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Was man so dachte

Was man so dachte

Meine Rentweinsdorfer Großmutter wurde im Jahre 1882 in der Neumark geboren. Weder für den Zeitpunkt noch für den Ort konnte sie etwas, aber man merkte es ihr an.

Ältere Vettern und Cousinen berichten, sie sei eine sehr strenge Großmutter gewesen, mit uns war sie nur eine unendlich liebe und hingebungsvolle „Ümä“, die jeden Abend zu uns kam, um uns vorzulesen: Märchen, Pearl S. Buck aber auch Berichte aus dem ersten Weltkrieg. Damals war ihr Bruder Werner gefallen und als sich herausstellte, dass mein jüngerer Bruder Mathias diesem ähnlich sah, avancierte er sofort zu ihrem Lieblingsenkel.

Dieser Status geriet ins Wanken, als Sebastian, der ältere Bruder zur Bundeswehr eingezogen wurde und in Uniform nach Hause kam. Mir wurde schlagartig klar, dass für Ümä ein Mann erst dann ein vollwertiger solcher war, wenn er Uniform trug. Sie lebte noch in den Werten und Vorstellungen des kaiserlichen Preußen. Manchmal erzählte sie vom Hofball. Nur Prinzessinnen durften die Schleppe an den Schultern festmanchen, ihre musste an der Hüfte gegürtet sein. Sie empfand das immer noch als Schmach. Bei einem der Hofbälle stand ein Fräulein von Oppenheim aus der Kölner jüdischen Bankiersfamilie neben einem knarrenden General, als ein Marsch auf die Melodie des Weihnachtsliedes „Tochter Zion…“ gespielt wurde. Ganz laut habe der General gesagt: „Freuln von Oppenheim, det spieln se für Sie!“

Ümä fand das komisch, sonst hätte sie es uns nicht erzählt. Der latente Antisemitismus durchzog die preußische Gesellschaft wie das Continuo die Brandenburgischen Konzerte (was die Sache nicht besser machte). Anhängerin der NS Ideologie zu werden, kam allerdings gar nicht in Frage. Ihre Familie, die Wedemeyers, waren sozusagen die Erfinder des Pietismus, Bonhoeffer war mit ihrer Nichte verlobt.

Und dennoch war sie Rassistin. Sie konnte uns gar nicht genug davor warnen, eine Mischehe einzugehen: Einmal bekamen wir zum Abendbrot Stullen, die mit „kariertem Neger“ belegt waren. Das hieß damals noch so und war eine Blutwurst, in die kunstvoll weiße Speckstreifen gelegt worden waren, so dass sich ein schwarz-weißes Schachbrettmuster ergab. Sie nahm dies zum Anlass, erneut vor der Mischehe zu warnen: „So sehen dann eure Kinder aus!“ Ob wir danach gut geschlafen haben, weiß ich nicht mehr.

Ihre Anschauung der Welt war kolonial, das heißt, die in den Kolonien lebenden Menschen waren uns schlicht unterlegen. Ich erinnere mich, verzweifelt in mein Kissen geweint zu haben, weil die armen Negerkinder doch nichts dafürkonnten, dass sie in eine so unausweichliche Situation hineingeboren wurden.

Als ich einmal eine Bananenschale von außen ableckte, verbot sie mir das mit den Worten: „Du weißt doch nicht, was für ein Neger das vorher in der Hand hatte.“

Von Sozis hielt sie nichts, aber manchmal waren sie ihr nützlich: Sie besaß Aktien der Wladikawka Eisenbahngesellschaft und Anleihen des Kreises Teltow. Nachdem alle „anständigen“ Banken ihr versichert hatten, dass die Papiere nichts mehr wert seien, schrieb sie an die Bank für Gemeinwirtschaft, dem Geldinstitut der Gewerkschaften. Erst als auch von dort die Wertlosigkeit bescheinigt worden war, glaubte sie es halbwegs. Tatsächlich nur halbwegs, denn sie hat mir die Wertpapiere vermacht, man weiß ja nie.

Natürlich lebte in ihr die deutsch-französische Erbfeindschaft weiter. Sie machte „bonne mine à mauvais jeu“ als wir zunehmend nach Frankreich fuhren und im Austausch junge Franzosen ins Haus kamen.

Sie liebte es, uns jungen Leuten zuzuschauen, wenn wir im „Unteren Saal“ tanzten. Sie sah sogar ein, dass wir uns nicht nur im Walzertakt drehten, sondern zu Liedern „hopsten“ die die Mambos aus Zeil spielten. Auch dass die Texte englisch waren, nahm sie hin.

Als aber einmal „All you need is love” dran war, ein Beatles Song, der bekanntlich mit der Marseillaise endet, da meinte sie entrüstet: „Muss das jetzt sein?“

Fränkische Stereotypen

Ob das heute noch gilt, kann ich nicht beurteilen. In meiner Jugend aber gab es wiederkehrende Situationen auf die der echte Franke stets wiederkehrend gleich reagierte:

Freche Kinder: Ölla nei aan Sagg gsdeggd, draufghiem, ´s driffd immä än Richdichn.

