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A Fichürla wie a Deichmolch

Bei Kindern ist immer irgendwas Mode und das wird dann bis zum Abwinken betrieben, sei es Fahrradfahren, Ritterles, Fangerles, Fussball oder Versteckerles. Bei meinen Vettern in Thüngen war lange Zeit das Fangen und Halten von Teichmolchen große Mode. In Eimern, Weckgläsern oder Bierflaschen wurden die bedauernswerten Viecher gehaltern, manchmal auch in Freigehegen, die den zusätzlichen Reiz brachten, die Lurche über Nacht am Abhauen zu hindern, was meist misslang. Tagelang standen wir in moddrigen Pfützen und Tümpeln, um mit der Hand oder mit einem kleinen Netz die Teichmolche wieder einzufangen, die uns in der Nacht zuvor abhandengekommen waren.

Es war Sommer, wir hatten nur kurze Lederhoden an und waren alle braungebrannt, als kämen wir gerade von der Adria zurück. Auf dem Thüngener Schlosshof versuchten auch unsere Tanten, braun zu werden. Sie lagen züchtig im einteiligen Badeanzug auf Liegestühlen. Bewegungslos und mit geschlossenen Augen dienten sie dem Gott der Schönheit.

Natürlich schauten wir, die vorpubertären Burschen, uns genauer an, was da geboten wurde, wobei der Gedanke, die Tanten mit Wasser zu bespritzen, das Verlockendste an dem ganzen Unternehmen war. Allerdings trauten wir uns das nicht und spielten weiter Teichmolch-Dompteure. Die eher plumpen Tierchen gediehen in unserer Obhut und unserer Phantasie zu wunderschönen  Geschöpfen, wir bewunderten ihre Behändigkeit und Eleganz im Wasser und belachten ihre Unbeholfenheit auf dem Sand.

Eines Tages sonnte sich Tante Christa auf dem Schlosshof, und, unerhört, sie tat es im Bikini. Zunächst aus der Distanz dann zögerlich näherkommend betrachteten wir dieses außergewöhnliche Schauspiel mit Interesse. Irgendwann bemerkte sie uns und öffnete die Augen. Verlegen standen wir nun rum, bis einer von uns die Situation so erklärte und entschärfte:

„Danbde Grisda, du hasd fei a Fichürla wie a Deichmolch!“

Neulich haben wir ihren 85. Geburtstag gefeiert und dabei festgestellt, dass ihr „Fichürla“ unverändert geblieben ist.

Tod in Franken

 

Der Tod wird in Franken erfreulicherweise als das behandelt, was er ist: Ein zwingend vorgegebener Teil allen Lebens.

Verbal führt das manchmal zu seltsamen Höhenflügen wie etwa diesem im Diskant vorzutragenden:

„Lina geh a mol spaß halber rübä.“

„Wos is denn?“

Dei Mo is gschdorm.“

„Ja, erschd wird gassn!.“

Wenn auf der Straße der plötzliche Tod eines Nachbarn besprochen wurde, war das Folgende unweigerlich Bestandteil der Tratsches:

„Ledsda Wuchn hob ich na fei nuch gsenn. Hab ich na fei nuch gagrüsd. Had er fei nuch gadangd“. Im deutschen Besinnungsaufsatz hätte Lehrer mit roter Tinte an den Seitenrand geschrieben: „Bezug?“

Eine andere Geschichte erzählt von eineiigen Zwillingen, die sich so ähnlich waren, dass die Eltern nicht wussten, wer der Schorsch und wer der Luddwich war. Es endet grausam so: „Zern guudn Glügg is nacher aaner gschdurm. Wer, ham sa ned gewissd, aber der wo übrich gabliem ist, den hamsa nacher Schorschla gheisn.

Eine meiner Tanten, sie lebte auf dem Lichtenstein, hatte ein gestörtes Verhältnis zur Buchführung. Die besorgte ihr der Direktor der Raiffeisenkasse, der bei ihr extremen Geiz feststellte. Er fasste diesen seinen Eindruck in folgende Worte:

„Das ledsde Hemd had keine Daschn!“ Die Tante entsagte daraufhin seiner Hilfe, was sie bei der darauffolgenden Steuerprüfung arg bereuen musste.

Berühmt waren die Grabreden vom Biggo. Er war der Wirt der „ündern Wirdschaft in Rentweinsdorf. Er gab sich als Atheist, im Nachhinein glaube ich, dass er ein in der Wolle gefärbter Nazi war. Aber er konnte reden und er war Mitglied im Kriegerverein.

In der Schlosswirtschaft hatte damals der Hochs Karl erzählt, er sei aus dem Fußballverein ausgetreten, weil dort der Jahresbeitrag 50 Mark kostete, der im „Griecherverain“ aber nur 30. „Un an Granz griech ich aa!“ Das zeigt, wie sehr man sich auf das eigene Sterben vorbereitete.

