Wer nic ht heiratet…

Meine Mutter schwärmte immer davon, der schönste Jahrmarkt auf der Welt sei Kiliani in Würzburg, das Fest zu Ehren des Heiligen Kilian, der uns Unterfranken mores gelehrt hat. Kilian war ein irischer Mönch, der am Main tätig war und dafür sorgte, dass das damals heidnische winzern zu dem göttlichen Tun wurde, das es bis heute geblieben ist. Drum feiern ihn die Würzburger mit einem zweiwöchigen Rummel im Juli.

Mutter berichtete von Kettenkarussells, Schieß- und Wurfbuden, Zuckerwatte und einem Losverkäufer. Der hatte einen einprägsamen Spruch drauf, mit dem er die Leute zum Kauf eines Loses animierte:

„Wer wagt gewinnt

Wer nicht heiratet kriegt kein Ehestandsdarlehn.“

Also, mir leuchtete das sehr ein und mir war klar, dass das Erste nach vollzogener Hochzeitsnacht dereinst die Beantragung eines Ehestandsdarlehens sein würde.

Es kam dann etwas anders, denn als wir heirateten, hatten wir bereits eine Tochter und lebten auf Ibiza. In Spanien gab es damals weder Anreize fürs Heiraten noch fürs Kinderkriegen, materielle Anreize, wohlverstanden. Man vertraute, auf was? Man vertraute.

Bei unserem ersten Besuch in Deutschland als Ehepaar ging ich sofort zur Filiale der Sparkasse Ostunterfranken in Ebern, legte das Familienbuch vor und beantragte ein Ehestandsdarlehn, das mir auch anstandslos in Höhe von 5.000 DM gewährt wurde. Laufzeit fünf Jahre, Zinssatz lächerlich. Nun erst fühlte ich mich wirklich verheiratet, ich hatte gewagt, gewonnen und ein Ehestandsdarlehen bekommen!

Wie gewagt das ganze Unternehmen war, stellte sich heraus, als die jährliche Rate von 1.000 Mark plus Zinsen fällig wurde.

Damals war es leicht, vom Ausland Geld nach Spanien zu schicken, umgekehrt war es fast ein Ding der Unmöglichkeit. Hinzu kam, dass der spanische Finanzminister eigentlich nur einmal um Jahr tätig werden musste, das war vor Beginn der Saison. Dann wurde die Pesete immer um 20% abgewertet, damit die Touristen auch ja nicht ausblieben.

Ich verdiente damals wenig, dafür aber in Peseten. 1.000 Mark locker zu machen, war schon schwer genug, nur es war halt jährlich 1.000 Mark plus 20%. Schrecklich! Hinzu kamen Finanzmanöver an der Schwelle zur Strafbarkeit, um den Zaster überhaupt nach Ebern bringen zu können.

Als ich mir nach fünf Jahren den Schaden besah, hatte ich ohne Zinsen etwa den Gegenwert von 8.000 Mark in Peseten abbezahlt.

Ich war noch nie zu Kiliani in Würzburg. Wenn ich dort bin, geh ich aber ins Neumünster und mache am Kilianssarg dem Heiligen Vorhaltungen. Er zeigt sich davon unberührt. Als irischer Mönch hält er wahrscheinlich von Lutherböcken „wieder wenicher.“ Neulich raunte er mir zu, ich solle doch mal auf die alte Mainbrücke gehen. Dort stehe er und erhebe seinen Finger warnend. Dann war er wieder stumm. Ich weiß bis heute nicht, ob er vor der Ehe warnt oder vor dem Darlehn.

Der Kredit war noch nicht abbezahlt, da bekamen wir einen Sohn. Bei den ausgiebigen Debatten bezüglich der Namensgebung schlug ich Kilian vor. Großen Erfolg hatte ich damit nicht.

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