Schmusendes Liebespaar: Muss Liebe schön sein! (auf nachgeäfftem Hochdeutsch)

Dieselben, als Brautpaar aus der Kirche tretend: Die Leud wern ned gscheider!

Beim Sonntagskaffee: Ja, so droggn ka ich mein Kaffe fei ned gadring. (mit nachfolgendem Griff zur Bierflasche)

Wenn schlechter Wein ausgeschenkt wurde: Den Wä wenn ich meiner Gäs auf’n Schwanz schüdd, drei Johr boggd sa nümmer!

Rappeldürres Mädchen: Wie a Gäs am Gnie.

Bei Trockenheit: Des Johr in meiner Gerschdn, die Spergn ham sich fei müss gnie.

Bei plötzlichem Tod: Ledsda Wuchn hob ich na fei nuch gsänn, hob ich na fei nuch gagrüsd. — hadder fei nuch gedangd.

Wenn die Oma mit neuen Schuhen heimkam (singend): Wer soll das bezahlen, wer had so viel Geld, wer had so viel Binge Binge, wer had das bestelld.

Wie geht’s? Noja, geschdern is nuch ganga.

Bei Glatteis: Kurz aagabremsd un bis auf Bamberch gazüschd.

Bei Hitze: Die Sunna brennd der dir, zergoar die Sdrasser saufn Limo.

Bei Kälte: Du wennst naus gehsd, die Böbbl derfriern der in die Nosn.

Trockenes Sauerkraut: Des Graud bollerd aufn Deller rum.

Bei offenem Hosenstall: Frische Lufd dudd gudd, un ausser diesen, wu a Doder lichd, muss a Fensdä offn sei.

Fussgänger trödeln auf dem Zebrastreifen: Leud gäb’s zum derschlogn – wemmer ner Zeid hädd!

Drohung: Bruder am See, ich dräff dich!

Bei Erkrankung: Hosd edserd du die Gräng oder die Freggn?

Am Silvestertag: An guudn Bäschluss.

Am Neujahrtag: Brosd Neujohr, mei Gäld is gor.

Wenn Teenager ausgingen: Zu, mir gehn ford’s kirrn.

Einer fährt auf dem Fahrrad vorbei. Schorsch, bass auf, dai Keddn hot ka Lufd.

Zankhafte Frau: A Guschn wie a Schwerdd. Replik: Die wenn naus die Nüss gedd, des Maul derfsda fei egsdra derschlogn.

Kinderreiche Familie: Die Leud könna vo den Sbielzeuch ned galoss.

Unbekannte Person: Wer war edserd des? – Unner Herrgodd wenn na ned bessä kennd, wie du un iech, kummder bastimmd nei die Höll.

Vor dem ersten Schultag: Do gedds fei aus an annern Fässla!

Vor Weihnachten: Sei ner schö brav, äs des Grisdkindla awos Gescheids bringd.

Ruf nach dem Kellner: Werdschafd!

Mutter droht mit der Faust aus dem Küchenfenster: Kumm ner ham!

Über den Pfarrer: Wenner nauf gedd, kumma die Lüüchn rundä.

Ganz früher, wenn die Nazis Beflaggung angeordnet haben: Die Fohna wenn halb so lang wärn, wärn sa immä nuch rod ganuch.

Und noch etwas, zwar keine Stereotype aber sehr bezeichnend:

Die Nazis veranstalteten auf dem Lichtenstein und dessen Felsen immer heroische und völkische Darbietungen. Komparsen waren die Bauern aus dem Ort. Kommentar: Un mir Gnörds derfn die Germana mach!

Stehe betend hinter Dir!

Als 1803 mit dem Reichdeputationshauptschluss der Winzigstaaterei in Deutschland ein Ende gesetzt wurde, verloren auch die fränkischen Barone ihre Selbständigkeit ans Königreich Bayern.

Mit gewissem Recht misstraute man den neuen Landesherrn, denn nachdem ganze Museen, Kircheneinrichtungen und Bibliotheken nach München gekarrt worden waren, wusste man nicht, was als Nächstes dran sein würde. Man versuchte nun den Besitz der Familien zu retten oder besser gesagt, zu sichern. Man schuf Fideikommisse oder Kondominate. Miteigentümer am „Zeuch“ waren alle männlichen Namensträger.

Töchter wurden von frühester Kindheit darauf gebimmst, dass sie auf ihren Pflichtteil würden verzichten müssen. Zum Ausgleich bekamen sie Gemälde, Möbel und Teppiche als Mitgift in die Ehe. Das ist der Grund, weshalb man in den wenigsten der fränkischen Schlösser wertvolle Möbel oder andere erwähnenswerte Einrichtungsgegenstände findet.