Um die Weihnachtszeit passierte im Ort ein schrecklicher Unfall. Ich glaube, es war der Regs Schuster, der unter seinem umgefallenen Traktor starb. An seinem Grab stand der Biggo und rief mit seiner sonoren Stimme den Trauernden zu: “In dieser frohen Weihnachdszeid, wo das Lichd zu uns Menschen kummd, da sengde sich eine dungle Wolge der Drauer und Verzweiflung über uns Gristenmenschen…“ Die Gemeinde war beeindruckt, der Pfarrer befürchtete, der Biggo könne ihm die Schau stehlen.

Wenn einer starb, nein eine starb, der man nachsagte, sie habe „a Guschn wie a Schwerdd“, dann fragte man die Hinterbliebenen: „Habd Ihr hoffendlich ned vergessn, die Guschn extra dod zern schlogn?“

Es ging direkt und grausam zu, aber immerhin redete damals noch keiner euphemistisch von „heimgehen“ oder „wenn mir mal was passieren sollte“.

Manchmal wünschte sich auch einer, dass was passierte. Es war natürlich der Schmitt´s Adel, der meinen Vater dies fragte:

„Herr Baron, ham Sie denn scho den Abschußblan ferddich?“

Als mein Vater bejahte, kam dies: „Schood derfür, ich hädd Sie sunsd gabädn, äss Sie mein Alda mid drauf sedserdn.“ Seine Frau, die Schmitt´s Kalina, stand neben ihm.

„Fregger, ehländer“ schimpfte sie, und dann lachten alle drei.

 

Bad Kissingen

Ümä, unsere Rentweinsdorfer Großmutter, verbrachte alljährlich den September in Bad Kissingen, zur Kur, wie sie sagte.

Das war immer ein großer Aufwand. Sie fuhr mit Lenzer, der vom Kutscher zum Chauffeur ihres Mannes mutiert war. Er hatte zu diesen Gelegenheiten eine Uniform an: Schwarze Schaftstiefel, hellbraune Breeches, dazu passende Jacke aus Tweed und natürlich eine Kappe, wie sie damals bei Taxifahrern noch üblich war. Das Auto wurde mit Koffern und Hutschachteln beladen, dann hielt der Lenzer die Tür auf und Ümä stieg ein. Das Ganze hätte etwas Majestätisches gehabt, wäre das Auto nicht ein grüner Volkswagen Käfer gewesen.

Ümä wohnte in Bad Kissingen immer im Haus Thea, ein Kurhotel, das es heute noch gibt. Da sie dort schon seit Jahrzehnten logierte, gab es zunächst einen Blumenstrauß vom Kurdirektor, später kam er höchstselbst vorbei.

An sich wollte Ümä während ihrer Kur ihre Ruhe haben aber einmal durften wir sie immer besuchen. Das lief stets gleich ab: Bötchen Fahrt vom Rosengarten zur Saline auf der Saale. Ein durchaus aufregendes Unternehmen, besonders dann wenn sie die beiden Schiffe auf dem Fluss trafen. Eines hieß „Kissingen“, das andere „Saline“. Was für eine Eruption an Geist und Esprit!

An der Saline gab es ein Eis am Stil und dann ging es zurück zum Rosengarten. Dort verabschiedete sich Ümä von uns, sie war ja auf Kur. Weshalb war unklar. Unser Vater sagte, sie sei kerngesund und halte in Kissingen Hof. Offenbar haben die Kuren ihr gutgetan, denn sie wurde 90 Jahre alt, ein damals biblisches Alter.

Nachdem uns Ümä losgeworden war, fuhren wir ins Schwimmbad. In Bad Kissingen gab es nach dem Krieg eines der ersten und spektakulärsten Freibäder von ganz Unterfranken. Es gab ein Springerbecken und ein weiteres, in dem man auf langen Bahnen trainierte oder einfach nur plantschte. Der Clou war, dass auf der Talseite des an den Hang gebauten Springerbeckens Fenster eingebaut waren, so dass alle den Künsten der Springer und der übrigen Badenden auch „unterwässerig“ zuschauen konnten.

Das Schwimmbad war eine Attraktion und ständig überfüllt. Eine Tante, die dort gebadet hatte, wurde gefragt, wie es gewesen sei. Ihre Antwort: „Ich habe einen Stehplatz neben einem Neger bekommen.“

Was uns heute stutzen lässt, war damals vollkommen normal. Der latente Rassismus war allüberall zu bemerken. Wobei das unserer Tante sicherlich überhaupt nicht bewusst war. Sie war auch über jeden Verdacht erhaben. Ihr Mann hatte wegen zu großer Nähe zu Stauffenberg und den Männern des 20.Juli in Haft gesessen und nach dem Krieg hatte sie einen geflohenen Verwandten, der bei ihr Unterschlupf gefunden hatte, hochkant rausgeworfen, als der sich in antisemitischen Reden erging.

