Winterdürre

Die Berlinale war nur ein Aufschub gewesen. Noch einmal erhob sich das Haupt der Hyäne Tratsch und alle wussten, dass es hernach grausam werden würde. Die russischen Oligarchen waren weggebrochen und die aus der Ukraine melden nun ihre Bentleys und SUVs um weil sich Nummernschilder mit der gelb-blauen Nationalkennung einfach nicht mehr gut machen. Große Partys zu schmeißen, das ist gerade nicht das, was gut ankommt, das auch noch.

Die kommenden Wochen würden schrecklich werden, gut, dass es dafür ein neues Wort gab: Winterdürre.

Die wenigen Vernissagen, die paar Empfänge zu Nationalfeiertagen obskurer Hinterwaldstaaten…, kurz, es würde trübselig werden.

Ségolaine Belcour, Correspondant social, so stand es auf ihrer Visitenkarte. In ihren ehrlichen Momenten gestand sie sich selbst ein, dass sie nichts anderes war als Zuträgerin zu Tratsch Kolumnisten, ein Zulieferbetrieb im Räderwerk einer mächtigen Industrie.

Immer am Montagmorgen lieferte sie. Sie traf sich nie persönlich mit den Hermelinträgern der Branche, deren Gesicht kannte „tout Berlin“ und das wurde nur bei wirklich wichtigen Ereignissen in die Öffentlichkeit getragen. Deshalb verabredete sie sich stets mit den Sekretärinnen. Sie belieferte mehrere, die allerdings möglichst nichts voneinander wissen sollten. Es waren immer kleine Cafés, die von ambitionierten jungen Leuten geführt wurden, die es ihrer Kundschaft schwer machten, einen normalen schwarzen Tee zu bekommen und glaubten mit Dinkelstollen brillieren zu können.

Heute war die Ausbeute mager: Die einflussreiche Betreiberin einer Gallerie in Mitte war mit einem neuen Galan erschienen. Er war gertenschlank, sein eng geschneiderter Anzug passte ihm tatsächlich, statt Krawatte trug er Brusthaar, das ebenso ungekräuselt war wie seine lange Mähne.

Der Kulturattaché der italienischen Botschaft verbreitete, böse Zungen berichteten, der Kerl sei schwul. Beim nächsten Glas Champagner verriet er, er wisse es.

Der Gastgeber, ein kunstliebender Notar und Rechtsanwalt, ließ die Einladung von einem kretischen Importeur von Salatgurken sponsern, das aber müsse bitte „off the records“ bleiben.

Die Schriftstellerin B. du weißt schon, die ein Verhältnis mit einem Minister der Merkel-Regierung gehabt hatte, war wieder aktiv auf Suche. Man sieht sie jetzt auf jedem Micro-Event. Am Freitag hat sie fünf davon abgearbeitet, ist aber nicht fündig geworden. Ségolaine gestand sie, es sei zum Verzweifeln. „Sag, habe ich an  Attraktivität verloren oder liegt es daran, dass mein letzter Roman ein Flopp war?“

Sie plant jetzt ein Buch über das Leben der Prinzessin, ihrer Nachbarin, steckte sie Ségolaine. „Ach das weißt du gar nicht? Das ist doch die, deren Vater dem säumigen Prinzen den Kaufpreis für seinen Rolli erlassen hat, wenn er denn seine Tochter ehelichte. Ja, ja, der Herr Papa war Autohändler gewesen. Die Ehe hat ein Jahr gehalten. Seither vermeidet sie neue Eheschließungen. Wer will schon einen so schönen Namen verlieren? Zurzeit macht sie sich rar. Sie hat einen Neuen, ich weiß das, meine Wohnung ist ja so hellhörig. Aber bitte, Ségolaine, das bleibt jetzt unter uns.“

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