Als ich in Lausanne meine erste Vorlesung in Gesellschaftsrecht hatte, begann der Professor mit diesem Worten: „Communio est mater rixarum“, die Gemeinschaft ist die Mutter des Streites.

Und so war es auch, die Familienmitglieder aller fränkischen adeligen Familien stritten sich andauernd und heftig. Der Familienmaioratsherr, der „das Zeuch“ verwaltete, wollte stets reinvestieren, die Mitherren, die als Oberste, Ministerialbeamte oder Nichtstuer in Berlin, Frankfurt oder München saßen, wollten lediglich am Ende des Wirtschaftsjahres Geld sehen und sahen nicht ums Verrecken ein, dass das Schloss, das ihnen allen zusammen gehörte, ab und zu „rausgaweisld“ werden musste.

Es war ein ständiger Kampf und der Verwalter, der Majoratsherr war um seinen Posten nun wirklich nicht zu beneiden.

Nachdem aus dem Betrieb immer nur entnommen wurde, immer alle nur über ihre Verhältnisse gelebt hatten, wurde in den 30er Jahren mein Großvater aus Rentweinsdorf an die Spitze der Betriebe der Familie gestellt. Der war in erster Linie Offizier und hatte nach dem ersten Weltkrieg Forstwirtschaft studiert. Seine Expertise in Landwirtschaft, Weinbau, Brauerei und Sägewerk war im Zweifel eher begrenzt. Darüber sah er mit einer beneidenswerten Nonchalance hinweg, denn das Einzige, was er wirklich tat, was sparen. Er zwang die Familienmitglieder, ihren Lebenstandard den Realitäten anzupassen, worauf die Betroffenen unfroh reagierten. Noch heute werden schaurige Geschichten, die im Zweifel womöglich sogar wahr sind, über seinen „Regierungsstil“ erzählt. Er hat den Familienbesitz gerettet, aber die Familien zu Tode gespart, ohne dass da wirklich jemand verhungert wäre.

Natürlich nagte der ständige Streit und der nicht enden wollende Ärger an seinen Nerven. Befragt, was er sich denn zu Weihnachten wünsche, sagte er ohne eine Sekunde der Überlegung: „Einen Weihnachtsbaum und an jedem Ast ein Mitherr.“

Einer seiner Brüder war Pfarrer in Berlin und konnte zu einer sehr wichtigen Familienratssitzung nicht persönlich erscheinen. Statt zu kommen telegrafierte er: „Sehe betend hinter Dir!“

Wütend warf der Empfänger das Telegramm auf den Schreibtisch und rief weithin hörbar: „Kämpfend neben mir, das ist dein Platz“.

Glücklicherweise wurden im Zuge der Bodenreform fast alle Fideikommisse aufgelöst. Seither ist ein unerwarteter, nie gekannter Friede in die Familien eingekehrt. Man redet wieder miteinander, lädt sich gegenseitig zu Jagden, Taufen, Abendessen und Hochzeiten ein.

Es ist eine Wonne, mitansehen zu können, wie leicht das Leben wird, wenn es von der Last gemeinsamen Eigentums befreit ist.

Schnaps für alles

In Franken spielt der Schnaps eine wenig besprochene aber um so wichtigere Rolle. Wie jeder gute Alkoholiker erwähnt auch der Franke das Getränk, das er zu sich nimmt, nur im Diminutiv, a Schnäpsla halt. Dass das durchaus auch einmal mehrere werden können, ist geduldet und manchmal auch gewollt.

Heute gibt es wieder unzählige kleine Brennereien, deren Betreiber in geschickter Weise die Brennrechte derer aufkauften, die im Zuge der allgemeinen Rationalisierung der Landwirtschaft, Vieh, Obst und solche Frucht abschafften, die man nur im Matsch des Herbstwetters ernten konnte, ich denke da an Kartoffeln und Zuckerrüben.

In Rentweinsdorf wurde neben etwas Kornschnaps in erster Linie Zwetschgenwasser, gebrannt. Der Schads Jürch war es, der diese Aufgabe übernahm. Zunächst standen riesige Bottiche mit „gagnödschdn“ Zwetschgen auf dem Gutshof in der Sonne. Wenn die Masse Blasen schlug, schmeckte der Jürch ab und nun wurde aus dem übel riechenden Gemaisch Schnaps gebrannt. Das war ein langwieriges Geschäft. Der Jürch saß wochenlang in der kleinen Brennerei und schaute zu, wie ein Rinnsal unten aus der Destille herauskam. Gelagert wurde das Produkt in Kanistern, von denen es bei Bedarf in alte Limoflaschen mit Bügelverschluß abgefüllt wurde. Für eigene Flaschen reichte es offenbar nicht.

Die Schorns Marie, die meiner Mutter im Haushalt half, war bekannt dafür, dass sie gern mal zwischendurch „a Schnäpsla“ genoss. Als Bub habe ich mir den Scherz erlaubt, eine Limoflasche mit einem Etikett zu versehen, auf das ich „Schnaps“ geschrieben hatte. Dann füllte ich die Flasche bis zu Hälfte mit Wasser und stellte sie auf den Eisschrank.

