Unter diesem Titel veröffentlichte anlässlich des Christopher Street Days die taz einen Bericht, in dem eine Frau erzählt, wie sie mit Partnerin und ihrer beider Kind von einem Mann angepöbelt und geschlagen wurde.
Da ich Francisca, die Autorin, kenne, habe ich sie um ein Gespräch gebeten. Die erste und obligatorische Frage war natürlich, wie die Tochter, die nunmehr 5jährige Emma, damit lebt, dass ihre Eltern auf offener Straße von einem wildfremden Mann verprügelt wurden. Glücklicherweise ist sie nicht traumatisiert, die Kita Betreuerinnen und die Eltern haben keine Verhaltensveränderung an ihr feststellen können.
Wie aber haben die beiden Frauen nach diesem Übergriff gelebt?
Psychiatrische Behandlung? „Können wir uns nicht leisten“.
Habt ihr mit Eltern oder der Familie darüber gesprochen? „Daran hat uns die Scham gehindert“.
Es hat gedauert, bis ich verstand, was Francisca damit meint: Es ist dieselbe Scham, die missbrauchte Kinder oder vergewaltigte Frauen daran hindert, das Geschehene mit Dritten zu teilen. Das Opfer schämt sich. Das kann wahrscheinlich nur verstehen, wer selbst ein derart traumatisches Erlebnis hat erfahren müssen.
Ohne jegliche Hilfe von außen haben die beiden Frauen versuchen müssen und wollen, mit dem fertig zu werden, was da passiert ist. Das mag ein Rezept sein, dennoch belastet derlei jegliche Beziehung. Wut, Hilflosigkeit, Scham, man könnte schreien, um sich hauen, aber es geht nicht, das Kind und die Partnerin können ja nichts dafür.
Nach dem Angriff war der Täter ziemlich hurtig verschwunden. Etwa ein Dutzend Tatzeugen unternahmen buchstäblich nichts. Immerhin, die Polizei kam sehr schnell, handelte präzise, einfühlsam und professionell, allerdings auch wieder nicht professionell genug, denn es wurde das Offensichtliche nicht ins Protokoll aufgenommen: Der Angriff auf ein lesbisches Paar. Deshalb ging die Sache auch den üblichen Amtsweg und vorbei an den staatsanwaltlichen Stellen, die sich mit derlei Kriminalität gegen Minderheiten befassen.
Ich fragte Francisca, wie man es sich erklären könne, dass ein Mann, der ein weibliches Paar plus Kind sieht, auf offener Straße Geschlechtsverkehr anbieten könne. (You wanna fuck?) Ich erfuhr, dass sieben von zehn Männern das Signal „wir sind lesbisch“ verstehen, etwa zwei davon glauben dadurch eine Lizenz zum Grabschen zu bekommen und immerhin einer, nach ihrer Schätzung immerhin 10% der Männer, geilt die Vorstellung auf, mit einer oder mehreren lesbischen Frauen einvernehmlichen oder eben nicht einvernehmlichen Sex haben zu können.
Francisca und Anna, ihre Partnerin, sind vor einigen Jahren aus Frankreich nach Berlin gezogen, weil sie die ständigen Pöbeleien leid waren und dachten, nur in Berlin sei alles so frei, so bunt gemischt und tolerant, dass sie hier ihr Leben gestalten können, wie es ihnen behagt. Hier wurde dann die Tochter geboren und zunächst verlief die Realität konform mit den in die Stadt gesetzten Erwartungen. Seit dem Überfall im vergangenen Herbst ist nun alles anders.
Seit der Veröffentlichung in der taz, haben sich bei der Redaktion mehrere ONGs gemeldet, sogar die Staatsanwaltschaft fragte nach. Unter Wahrung der erbetenen Anonymität hat die Redaktion die Kontakte weitergeleitet.
MANEO, das schwule Anti-Gewalt Projekt in Berlin, hat gebeten, den Bericht ins Schulungsprogramm aufnehmen zu dürfen. Es gäbe fast keine Erfahrungsberichte von Übrigriffen gegen Lesben.
Wir alle denken, unsere Gesellschaft sei ja ach so liberal. Was nützt das aber, wenn es nach wie vor Menschen gibt, die ihrer Ablehnung gegen andere Lebensplanungen mit Gewalt Ausdruck verleihen? Es mögen wenige sein, für Betroffene sind es eindeutig zu viele.
Manche Lesben schützen sich dadurch, dass sie ein grelles Outfit wählen, das sie vermeintlich für Männer unattraktiv macht.
Francisca hat nichts Grelles, sie erzählt das Erlebte mit ruhiger, leiser Stimme. Sie wirkt fast verstörend gelassen. Sie lacht nicht, sie lächelt und verzaubert damit ihre Mitmenschen. Das hat sie sich bewahrt – trotz der erlebten Gewalt.