Am späten Nachmittag fuhren wir heim. Spätesten an der Schwarzen Pfütze war uns schlecht, denn nachmittags lud uns der Vater in die Kauerei ein, Konditorei konnten wir nicht aussprechen.

Die Schwarze Pfütze, heute abseits der Autobahn, war damals ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt. Dort kreuzten sich die Kreisstraße 8 und die Staatsstrasse 2445. In meiner Erinnerung bestand der Ort aus einer Tankstelle und einem übel beleumundeten Wirtshaus.

Der jährliche Besuch in Bad Kissingen war für uns jedes Mal ein Ausflug in die große, weite Welt.

Das ist bestimmt ein Spion!

Während des Krieges war Groga, unser Großvater aus Thüngen, irgendetwas beim Geheimdienst gewesen. Ab und zu zog er seinen schweren Mantel an und setzte seinen Jagdhut auf. So ging er in die Allee vor dem Schloss und wartete auf den BND Chef Gehlen. Nach einer halben Stunde kam er zurück, alles war sehr geheim aber natürlich war es überaus wichtig.

Heute würde man sagen, Groga war ein großer Verschwörungstheortiker. Am Telefon sprach er in Abkürzungen. „W. hat mit L. gesprochen“. Allen war klar, dass Onkel Woff und Tante Liesel gemeint waren.

Eines Tages kam ein Brief aus Polen. Willy Brandt war kurz zuvor vor dem Ehrenmal für die Toten des Warschauer Ghettos niedergekniet. In dem Brief bat ein Sammler von Bier Etiketten um Proben aus der Thüngener Brauerei. „Kommt nicht in Frage, das ist bestimmt ein Spion“. Schorsch und ich haben dann heimlich doch Etiketten und ein paar Bierdeckel nach Polen geschickt. Erstaunlicherweise wurden daraufhin weder das Brauen noch die Auslieferung der Produkte der Schlossbrauerei Thüngen sabotiert.

Am schönsten und am dauerhaftesten aber war sein Verdacht, ein Flüchtling aus Ostpreußen, der im Ort gestrandet war, könnte ein Wilderer sein. Nennen wir ihn Dabar. Herr Dabar hatte die Angewohnheit tägliche längere Spaziergänge über die Thüngener Flur zu machen. Dabei traf er zwangsläufig mit dem Herrn Baron zusammen, der ebenfalls täglich mit seinem Mercedes 170 nach dem Rechten sah.

Es war dies ein uraltes Ungetüm von Auto. Im TÜV Bericht stand: „Zustand bedenklich, Pflege verbissen.“

Groga suchte immer mit dem Feldstecher nach Wild, sah aber öfters nur den einsamen Wanderer. Das ärgerte ihn zunehmend, weil er erstens eben kein Wild sah und zweitens, „was sucht der Kerl in meinem Jagdrevier?“ Langsam baute sich unser Großvater um den Dabar einen Popanz auf. Und wir machten uns einen Spaß daraus.

Damals gab es eine Hamsterplage und Schorsch und ich jagten sie, indem wir den Bau mit Wasser füllten und so den Hamster zur Flucht zwangen. Sehr erfolgreich waren wir nicht, aber beim Abendbrot erzählten wir, wir hätten den Dabar gesehen. Ganz steif sei er gegangen, und mitten im Sommer habe er einen langen Mantel angehabt. Die Geschichte war von A bis Z erfunden. Ihre Wirkung war dennoch mit einer Atombombe vergleichbar. Groga fuhr noch mal hinaus, wir lotsten ihn irgendwo hin und der Zufall wollte es, dass tatsächlich ganz hinten bei der Buchenhöll eine Gestalt zu sehen war. Groga zückte das Fernglas und wir hörten ihn nur murmeln „der Dabar, der Dunnerkeilsfregger!“

Mit aufheulendem Motor fuhr er auf den Wilderer zu und als wir nah genug dran waren, sahen wir, dass er mit kurzer Hose und Unterhemd bekleidet war. Groga drehte bei, bestand aber darauf, dass der Dabar für morgen das Terrain sondiere.

Nie wurde ein Wilderer noch Spuren von Wilderei entdeckt. Aber der Dabar war und blieb einer, der mit abgesägtem Stutzen Hase, Reh und Schnepfe unwaidmännisch meuchelte, um sich seinen Ranzen zu füllen.

Wir liebten unseren Großvater sehr. Auch wegen seiner Schrullen. Mein Vater, sein Schwiegersohn, nannte so etwas „berechtigte Eigentümlichkeiten“.

Meine Kinder sagen unterdessen, ich hätte auch so was. Ich lass sie es nicht merken, aber irgendwie bin ich stolz darauf, in mir Grogas Gene zu entdecken.

