Jeder hat eine Chance verdient.

Tatsächlich trifft uns das Corona Virus alle. Metzger, Bäcker, Tischler, Schornsteinfeger, Großeltern und Taxifahrer haben weniger zu tun, Pflegepersonal, Polizisten, Ärzte und Politiker können sich vor Arbeit kaum mehr retten.

Ich gehöre zu denen, die auch schon vorher nichts getan haben, insofern hat sich mein Leben wenig verändert, will man davon absehen, dass mir verboten wurde, einkaufen zu gehen. Das macht jetzt unsere Tochter, die Gudsde.

Beim normalen Nichtstun habe ich nichts getan, der Name sagt es. Beim „non fare niente forzoso“ allerdings muss ich mir eine Aufgabe stellen und diese heißt für die kommende Woche „compassion“. Ich habe mir vorgenommen, an jedem Wochentag mit einer anderen Berufsgruppe aktiv Mitleid zu haben.

Sie werden fragen, wodurch sich aktives Mitleid vom normalen Mitleid unterscheidet? Eigentlich in gar nichts, es ist nur so, dass man sich als aktiver mit Leider entschieden besser fühlt, man wähnt, die Registrierkassen im Himmel klickern zu hören.

Dies im Hinterkopf wäre es heute angebracht, mit allen Geistlichen dieser Welt Mitleid zu haben, denn ihre Kirchen, Moscheen, Tempel und Synagogen sind zu: Stellt euch vor, es ist Religion und keiner geht hin. Sie verstehen, diese Vorstellung ist derart paradiesisch, dass sie sich für’s Mitleiden nicht eignet. Nur zur Erinnerung: Die meisten Kriege hatten religiöse Auslöser.

Aber mit welcher Berufsgruppe fängt man an einem sonnigen Ausgangssperrensonntag an? Mitleidsmäßig, nota bene.

Gut, dass mich da heute Morgen ein Anruf erreicht hat, der Vorsitzende des BdGuT rief an, und bat mich, die Interessen des Verbandes zu übernehmen. Meine Vorhaltung, heute sei schließlich Sonntag, wischte er mit dem berechtigten Hinweis weg, seine Branche habe nie Ferien oder Feiertag, man mache sogar regelmäßig Nachtschichten. Ich solle mich nicht so haben.

Okay, ich hatte mich vortan nicht mehr und hörte dem Mann, er heißt Gisbert Wimmer, zu.

Er erklärte, seine Kollegen befänden sich in existentieller Not, zumal sie weder von den Wohlfahrtsverbänden noch vom Staat irgendwelche Unterstützung zu erwarten hätten.

Naja, Sie zahlen ja auch keine Steuern und Sozialabgaben, wendete ich ein, erntete aber nur Hohnlachen. Liebend gern würden seine Kollegen wie alle anderen anständigen Berufstätigen ihren Verpflichtungen der Allgemeinheit gegenüber nachkommen. Dazu aber wäre es notwendig, ihren Beruf zu entkriminalisieren. Bei den Sexarbeiterinnen sei das ja auch gelungen und seither wären diese sozialversichert.  Früher sei der Besuch im Puff verpönt gewesen, heute müsse man ihn auch als Zustupf zur Solidargemeinschaft aller Sozialversicherten ansehen.

Ich sagte. „Tempora mutantur“ und er antwortete „nos et mutamur in illis“ Es stellte sich heraus, Gisbert Wimmer ist Altphilologe. Er hatte nach einem durch aufsässige Schüler verursachten “burn out“ auf Diebstahl umgesattelt. Allerdings stellten seine Kumpane schnell fest, dass er selbst zum Schmiere stehen zu ungeschickt war, darum boten sie ihm eine verbandspolitische Karriere an: Präsident des Bundes deutscher Gauner und Taschendiebe. Und als solcher klagte er mir nun das Leid einer ganzen Berufsgruppe, deren oberster Lobbyist zu sein, er die Ehre habe. Die Straßen leer, die Wohnungen voll, was sollen da die Einbrecher machen? Ähnlich desolat seien die Berufsaussichten der Taschendiebe: Straßen leer, Abstand zwei Meter. Da geht einfach nichts mehr.

Ich verstand das Anliegen des BdGuT, habe das Mandat aber dennoch abgelehnt. Immerhin habe ich dem guten Gisbert Wimmer versprochen, heute aktiv Mitleid mit ihm und den Seinen zu haben. Dem habe ich hiermit Ausdruck verliehen.

 

Kommentar verfassen