Es dauerte nur wenige Tage, bis „die Schorna“ mir auf den Kopf zusagte, ich sei der Übeltäter gewesen, eine solche Sauerei könne nur einem wir mir einfallen. So könne man mit alten Leuten nicht umgehen, das sei einfach unanständig. Ihr Zorn prasselte auf mich nieder, denn sie fühlte sich ertappt. Doch stärker war ihre Empörung von der festen Überzeugung genährt, dass man mit Schnaps einfach keinen Spaß macht.

Das Rentweinsdorfer Zwetschgenwasser war nicht transportfähig. Zu Hause schmeckte es ganz vorzüglich, begleitete auf klirrend kalten Jagden, bei der wir Buben die Treiber machten, mit ihm wurde, als dies Mode wurde, auf Deibel komm raus flambiert, und der Schnaps war auch durchaus als Ersatzwährung zu gebrauchen. Aber, wie gesagt, das funktionierte nur in Franken.

Ich war noch nicht lange verheiratet, da versuchte ich bei meiner Schweizer Neufamilie mit Rentweinsdorfer Zwetschgenwasser zu punkten. Die Limoflasche erweckte schon einen Anfangsargwohn, der nach kurzer Verkostung als zutreffend bezeichnet wurde. Gegen einem Pflümli Schnaps aus dem Jura kam halt „dem Schads Jürch sei Wasser“ nicht an. Ich habe nie wieder versucht, mit deutschen Lebensmitteln in der Schweiz anzugeben.

Für unsere Mutter war Schnaps in erster Linie Medizin. Als sie meinem Bruder Prügel angedroht hatte, der Vater aber nicht da war, um die Strafe auszuführen, habe ich gesehen, wie sie „zwa Schnäpsla“ kippte, ehe sie den Delinquenten übers Knie legte.

Hartnäckige Halsbeschwerden bei ihren Kindern wurden behoben indem wir mit Schnaps gurgeln mussten, und als unsere Kinder mit der obligaten Zahnspange ihre Großeltern besuchten, wurden die mitgelieferten Kukident Pastillen zur Seite gelegt und die Spangen zum Reinigen in ein Glas mit Zwetschgenwasser gelegt.

„Geht her, Kinder, die Spangen sind jetzt wieder sauber“, rief die Großmutter nach einiger Zeit und zack, ging des Trum direkt aus dem Glas in den Kindermund.

Ein Held, die Amis, das Meissener Urinal und der Schluck aus der Tintenflasche

Man kann nicht sein ganzes Leben lang ein Held sein. Das ist man nur in Momenten, die das Held-Sein notwendig machen.

Eine solche Situation kam am 4. April 1945 auf meinen Großvater zu. Die amerikanischen Panzer standen schon bei Retzbach im Maintal, als auf dem Fußballplatz in Thüngen ein schneidiger Oberleutnant eine Artillerie Batterie mit seinen Leuten in Position brachte, um das Dorf bis zur letzten Patrone zu verteidigen.

Das war natürlich Wahnsinn. Die Amerikaner würden sich auf die derart nahe am Ort stehende Kanone einschießen und damit unweigerlich große Teile der umliegenden Häuser, wenn nicht das ganze Dorf zerstören.

Mein Großvater stellte den Oberleutnant zur Rede und befahl ihm als Ranghöherer, er war Rittmeister, abzuziehen. Das war in höchstem Masse riskant, und hätte ihn, wenn es schlecht gelaufen wäre, vor ein Kriegsgericht gebracht, deren Mitglieder gerade in den letzten Kriegstagen nicht lange überlegten…

Es ging aber gut, die Batterie wurde verlegt und trotz einiger Schießerei wurde Thüngen am 6. April 45 mit nur wenigen Zerstörungen von den Amerikanern eingenommen.

Unterdessen litt Großvater an ständigem Nasenbluten, man fürchtete um sein Leben. Offenbar war ihm die Anspannung wegen der Auseinandersetzung mit dem Oberleutnant doch näher gegangen, als er zugeben wollte. Man versuchte lange vergeblich, das Bluten zu stillen. Da kam die Nachricht, das halbe Dorf und selbstverständlich das Schloss auch müsse in 45 Minuten evakuiert werden.

Chaos brach los unter den Schlossbewohnern. Eine Tante verließ ihre Behausung mit allen ihren Hüten auf dem Kopf. Als meine spätere Mutter bei ihrem Anblick lachte, fing sie die letzte Ohrfeige ihres Lebens. Eine andere Tante vollbrachte das Wunder, dass fünf GIs sich bereiterklärten, ihren Konzertflügel die Wendeltreppe hinunter zu tragen. Mit lauter Stimme, wies sie die Soldaten an, ja nirgendwo anzuecken und ging den Männern schwer auf die Nerven. Als der Flügel endlich unten war, verabschiedete sich einer der GIs bei der alten Dame mit den Worten „Go to hell, old spider!“

Großvater überlebte den großen Blutverlust, weil es nach langem Suchen gelang, einen Arzt zu finden, der die Nase fachmännisch mit geeignetem Material tamponierte.