 

 

 

Die arme Verwandtschaft

Die Rolle der armen Verwandtschaft übernahm bei uns ausgerechnet ein Herzog. Onkel Adolf hatte eine Schwester unseres Großvaters in Thüngen geheiratet. Er war ein Herzog von Mecklenburg und war bettelarm. Bei Verwandten wohnte er im Eutiner Schloss und weil er dem deutschen olympischen Komitee angehörte, stellte ihm dies bei Bedarf ein Auto mit Chauffeur zu Verfügung. Damit kam er jeden Sommer nach Thüngen zu Besuch, „auf einen Bock“, wie man damals sagte. Da er auf dem rechten Auge wenig sah, aber extremer Rechtshänder war, hatte er eine Büchse mit einem Schaft, der von der rechten Backe vor seiner Nase herum vor das linke Auge führte. Wir fanden das sehr aufregend und durften die ungeladene Waffe anlegen.

Mit seiner Ankunft begannen spannungsreiche Tage, denn unser Großvater, Groga, war ein passionierter Jäger und, wie das so oft bei dieser Spezies Mensch passiert, war er extrem jagdknieperig. Während die beiden auf der Jagd waren, saßen wir im Schlosshof und wenn wir einen Schuss hörten, hofften wir, es falle noch einer. Denn wehe Onkel Adolf hatte einen Bock geschossen und unser Großvater nicht! Dann sank die Laune beim abendlichen Schoppen auf den Nullpunkt. Onkel Adolf machte das alles gar nichts aus. Er zeigte uns Kindern, wie man Flamenco tanzt und erzählte Geschichten aus Afrika. Zu Kaisers Zeiten war er Gouverneur von Togo gewesen und hat in seiner Dienstzeit fleißig dazu beigetragen, die Hautfarbe der Bevölkerung aufzuhellen. Davon erzählte er uns aber nichts. Nicht ganz uneigennützig erließ er 1913 ein Dekret, das es verbot, bei nichtehelichen Geburten dem Kind den Nachnamen des Vaters zu geben. Das war im Gegensatz zur Heimat in den Kolonien üblich gewesen. Onkel Adolf war ein großer Forschungsreisender und hat als erster Mensch die Sahara mit dem Auto durchquert. Franzosen sind da wohl anderer Meinung. Unbestritten sind seine Reisen mit dem Auto durch Indien und Südamerika.

Wenn er erzählte, hingen wir Kinder an seinen Lippen und der Rest der Bewohner des Thüngener Schlosses auch, selbst dann, wenn die Geschichten schon bekannt waren. Onkel Adolf war ein begnadeter Erzähler.

Nur unser Groga muffelte herum, es sei denn, er hätte auch einen Bock geschossen, oder aber, Gipfel des Glücks, nur er kam mit Beute heim. Dann gab es den besseren Wein.

Wir wussten natürlich nichts davon, dass Onkel Adolf, wie so viele aus den ehemals regierenden Häusern, eine durchaus fragwürdige Nähe zu denen hatte, die in Deutschland zwischen 1933 und 1945 das Sagen hatten. Da er 1969 starb, kam das irgendwie noch nicht und später nicht mehr zu Sprache.

Statt dessen buhlten wir um seine Zuneigung, denn er hatte manchmal außergewöhnliche Geschenke im Gepäck. Einmal kam er von einer Sitzung des Olympischen Komitees aus Frankfurt nach Thüngen und verloste ein Plakat, das für die Olympiade in Tokio Reklame machte. Ich habe es gewonnen und über Jahre in hohen Ehren gehalten.

Tante Alli, Onkel Adolfs Frau, war meine Patentante. Zum Geburtstag bekam ich von ihr immer eine Tafel Schokolade. Als ich einmal vergaß, ihr einen „Bedankemichsbrief“ zu schreiben, bekam ich nie wieder irgendwas. So streng war’n da die Bräuch.

Beide sind neben dem Ratzeburger Dom begraben. Der Dom und das Stiftsgebiet Ratzeburg gehörten zu Mecklenburg. Da dies links der Elbe lag, blieb dieser Flecken Erde sowie eine Elbwiese bei Dömitz für Onkel Adolf das einzige Stückchen Heimat außerhalb der DDR.

 

Der Badeofen ist geplatzt!

Das Badezimmer unseres Großvaters in Thüngen hatte zwei Türen, eine zur Küche, die andere zu seinem Schlafzimmer. Das führte dazu, dass zumindest akustisch seine Badefeste in aller Öffentlichkeit stattfanden. Wir hörten immer gebannt zu, wie er plantschte, prustete und sich mit Wasser überschüttete, denn unweigerlich kam irgendwann eine Schimpfkanonade. Groga, so nannten wir unseren Großvater, badete lange und da wurde das heiße Wasser langsam lauwarm und wenn er neues Badewasser zulaufen lassen wollte, dann war das eben auch lauwarm. Der holzbefeuerte Badeofen gab einfach nicht mehr her. Es handelte sich um ein älteres Modell, aus Friedenszeiten, sagte man damals noch. Auf einem kleinen Feuerloch stand ein etwa 60 cm dicker und vielleicht 1,80 m hoher Tank. Das Badewasser darin heiß zu machen, bedurfte genauer Vorplanung, zumal dann, wenn Groga im Winter auf die Jagd ging und verfroren nach Hause kam. Dann erwartete er, dass das Badewasser bereits heiß war. Die Misere war halt nur, dass es nie ausreichte.

