Fei Obbachd

 

Autoren – Lesung

aus dem Buch

„Die Kloßköchin und der Pfarrer von Gerach“

Geschichten aus den Haßbergen und dem Maindreieck

Von

Hans von Rotenhan

 

 

 

Termine:

Samstag, 21.9.19, 17 Uhr       Marienstraße 26, Haus May

                          Königsberg /Bay

Montag 23.9.19, 15 Uhr        Brauerei-Gaststätte Hartleb

                          Maroldsweisach

Donnerstag, 26.9.19, 19 Uhr    Ebern Heimatmuseum

                          Neben dem Grauturm

Freitag, 27.9.19, 18.30 Uhr      Knetzgau, Café awoccino der AWO

                          Hainerter Straße 6

 

Spenden und Beiträge gehen zugunsten des Orgelneubaus in der Marienkirche in Königsberg.

 

 

Der Apostelfloh

Irgendwann in den 30er Jahren hatte sich mein Großvater in Thüngen vor der Sommerhitze in sein Arbeitszimmer geflüchtet.

Es wird wohl nicht nur das Wetter gewesen sein, auch die Verwandtschaft ging ihm gehörig auf die Nerven. Die kam nämlich jeden Sommer heuschreckartig über das Thüngener Schloss. Meine Mutter sagte noch kurz vor ihrem Tod, das schönste in ihrem Leben sei der Thüngener Sommerbetrieb gewesen. Zwischen zwanzig und dreißig Vettern und Cousinen, das war für die Jungmannschaft natürlich wunderbar, für meine Großeltern war es wohl ein jährlich widerkehrender Albtraum.

Nun, Großvater, wir nannten in Groga, hatte sich in seinem Arbeitszimmer versteckt, als sich die Tür auftat und zu seinem namenlosen Ärger einer seiner Schwäger erschien. Dieser war Direktor des CVJM, war entsprechend fromm und hatte deshalb den Spitznamen Apostelfloh.

Es war mit dem Kerl aber auch nicht auszuhalten! Von Landwirtschaft verstand er nichts und auf die Jagd ging er auch nicht. Über was konnte man ihm denn um Himmels willen reden?

Nach fruchtlosen Gesprächsversuchen seitens des Apostelflohs schwiegen sich die beiden Herren an, als sich die Tür auftat und Bertha das Arbeitszimmer betrat. Sie war Grogas Schwester. Ihr Zeigefinger soll länger gewesen sein als ihr Mittelfinger, was darauf zurückgeführt wurde, dass sie damit immer herumfuchtelte, und bestimmte, wo`s langging.

Sie war verheiratet mit einem Prälaten der württembergischen Landeskirche, und man hätte denken können, wenigstens sie habe sich mit dem Apostelfloh etwas zu sagen.

Dem war aber nicht so, denn sie hatte ein Buch gefunden, aus dem sie ihrem Bruder unbedingt vorlesen wollte. Der ahnte nichts Gutes und griff zur Main Post.

Es handelte sich um ein Buch, in dem Stilblüten, unfreiwilliger Humor aber auch Poesie von Ludwig II (Kühl und labend war der Abend, Abendbrot gegessen habend) der Nachwelt überliefert wurden.

Meist waren es leicht schlüpfrige Geschichten, es soll aber auch starker Tobak darunter gewesen sein, der, beim Erzählen der Geschichte natürlich nicht wiederholt wurde.

Jedenfalls war das Vorgelesene so erstaunlich, dass Groga die Main Post sinken lies und ebenso wie der Apostelfloh gespannt zuhörte

Verbürgt ist lediglich dieser Brief an die Stadtverwaltung:

„Unsere Wohnung hat Schimmel und ist feucht. Jetzt ist unsere Tochter schwanger. Wer kommt nun für den Schaden auf?“

Tante Bertha merkte offenbar gar nicht, dass sie für damalige Zeiten geradezu Unerhörtes vorlas und freute sich am aufflammenden Interesse der beiden Zuhörer.

Als sie endete stöhne der Apostelfloh auf und sagte:

„Während meiner zwölf Jahre als Kürassier in Pasewalk habe ich nicht solchen Unflat gehört, wie heute Nachmittag von der Frau Prälatin.

 

Homophobie tut höllisch weh!

Unter diesem Titel veröffentlichte anlässlich des Christopher Street Days die taz einen Bericht, in dem eine Frau erzählt, wie sie mit Partnerin und ihrer beider Kind von einem Mann angepöbelt und geschlagen wurde.

Da ich Francisca, die Autorin, kenne, habe ich sie um ein Gespräch gebeten. Die erste und obligatorische Frage war natürlich, wie die Tochter, die nunmehr 5jährige Emma, damit lebt, dass ihre Eltern auf offener Straße von einem wildfremden Mann verprügelt wurden. Glücklicherweise ist sie nicht traumatisiert, die Kita Betreuerinnen und die Eltern haben keine Verhaltensveränderung an ihr feststellen können.

Wie aber haben die beiden Frauen nach diesem Übergriff gelebt?

Psychiatrische Behandlung? „Können wir uns nicht leisten“.

Habt ihr mit Eltern oder der Familie darüber gesprochen? „Daran hat uns die Scham gehindert“.

Es hat gedauert, bis ich verstand, was Francisca damit meint: Es ist dieselbe Scham, die missbrauchte Kinder oder vergewaltigte Frauen daran hindert, das Geschehene mit Dritten zu teilen. Das Opfer schämt sich. Das kann wahrscheinlich nur verstehen, wer selbst ein derart traumatisches Erlebnis hat erfahren müssen.

