Corona: Keep Swiss

Coronaopfer IV. Keep Swiss

Wie bekannt, ist meine geliebte Ehefrau Schweizerin. Als solche hat sie einen Anspruch auf landschaftliche Schönheit oder Exotik, den ich ihr derzeit angesichts der verordneten Kontakterschwernisse nur schlecht bieten kann.

Als wir noch auf Mallorca lebten, bin ich immer, wenn ich merkte, dass sie Heimweh hatte, mit ihr durch den Autobahntunnel bei Génova gefahren, in schwereren Fällen nahmen wir den nach Sóller, das hat stets geholfen.

Aber jetzt?

Glücklicherweise haben wir etwas, was in neuzeitlichen Immobilienanzeigen „Loggia“ genannt wird. Da kann man auf etwa vier Metern Breite das Fenster zusammenfalten und wer jetzt noch viel Phantasie mitbringt, kann sich vorstellen, er säße auf einem Balkon.

In diesen Tagen ist es kalt, aber die Sonne scheint. Also hüllen wir uns in warme Wolldecken und setzen uns in die warmen Strahlen. Wir nennen das. „Wir spielen Sankt Moritz.“ Spätestens nach etwa 20 Minuten ruft meine Schweizerin:

„Frollein, bingetse mr a Chaffi.“ In Ermanglung eines Frolleins springe ich sofort auf und bereite eine Tasse Kaffee, die ich kurz darauf serviere und dazu sage:

„Das gosded bidde zwansch Frangn“. So stellt sich sofort das wohlige Gefühl ein, in Sankt Moritz Ferien zu machen, denn dort scheint bei kaltem Wetter die Sonne, alles ist teuer und die Serviertöchter stammen aus Sachsen.

Wenn wir damit durch sind, wetten wir auf Züge. Hinter einer Schallschutzmauer können wir die oberen 20 cm vorbeifahrender S-Bahnen sehen, bei den regionalen Doppeldeckerzügen der Bundesbahn ist es natürlich erheblich mehr, was uns an Eisenbahnromantik geboten wird. Wir wetten, ob der nächste Zug von links oder von rechts kommt. Das geht ganz schön ins Geld. Riskant, aber hochdotiert, ist die Wette auf den neuen Stadler KISS Doppeldeckerzug der DB. Das ist so riskant, weil er im Zweistundentakt kommt, einmal von links und einmal von rechts. Es genügt, zu wetten, dass er als nächster kommt, egal aus welcher Richtung.

Dieser Zug verbindet seit Neuestem Dresden mit Rostock und stammt aus Schweizer Produktion. Ich erzähle dann von den Meriten Schweizer Ingenieurskunst, durch die es möglich ist, diese herrlichen Züge in Bussnang im Kanton Thurgau herzustellen.

Für das Kommende muss man wissen, dass meine Frau „Baslere“ ist, also ein gewiss großstädtisches Flair in sich trägt. Deshalb erwidert sie meine Hymnen auf das CH-know how stets mit dem lapidaren Satz:

„Bussnang is a Schießdracksdörfli.“

Dem folgt regelmäßig ein unterhaltsamer Gedankenaustausch, der uns Gelegenheit bietet, die Vorteile von Basel gegen die von Bussnang abzuwägen. Ich habe unterdessen gelernt, wann ich nachgeben muss, nämlich immer dann, wenn sie mit Scheidung droht.

Um schnell vom Thema abzukommen, verweise ich nachfolgend gern auf den gelben BVG Bus der Linie 27, dessen Endstation von der Loggia aus fast zu sehen ist. Ab und zu fährt einer mit Ziel Jungfernheide unten vorbei. Ich benutze dies zu einem sehnsüchtigen Seufzer:
„Ja, in der Jungfernheide müsste man jetzt sein“, woraufhin mich meine Frau scharf anschaut. Sie versteht das natürlich vollkommen falsch, denn bei der derzeitigen Beschränktheit meiner Bewegungsmöglichkeiten erscheint mir eine Busfahrt zur Jungfernheide mit Kurzaufenthalt alldorten wie der Himmel auf Erden.

Naja, vielleicht ist es in unserem Sankt Moritz doch noch schöner.

 

P.S.

Meine Frau hat Recht, Bussnang ist ein Schießdracksdörfli. Es gibt dort eine Hauptstraße, ein Gässli, ein Scheffgässli, eine Schulstraße und ein Viadukt, über das die Schienen zur Stadler-Bahnfabrik führen, die an der Ernst Stadler Straße liegt.

Mit Basel nicht zu vergleichen.

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