Von der Lüge

Es ist das Verdienst der Bundesaußenministerin, ein neues Wort in den diplomatischen Diskurs eingeführt zu haben.

Sie sprach davon, dass ihr Kollege Lawrow sie belogen habe, ebenso wie dessen Chef gelogen habe.

Es ist gut, wenn Lüge Lüge genannt wird, wenn ich auch zugeben muss, dass es amüsanter ist, vom subjektiven Umgang mit der Wahrheit zu sprechen.

Ich habe gestern mal aufgepasst und mich selbst bei mehreren Lügen erwischt. Es waren halt die kleinen Ausreden, die wir alle täglich gebrauchen. Da hatte ich versprochen, die Küche aufzuräumen und mich damit entschuldigt, ich hätte einen Gedankenblitz zu Papier bringen müssen, als ich dabei erwischt wurde, die Aufräumerei nur ungenügend beendet zu haben.

Gehen wir die Lüge mal theoretisch an: Es ist der Versuch, einen Vorteil für sich herauszuholen, indem man dem anderen eine Unwahrheit auftischt.

Interessant daran ist, dass geglaubt wird, die Unwahrheit helfe besser weiter als die Wahrheit. Offenbar ist unser wahres Sein so mies, dass wir es besser nicht herzeigen.

Dabei weiß der Volksmund seit Jahrtausenden, dass Lügen immer ans Licht kommen, schon einmal deshalb, weil sie kurze Beine haben.

Es ist ja auch so, dass Lügen ganz eigentlich eine Beleidigung des Belogenen sind. Wer nicht ganz deppert ist, merkt doch sofort, wenn er belogen wird.

Oder haben Macron und Scholz, als sie an diesem absurden Tisch saßen, nicht gemerkt, dass Putin kein einziges wahres Wort gesagt hat?

„Der lügt beim Beten,“ vermutete mein Großvater von jemandem, dem man nicht über den Weg trauen durfte und wir Kinder nannten so einen „Lüchnsocher“ und fühlten uns gut, wenn wir ihm noch ein „Wer einmal lüchd, den glaubd man nichd, und wenn er auch die Wahrheid schbrichd“ hinterherrufen konnten.

Nun sollten wir nicht wirklich den Versuch unternehmen, festzustellen, ob, in welcher Intensität und mit welcher Annäherung an die Wahrheit Putin und andere Politiker beten. Immerhin macht es sich gut, den Eindruck zu erwecken, man täte das. Es darf uns daher auch nicht verwundern, wenn Trump unseligen Angedenkens, immer gleich mit zwei Bibeln in der Hand aus der Kirche kam.

Übrigens hat mich gestern meine Frau bei der Küchenaufräumlüge sofort erwischt, denn sie wollte den zu Papier gebrachten Gedankenblitz sehen. Es war obiger Satz, wonach lügen ans Licht kommen, weil sie kurze Beine haben.

„So ein Quatsch! Das ist doch ein in sich verquerer Satz! Besser du hättest die Küche fertig aufgeräumt.“

Ich müsste lügen, wenn ich behauptete, sie hätte damit nicht Recht.

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