Liebe Greta, sehr verehrte Frau Thunberg

Sie sind nun sechzehn Jahre alt und haben Anspruch darauf, dass man Sie mit „Sie“ anredet.

Sie sind aber auch sechzehn Jahre alt und haben daher das Recht, noch nicht alles zu wissen.

Ich bewundere Ihre Bewegung sehr. Nichts ist derzeit wichtiger als der Klimaschutz. Wir müssen aufhören, an dem Ast zu sägen, auf dem wir sitzen. Da haben sie unzweifelhaft Recht.

Dessen ungeachtet muss ich etwas zu Ihrer sogenannten „Wutrede“ vor den Vereinigten Nationen anmerken: Sie haben es für richtig befunden, den versammelten Staatslenkern dieser Welt einen „Anpfiff“ zu verpassen. „Wie können Sie es wagen“ haben Sie ihnen entgegengeschleudert.

Wer würde das nicht auch gern tun, den anderen die Schuld geben und dabei, ohne es zu sagen, die eigenen Hände in Unschuld zu waschen?

In Ihrem Fall finde ich diese Handlungsweise deshalb so verwerflich, weil Ihre Kampagne längst von der Erwachsenenwelt gekapert wurde, die weiß, wie leicht es ist, die Wut in jungen Herzen zu entzünden.

Sie sind längst zum Vehikel unbekannter Interessen geworden, und das Schlimme ist, dass man den Eindruck hat, dass Sie das bisher noch nicht bemerkt haben.

All das, was Sie anprangern, wird von Ihren Unterstützern gelebt, und seien es nur die Tonnen und Abertonnen von weggeworfenem Plastikmüll, mit denen weltweit die Kommunen nach den Demos vom 20. September zu kämpfen hatten. Da ist mehr Schaden an der Umwelt und in den Köpfen der Menschen angerichtet worden, als Sie möglicherweise bisher erkannt haben.

Sie sind nicht radikal genug, denn Sie nutzen die Möglichkeiten unserer modernen Gesellschaft, wobei es eben diese Möglichkeiten sind, die die Klimakatastrophe mit herbeiführen.

Man lässt sie nicht radikal genug sein, weil Ihre Hintermänner nicht auf warmes Badewasser verzichten wollen, und weil Ihre jugendlichen Unterstützer ihre mitgebrachten Hamburger aus Plastikverpackungen futtern und Ihre Softdrinks aus Wegwerfbechern trinken.

Ich wiederhole mich: Ich bewundere Ihre Kampagne. Aber bitte, tun Sie nicht so, als ob diese möglich wäre, ohne das, was die von Ihnen beschimpften Menschen erreicht haben. Natürlich haben wir dabei Fehler gemacht, schlimme Fehler.

Das ist aber kein Grund, so zu tun, als besäßen Sie die Wahrheit und wir, die Alten sind es, die alles falsch gemacht haben.

Danken Sie mal drüber nach.

Ihr

Hans Rotenhan

 

Fränkisch mt Stolz!

Im Fernsehen kommt fränkisch nur einmal vor, nämlich dann, wenn in Veitshöchheim Fasnacht gefeiert wird. Und dann wird gelacht.

Ja, man lacht über das Fränkische und damit lacht man auch über die Franken. Wir werden nicht ernst genommen und das liegt wohl in erster Linie an den Unbilden der Geschichte.

Wenn man genau sein will, dann hat Franken im Jahr 962 n. Chr. aufgehört zu existieren. Damals kam mit Otto I. der erste Sachse auf den Kaiserthron, der sich natürlich noch daran erinnerte, welches unsägliche Leiden die fränkischen Herrscher über sein Volk gebracht hatten. Darum sorgte er dafür, dass der vakant gewordene fränkische Herzogsstuhl nicht wiederbesetzt wurde.

