Das Foto, das mein Freund Jean Willi von seinem Bücherregal in seinem Haus auf Ibiza gepostet hat, ist dazu geeignet, mich in tiefe Selbstzweifel fallen zu lassen. Ich kenne sein Haus in Santa Inés. Es ist nicht sehr groß. Und dennoch: Er schmeißt keines dieser Schätzchen weg.
Wer es sich leisten kann, richtet sich ein ganzes Zimmer für seine Bücher ein. Dort riecht es dann stickig und weil fast nie jemand vorbeikommt, wird es von der Jugend dazu benutzt, das auszuprobieren, wofür sie ihre Eltern noch zu jung erachten.
Normalbürger haben keine Bibliothek, sondern ein Bücherregal. Als wir noch auf Ibiza lebten, hat uns ein Freund, der im Sommer als Hüttenwirt in der Steiermark lebte, ein riesiges Regal gebaut. Darin hatte sogar meine ausufernde Plattensammlung Platz.
Womit wir nicht gerechnet hatten, war der Umstand, dass unser Haus keine Bodenplatte hatte und deshalb allerlei Gewürm sich über das im Haus verbaute Holz machte. Bald aber fanden die Viecher heraus, dass Papier auch sättigt und man sich dabei weniger anstrengen muss als beim Verzehr von „pino del norte“.
Als ich eines Tages etwas nachschlagen wollte, fand ich einen Buchrücken, zwei Deckel und sonst nichts vor. Alarmiert suchte ich in den übrigen Büchern nach und fand darin zum einen Teil ebenfalls nichts und zum anderen wie ich fand, grinsende, aber auf jeden Fall eklige Maden. Es blieb nichts anderes übrig als fast alle Bücher und das Regal zu verbrennen. Glücklicherweise wollten wir damals sowieso nach Mallorca übersiedeln. So tröstete ich mich damit, dass wir uns den Transport der schweren Bücher erspart hatten. Immerhin, die Schallplatten hatte die widrigen Würmer verschmäht.
Seltsamerweise kam keine Trauer über den Verlust auf. Alles, was sich seit meiner Studentenzeit an Büchern gekauft hatte, war mit mir nach Ibiza umgezogen. Ich fand, ich hätte ein Recht darauf, traurig zu sein. Ich strengte mich an, aber da war nichts.
„Hast halt ein Gemüt wie ein Metzgershund,“ tröstete ich mich.
Jahre später beschlossen wir, von Mallorca nach Berlin zu ziehen. Auf einem Flohmarkt unter der Kathedrale verkaufte ich meine Bücher, unter anderem fast alle von Herbert Rosendorfer veröffentlichten Werke. Ein Flaneur bedauerte es, mit dem Flieger nach Mallorca gekommen zu sein, sonst hätte er mir alles abgekauft. Etwas beschämt war ich dann aber schon, als er mich tadelte und meinte, er würde sich lieber von seiner Frau scheiden lassen, als sich von seinen Rosendorfer-Büchern zu trennen. Meine Entgegnung, ich läse Bücher nicht zwei Mal kam irgendwie flau rüber. War ja auch gelogen. Unterdessen habe ich mir einige Bücher von Herbert Rosendorfer nachgekauft.
Grundsätzlich aber gilt nach wie vor: Ich hänge nicht an Büchern. Jetzt steht wieder ein Umzug ins Haus und siehe da, mein sowieso schon seht kleines Bücherregal sieht richtig gerupft aus.
Wahrscheinlich bin ich jetzt bei allen bücherliebenden Gelehrten, Forschern, Autoren, Schöngeistern und Kulturaufrechterhaltern unten durch.
Nur die Buchhändler werden mich lieben. Denn noch immer kann ich schwer an einem Buchladen vorbeigehen, ohne etwas zu kaufen.