Wenn man das Schloss in Charlottenburg besucht, lernt man, dass das das preußische Herrscherhaus calvinistischer Konfession war. Wir erinnern uns, das sind die Christen, die dem vormals in Genf lehrenden Theologen Johannes Calvin anhängen.
Ich habe vor Jahren einen calvinistischen Gottesdienst in Altdorf, der Hauptstadt des Kantons Uri, miterlebt. Die Schlichtheit der Zeremonie war erstaunlich. Verglichen damit, war ein ev. luth. Gottesdienst in Rentweinsdorf eine Hollywood Show.
Ich hatte damals in Altdorf gelernt, dass Cavinisten auf jeden Pomp verzichten. Der Pfarrer erschien im Anzug und setzte sich hinter eine Art Lehrerpult, als wolle er uns sogleich das kleine Einmaleins beibringen.
Nun, nach Berlin gezogen, klappere ich die Sehenswürdigkeiten der Stadt ab. Eines meiner ersten Ziele war das Schloss in Charlottenburg, was mich auch deshalb interessierte, weil es der erste preußische König, Friedrich I hat bauen lassen. Das war der Vater des Soldatenkönigs und Großvater des alten Fritz, der in Jochen Kleppers Roman „Der Vater“ so schrecklich schlecht wegkommt.
Gut, dass im Schloss von Charlottenburg Prunk angesagt ist, ahnte ich. Gespannt aber war ich auf die calvinistische Schlosskapelle. Ich wurde nicht enttäuscht. Es ist nämlich so: Eines ist der Calvinismus mit Schlichtheit und so, etwas vollkommen anderes ist der Drang nach Selbstdarstellung regierender Häuser. So auch hier: Riesige vergoldete Kronen schweben über den Häuptern der Gläubigen, Kruzifix und andere Attribute der Heilsbotschaft geraten zu Marginalien. Ich musste neidlos eingestehen, dass da die Hohenzollern die Rotenhans doch mal übertreffen konnten, denn in der Kirche in Fischbach/Ufr. schwebt nur der rote Hahn über dem Heiligen Geist.
Nun ist es ja so, dass Calvinisten die Gnadengaben des Abendmals dogmatisch anders sehen als evangelische Christen. Erstere sehen es als Symbol, Letztere als Leib und Blut des Herrn. Das führte dazu, dass viele Herrscher in Deutschland nicht zusammen mit ihren Ehefrauen das Abendmahl einnehmen konnten. So passierte das auch Friedrich Wilhelm III. 1817 war zwar seine evangelische Frau, die berühmte Königin Luise schon gestorben, dennoch dekretierte er in diesem Jahr die Vereinigung der calvinistischen mit der evangelischen Kirche in Preußen. Das durfte er, denn als Souverän war er Oberhaupt aller nicht katholischer Kirchen in Preußen.
Nun könnte man meinen, damit sei Friede in die Gefolgschaft von Don Martin L. eingekehrt. Weitstfehlung! Eines der wichtigsten Merkmale der Christen, ist ihre Uneinigkeit. Und so trauten die anderen Souveräne der Sache mit der Union nicht über den Weg. Sie bestanden darauf, dass man mit den unierten Preußen zwar auf die Jagd gehen könne, sogar untereinander heiraten könne, ja, man stelle sich vor, auch miteinander Kinder bekommen könne, aber Gott bewahre, gemeinsam zum Abendmahl, also, das versteht doch jeder Christ…
Der Erfolg war, dass ein unierter Preuße einen Dispens des zuständigen Herrschers brauchte, wenn er das Abendmahl auf dessen Territorium einnehmen wollte. Das führte dazu, dass W.II, wenn er Besuch bei den Verwandten in Schwerin machte, der dortige Großherzog ihm beim sonntäglichen Frühstück einen Dispens erteilen musste, wenn er nachher am Abendmahl teilnehmen wollte.
Ach, das Leben ist ungerecht. Wie hätte es meinem Urgroßvater in Rentweinsdorf gefallen, als Kirchenoberhaupt der dortigen Gemeinde, dem Kaiser einen Dispens zu erteilen.
Seriöse Historiker meinen, er sei nie dorthin gefahren, um genau das zu vermeiden.