Waldkrimi

Der „Freischütz“ ist besonders in den Alpenländern von einer gewissen Aura umgeben. Mut, Draufgängertum, Jungfernaugen leuchten, nur dem Torero auf der iberischen Halbinsel vergleichbar.

Heute haftet ihm etwas Miserables an, besonders nachdem bekannt wurde, dass der Polizistenmord bei Kusel begangen wurde, um Wilderei zu verdecken.

Als viele Menschen in den Nachkriegsjahren noch wirklich arm waren, gab es überall dort, in den bewaldeten Gegenden des Landes, auch Wilddiebe. Blutflecken im Laub brachten den Jagdberechtigten regelmäßig in Rage. Da Bussarde und Habichte ebenso verhasst waren wie Wilderer, keimte in mir bald der Verdacht hoch, es könne sich bei dieser Rage um eine Nebenform des Jagdneides handeln.

Dem Förster in Rentweinsorf, der Beggn Mardin, behagten diese Kerle natürlich auch nicht, aber er kommentierte deren Tun mit einer unnachahmlichen fränkischen Seelenruhe:

„Ich werd denna Fregger auf unnera Reh rum helf schieß.“

Das war nicht nur eine sprachliche Perle, das war auch eine durchaus ernst gemeinte Drohung. Sie war halt nur in Watte verpackt.

Die Wilderei war unserem Vater wahrscheinlich herzlich egal. Er betrachtete Rehe in erster Linie als Forstschädlinge und befürwortete deren Dezimierung uneingeschränkt. Er wies uns nur immer wieder auf die Gefahr der Wilderei für Dritte hin, weil halt so einer draufschießt „wo’s wackelt“.

Etwas ganz anderes, viel Schlimmeres, war der Forstfrevel. Dahinter versteckte sich das unerlaubte Abholzen zur Brennholzbeschaffung. Der Forstfrevler verstand aber sein Handwerk nur unzureichend. „Die können nicht einmal die Axt anständig gebrauchen“, schimpfte Vater, wenn im Wald zerfledderte Stümpfe meist dünner Bäume aus dem Boden ragten. Posthum wurden sie natürlich als Zukunftsbäume hochstilisiert.

Eine besondere Sparte des Waldfrevels war der ach so beliebte Weihnachtsbaumlklau. Es gab Familienväter, die behaupteten, der echte Christfestfriede könne sich nur unter einer geklauten Tanne entwickeln. Forstleute gingen deshalb in der Adventszeit mit gespitzten Ohren durch ihren Wald. Wenn irgendwo das Schlagen einer Axt herübertönte, dann versuchte man den Dieb zu stellen, was meistens nicht gelang, zumal Weihnachtsbäume Nächtens gestohlen werden.

Einer meiner Onkel hatte Glück. Er überraschte ein städtisch gewandetes Ehepaar beim Klau. Er behauptete später, es sei mindesten ein Zahnarzt gewesen, sie im Pelzmantel er à la Sherlock Holmes. Er wies sich als Eigentümer des Waldes aus und erklärte sich bereit, den Diebstahl nicht anzuzeigen, allerdings unter einer Bedingung: Er werde sich jetzt auf seinen Jagdstock setzen, um ihnen zuzuhören, wie sie „O Tannenbaum“ sängen. Die Herrschaften zierten sich zunächst. Der Onkel wies erneut auf die Polizei hin. Nun begannen der Gesang, der Waldbesitzer bestand auf drei Versen. Danach bedeutete er ihnen, nun könnten sie der Weihnachtsbaum mitnehmen.

Als die beiden den Baum in ihren weiß lackierten Mercedes Coupé laden wollten, wurden sie daran gehindert, schließlich gehöre der Baum immer noch ihm, sagte der Herr der Forsten, packte den Baum in sein Auto und stellte ihn in sein Wohnzimmer.

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