Titularherzog war seither der Bischof von Würzburg, aber Franken als Staat gab es nicht mehr. Nirgend war der berühmte Flickenteppich kleinkarierter als hier. Man kann das noch heute sehen: Im Dorf A sieht man auf den Toren zu den Bauernhöfen Kugeln, die den Reichsapfel darstellen sollen, die waren reichsunmittelbaren Rittern lehnspflichtig. Im benachbarten Dorf B sind es Zirbelnüsse auf den Toren, die waren klerikalen Herrschern lehnspflichtig.In Gneisenau sind es sogar abwechselnd Reichsäpfel und Zirbelnüsse. Durch die Reformation wurde die Sache nicht besser. Abgesehen von Nürnberg spielte Franken politisch keine Rolle, wollte es auch gar nicht, die verschiedenen Fürstbischöfe und Äbte aalten sich lieber in ihrem Prunk und Protz.

Eines ist sicher: Die Bedeutung einer Sprache geht Hand in Hand mit der politischen Bedeutung des Landes, in dem sie gesprochen wird. Und das Bewusstsein der eigenen Sprache läuft dieser Bedeutung hinterher.

Als Franken in mehreren Etappen zu Beginn des 19. Jahrhunderts bayerisch wurde hatte sich dort längst das „mia san mia-Gefühl“ durchgesetzt. Wenn selbst der König bayerisch spricht, dann ist die Sprache im Wortsinn hoffähig und damit hoffärtig geworden. Klar, dass die aus den angrenzenden Nordgebieten stammenden Neubayern mit ihrer Sprache keinen Fuß auf den Boden bekamen.

Das hat sich bis heute nicht geändert: Wenn im BR über was auch immer in Franken berichtet wird, spricht der Reporter ganz selbstverständlich bayrisch. Die Idee, einen fränkisch sprechenden Reporter nach Wolfratshausen zu schicken traut man sich erst gar nicht zu auch nur zu denken.

Und darum sind wir es gewohnt, dass Schauspieler aus Alt-Bayern nach Veitshöchheim kommen und versuchen, die Fasnachtssendung aufzumischen. Die finden diese Sendung blöd, weil sie den fränkischen Humor nicht verstehen und weil sie in guter alter Tradition den fränkischen Dialekt lächerlich machen.

Im Fernsehen tummeln sich bräsige altbayerische Polzisten und Kommissare. Wenn ein blöder Polizist gebraucht wird, dann spricht der unter Garantie fränkisch.

Gerade las ich auf facebook einen Kommentar vom Liedermacher Wolfgang Buck, dem Gerhard Polt nach einer fränkischen Fasnachtssendung gesagt hat, die Franken müssten sich nicht wundern, wenn man sie nicht ernst nähme.

Offenbar hat Wolfgang Buck das so hingenommen. Mich erbost das, denn die Äußerung des geschätzten Gerhard Polt zeigt doch nur, dass er auf dem Schlitten alter Vorurteile sitzt, Franken nicht verstanden hat und immer noch denkt, Bayern trüge zu Recht einen bunten Rock und dünke sich besser denn seine Brüder.

Scheiserlameisala!

 

Deutschland, eine Waldsiedlung.

Es ist eine alte Tradition in Deutschland, dass der Mensch zuerst einmal nach seinem Benehmen beurteilt wird.

Das war ganz besonders in den Jahren nach dem 2. Weltkrieg zu beobachten: Da wurde reihenweise die Mitgliedschaft in der Nazi Partei verharmlost. Es war wichtiger, dass er oder sie „wahnsinnig anständig“ waren, dass er oder sie ja an sich gar keine Nazis waren und damals nur deshalb eingetreten sind, weil das für den Betrieb so notwendig gewesen war. Rohstoffe, Saatgut oder Zwangsarbeiter wurden halt nur an die Betriebe verteilt, deren Direktoren oder Eigentümer sich zum nationalsozialistischen Gedankengut bekannten. Das tat man eben am besten dadurch, dass man Parteigenosse wurde.

Alle verstanden, dass das mit der Partei doch gar nicht soo ernst gemeint war. Die Partei selbst aber konnte immer wieder darstellen, wie groß ihr Rückhalt in der Bevölkerung war, denn von den Beigetretenen hat natürlich keiner öffentlich gemacht, dass er nur beigetreten sei, damit der Gauleiter oder welcher andere an sich als Emporkömmling verachtete Nazi auch immer, nicht weiter in den Betrieb hineinpfuschen konnte.