Die Amis blieben lange Zeit im Schloss, wo das Offizierskasino eingerichtet wurde. Dort feierten sie ihre Feste und ihre Besäufnisse.

Als sie abzogen, fand man in der Schublade einer Barockkommode eine riesige Servierplatte aus Meissner Porzellan, die bis zum Rand vollgepisst war.

Damals stand die Hochzeit meiner Eltern ins Haus. Für die Bewirtung der vielen Gäste wurden Lebensmittel gehortet und wahrscheinlich auch auf nicht ganz legalem Wege beschafft. Unter anderem sollte es Hirschrücken geben und die Braut bat sich aus, dass doch bitteschön ihr nicht ausgerechnet aus der unterdessen gesäuberten Pissvorlegeplatte serviert werden sollte. Drei Mal darf geraten werden…

Beim abendlichen Ball passierte ein Unglück. Da man wusste, dass es wenig Alkohol geben würde, hatte einer der Geladenen hinter einem Vorhang eine Flasche Schnaps versteckt. Irgendwann fasste er heimlich nach hinten, griff die Flasche und nahm einen kräftigen Zug. Es war aber nicht die Schnapsflasche, die er in die Hand bekam, sondern die Literflasche Pelikantinte, die man damals noch in jedem Haushalt hatte, um die kleineren Tintenfässer auf den Schreibtischen aufzufüllen.

Dem jungen Mann musste der Magen ausgepumpt werden.

Ostern, toter Friseur und „Bräudla“

Als Kind ist es schwer einen Zugang zur Osterbotschaft zu bekommen. Womöglich ahnte das unsere Großmutter, denn wenn wir missmutig die Treppe hinunterliefen, weil wir in die Kirche mussten, kam sie aus ihrer Wohnungstür heraus, breitete ihre Arme aus und rief uns zu:

„Der Herr ist auferstanden!“

Wir umarmten sie dann alle der Reihe nach und antworteten:

„Er ist wahrhaftig auferstanden!“

Immerhin haben wir so mitbekommen, dass Ostern ein Fest der Freude ist. Denn seit Freitag herrschte eine für Kinder nicht fassbare Weise Unfreude. Verschdeggerles, Schreien, Räuber und Schandi, all das war plötzlich verboten. Weshalb wurde nicht erklärt, ein Verweis auf die Leiden Christi musste ausreichen. Nur, bei aller Frömmigkeit, Staudämme im Bach zu bauen, Spatzen zu schießen oder im Heu zu toben, war uns damals näher.

Immerhin, die Feiertage begannen immer am Gründonnerstag mit einer Fahrt nach Fulda. Ausweislich des gelben Wegweisers an der B279 waren es bis dorthin 124 km. Eine Weltreise, zumal man über die Rhön fahren musste, die Autobahn gab’s ja noch nicht. Wer mitfahren durfte, dem war in Fulda längst schlecht, aber die Rückfahrt war herrlich, Tante Esther erzählte aus fremden Welten.

Sie wurde immer in Fulda am Bahnhof abgeholt. Freundin unserer Mutter, war sie „nur“ Nenntante, wir liebten sie wahrscheinlich mehr, als die richtigen Tanten. Tante Esther arbeitete als Dolmetscherin beim britischen Hauptquartier in Herford. Einen Teil ihrer wunderbaren Geschichten erzählt sie auf Englisch, „not in front of the children!“

Ihre Mutter war Irin gewesen. Tante Esther erzählte, die irische Hausfrau kaufe nicht etwa Kartoffeln auf dem Markt, sondern wähle zwischen mindestens 20 ihr namentlich bekannten Sorten aus. Das war für fränkische Kinderohren pure Exotik, denn für uns gab es nur zwei Sorten: die Pellkartoffel und den Gloß. Letzterer zerfiel in zwei Untergruppen, den Gloß schlechthin und den gebadschdn Gloß, den breitgedrückten Gloß, also, den Kartoffelpuffer.

An Ostern gab es natürlich bunte Ostereier zum Frühstück. Unsere Mutter hatte die Angewohnheit, harte Eier an ihrem Kopf aufzuschlagen. „Wenn ihr genügend fest zuschlagt, tut das gar nicht weh.“

Irgendwann gelang es unserem Vater, ihr ein buntes rohes Ei unterzujubeln…

Nach der Kirche gab es bald das Mittagessen. Wie fast immer am Sonntag aßen wir Reh. Vater tranchierte die Keule oder den Rücken und wenn wir das Tischgebet sprachen, kreuzte er fromm Gabel und Tranchiermesser.

