Zu meinem Glück gibt es eine Wanduhr im Hallenbad, das ich durch matrimonielle Zwänge, die darzulegen, zu weit führen würde, wöchentlich besuche. Wenn ich es recht bedenke, ist das gar kein Glück, denn die Zeiger gehen ums Verrecken nicht voran. Ich strecke das Bein, versuche den Ellenbogen aufs Knie zu drücken, ohne Wasser in die Nase zu bekommen, ich befolge die Anweisungen der Trainerin,dabei meide ich die linke hintere Ecke, denn dort lagern allerlei Kunststoffutensilien, die mit der Zeit zu stinken begonnen haben.Ich meide aber auch die rechte vordere Ecke, denn dort prustet eine streng blickende Dame, die mir Angst einjagt, wenn ich mir vorstelle, ich hätte sie 1985 in Pankow getroffen. Eigentlich sollte ich auch die übrigen Ecken und die Mitte des Beckens meiden, aber damit wären wir wieder bei den matrimoniellen Zwängen.
Neulich hat mir die Trainerin zugerufen, ich solle, wie alle anderen auch, ein fröhliches Gesicht bei den Übungen machen. Als ich antwortete, die anderen seien ja auch freiwillig da, kam das nicht soo gut an.
Ich schielte auf die Uhr, und stellte fest, dass noch nicht einmal die Hälfte der 45 Minuten rum war. Also jetzt unter Wasser dribbeln und die Arme im Rhythmus schwenken. Welcher Rhythmus?
Dann mussten wir auf einem Bein stehen und das Bein seitlich ausfahren, wobei wir einatmen sollten, wenn das Bein aufstieg und ausatmen, wenn es wieder zu Boden ging, oder umgekehrt.
Danach waren es immer noch 20 Minuten. Die Trainerin begann zu schwitzen und ich versuchte, nicht daran zu denken, dass meine Mitgymnasten womöglich im Wasser schwitzen.
Die letzten 15 Minuten trainierten wir Herz und Kreislauf. Das ging so, dass wir das Bein streckten, versuchten den Ellenbogen aufs Knie zu drücken, unter Wasser dribbelten und auf einem Bein standen. Ich fragte mich gerade, was wir eigentlich zuvor trainiert hatten, als die Trainerin die erlösenden Worte fand: „Leider ist unsere Zeit um!“
Das Glücksgefühl, es geschafft zu haben, war nur von kurzer Dauer, denn da wurde ich daran erinnert, gleich den Termin für den nächsten Montag festzumachen. Wir landeten auf der Warteliste, immerhin ein Schimmer der Hoffnung.
Und dann kam Hilfe von unerwarteter Seite: Seit Jahren habe ich Probleme mit der Haut an den Händen. Neulich riet mir die Kassiererin bei REWE, ich solle allen medizinischen Rat in den Wind schießen und gegenüber bei Rossmann Paste mit Salz aus dem Toten Meer kaufen. Es half nichts. Dann war ich vierzehn Tage lang auf Mallorca und verbrachte täglich 40 Minuten im Meer. Half auch nicht wirklich.
Nun hatte ich heute einen Termin bei meiner Hautärztin. Es ging in erster Linie darum, festzustellen, ob das Meerwasser geholfen hätte.
Ich gehe gern zu dieser Hautärztin, weil sie einen ähnlichen Humor hat wie ich. Deshalb war ich mir nicht ganz sicher, ob sie mich veralbern wollte. Sie schlug nämlich vor, den Kontakt zu Süßwasser auf ein Minimum zu beschränken.
Ich hakte nach, und sie wurde deutlicher: Kein Abwasch, Blumen gießen, bitte nicht, und besonders kein Bad im Wandlitz-, Ober, Templin- oder Liepnitzsee.
Ich geh da sowieso nicht gern rein, und dann erinnerte ich mich, dass das Hallenbad ja auch eine Art See ist. Diesen solle ich ganz besonders meiden, denn jetzt hätten die Benutzer immer irgendwelche Chemikalien auf der Haut und das sei gar nicht gut für die Meinige.
Camus meinte, man müsse sich Sisyphus als glücklichen Menschen vorstellen, was ich immer schwer nachzuvollziehen fand.
Mich kann ich mir allerdings seit heute als glücklichen Menschen vorstellen.
Zur Beruhigung von Freunden, Familie und anderen bemühe ich zum Schluss noch eine weitere Geistesgröße des vergangenen Jahrhunderts: Helmut Qualtinger, der beteuert hat, eine Waschmuschl habe er schon. Ich auch.