Der Wind wird rauer.

 

Seit Beginn des Jahres 2020 gibt es drei weit verbreitete Meinungen, die mir Sorge bereiten:

  1. Die Überbevölkerung der Welt ist nur durch Zwangssterilisierungen zu verhindern.
  2. Die Alten leben zu lange und es droht daher eine Überlastung des Rentensystems.
  3. Es kann nicht angehen, dass unsere Wirtschaft kaputt geht, nur weil einige Alte am Virus sterben, die sowieso keine große Lebenserwartung mehr hätten.

Alle, die diese Meinungen vertreten, haben Eines gemein: Sie sind nicht betroffen, denn sie wohnen in Europa, sind jung und gesund.

Wenn man sich das genau anschaut, dann merkt man, dass diese Mitmenschen bereit sind, anderen das Recht auf Familie, das Recht auf ein auskömmliches Alter und das Recht auf Leben absprechen.

Und alle, die diese Meinungen vertreten, haben noch etwas gemein: Sie haben Angst. Sie haben Angst davor, dass ihr derzeitiger „status quo“ in Gefahr sein könnte.

Angst essen Seele auf. Und hier wird tatsächlich aus Angst die Seele unserer Gesellschaft geopfert. Was macht sie denn aus, unsere Gesellschaft? Doch nicht das eigene Wohlergehen, sondern der Respekt vor den Rechten aller und die Beachtung der Grundrechte.

„Was heißt da Grundrechte? Bewegungsfreiheit, Gewerbefreiheit und Versammlungsfreiheit sind eingeschränkt, was nützt uns das ganze Gedöns mit den Grundrechten in einer Krisensituation?“

Wenn wir allerdings ganz ruhig nachdenken, dann merken wir, dass diese Grundrechte eingeschränkt worden sind zugunsten des Gemeinwohls. Das unversehrte Leben aller ist eben ethisch, juristisch und politisch höher einzuschätzen als das Recht des Einzelnen, stets die von der Verfassung garantierten Grundrechte leben zu können.

Ist die Demokratie demnach eine Schönwetter-Staatsform? Nein, gerade nicht, denn in der gegenwärtigen Krise zeigt sich, dass sie das Auge für das Gesamte nicht verliert.

Demokratische Regierungen und Verwaltungen sorgen eben nicht für wenige, vulgo sich selbst, sondern arbeiten dafür, dass Krisen bewältigt werden und die Menschen so weit wie möglich vor Willkür, Not und Unterversorgung bewahrt bleiben. Um es einfach zu sagen: in einer Demokratie wird in Zeiten der Krise die Knappheit verwaltet, die Knappheit an Freiheit, die Knappheit an medizinischen Ressourcen, unter anderem auch mit dem Ziel, die Knappheit mancher Hirne nicht zum Zuge kommen zu lassen.

Kommen wir auf die eingangs zitierten drei Meinungen zurück:

Wer so etwas denkt oder sagt, stellt nicht nur unser Zusammenleben in einer demokratisch verfassten Ordnung in Frage, er lässt auch hinter sich, was wir bisher als die uns alle verbindende Ethik verstanden haben. Diese hat viele Säulen, aber die wichtigste ist doch wohl die des Respekts vor dem Mitmenschen und dessen Leben.

Rassismus

Wussten Sie, dass Sie ein Kaukasoide sind? Ja, schon seit 1795. Da fand der Anthropologe Johann Friedrich Blumenbach heraus, dass alle hellhäutigen Menschen aus dem Kaukasus stammen. Begründung? Dürftig. Er hatte den Kopf eines Toten aus Georgien gefunden, der so ähnlich aussah wie ein Totenkopf aus Wanne-Eikel. Wie dem auch sei, die Erkenntnis wurde begierig aufgenommen von all denen, die auf dem Umweg über die sogenannte Rasse die Menschen in gut und schlecht einzuteilen bestrebt waren und sind.

Die Rechte bedient sich derzeit wieder verstärkt ihres alten Steckenpferdes und verbreitet rassistische Ansichten, womit sie bei ihren Anhängern Applaus und beim Rest Abscheu erntet.

Nun ist es ja so, dass die Rechte auch intelligente Menschen in ihren Reihen hat und die machen sich nun Gedanken, wie man das Negativbild des Rassismus aufhübschen könnte.