Was haben wir unsere Freunde im Dorf beneidet, bei denen gab es Stallhas, saura Zipfl oder Kalbsniernbrodn. Immerhin bekamen wir zum Wild Glöß und Spatzenflügel, vulgo Rotkraut. So wurde auch der trockene Rehbraten erträglich. Damals briet man ihn aus Angst vor Trichinen noch bis kurz vor der Karbonisierung durch.

Nach dem Essen versteckte Vater im Park. Wenn er fertig war, rief er uns mit dem Schlachtruf:

„Der Osterhas hat Eier gelegt!“

Es gab Schokoladeneier, künstliche Spiegeleier aus weißem und gelbem Zucker, Osterhasen und toten Friseur. So wurden die Schokoladeneier genannt, aus denen glibbrige, schillernde Soße quoll, wenn man sie aufbiss.

Gleich nach Ostern kam der nächste Höhepunkt des Kirchenjahres, der „weiße Sonntag“. Dann gingen in den katholischen Dörfern die Kinder zur Erstkommunion. Die Mädchen hatten weiße Kleider an und hießen „Bräudla.“

In Thüngen, wo es auch katholische Bauern gab, waren Mutter und ihre vier Schwestern stets besinnungslos neidisch auf diese weißgewandeten Elfengestalten. Zu um Trost mussten sie am weißen Sonntag keinen Mittagschlaf machen. Das wurde auch bei uns beibehalten, „Bräudla“ gab es dort nicht, und neidisch hätte nur unsere Schwester sein können. Dennoch fieberten wir diesem Großereignis im Kirchenjahr entgegen.

Identitätskrise

Tante Bertha war die zweitälteste der acht Schwestern meines Großvaters in Thüngen. Ihr Zeigefinger soll länger gewesen sein als ihr Mittelfingen, und das sei daher gekommen, weil sie immer alle herumkommandiert und das mit dem Finger unterstrichen habe.

Sie heiratete Theodor Schrenk, einen verwitweten Pfarrer aus Württemberg. Plötzlich war aus der Baroness Thüngen eine Frau Schrenk geworden, aber immerhin Frau Pfarrer Schrenk.

Onkel Theodor war fleißig und gottesfürchtig und so machte er Karriere im Königreich Württemberg, er wurde Prälat der evangelischen Kirche.

Das Hallo in der Familie war natürlich groß, denn nun nannten ihn seine boshaften sieben Schwägerinnen, darunter eine Diakonisse, nur noch den Prolet Schrenk.

Was die Damen nicht wussten, war, dass im Königreich Württemberg mit dem Posten eines Prälaten die Verleihung des persönlichen Adels einherging, Onkel Theodor hieß von einem Tag auf den anderen von Schrenk, Tante Bertha aber blieb Frau Schrenk. Dies sorgte natürlich für bisher nie dagewesenen Spott und Hohn, den die Frau Prälat aber mit Gelassenheit erduldete, der württembergische Pietismus war da eine harte Schule.

Als Prälat hatte sich Onkel Theodor auch um den Nachwuchs zu kümmern. Als er Prediger an der Stiftkirche in Stuttgart war, kam eines Tages ein Vikar zu ihm. In der Familie wird die Geschichte so erzählt, dass es ein „Vikärle“ gewesen sei, das dem Herrn Prälat sein Herz ausschütten wollte.

Der junge Mann wurde ins Arbeitszimmer gebeten, Tante Bertha brachte Tee und ließ die Beiden dann alleine. Das Vikärle druckste herum und kam mit der Sprache nicht heraus, schließlich, nach gutem Zureden durch den Herrn Prälat, erklärte er stockend, er hätte eine Identitätskrise.

Theodor Schrenk war ein belesener Mann, aber mit Psychologie hatte er sich sein Leben lang nie beschäftigt. Als frommer Christ war er sogar davon überzeugt, dass das alles Teufelszeug sei. Kurz, er hatte keine Ahnung, wovon das Vikärle sprach.

Nach kurzer Überlegung urteilte der Prälat und Dienstherr:
„Ich will Ihne emal war saage: Sie sent Sie!“

Der Zehnender

Es war eine der ersten großen Jagden nach dem Krieg, zu der mein Großvater einlud. Die Thüngnische Zent ist ein riesiges Waldgebiet im fränkischen Teil der Rhön. Dort gab und gibt es einen legendären Rotwildbestand. Jäger waren gut beraten, sich mit dem Jagdherrn gutzustellen. Jeder wollte zu den winterlichen Drückjagden eingeladen werden.

Nach dem Krieg waren die alten und erfahrenen Jäger rar und so geschah es, dass sich zu Beginn der Jagd mein Großvater von einer Jägerschaft umringt sah, der er um mindestens zwanzig Jahre voraus war. Unterdessen leben auch diese nicht mehr, sein Neffe Woff aus Weissenbach, die beiden Brüder, die Grafen Alram und Aurel Ortenburg, sowie die Fürsten, Albrecht aus Castell und Siegfried aus Rüdenhausen. Nur ein weiterer Fürst, Udo Löwenstein, aus Kreuzwertheim, war älter als der Jagdherr selbst.