Ein Fachmann wurde herbeigezogen, der dazu riet, in den Wassertank von oben eine Art Tauchsieder einzuführen, der unabhängig vom Holzfeuer für Nachschub an aufgeheiztem Wasser sorgen würde.

Der Erfolg war mäßig, und zu den Schimpfkanonaden kamen nun auch noch Verwünschungen des unfähigen Klempners hinzu. Wir haben gelauscht und es genossen!

Der Fortschritt lässt sich bekanntlich nicht aufhalten und er kam in den 60er Jahren nach Thüngen in Form der Ölheizung. Alle Öfen wurden umgerüstet und statt des behaglichen Knistern in den Zimmern liefen nun die Ölöfen voll, rußten, und wenn es ganz kalt wurde funktionierten sie nicht mehr.

Auch der Badezimmerofen wurde auf Öl umgerüstet. Dazu wurde der Tank ganz vorsichtig hochgehoben, der Holzofen herausgezogen und ganz vorsichtig durch einen Ölbrenner ersetzt. Es musste dabei stets darauf geachtet werden, dass um Himmels Willen bei der Prozedur dem Tauchsieder oben nichts passierte.

Nun stand in Grogas Badestube ein Ausbund von Modernität, Effizienz und Fortschrittlichkeit: Ein Badeofen, der mit Öl und Strom beheizt werden konnte und zwar gleichzeitig. Bis vor wenigen Jahren hatte es elektrische Badeöfen so gut wie nicht gegeben und mit Öl beheizte schon mal gar nicht.

Zu unserem größten Bedauern hörten nun die Schimpfereien auf, Groga hatte genügend heißes Wasser, aber, ebenso wie der Rest der Familie, misstraute er dem Artefakt. Eine fromme Tante bemühte sogar die Bibel und warnte mit erhobenem Zeigefinger davor, neuen Wein in alte Schläuche zu gießen. Bevor der Ofen angestellt wurde, mahnte Groga stets, man müsse darauf achten, dass der Ofen nicht platze. Allen war klar, dass dieses Unglück früher oder später werde eintreten müssen.

Und dann nahte der erste April. Mein Vetter Schorsch und ich grübelten schon Tage vorher, wie wir wen aus der Großfamilie in den April schicken könnten.

„Dem Groga sagen wir, dass der Badeofen geplatzt ist“, schlug Schorsch vor. Ich hielt das für eine blöde Idee, weil er nie und nimmer darauf reinfallen würde.

Es nahte das Frühstück am 1. April. Wie immer gab es zu Kügelchen gerollte Butter zu den köstlichen thüngener Wecken und wie immer las der Groga die Main Post. „Das ist eigentlich sehr ungehörig“ sagte meine Mutter, „aber seit er Witwer ist kann ihm das keiner mehr verbieten“.

Schorsch hatte sich unauffällig davongemacht. Plötzlich riss er die Tür auf und brüllte in die morgendliche Idylle. “Der Badeofen ist geplatzt!“. Groga schmiss die Zeitung hin und schimpfte wie in alten Tagen, Dunnerkeil, er habe es ja schon immer gewusst, der Heizungsmann sei ein verantwortungsloser Depp. Er stürmte ins Badezimmer, wo der Ofen in alter energetischer Fragwürdigkeit zwar, aber unversehrt stand.

Groga sann auf Rache und freute sich riesig als wir uns umdrehten, nachdem er behauptet hatte, er habe im Rückspiegel einen Elefanten gesehen.

Im Jahr darauf schlug Schorsch den geplatzten Badeofen erneut als Aprilscherz vor. Und siehe da, es funktionierte wieder!

Die Dorett, der Bobbelootz und das Fuchzicherla.

Mein Großvater hatte eine Köchin, die Helga und eine Sekretärin, das Freuln Kühl. Und er hatte die Dorett. Deren Status war ungeklärt. Ihre Bedeutung aber übertraf die der beiden anderen um Längen. Unaufgefordert bekamen wir von ihr ein Stück Würfelzucker, wenn wir sie in der Küche im Mittelstock des Nordflügels besuchten. Das war in den Fünfziger Jahren ein Segen, den „Schleckereien“ gab es einfach nicht.

Die Dorett war unverheiratet. Das war unüblich und verführte zu Spekulationen. Hinzu kam, dass die Dorett im Sommer nackt in der Baunach schwamm, an der Linder Brücke etwa 100 Meter bachaufwärts. Damit wir sie dabei nicht beobachteten, erzählte sie uns, der Bobbelootz bewache ihr Nacktbaden. Nun ist ja allgemein bekannt, dass der Bobbelootz ein kinderzerfleischendes Ungeheuer ist, und so mieden wir den Ort.

