich festzustellen, wie sehr mündige Staatsbürger die Grundrechte genießen, ohne zu wissen, was das für sie selbst aber auch für ihre Beziehungen zu den anderen bedeutet.

Jeder hat das Recht, über Verbrechen, Untaten, Ungerechtigkeiten und Missbrauch jeglicher Art empört zu sein. Aber niemand, wirklich niemand hat das Recht, dasselbe in die eigene Hand zu nehmen. Wenn wir sehen, dass diese Maxime vielerorts nicht eingehalten wird, bedeutet das nicht, dass wir uns auch nichtmehr daran halten müssen.

Es gibt keine selektive Zuteilung von Grundrechten. Wo dies dennoch geschieht, herrscht das Unrecht.