Nach glücklicher Scheidung kam Babs nach San Antonio auf Ibiza. Sie hatte dort ein kleines Häuschen und langweilte sich bald. Als lebensfrohe Rheinländerin lag der Gedanke nahe, eine Kneipe auf zu machen.
Was heute ein Kinderspiel ist, war damals schier unmöglich, der Generalissimo lebte noch und Recht und Ordnung wurden nach Gutdünken geregelt. Da genügte es eben nicht, einen Antrag zu stellen, da war voller Körpereinsatz gefragt. Das merkte Babs schnell und da sie nicht unansehnlich war, gelang es ihr in, wie man munkelte, verdächtig kurzer Zeit alle Papiere beieinander zu haben. Der hübsche Sekretär des hässlichen Bürgermeisters soll entscheide beigetragen haben.
Die Bar „Bei Babs“ wurde zum Treffpunkt aller in San Antonio lebenden Deutschsprachler. Als ich dort im Jahr 1978 aufkreuzte, kostete das 0,3 l Glas San Miguel für Residenten 20 PTAS, für Touristen 25.
Ab und zu kam ein Spanier in die Kneipe, der schon erwähnte Gemeindesekretär, manchmal der an einen Stierkämpfer gemahnende Chef der Guardia Civil und öfter auch der Chef der Bierniederlassung. Das waren allesamt wichtige Personen, die sich Babs auf ihre Weise gefügig machte. Besonders im Hochsommer war es nicht immer ganz leicht, genügend Bier zu bekommen, es musste ja zur Gänze mit dem Schiff herantransportiert werden.
Babs konnte kein spanisch. Wenn einer ihres iberischen Triumvirats kam, dann hörte sie sich lange deren Wortschwall an, lehnte sodann den Unterarm auf den Schanktisch, beugte sich vor, so dass der Gesprächspartner auch visuell auf seine Kosten kam und sagte: „Yo pensar, tu tener razón,“ also „ich denken, du Recht haben.“ Nachdem Babs noch klargemacht hatte, dass sie die Bar heute um Mitternacht schließen werde, zog der wichtige Mann zufrieden und erwartungsfroh ab.
Eines Tages erschien Günther auf der Bildfläche. Er kam aus dem Nichts, hatte nichts und konnte nichts. Er sah aus wie ein im Abstieg begriffener Vorstadtgigolo. Es war deutlich, dass er gekommen war, um in Deutschland über was auch immer Gras wachsen zu lassen.
Bald schon keimte in ihm der Gedanke auf, der Liebhaber einer Kneipenbesitzerin zu werden, wo sich alle Deutschen trafen, könne nur von Vorteil sein. Er verbrachte nun seine Abende im „Bei Babs“ und erzählte der Wirtin von seinen vergangenen Heldentaten und auch davon, wie ungerecht das Leben ihn jüngst behandelt habe, mit der Folge, dass er mittellos sei, aber voller Tatendrang, neu anzufangen.
Mag sein, dass es Babs danach war, sich mit einem ihrer Liebhaber auch verbal austauschen zu können, jedenfalls stieg Günther zum ständigen Begleiter der Wirtin auf. „Hauptbeschäler“, sagte Rolf, der einen Reitstall betrieb.
Das Triumvirat grollte. Da die drei kein deutsch und Günther kein spanisch sprachen, blieb es bei nonverbalen Bekundungen der gegenseitigen Geringschätzung.
Eines Abends kam es zum show down, der eine boxte den anderen vor die Brust, woraufhin der andere, das Bierglas am Tresen zerschlug und auf den Kontrahenten losging. Die Wirtin schrie grell auf und nach kurzem Gemenge lag Günther am Boden und in seinem Blute. Ich erbot mich, ihn nach Ibiza ins Krankenhaus zu fahren und Günther verließ erhobenen Hauptes das Feld, er fühlte sich als moralischer Sieger.
Im Auto fiel diese Pose rasch von ihm ab. Er wurde kleinlaut und erklärte mir, er habe schreckliche Angst vor der zu erwartenden Spritze und ich solle mich nicht wundern, wenn er schreien, ja weinen werde.
Genau so kam es dann auch, ich wurde dessen Zeuge. Als Übersetzer musste ich mit ins Behandlungszimmer.
Ich habe Babs davon nichts erzählt, dennoch waren seine Nächte in ihrem Bett gezählt. Das war auch vernünftig, denn das rotierende Triumvirat, sorgte für Biernachschub, Sicherheit und ein zugedrücktes Auge von wegen der Sperrstunde.