Die Zeitläufte machen einem die Sache nicht einfacher. Man ahnt es, ich spreche davon, wie man die Zeit rumkriegen soll, wenn eigentlich nichts mehr getan werden darf. Zunächst sind meine Frau und ich spazieren gegangen. Das ginge an sich noch immer, wenn das Wetter mitspielt, klar. Nur, es geht halt nicht immer dort, wo wir wollen. Wir sind gern in der Gegend von Buch, dem nördlichen Krankenhausvorort von Berlin umhergelaufen. Liebliche Auwälder, kleine Seen, Lichtungen und Birkenhaine wechseln sich ab, manchmal hört man das warnende Klingeln der Heidekrautbahn. Eine Idylle! Aber dann wurde berichtet, dass ein homophiler Homophage just in dieser Gegend immer die abgefieselten Knochen seiner Opfer ablegte. Mal ehrlich, wer will schon, nur weil er einigen Pferdeäpfeln auf dem Weg ausweicht, in ein Knochenkonvolut treten? Spazierengehen ist derzeit irgendwie schwierig geworden. Was könnte man sonst noch tun? Jawoll, kochen wir uns was Gutes! Dazu gibt es einen süffigen Rotwein und dann sind wir schon nachmittags knülle, weil abends soll man ja nichtmehr so viel essen. Gut, versuchen wir es mit Nasepopeln. Unsere Enkeltochter würde da sofort mitmachen, aber sie soll uns ja gerade möglichst wenig besuchen. Gemeinsames Nasepopeln ist bisher auf eine gewisse Resistenz bei…, naja, lassen wir das. Immerhin ist es neulich gelungen, einen einzelnen Freund aufzutreiben, der auch für Schlemmerfilet schwärmt. Dazu gab es die beiden letzten Flaschen Weißwein, so dass wir schon wieder mittags knülle waren. „Da hätten wir ja auch gleich was Gutes essen können“, meinte mein primärer Sozialkontakt.
Sie ist von der Krise gezeichnet. Als wir noch in Palma lebten, habe ich bei nachlassender Laune im Sommer mit ihr eine Fahrt durch den Sòller-Tunnel gemacht, im Winter habe ich ihr den Schnee auf dem Puig Mayor gezeigt. Ich gebe zu, sowas ersetzt nicht ihre heimatliche Schweiz, aber es erinnerte sie. Nun wohnen wir in Berlin und ich frage nicht nur mich, womit man hier positive Schweizer Gefühle erwecken kann. Gut, es gibt die Botschaft mit dem Fahnli oben drauf. Das nutzt sich schnell ab. Irgendwo in im Westteil der Stadt gibt es einen Laden mit Schweizer Lebensmitteln, der natürlich Chuchichaschtli heißt. Neulich waren wir dort und ich Idiot habe nachher vor dem Laden gesagt, die beiden Betreiber seien wenigstens nicht homophag. Natürlich erntete ich einen Anpfiff und jetzt will sie auch zu dem Weiheort nicht mehr zurückkehren, weil sie befürchtet, ich würde mich diesmal im Laden schlecht benehmen.
Man denkt ja immer, schlimmer könne es nun nichtmehr kommen, aber da fehlt man regelmäßig. Irgendwo hat sie gelesen, dass man ab dem 1. Februar auf Netflix den Heidifilm mit Bruno Gans sehen kann. Ich hoffte, dass wäre Sòller-Tunnel plus verschneiter Puig Mayor plus Fahnli oben drauf. Wäre es womöglich auch gewesen, nur der Film war noch nicht verfügbar.
Die Arme! Sie findet mit jedem Tag weniger Sinn in ihrem Leben in Berlin und sagt, sie wolle nach Basel fahren. Acht Stunden Zugfahrt mit FFP2 Maske (Chinesli fecunt), nein, das will sie sich denn doch nicht antun. Zu allem Überfluss hat mir ein Freund gesagt, der Heimatkanton komme für die Unterkunft nur auf, wenn sie nicht freiwillig in die Schweiz komme.
Nun überlegen wir, wie es uns gelingen könnte, dass sie in die Schweiz abgeschoben wird. Dass das den Vorteil hätte, dass ich dann das Ticket nicht bezahlen muss, habe ich besser verschwiegen. Nun suchen wir nach Abschiebegründen. Erregung öffentlichen Ärgernisses liegt ihr nicht, und auf die Chaibe-Schwobe schimpfen, das ging bisher folgenlos ab. Merkel-bashing, das besorgen schon die Deutschen allein.
Ich habe unterdessen die Küchenmesser versteckt. Wir haben nämlich herausbekommen, dass Gattenmord ein Abschiebegrund wäre.
Aber was hätte ich dann davon?