Ich bin beschämt, wenn ich davon erfahre, dass Flüchtlinge, die die türkisch-griechische Grenze überwinden möchten, von griechischen Grenzpolizisten mit Tränengas zurückgetrieben werden.
Das ist einfach unanständig. Die Griechen können immerhin noch argumentieren, sie handelten in Notwehr, weil sie keine Unterstützung der EU-Partner erhielten.
Was Europa da gerade macht, ist richtig perfide: Wenn man die Griechen unanständig handeln lässt, hat das den Vorteil, dass man sich nicht selbst die Hände oder das Gewissen schmutzig machen muss.
Wir wissen alle, dass man Menschen, die vor dem Krieg, vor der Not und vor der Repression fliehen, nicht aufhalten kann. Irgendwann überwinden sie jedes Hindernis, nachdem – nota bene – Tausende dabei ihr Leben haben lassen müssen.
Die europäische Regiereden kennen natürlich die internationalen Übereinkommen zur Behandlung von Flüchtlingen. Sie wenden sie aber nicht an, weil sie genau wissen, dass die Flüchtlinge zu schwach sind, um ihre Rechte einzuklagen und weil alle ein Wahnsinns Angst davor haben, dass neue Fremdlinge, das Fremde schlechthin, Wähler in die Arme der Populisten treiben könnte.
Wir stehen voraussichtlich gerade vor einer neuen Flüchtlingswelle. Die Türkei mit annähernd so vielen Einwohnern wie Deutschland, hat 3,5 Millionen Flüchtlinge aufgenommen, kurz man platzt dort aus allen Nähten. Dass Erdogan das irgendwann einmal als politisches Druckmittel nutzen würde, ja sogar in dem von ihm angezettelten Krieg die Unterstützung der NATO verlangt und verlangen darf, das war doch allen glasklar.
Der NATO Generalsekretär Stoltenberg hat nun gesagt, man werde die Türkei unterstützen… mit Aufklärungsflugzeugen und so. Was passiert, wenn die Türkei aktive Mithilfe nach Artikel 5 des NATO Vertrages verlangt? Da wird man denn auch in den europäischen Hauptstädten, wo man in der Flüchtlingspolitik bisher gemauert hat, feststellen, dass die Aufnahme von mehreren Hunderttausend Menschen billiger gewesen wäre als aus Bündnistreue heraus Krieg führen zu müssen. Ich benutze das Wort „billig“ nicht nur im monetären Sinn, es wäre auch gut und billig gewesen, statt Krieg zu führen, Flüchtlinge aufzunehmen. Ich benütze das Wort „billig“ aber auch, weil in einem Krieg Menschenleben verloren gehen, und das ist in jeder Beziehung teuer.
Die europäische Politik weiß an sich ganz genau, wie mit den Flüchtlingsströmen umzugehen ist: Aufnahme und Integration, wobei ich es durchaus begrüßen würde, wenn die Integration mit mehr Nachdruck betrieben würde. Das wird man wohl über geldwerte Anreize bzw. Kürzungen machen müssen. Die derzeitige Situation, dass man die Flüchtlinge mit Geld versorgt aber sich sonst nicht kümmert, ist jedenfalls kein haltbarer Zustand.
Man fragt sich, woran es liegt, dass da derzeit so viel schiefläuft und in naher Zukunft noch schiefer laufen wird. Ich bin kein Politikwissenschaftler, aber ich habe den Eindruck, dass die europäische Politik die Hosen bis zum Eichstrich voll hat. Ein Gespenst geht um in Europa, das Gespenst des Populismus. Dagegen hilft nicht die Politik des feuchten Hosenbodens.
Wenn die Politik aus Angst vor den Rechtsextremisten, vor den Nazis, vor den Vogelschiss Verharmlosern wie ein hypnotisiertes Karnickel wirkt und den Eindruck der Handlungsunfähigkeit ausstrahlt, dann haben die Höckes, Salvinis, LePens, Erdogans und Orbans schon einen Teil ihrer Ziele erreicht.
Ich komme zum Anfang zurück: Das Tränengas an der türkisch-griechischen Grenz beschämt mich nicht, weil ich ein Gutmensch bin, auch nicht, weil ich ein Christ bin, nein, es beschämt mich, weil ich ein Demokrat bin.