Da kommt die Geschichte mit dem Kaukasus-Menschen wie gerufen, denn Türken gehören bekanntlich zu den hellhäutigen Menschen. Wenn man demnach gegen Türken wettert, dann ist das kein Rassismus, weil die ja wie wir Kaukasier sind. Es kann kein Rassismus sein, wenn man gegen die Menschen gleicher Rasse hetzt.

Einen Namen aber muss das Kind haben und deshalb wird das Wort der Zenophobie aus dem Keller geholt. Ein Begriff, der aus dem Griechischen stammt, zeno bedeutet fremd, phobia die Angst.

Mit diesem Begriff ist man als rechter Hetzer fein raus, denn Angst kann man nicht steuern. Die Angst vor dem Fremden ist ein atavistisches Gefühl des Menschen, gehört also quasi zu seinem Wesen. Ja, Angst ist sogar etwas Gutes, denn sie schützt uns vor Gefahren. Wenn also die Ablehnung gegen Türken auf Angst beruht, dann ist das zumindest nicht per se schlecht, so wie Rassismus von allen Normaldenkern per se als schlecht empfunden wird.

Mag sein, dass ich mit meiner Meinung alleine stehe, aber ich denke, dass die Beschäftigung mit Rassen stets den Rassismus in sich trägt, weil damit Menschen in Kisten verpackt werden, also getrennt werden, und dann ist es nicht mehr weit, die eine Rasse für besser und die andere für schlechter zu erklären.

Das Perfide an der Einführung des Begriffes Zenophobie ist, dass damit die Ablehnung des Fremden als etwas Natürliches erklärt wird. Was man nicht kennt, ruft Angst hervor. Logo, oder?

Und was ist mit den Nicht-Kaukasiern, die man kennt?

Erraten: Dem Antisemitismus wird dadurch eine weitere Tür aufgestoßen. Niemand kann sagen, die Juden seien fremd, sie leben ja schon seit Jahrhunderten hier. Aber sie sind halt keine Kaukasier…

Wir dürfen uns nicht einlullen lassen, weil wir die Rechten meist als dumpfbackige Krakeeler erleben. Das sind nicht die wirklichen Rechten. Die wirklichen Rechten krakeelen nicht, sie lassen krakeelen und vergiften das Klima, indem sie neue Sprachregelungen erfinden, die Rassismus peu à peu normal und salonfähig machen.

Der Spaltpilz

Die USA sind ein gespaltenes Land, seit dem Super Tuesday ist nun auch die demokratische Partei gespalten, zutiefst, wie die Presse schreibt.

Großbritannien ist ein gespaltenes Land. Spanien ist sogar dreimal gespalten einmal in Katalonien und der Rest und dann in sich zwischen rechts und links.

Die CDU ist gespalten, die SPD ist so klein, dass sie nichtmehr spaltbar ist.

Frankreich ist gespalten. Ja, Frankreich ist ein Phänomen: Dort wählt man immer einen Präsidenten mit absoluter Mehrheit, und nur wenige Wochen darauf bilden sich im Land starke Widerstandskräfte. Man sagt mir, das läge daran, dass man in Frankreich schon seit Jahrzehnten keinen Präsidenten mehr gewählt habe, weil es immer nur darum ginge, den Front National zu verhindern.

So wird es nun auch in den USA passieren: Die Demokraten wählen zwischen zwei Greisen, um Nummer 45 zu verhindern. Da kommt es weniger auf den demokratischen Kandidaten für das Amt des Präsidenten an, als auf den von diesem ernannten Kandidaten für den Posten des Vize-Präsidenten. Auch nicht sehr demokratisch.

Sogar der Vatikan ist gespalten, wo man doch denkt, dass die alleinseligmachende Kirche nur einen Weg zur Seligkeit haben kann. Naja, die haben ja auch zwei Päpste, heraldisch eine Herausforderung nach dem Verschwinden des Doppeladlers.

Kennt jemand, einen Staat, der nicht gepalten ist? Vielleicht Luxembourg? Da zoffen sie sich wenigstens nur mit der dauertelefonierenden Großherzogin. Selig ein Land, das solche Probleme hat!

Kommen wir zurück nach Deutschland: Dort ist es wirklich schwer, nicht gespalten sein zu wollen. Wer will sich schon nicht von Nazis abspalten lassen?