Ihr wurde auch nachgesagt, sie sei mannstoll. Das wurde an der folgenden Episode festgemacht: In Rentweinsdorf begann ein junger, unverheirateter Kaplan seinen Dienst. Der machte seine seelsorgerlichen Besuche in Salmsdorf, Treinfeld, Lind und Losbergsgereuth zu Fuß. Dorett, stolze Besitzerin eines Fahrrades, folgte ihm und umkreiste die schwarz gewandete Gestalt des Gottesmannes. Der, eigentlich ganz in seine fromme Lektüre vertieft, bemerkte die damals noch fesche Dorett und fühlte sich in seiner Sittlichkeit bedroht.

Wie erwehrt sich ein Geistlicher der Fährnisse des weltlichen Lebens? Auf Lateinisch natürlich, denn es ist ja nicht die Dorett, die Böses will, sondern der sie umtreibende Leibhaftige.

Und so schleuderte er ihm ein „apage satanas“ entgegen. Sei`s dass der Teufel an dem Tag kein Latein verstand, jedenfalls ließ die Dorett nicht von ihrem Opfer ab und so musste sich der arme Mann bei meinem Großvater beschweren.

Die Dorett wurde vermahnt.

Mein Großvater war krachtaub, aber er wusste ganz genau, wann die Dorett an seiner Tür lauschte. Er bat dann seinen Gesprächspartner, weiterzureden und schlich auf erstaunlich leisen Sohlen zur Tür, riss sie auf und fing die Dorett in seinen Armen auf. Die strich ihre Schürze glatt und ging in die Küche zurück, als sei nichts geschehen.

Die Dorett litt schrecklich darunter, dass ihr Dienstherr über Monate „auf den Tod“ lag und nicht sterben konnte. Eines Morgens im Winter wurde sie bei meinen Eltern vorstellig und sagte: „Die jungen Herrschafdn meinen‘s sicher gud, aber bei die Bauern wär scho längst amal a Fensdä offen gabliem.“

Nach dem Tod des Großvaters bekam die Dorett unten auf dem Hof eine kleine Wohnung. Dort besuchte ich sie oft und gerne, denn statt eines Stückchens Zucker steckte sie mir nun „a Fuchzicherla“ zu und sie brachte mir bei, wie man Pfannkuchen macht, mit Umdrehen in der Luft!

Die Dorett hat die Kindheit von uns fünf Geschwistern begleitet und auch ein Bisschen überwacht. Das war das Schöne an der damaligen Zeit: Das Dorf war unser großer Abenteuerspielplatz, niemand passte auf uns auf und dennoch wären Viele zur Stelle gewesen, wenn doch einmal etwas passiert wäre, an vorderster Stelle sicher die Dorett.

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Wallfahrer ziehen durch das Land mit wehenden Standarten

Franken ist ein konfessioneller Flickenteppich. Vor 1806 bestimmte der Landesherr die Religion seiner Untertanen. Die Übermacht der Bischöfe in Bamberg, Würzburg und Eichstätt führte dazu, dass die kleineren Territorien, in denen Grafen oder Barone das Sagen hatten, evangelisch wurden.

Man war entweder dezidiert katholisch oder dezidiert evangelisch. Als in Thüngen, die kleinere katholische Kirchengemeinde einen eigenen Friedhof haben wollte, baute man darauf auch gleich eine Leichenhalle. „Da bassn fei drei Särch gleichzeidich nei“, gab eine der Bäuerinnen an. Darauf deren evangelische Nachbarin: „Na bassd ner schö auf, äss ihr des Ding immer gscheid voll habd, nacher semmer euch Kuddnbrunser bal los!“

Es herrschte kein Konfessionskrieg, aber man kannte und verstand sich gegenseitig nur wenig. Vielmehr foppte man sich, wo es nur ging. Wenn in der Fastenzeit im katholischen Ebern die Kirchenglocken schwiegen, dann läuteten die in Rentweinsdorf länger und lauter.

Und es konnte noch so heiß sein, wenn die Wallfahrer durch ein evangelisches Dorf zogen, dann hauchte der Heilige Geist „der Mussig“ neue Kraft ein und sie spielten was das Zeug hielt.

Mein Vater wuchs auf der Burg Lichtenstein auf und berichtete, dass es eine Stelle am Waldesrand gibt, von wo auch die „Waler“ zum ersten Mal Kloster Banz und die Wallfahrtskirche Vierzehnheiligen erblicken können. Dort wurde immer eine Dankesmesse gehalten. Er und seine Freunde versteckten sich im Gebüsch und beschossen mit Zwillen die Pilger aber in erster Linie die Blasinstrumente, weil da so schön „ping“ machte, wenn man traf.