Bevor das Treiben losging hielt der Jagdherr die obligate Ansprache und berichtete davon, dass er seit geraumer Zeit einem Zehnender nachjage, ihn aber bisher nie stellen konnte. Wem dieser Hirsch vor den Lauf käme, der möge ihn bitte schießen.

Insgeheim hoffte er natürlich, der Hirsch werde an seinem Stand kommen, den er mit durchaus egoistischem Vorsatz für sich gewählt hatte.

Die Jagdgesellschaft verteilte sich auf die ihnen zugewiesenen Stände und bereitete sich auf mehrstündiges Frieren vor.

Das Hornsignal zum Antreiben wurde gegeben und mit zunehmend klammen Gliedmaßen warteten die Schützen hochkonzentriert auf das Wild.

Mit was bekämpft man Kälte? Mit Bewegung oder Schnaps. Ersteres vertreibt den Hirsch und Letzteres vertreibt die Konzentration. Wehe es kommt ein Hirsch und ein Schütze verschläft seine Chance zum Abschuss.

Links neben dem Großvater, etwa 400 Meter entfernt, stand Albrecht Castell, danach, erneut 400 Meter weiter, stand Aurel Ortenburg aus Birkenfeld.

Immer wieder hörte man Schüsse, die Jagd schien erfolgreich zu verlaufen. Als man schon die Treiber hören konnte, kurz bevor der Trieb abgeblasen wurde, knallte es rechts neben dem Jagdherrn. Dann ertönte das Hornsignal und mein Großvater lief in Richtung des Standes des jungen Fürsten aus Castell.

Vor ihm lag der Zehnender! Es muss wohl der Jagd Neid, die Enttäuschung, ihn nicht selbst erlegt zu haben, gewesen sein, denn mein Großvater schiss den vollkommenen verdatterten Albrecht Castell in einer ans Ungehörige grenzenden Weise zusammen. Wie er denn dazu komme, ausgerechnet den Zehnender zu schießen, noch dazu mit einem schlecht gesetzten Schuss, und überhaupt…

Unterdessen hatte sich eine kleine Gruppe um die beiden gebildet, die mit nicht geringer Schadenfreude Zeuge wurde, wie ihr Freund Albrecht runtergeputzt wurde. Nur der Forstmeister schaute sich den erlegten Zehnender genauer an und begutachtete den Einschuss.

Schließlich meldete er sich zu Wort und erklärte, der Hirsch müsse am Nebenstand erlegt worden, er habe sich lediglich im Todeskampf noch bis hierher bewegt, die Richtung des Einschusses ließe keine andere Schlussfolgerung zu.

Nun trat Graf Aurel vor. Er wusste ja, dáss er den Schuss abgegeben hatte. Er war gewärtig, jetzt auch eine Abreibung zu bekommen. Doch da war der „furor nimrodianus“ in der schmerzenden Seele meines Großvaters bereits erloschen. Er gratulierte dem glücklichen Schützen.

Das Geweih des Zehnenders hängt noch heute in der Eingangshalle des Birkenfelder Schlosses und Onkel Aurel hat immer in seiner unnachahmlichen schleppenden Redeweise gesagt:

„Das Geweih hab fei ich bekommen, aber den Anschiss der Albrecht Castell!“

 

 

Der schiere Unanstand

Unser Vater behauptete immer, dass eine Geschichte, wenn sie nicht unanständig sei, langweile.

Nun ist das, was die Generation unserer Väter für unanständig hielt, von dem was heute als „dirty jokes“ oder „chistes verdes“ im Umlauf ist, weiter entfernt als Königsberg von Köln.

Wenn die Autofahrerei zu lange wurde, sangen wir mit Vater:

„Leicht und sicher springt der Floh ohne Sprungbrett über den Popo-o.“

Wir kringelten uns vor Vergnügen.

Später, das war dann schon intellektuell anspruchsvoller, dichteten wir mit ihm Verse, die nur eine Bedingung hatten: Das Wort Scheiße musste darin vorkommen.

Unübertroffen diese beiden:

„Wer Scheiße auf den Dachfirst klebt, beweist, dass er nach Höh‘rem strebt“

und

„Scheiße in der Lampenschale verbreitet trübes Licht im Saale.“

Unschwer erkennt man, dass solcherart eine Fahrt nach München im Fluge verging, der Beweglichkeit des Hirnkastens diente und natürlich das Höchstmögliche an Unanstand herausgeholt wurde.

Witze oder Geschichten, die das Geschlechtliche auch nur streiften, waren tabu. Wahrscheinlich denken deshalb fast alle unsere europäischen Nachbarn, die Deutschen hätten keinen Humor. Wenn man sich in Heathrow die Schuhe putzen lässt, fallen einem schier die Ohren ab, seil der „shoe shine man“ nur Limericks vorträgt, die unter Kennern ja nur dann gut als gut gelten, wenn sie alles was gute Erziehung bedeutet, hinter sich gelassen haben.