Ein Volk von Opportunisten. Ich will nicht über die urteilen, die damals so handelten, denn in meinem Leben ist mein persönliches Heldentum noch nicht auf die Probe gestellt worden.

Aber man kann über die urteilen, die nach dem Krieg, die Freundschaft mit Verwandten und Bekannten weiter laufen ließen, obwohl bekannt war, dass der als Offizier Kameraden verpfiffen hat, was denen manchmal sogar das Leben gekostet hatte.

Als Kinder haben wir jeden Abend dafür gebetet, dass ein Verwandter aus der russischen Gefangenschaft zurückkäme. Kaum war er zurück, sagte er gegen Mitgefangene aus, die sich in den Gefangenenlagern gegen die Nazis gewendet hatten, was zum Teil zum Verlust der Pension führte. Der Kontakt zu ihm wurde aber keineswegs abgebrochen, der Onkel XY sei schließlich ein ausgemachter Herr.

Was nun in Hessen passierte, dass ein NPD Mann Ortsvorsteher von Waldsiedlung werden konnte, fußt auf einer ähnlichen Denke: Der Mann kann ja nicht nur mit dem Computer umgehen, er hat auch Manieren und solange er seinen Job als Ortsvorsteher gut macht, ist es egal, was er sonst noch vorhat.

Benehmen wird scharf getrennt von politischer Orientierung. Das ist ja bei der Storch, der Wedel und dem Gauland von der AfD nicht anders, das sind doch alles anständige Leute aus gutem Hause! Mit denen kann man ruhig mal zu Abend essen, sie auf die Jagd einladen, im gleichen Tennisclub spielen oder sie bei den Rotariern reden lassen.

Es wird so getan, als könne ein Rechtsextremer, ein Nazi oder Rassist, durchaus nett sein. Man kann ihn sogar zum Ortsvorsteher wählen.

Es darf keine Toleranz gegenüber denen geben, die unseren freiheitlichen Rechtsstaat torpedieren und abschaffen wollen.

Diese ganze Waldsiedlungs-Affaire zeigt, dass es in weiten Teilen Deutschlands und bei den dort lebenden Menschen noch immer nicht angekommen ist, dass die Garantie der Menschenrechte und die demokratischen Freiheiten nicht einfach nur da sind, so selbstverständlich wie das eigene Auto, das vor der Haustür steht. Nein, sie sind eben nicht selbstverständlich, sie sind verletzlich und müssen gehegt werden.

Nur wenn wir uns Tag für Tag klarmachen, dass wir die Segnungen unserer Verfassung verinnerlichen müssen, dass der Umgang mit ihnen ein pfleglicher sein muss, erst dann besteht die Hoffnung auf deren Erhalt.

Damit aber nicht genug. Die Tatsache, dass wir in einem freiheitlichen Rechtsstaat leben macht es uns zur Aufgabe, für diesen kämpferisch einzustehen und nicht den leisesten Verdacht aufkommen zu lassen, wir könnten dessen Feinde aus gesellschaftlicher Konvenienz tolerieren oder sie gar gewähren lassen.

Der Schlaf Klaus

 

Ich habe schon davon berichtet, dass es unter den ausländischen Residenten auf Ibiza keine Nachnamen gab. Der Vorname musste ausreichen, allerdings geschmückt mit einem Beinamen. Da gab es den Sülzen Hans, der einmal groß zu einer Sülze eingeladen hatte, die ihm aber gigantisch misslang. Der Objekte Horst, er wurde von einer bayerischen Gräfin ausgehalten, verarbeitete die Korken der Weinflaschen, die er mit seiner Gönnerin leerte, zu Kunst, die er allerdings nie verkaufen konnte.