Diese ganze Wallfahrerei war uns „Lutherböcken“ natürlich vollkommen fremd. Das hielt unseren Vater aber nicht davon ab, uns ausgiebig und immer wieder nach Vierzehnheiligen mitzunehmen. Jedem, der nach Rentweinsdorf zu Besuch kam, wurden mittels einer Kunstfahrt die Schönheiten Frankens gezeigt und da durfte der „Ballsaal Gottes“, den Balthasar Neumann, auf die linke Mainseite gestellt hatte, nicht fehlen. Die Sammlung der Votivgaben fanden wir als Kinder natürlich viel reizvoller als das atemberaubende Konzept der Wölbungen mit ihren schief gelegten Rippen, oder dem bis zur Grausamkeit realistischen Gnadenaltar. Jeder der vierzehn Heiligen hält „sein“ Folterinstrument in Händen. Vor dem Abbild des Heiligen Dionys ließ Vater uns immer im Halbkreis antreten. Er deutete auf den Mann, der seinen Kopf unter dem Arm trug, und wiederholte jedes Mal: „So werden eure Kinder einmal aussehen, wenn ihr Verwandte heiratet.“

Mich faszinierten die Devotionalienhändler, schon allein deshalb weil ich mich fragte, welchen heiligenden Zweck es denn haben soll, etwas zu kaufen, was im Zweifelsfall von einer Maschine hergestellt worden war. „Immer wenn du denkst es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her“, stand auf einer Kerze. War das ein Bibelspruch? Also, in meiner Kinderbibel kam er nicht vor!

Immer besuchte ich eine besonders dicke Standlfrau und machte dort so lange rum, bis sie vorschlug. „No Bürschla, kaffst hald a Schnabsgläsla fern Vaddi.“ Ich amüsierte mich und gleichzeitig brandete in mir der „furor lutheranus“ hoch: Wie kann man Schnapsgläser neben betenden Händen oder Marienabbildungen verkaufen? Wir hatten den evangelischen Puritanismus eben mit der Muttermilch eingesaugt.

Letztlich aber blieb unser Wissen von der anderen Konfession auf dem Niveau dieses Kinderverses:

So bedn die Kadolischn (aneinanderlegte Hände)

So bedn die Efangelischn (gefaltete Hände)

So bedn die Oxn (aneinandergelegte Fäuste)

Und so gehd das Boxn (der Nebenmann bekam Prügel)

 

Die Schelle

Wir Kinder hatten einen Spielschrank. Es war eigentlich ein etwas tiefer geratenes Regal mit einem Vorhang davor. Letzterer hatte den Vorteil, dass man die Unordnung dahinter nicht sah, aber er störte halt beim Rausnehmen der Spielsachen und noch mehr beim Aufräumen.

Im Spielschrank wurden unsere Modellautos aufbewahrt, aber auch Bauklötze, zwei große LEGO Kästen, Werkzeug, Bälle und eine Burg, die wir aus Holzteilen immer wieder anders zusammenbauen konnten.

Jeden Abend mussten die Spielsachen in den Spielschrank geräumt werden. Das fand ich vollkommen idiotisch, denn am nächsten Morgen würden wir ja alles wieder herausnehmen. Noch heute empfinde ich Aufforderungen wie etwa meinen Schreibtisch aufzuräumen als reine Schikane, denn wo ich arbeite, da herrscht nun mal kreative Unordnung, zumal ich gelernt habe, dass sich manche Sachen von alleine erledigen, wenn man sie nur lange genug rumliegen lässt.

Kurz, ich hatte zu dem Spielschrank ein zwiespältiges Verhältnis, einerseits war er unnötig und lästig, andererseits waren aber unsere Spielsachen darin.

Irgendwann begannen mich Scheren zu interessieren. Ich fand es faszinierend, wie zwei an sich stumpfe Dinger im Zusammenwirken richtig scharf wurden. Nichts war vor mich sicher, überall schnipselte ich herum und eines Tages schnitt ich ein großes Loch in den Spielzeugschrankvorhang. Natürlich fiel der Verdacht auf mich, aber ich leugnete standhaft. „Wennstes doch warst, kriegste ne Schelle“ drohte meine Mutter. Einige Tage später schnitt ich mir selbst die Haare. Meine Mutter war entsetzt und zu dem ästhetischen Desaster kam hinzu, dass ich nach Beweislage der mit dem Vorhang gewesen sein musste. Meine Mutter war außer sich und schickte mich zur Strafe für den Rest des Tages ins Bett.

„Du hast aber gesagt, ich krieg ne Schelle!“, versuchte ich das Unglück von mir zu wenden. Meine Mutter musste lachen und schickte mich zu meinem Vater, der mir die Schelle verpassen sollte. Sie viel eher milde aus.

Eine andere Taktik verfolgte mein jüngster Bruder. Den hatte meine Mutter im Verdacht, irgendetwas Verbotenes getan zu haben. Es folgten inquisitorische Verhöre und drakonische Strafandrohungen. Das alles war sehr zeitaufwendig und hinderten den Buben daran, mit seinen Freunden im Dorf zu spielen. Immer wieder kam Mutter darauf zurück. Irgendwann brach sie die Mauer seines Leugnens auf. Er gab zu, der Missetäter zu sein und bekam die angekündigte drakonische Strafe.