Kurzum, man war prüde. Meinem Bruder passierte es noch, dass der Hausherr die Töchter aus dem Zimmer schickte, um ihm einen unanständigen Witz zu erzählen. Ein Nachttopf kam darin vor.

Als mein Großvater, das 20. Jahrhundert war noch neu, in der Neumark als Bräutigam bei den zukünftigen Schwiegereltern Besuch machte, wurde beim Mittagessen darüber gesprochen, dass ein entfernter Onkel von einer Asienreise gesund zurückgekommen sei, obwohl er mit dem Schiff einen Tornado habe durchfahren müssen.

Der Bräutigam stutzte und überlegte dann laut. „Tornado, Tornado, wo habe ich heute schon das Wort Tornado gelesen?“

Der Hausherr versuchte durch Jagdgeschichten ein neues Thema anzuschneiden, aber der Bräutigam insistierte. Es lässt mir keine Ruhe, Tornado, Irgendwo habe ich heute schon einmal das Wort „Tornado“ gelesen. Friederike, die jüngste Tochter, kicherte und wurde des Raumes verwiesen. Die Braut, als solche durfte sie neben ihm sitzen, knuffte unter dem Tisch, worauf der Bräutigam rief: „Clara, was knuffst du mich unter dem Tisch?“

Nun wusste der Hausherr keinen weiteren Rat mehr. Er bat seinen Ältesten: „Franz-Just, nimm doch bitte mal den Siegfried vor die Tür.“

Dort klärte der zukünftige Schwager den Bräutigam auf, dass das Wort „Tornado“ in blauer Schrift in den erst kürzlich von der Firma Villeroy & Boch gelieferten Wasserklosetts zu lesen sei.

Leider gibt es das Modell nicht mehr.

Der Hallelujazwerg

Üpä, unser Großvater in Rentweinsdorf, lag monatelang im Bett und konnte nicht sterben. Sein Rücken war aufgelegen, eine konkrete Erkrankung war nicht feststellbar, wollte man vom Alter absehen.

Immer wenn er dachte, er werde nun sterben, verlangte er nach dem Abendmahl. Dies wurde allgemein als Katastrophe angesehen, denn danach blühte er regelmäßig auf. Aber wer will einem Sterbenden schon das Abendmahl verweigern?

Nach langem Hin und Her wurde jemand gesucht, der, um die Verlegung ins Krankenhaus zu verhindern, die Pflege zu Hause übernehmen konnte. Man fand Herrn Stengel. Er war ausgebildeter Krankenpfleger und Diakon. Letzteres, so dachte man, werde seine Akzeptanz beim Kranken erhöhen.

Das war eine Fehleinschätzung, denn Üpä fand, Diakon sei kein Beruf für Männer, erst recht nicht für solche die das Gardemaß deutlich unterschritten. Herr Stengel war nur etwa 1,65 m groß.

Es wird berichtet, er habe sich den Namen des Pflegers nicht merken können. Ich bin davon überzeugt, dass er ihn sich nicht merken wollte. Wie dem auch sei, er nannte den kleinwüchsigen Gottesmann nur den Hallelujazwerg.

Immer wenn der Halleluja Zwerg das Zimmer betrat, wusste Üpä, dass er beim Wenden seines Körpers, beim Waschen, bei allem, was der Pfleger tat, Schmerzen haben würde. Er behandelte den bedauernswerten Herrn Stengel schlecht und eines schönen Morgens kündigte er ihm fristlos.

Unsere Mutter fand den Hallelujazwerg, wie er auf seinem Koffer sitzend vor der Kirche auf den Bahnbus wartete. Sie konnte ihn zur Rückkehr überreden.

Dann besuchte sie Üpä an seinem Krankenbett. Da er nahezu taub war, konnte man mit ihm nur per Schreibtäfelchen kommunizieren. Sie schreib:

„Wenn der Hallelujazwerg weggeht, musst Du ins Krankenhaus.“

Üpä holte seine Brille aus dem Etui, putzte sie umständlich, setzte sie ebenso umständlich auf und las. Dann sagte er:

„Ja, schickt den Kerl ins Krankenhaus!“

Mutter wischte den Text aus und schrieb:

„Wenn der Hallelujazwerg geht, musst DU ins Krankenhaus.“

Üpä hatte seine Brille unterdessen wieder verstaut, holte sie nun umständlich wieder aus dem Etui, putzte sie, setzte sie auf und las. Nach einer Weile ließ er das Täfelchen sinken und seufzte:

„Ja, wenn ihr jetzt mit dem Hallelujazwerg schon per du seid…“

Immerhin, Herr Stengel blieb. Wenig später starb Üpä dann doch noch einen gnädigen Tod. Statt einer Kondolenz sagte die Dorett, Üpäs Faktotum, zu meinen Eltern:

„Des hätt fei ned so lang müss dauer. Bei die Bauern wär scho längst a mal a Fenster offn gabliem.

Herr Stengel reiste schon vor der Beerdigung ab.