Den Geld sei Hanswurschd und in ein Kalobb auf’n Grab zu!

Lange hatte ich gedacht, dass Geld nur dazu diene, Späßchen zu finanzieren. Für mich war das ein zwanzig Pfennig Eis beim Edeka, für unsere Mutter war es, wie sie sich ausdrückte „Stöffchen kaufen“ in Bamberg. Unser Vater brauchte überhaupt kein Geld. Dass er es war, der das Geld verdiente, ja, das sagte Mutter immer wieder. Nur, Geld war vollkommen unwichtig, denn die Kartoffeln lagerten im Keller, die Schorns Marie kochte jeden Tag ein Essen, im Frühling hingen die Kirschen an den Bäumen und im Herbst waren es dann die Äpfel.

Dass Geld notwendig war, bemerkte ich erst als meine älteren Geschwister und später auch ich ins Internat kamen. „Das kostet für jeden einen VW im Jahr“ sagte mein Vater“. Es war für mich unvorstellbar, wie es zugehen konnte, dass meine Mutter einen VW Käfer hatte, mein Vater auch einen, die wurden alle drei Jahre ausgewechselt, aber in diesen drei Jahren bezahlte Vater noch neun weitere VWs in Form von Schulgeld nach Schondorf am Ammersee! Wenn ich faul war, und das war ich meistens, plagte mich das schlechte Gewissen und ich überlegte welchen der 365 Teil-Volkswagen ich wohl an diesem Tag versaubeutelt hätte, einen Kotflügel, die Stoßstange oder die Scheibenwischer?

Aber mit zunehmender Neugier fragte ich mich, wie es Vater denn anstellte, einen derartig riesigen Haufen Geld zu verdienen. Im Internat bemerkte, dass alle meine Kameraden Väter mit anständigen Berufen hatten. Arzt, Fabrikant, Anwalt, Bankier, Zeitungsschreiber, klar, das waren Berufe. Einer sagte, seine Mutter sei Saatzuchtassistentin. Darunter konnte ich mir gar nichts vorstellen. Das war etwa ebenso geheimnisvoll, wie das, was mein Vater tat, denn der fuhr zur Erntezeit mit seinem VW über die Felder und redete mit dem Mann, der da droben auf dem Mähdrescher saß. Im Winter fuhr er durch den Wald und redete mit den Holzfällern. Außerdem wurde er von Mutter auf den Hochsitz geschickt, wenn die Kühltruhe fast leer war. Ansonsten diktierte er im Büro Briefe. Und damit konnte man 3 VWs pro Jahr verdienen? Womöglich kam das Geld aus der Brauerei? Wahrscheinlich nicht, denn Vater sagte immer, die brauereieigenen Gaststätten seien ein Ruin und nannte sich selbst „Gottfried der Klosettbauer“, weil die sanitären Anlagen dort, in den Arbeiterwohnungen und im Schloss bis zu seinem Eingreifen vorsintflutlich waren.

Einmal, da war ich schon etwas älter, unterbreitete mir Vater, zum Geburtstag dürfe ich mir diesmal nur „Einwas“ und das bitte klein wünschen, die Holzpreise seien im Keller. Ich bekam ein Taschenmesser. Aber immerhin verstand ich nun, dass die Bäume, die im Winter im Wald gefällt wurden, verkauft wurden und wenn der Holzpreis schlecht war, hatte das unmittelbare Auswirkungen auf unser Leben, das eben nicht nur dadurch gesichert war, dass die Kartoffeln im Keller lagen.

Einerseits hat diese tristanhafte Unwissenheit von all dem, was die Welt bewegt, dazu beigetragen, dass ich eine unbeschwerte Jugend hatte. Der Nachteil ist, dass ich nie ein wirkliches Verhältnis zum Geld aufbauen konnte. Das war nicht schlimm, denn zunächst brauchte ich wenig und später als Anwalt hab ich halt einen Zahn zugelegt, wenn man den Boden der Kasse schon sehen konnte.

Jetzt bin ich Rentner und muss erstmals in meinem Leben von dem leben, was da monatlich immer gleich reinkommt. Ich gestehe, dass mich das nervös macht. Ich befürchte, knauserig zu werden, wo ich doch bisher dem ausgegebenen Geld weder nachgerechnet noch nachgeweint habe.

Aber was hat doch immer die Schorns Marie gesagt, während sie die Kartoffelklöße ins Wasser gleiten ließ?

„Was ist der Mensch? – Den Geld sei Hanswurschd und in ein Kalobb auf’n Grab zu!“

Eine perfekte Definition meiner neuen Situation über die ich mich auch noch amüsieren kann. Was will man mehr?

 

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