Dann hat man sich gerade überlegt, dass die Linke nun seit 30 Jahren loyal am verfassungsmäßigen Leben teilnimmt, da kommt der Spruch auf, man werde die Reichen erschießen. Damit nicht genug: Acht im Bundestag sitzende Linke verklagen die Bundeskanzlerin wegen Beihilfe zum Mord, weil ohne ihr Zutun von einer US Basis auf deutschem Boden aus ein blutbesudelter General, der einer islamistischen Diktatur diente, getötet wurde. Also, die machen es einem auch nicht leicht, sich nicht von ihnen spalten zu wollen. Hatte die CDU in Berlin vielleicht doch recht, wenn sie die Linke und besonders die thüringische „bäh“ findet?

Offenbar ist der Sinn dafür abhandengekommen, dass Einigkeit stark macht. Ich predige hier nicht „Friede, Freude, Eierkuchen, denn Auseinandersetzung, Diskussion ist notwendig. Allerdings sind, wo man auch hinschaut, die Fronten derart verhärtet, dass kein Platz mehr ist für kontroverses Miteinanderreden.

Gestern war ich in Lübeck und las am Holstentor:

CONCORDIA DOMI FORIS PAX

Einigkeit zu Hause bedeutet Frieden nach draußen.

 

 

 

Wer ist schuld?

Es ist bezeichnend, dass, statt Lösungen zu suchen, ganz viele liebe Mitmenschen fragen, wer schuld ist an der sich abzeichnenden Katastrophe, die sich an der türkisch-griechischen Grenze zusammenbraut.

Die Frage nach der Schuld ist ein probates Mittel, von dem abzulenken, was wirklich notwendig ist. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, traut sich die Politik, die Kirche, das Weltgewissen nicht, Tacheles zu reden.

Dabei ist es einfach: Man lässt keine Menschen in der Winterkälte erfrieren, basta.

Es ist derzeit vollkommen unerheblich, ob die Flüchtlinge auf Erdogans Kosten an die Grenze gekarrt werden, es ist auch unerheblich, zu fragen, ob diese Menschen besser daran getan hätten, dort zu bleiben, wo sie bisher in der Türkei waren.

Diese Menschen sind da, sie sind in Not, und die europäischen Staaten sind in der Lage, ihnen zu helfen.

Aber nein, man fragt, wer an all dem Schuld trägt, und der geneigte Leser hat längst schon erahnt, wer das ist: Angela Merkel, natürlich, wer denn sonst?

Nun ist es ja so, dass Schuld in erster Linie durch aktives Tun erzeugt wird. Zur Erinnerung: 2015 hat die Bundeskanzlerin auf eine Notsituation reagiert und es könnte sogar sein, dass sie sich damals an das C im Namen der Partei erinnert hat, der sie angehört.

Niemand, wirklich niemand bestreitet, dass damals im September 2015 Fehler gemacht wurden, und noch weniger ist zu bestreiten, dass noch mehr Fehler in den darauffolgenden Monaten gemacht wurden.

Wenn man allerdings bemerkt, dass Fehler begangen wurden, dann hat man als anständiger Mensch nach Lösungen zu suchen, statt mit nacktem Finger auf die Bundeskanzlerin zu deuten.

Derzeit weiß niemand, welches Ausmaß die sich zusammenbrauende neue Flüchtlingskrise annehmen wird. Dessen ungeachtet, ist nun Aktion, Handeln angesagt. Da es nicht möglich sein wird, eine schnelle politische Lösung zu finden, muss nun sofort der griechische Staat massiv unterstützt werden, damit der die Flüchtlinge von den Inseln holen kann und damit er die Flüchtlinge an der Landgrenze zur Türkei sicher und menschenwürdig unterbringen kann.

Ich erinnere mich nicht an ein derart beschämendes Zögern Europas vor einem Problem, das mit Händen zu greifen ist.

Helft den Menschen jetzt!

Dabei fällt mir ein, dass offenbar vergessen wird, dass die aufgewühlte Situation im Nahen Osten zu einem großen Teil Konsequenz der Kriege der USA ist. Erinnern wir uns: Die Kuweit Kriege und der Irak Krieg wurden geführt, weil es dort Erdöl gibt und damals war sich die US-Administration nicht zu schade, den UN-Sicherheitsrat und die Welt zu belügen. Ich sage das nicht als Schuldzuweisung, sondern zur Erinnerung.

Irgendwie ist das alles irreal: Andere fangen Kriege an, bombardieren flächendeckend bewohntes Gebiet und geben einen Dreck auf frierende, auf erfrierende Kinder, aber schuld an allem hat Angela Merkel.