Einige Tage später stellte sich heraus, dass er es gar nicht gewesen sein konnte. Mutter war zerknirscht und Vater bat seinen Sohn zu einem Gespräch unter Männern, denn er machte sich ernste Sorgen und en Geisteszustand des achtjährigen. Behutsam ging er das Problem an, um dann eben doch zu fragen, weshalb er denn um Himmels Willen etwas zugegeben hätte, was er gar nicht verbrochen hatte?

Antwort: „Ich wollt halt endlich meine Ruh haben!“

 

Aufklärung in Franken

Unser Vater hat meinem Bruder und mir ein Aufklärungsbuch vorgelesen, das, nachdem klargestellt worden war, dass wir schwangeren Frauen die Einkaufstüten hochtragen sollen, in dem Satz gipfelte: „Das heißt aber nicht, dass ihr anderen dicken Frauen die Einkaufstüten nicht hochtragen sollt.“

Man sieht, mit der sexuellen Aufklärung war es nicht weit her in Rentweinsdorf. Eltern, die Lehrer und der Pfarrer machten sich Sorgen um die Tugend aber in erster Linie missbilligten sie ungewollte Schwangerschaften, wussten allerdings nicht, was dagegen zu unternehmen sei.

Man darf dabei nicht vergessen, dass es in den 50er noch üblich war, dass eine Braut, die heiraten „musste“, dies in einem schwarzen Kleid tat. Wenn sie doch weiß heiratete und das Kind eben zu früh kam, verkündete der Pfarrer von der Kanzel herab: „Die kirchlichen Ehren haben sich erschlichen…“

Nun ist es ja so, dass Entwürdigungen und Abkündigungen von der Kanzel herab weder der Natur Einhalt gebieten, noch ein wirksames Antikonzeptivum sind. Und so brach sich auch in Rentweinsdorf das Bahn, was letztlich zum Erhalt der Menschheit notwendig ist.

Besonders begehrt waren die im Nordflügel des Schlosses wohnenden Dienstmädchen meiner Mutter. Unter den jungen Burschen des Dorfes und der Umgebung war die Kenntnis darüber welche Stufen der „drübern Drebbn gnerdsn“ unersetzliches Fachwissen und diese Expertise wurde in jugendlicher Solidarität untereinander weitergegeben, durchaus mit Billigung der betroffenen jungen Damen.

Irgendwann aber raffte man sich im Gemeinde- und im Kirchenrat dazu auf, das zuzulassen, was anderswo längst Gang und Gäbe war. Die Sache mit dem Storch, sollte ein Eingeladener Experte vor der Jugend des Dorfes klarstellen und dabei sollte auch die Empfängnisverhütung zur Sprache kommen.

Doch kaum war der Gedanke geboren, meldeten sich auch schon die üblichen Bedenkenträger. „Des könnd ihr mid unnera Kinner ned gamach! Ihr bringd sa ja blos auf dumma Gedangn.“

Diesem Argument konnten sich weder Lehrer und Pfarrer noch Kirchen- und Gemeinderat verschließen, und so wurde der Experte gebeten, den Eltern beizubringen, wie sie „es“ ihren Kindern beibringen sollten.

An einem lauen Frühlingsabend traf man sich im „Juchendheim“ und der aus Nürnberg angereiste Herr erklärte den verblüfften Eltern die wissenschaftlichen Zusammenhänge dessen, was sie bisher unwissenschaftlich praktizierten. Aufklärung für Erwachsene sozusagen. Inwieweit er auch Rat vermittelte, wie man das Wissen an die eigenen Kinder weitergeben sollte, ist nicht überliefert.

Das Thema führte zu hitzigen Debatten in den verschiedenen Gasthäusern, Einkaufsläden, Metzgereien und natürlich über den Gartenzaun hinweg. Schließlich sah man sich genötigt, eine erneute Versammlung einzuberufen, um darüber zu sprechen, welchen Schaden der Nürnberger Experte angerichtet haben könnte. Man traf sich wieder im „Juchendheim“ und es schien, als ob die Teinehmerzahl seit dem letzten Ereignis gestiegen sei, denn so manche Omma wollte auch mitreden können.

Man war sich bald einig, dass die Sau aus Nürnberg nur Verwirrung gestiftet habe. Wie man derlei den eigenen Kindern nahebringen sollte, war allen schleierhaft. Da meldete sich der Hannfrieder aus dem Öberdorf, um seine Meinung zu sagen:

„Ich bin do nei, weil der Pfarrer gsochd hod, ich söll do nei. Aber ich sooch euch aans: Nix Neus hob ich galernd!“

Sofort erhob sich ein lautes Stimmengewirr, aus dem nur eines wirklich verständlich rüberkam: „Aff, blöder Aff, ned du söllst nuch wos lerna, dei Kinner söllns lerna.“