Aller Anfang einer Ehe ist schwer, besonders dann, wenn man das Jahr 1948 schreibt.
Für meine Eltern wurde im Rentweinsdorfer Schloss ein Eckchen gefunden. Immerhin: Wohnküche, Schlafzimmer, Klo mit Waschbecken und Abstellkammer. Im Haus wohnten darüber hinaus Mutters Schwiegervater und dessen Schwägerin, die sich mit nur wenig kaschierter Abneigung gegenüberstanden. Dann gab es noch ein paar geflüchtete Tanten, aber das Gros des Hauses war belegt mit sogenannten „displaced people“. Niemand konnte englisch, deshalb hießen diese Bewohner pauschal Wolhynien-Deutsche. Das waren Menschen, die durch die Wirrungen des Krieges sich irgendwo wiederfanden, wo sie nicht bleiben wollten, aber auch solche, die trotz allem Wollen nicht nach Hause konnten, weil sie dort als Hochverräter verfolgt worden wären, schließlich hatten sie ja „freiwillig“ Zwangsarbeit für die Nazis geleistet. Die sanitären Verhältnisse waren unbeschreiblich. Nachtöpfe wurden aus dem Fenster entleert, besonders gern dann, wenn Mutter versuchte, auf den Rabatten Rosen zu pflanzen.
Unsere Eltern führten zunächst eine Ehe zu Dritt mit Peter. Er war schrecklich eifersüchtig auf die neue Gefährtin seines Herrn. Der hatte im Krieg einen Bauchschuss abbekommen. Peter, er hatte schwarzes weiches Fell, legte sich des nachts auf oder an Wunde, was sich wohltuend ausgewirkt haben soll. Damit war nun Schluss. Seinen Unwillen über den Rauswurf zeigte Peter damit, dass er unter das Plumeau aber auf die Seite unserer Mutter kackte. So etwas ist weder lustig noch ehefördernd, zumal in einem beheizbaren Schlafzimmer im Winter.
Es fehlte an allem. Mutter besaß viele Talente, das der schmackhaften Zubereitung von Mahlzeiten gehörte nicht dazu. Kochtöpfe hatte sie keine, sie musste in leeren Konservendosen kochen. Eines Tages kam unser Vater glückstrahlend nach Hause, schwer ächzend unter einer großen Last: Er hatte irgendwo einen Sack Mehl ergattert.
Das führte dazu, dass Mutter die Speisekammer nicht mehr betreten konnte, denn der Sack, auf dem Fußboden stehend, lockte tatsächlich oder in der Phantasie der Hausfrau Mäuse an, vor denen sie panische Angst hatte.
Das erste gemeinsame Weihnachten kam näher. Ihr wurde etwas Wunderbares zum Fest versprochen. Eines Abends sah sie die Silhouette ihres Mannes und die eines seiner Neffen über den Schlosshof huschen. Was sie trugen, war in der Dunkelheit nur als Sarg zu erkennen. Am Heiligen Abend wurde das Ding mit einer roten Schleife versehen hereingetragen. Es war eine extra angefertigte Mehlkiste, die das Mäuseproblem bannen sollte. Das gelang tatsächlich, dennoch war Mutter enttäuscht und vergoss bitterliche Zähren. Ein wunderbares Weihnachtsgeschenk assoziiert man ja auch nicht ohne Weiteres mit einer Mehlkiste.
Irgendwann, es war Herbst geworden, meldete sich ein amerikanischer Offizier zum Tee an. Es ging wohl um Manöverschäden, die die US Armee im Rentweinsdorfer Wald hinterlassen hatte. Vorsichtshalber wurde die Köchin des Schwiegervaters mit der Herstellung eines Zwetschgenbloods beauftragt und im Kuhstall wurde mehr oder weniger unter der Hand Rahm besorgt.
Die jungen Eheleute freuten sich auf einen Nachmittagstee „wie früher“ und erwarteten, wie Vater sich ausdrückte den Ami mit triefenden Feftzen auf der Altane. Man hat dort einen wunderbaren Blick über den Park bis zur Baunach, hinter der eine Dampflock endlose Loren voller Basalt von Voccawind nach Breitengüßbach schleppte. Ein friedvolles Bild, das der Offizier, kaum hatte er sich hingesetzt, dadurch störte, dass er das Kuchenmesser nahm und damit die kunstvoll auf dem Zwetschgenkuchen drapierte Schlagsahne auf seinen Teller lud. Die konsternierten Blicke seiner Gastgeber kommentierte er mit den geflügelten Worten: „I like the cream!“