Die Finanzkrise und die Krise des Euro im Zusammenhang mit der Griechenlandkrise habe ich in Spanien erlebt. Da ich deutsche TV-Nachrichten sah, und am Morgen darauf die spanische Presse las, konnte ich feststellen, wie sehr die Berichterstattung von nationalen Interessen geprägt war, wie eine grenzübergreifende Berichterstattung nicht mehr möglich war, womöglich noch nie möglich war.
Damals wurde über Eurobonds diskutiert. Das sind Anleihen, die von der EU selbst ausgegeben werden, für die dann die EU und die Gesamtheit ihrer Mitgliedstaaten haften.
Die deutschen Medien taten so, als werde damit die Büchse der Pandora aufgemacht. Pest, Cholera und der südeuropäische Hang zum Faulenzen gepaart mit dem laxen Umgang mit öffentliche Geldern würden ganz Europa anstecken, wo kämen wir denn da hin, wenn der vernünftig haushaltende Norden für die Schulden dieser zweifelhaften Personen und Staaten haften würde.
Das war ungefähr so zielführend, wie die Bundeskanzlerin als zähnefletschendes Naziuntier auf den Titelseiten mediterraner Gazetten zu sehen. Statt zu reden und zu überlegen, wurden Misstrauen und Hass gesät.
Seriöse Journalisten aus südlichen Ländern wiesen damals darauf hin, dass es durchaus im Interesse speziell der Bundesrepublik sei, die Eurobonds abzulehnen: Die Bundesbank verdiente sich damals eine goldene Nase damit, selbst und direkt Kredite an die Gestade des Mare Nostrum zu schleusen. Die Eurobonds hätten dieses Geschäftsmodell kaputtgemacht. Ich habe mich damals geschämt, wenn mich meine spanischen Freunde auf diesen Umstand angesprochen haben.
Heute erleben wir in der Coronakrise eine zur Untätigkeit gezwungene EU. Ihr fehlt in der Gesundheitspolitik jegliche rechtliche Befugnis, die ihr ein Handeln ermöglichen würde. Wir erleben gleichzeitig, wie sich viele der wirklich notleidenden EU-Staaten fragen, wo denn die Solidarität der in einer von demokratischen Werten getragenen Gemeinschaft bleibt? Die Flugzeugtransporte von 6 (in Worten sechs) Patienten aus Bergamo kommend wären gut, wenn sie nicht so peinlich im Fernsehen breitgetreten würden.
Das Virus macht an keiner Grenze halt. Stimmt. Es stimmt aber auch, dass das Virus über diese Grenzen zu uns gekommen ist, von Italien nach Spanien, von Österreich nach den Niederlanden und von Frankreich nach Deutschland und umgekehrt.
Schon allein deshalb ist das Virus ein gemeinsames EU Problem. Es ist es aber auch deshalb, weil die Wirtschaft der EU, das wird ja immer so gepriesen, derart miteinander verwebt ist.
Es ist allerhöchste Zeit, dass nicht nur die Staaten verstehen, wozu die EU gut ist. Jetzt muss es gelingen, mit EU Geldern dem kleinen Gewerbetreibenden, den Frauen und Männern, die keine Arbeit mehr haben, den notleidenden Gesundheitssystemen zu helfen. Wenn jetzt nicht sofort durch Coronabonds ein Zeichen des Miteinanders gesetzt wird, dann desavouiert sich das europäische Gebilde als Schönwetterallianz, die nur dafür gedacht ist, dass der Handel blüht.
Es gibt Momente, die es notwendig machen, wirtschaftliche Problemlagen politisch zu entscheiden. Bestes Beispiel dafür ist die Einführung der DM 1:1 in der noch bestehenden DDR.
Einen solchen Moment erleben wir gerade wieder. Wenn jetzt die EU als Solidarpakt nicht alles dafür tut, die bereits entstandenen und noch entstehenden wirtschaftlichen Schäden durch ein klares Zeichen des Zusammenhaltens einzudämmen, dann versagt sie in einem ihrer Hauptziele: Die wirtschaftlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass alle Völker Europas in Frieden und Wohlstand miteinander leben können.