Dann gab es den Klaus von der Helga und den Friedhofs Klaus. Der wohnte neben dem Friedhof von San Agustín. Seine Freundin verblüffte mich eines Tages auf der Straße, denn sie trug meine Lederkniebundhose. Es stellte sich heraus, dass meine Frau das gute Stück am Samstag zuvor auf dem Flohmarkt im British Pub verhökert hatte. Sie fand, dass eine Kniebundlederhose mit dem Geist Ibizas nicht vereinbar sei, womit sie Recht hatte.

Eines Tages erschien ein weiterer Klaus auf der Bildfläche. Er ließ sich von Britt aushalten. Die Dame behauptete, bei Springer gearbeitet zu haben. Da ich damals gerade versuchte, die “Ibiza Wochenzeitung“ zu einem Erfolg zu machen, stellte ich sie ein. Es stellt kam bald heraus, dass sie bei Springer einen kosmetischen Ratgeber verwaltetet hatte. Schreiben konnte sie nicht, hatte aber aus einer glücklich geschiedenen Ehe genügend Mittel zur Verfügung, um sich und Klaus zu ernähren.

Nachdem ich Britt wegen manifestem Nichtskönnen entlassen musste, erschien ihr Klaus in der Redaktion und erklärte mir, ich könne teilhaben an seiner baldigen Eigenschaft als Millionär. Ich müsse nur, allerdings ohne Zahlung, in der „Ibiza Wochenzeitung“ redaktionelle werbende Artikel veröffentlichen, denn er habe das ultimative Mittel gegen Schlafstörungen erfunden, den Schlafstuhl.

Fürs Wochenende lud er alle ausländischen Residenten von den Hecken und Zäunen zu sich auf Britts Finca ein, um den Schlafstuhl auszuprobieren.

Als wir dort ankamen, begrüßte mich Britt kühl und wies auf die „era“ den Dreschplatz. Dort stand unter einem Baldachin die Erfindung, ein etwas klobiger Sessel, der mit einem Schafspelz gepolstert war. Neben dem Ding stand ein Citroën 2 CV, dessen Motor ratterte. Der Schlaf Klaus, so hieß er unterdessen, erklärte, Britts Finca habe keinen Stromanschluss, der Schlafstuhl liefe aber mit Strom, und müsse daher an die Batterie des „Döschwoh“ angeschlossen werden. Eine leicht bekleidete Freundin von Britt räkelte sich unterdessen auf dem Schlafstuhl und gab grunzende Laute des Wohlbefindens von sich, nachdem der Schlaf Klaus den Schalter umgelegt hatte und sich seine Erfindung in wiegende Bewegungen setzte.

Durch sinnreich aneinandergefügte ovale Zahnräder und verbogene Achsen erreichte der Schlaf Klaus die Mobilität seiner Erfindung. Ich kannte derlei aus meiner Jugend, als ich mit meinem Metallbaukasten Erfahrungen sammeln durfte, was passiert, wenn man gebogene Achsen und durch Drauftreten oval gewordene Zahnräder verbaut. Ich traute dem Frieden nicht und als ich das Ding einer Probe unterzog wurde ich nicht schläfrig, aber immerhin wurde mir schlecht.

Machen wir es kurz: Der Schlaf Klaus hatte mit seinem Schlafstuhl eben so wenig Erfolg wie der Objekte Horst mit seinen Objekten.

Einige Wochen später erschien er wieder in der Redaktion. Ja, die blöde Britt habe ihn rausgeworfen, und nun sei er mittellos, es sei denn, ich würde in spanischer Sprache einen Antrag an die Gemeindeverwaltung von Ibiza stellen. Er habe eine Idee, die der touristischen Entwicklung der Stadt auf die Sprünge helfen würde: Er wolle im Tor zur befestigten Oberstadt Kartoffelpuffer braten.

Der Antrag wurde abgelehnt. Als der Schlaf Klaus dennoch auf der Straße Kartoffelpuffer briet und sogar einen beachtlichen Absatz verzeichnen konnte, wurde er verhaftet. Nach zwei Tagen entließ man ihn. Im „calabozo municipal“ hatte er Läuse aufgesammelt und schimpfte wie ein Rohrspatz auf die Scheiss-Ibicencos. Danach ward er nie wieder gesehen.