Wenn mein Vater Geburtstag hatte, wurde immer vorher bei Café Wagner in Ebern eine Baiser-Torte abgeholt. Das Geburtstagskind, ein unermüdlicher Schüttelreimer, bestand darauf, dass die Konditorei eigentlich Waffé Kackner hieß.
Uns erklärte er zweierlei: Erstens sei „Baiser“ das französische Wort für Kuss und zweitens hieße das Ding gar nicht Baiser-Torte sondern Beseh-Torte, man könne sie daher nur anschauen außer dem Jubilar natürlich.
Wir bekamen alljährlich dennoch ein Stück ab, auch wenn das Ritual vom Schüttelreim bis zum bloßen Hingucken alljährlich wiederholt werden musste.
Meine Zunge erinnert sich noch heute an das irgendwie prickelnde Gefühl, wenn schließlich doch der „Baiser“, der Kuss, der jedes Stück der Torte zierte, in meinem Mund gelandet war – der Inbegriff von Luxus und Genuss.
Die Torte sah irgendwie unscheinbar aus, eher grau, wo doch die Buddergremdorddn in weißer Pracht und die Schwadswäldä-Kirsch-Dordde fast kunterbunt in Meister Wagners Vitrine stand. Diese Erzeugnisse verachteten wir, weil unsere Mutter uns eingeredet hatte, die einzig „vornehme“ Torte sei die Baiser-Torte. Das glaubten wir ihr, ohne diesen erkennbaren Blödsinn zu hinterfragen, zumal es ja keine andere Torte gab außer das eine Mal im Jahr eine Baiser-Torte, die Kusstorte.
Später bin ich oft nach Frankreich gefahren, mal per Anhalter, auch im eigenen Auto. Ich gewann das Land lieb, noch mehr aber die Sprache, die man dort spricht.
Das kam mir sehr zugute, als ich nach Ibiza „auswanderte“. Spanisch konnte ich nicht außer „todo va mejor con una mujer“: Aber ich wähnte meine französischen Sprachkenntnisse seien allumfassend. Da ich dort zunächst nur französische Freunde hatte, machte das alles erheblich einfacher und bald war ich aufgenommen in den Kreis einer französischen Großfamilie, die zum Teil auf der Insel lebte, zum anderen Teil im Sommer dort ihre Ferien verbrachte.
Bei einer Familienfeier hatte ich das Glück einen Sitzplatz neben – nennen wir die Monique – zu ergattern. Sie war zum Niederknien schön, sie lachte, wenn ich dumme Späßchen machte, es blieb mir gar nichts anderes übrig, als mich in diese junge Halbgöttin bis über alle Ohren zu verlieben.
Dabei störte natürlich die anwesende Großfamilie. Ich beschloss, auf irgendeine Weise meine „Ansprüche“ manifest zu machen und dachte, mir, ein Kuss sei dazu gerade das richtige Mitte, deutlich genug aber nicht so weitgehend, dass die Mutter der Angebeteten erzürnen müsste. Also holte ich mein bestes Französisch zusammen und sagte laut genug, dass alles es hören konnten:
»Monique, tu es tellement mignonne, il faut que je te baise. »
Ich dachte Substantiv und Verb seien wie im Deutschen gleich. Darum wunderte ich mich um so mehr, dass sich bleierne Stille über die Gesellschaft legte. Dann kicherten Einige und Moniques Mutter blitzte mich wütend an. Später erfuhr ich, dass das französische Verb des Kusses etwas ganz anderes bedeutet als von mir gedacht, nämlich den Vorgang der natürlichen menschlichen Reproduktion.
Daran hatte ich bei meinen „Ansprüchen“ noch gar nicht zu denken gewagt.
Aus der Sache wurde dann auch nichts
Merde!