Ohne jegliche Hilfe von außen haben die beiden Frauen versuchen müssen und wollen, mit dem fertig zu werden, was da passiert ist. Das mag ein Rezept sein, dennoch belastet derlei jegliche Beziehung. Wut, Hilflosigkeit, Scham, man könnte schreien, um sich hauen, aber es geht nicht, das Kind und die Partnerin können ja nichts dafür.

Nach dem Angriff war der Täter ziemlich hurtig verschwunden. Etwa ein Dutzend Tatzeugen unternahmen buchstäblich nichts. Immerhin, die Polizei kam sehr schnell, handelte präzise, einfühlsam und professionell, allerdings auch wieder nicht professionell genug, denn es wurde das Offensichtliche nicht ins Protokoll aufgenommen: Der Angriff auf ein lesbisches Paar. Deshalb ging die Sache auch den üblichen Amtsweg und vorbei an den staatsanwaltlichen Stellen, die sich mit derlei Kriminalität gegen Minderheiten befassen.

Ich fragte Francisca, wie man es sich erklären könne, dass ein Mann, der ein weibliches Paar plus Kind sieht, auf offener Straße Geschlechtsverkehr anbieten könne. (You wanna fuck?) Ich erfuhr, dass sieben von zehn Männern das Signal „wir sind lesbisch“ verstehen, etwa zwei davon glauben dadurch eine Lizenz zum Grabschen zu bekommen und immerhin einer, nach ihrer Schätzung immerhin 10% der Männer, geilt die Vorstellung auf, mit einer oder mehreren lesbischen Frauen einvernehmlichen oder eben nicht einvernehmlichen Sex haben zu können.

Francisca und Anna, ihre Partnerin, sind vor einigen Jahren aus Frankreich nach Berlin gezogen, weil sie die ständigen Pöbeleien leid waren und dachten, nur in Berlin sei alles so frei, so bunt gemischt und tolerant, dass sie hier ihr Leben gestalten können, wie es ihnen behagt. Hier wurde dann die Tochter geboren und zunächst verlief die Realität konform mit den in die Stadt gesetzten Erwartungen. Seit dem Überfall im vergangenen Herbst ist nun alles anders.

Seit der Veröffentlichung in der taz, haben sich bei der Redaktion mehrere ONGs gemeldet, sogar die Staatsanwaltschaft fragte nach. Unter Wahrung der erbetenen Anonymität hat die Redaktion die Kontakte weitergeleitet.

MANEO, das schwule Anti-Gewalt Projekt in Berlin, hat gebeten, den Bericht ins Schulungsprogramm aufnehmen zu dürfen. Es gäbe fast keine Erfahrungsberichte von Übrigriffen gegen Lesben.

Wir alle denken, unsere Gesellschaft sei ja ach so liberal. Was nützt das aber, wenn es nach wie vor Menschen gibt, die ihrer Ablehnung gegen andere Lebensplanungen mit Gewalt Ausdruck verleihen? Es mögen wenige sein, für Betroffene sind es eindeutig zu viele.

Manche Lesben schützen sich dadurch, dass sie ein grelles Outfit wählen, das sie vermeintlich für Männer unattraktiv macht.

Francisca hat nichts Grelles, sie erzählt das Erlebte mit ruhiger, leiser Stimme. Sie wirkt fast verstörend gelassen. Sie lacht nicht, sie lächelt und verzaubert damit ihre Mitmenschen. Das hat sie sich bewahrt – trotz der erlebten Gewalt.

 

Ainmillerstraße 22

Das letzte Semester hatte ich in Lausanne studiert und suchte nun in München eine Bleibe.

Durch die Hilfe eines Kommilitonen, den ich aus der Zeit im Internat in Schondorf kannte, fand ich ein sehr kleines Zimmer in der Ainmillerstrasse 22, Rückgebäude. Für Pfleiderers war die Wohnung zu groß und deshalb vermieteten sie die beiden vorderen Zimmer an Studenten. Wir teilten uns mit der kleinen Familie, Flur, Wohnungstür und Gegensprechanlage.

Frau Pfleiderer hatte eine grelle Stimme und rief mehrmals am Tag die kleine Tochter Sylvia, die auf dem Hof spielte, hinauf in den dritten Stock: „Sillfiiia kimm uffi, d’Mama hat s’Essn fertig.“ Das Mädchen scherte das im Normalfall wenig, so dass die Rufe nach Sillfiia immer lauter, gellender und zorniger wurden. Dem nachbarschaftlichen Verhältnis war dies alles nicht zuträglich.

Der Kommilitone, der im größeren Zimmer wohnte, fuhr übers Wochenende immer zu seinen Eltern und überließ mir dann großzügig die Nutzung seiner Bude.

An einem Samstag hatte ich einen Freund eingeladen. Er hieß auch Hans und war der Erbe eines bedeutenden Münchner Bankhauses. Auch er war Schondorfer.

Ich hatte ihn neugierig gemacht, indem ich ihm erzählte, ich könne Käsefondue zubereiten. Wie das theoretisch geht, hatte ich im Kanton Vaud gelernt, wo uns der eine Professor zu ausgedehnten Abendessen lud, der andere deutsch-juristische Skitage organisierte, was beides nicht ohne „fondue de fromage“ abging.

Wie gesagt, ich wusste, wie das in der Theorie ging, hatte aber weder Rechaud noch Caquelon.

Nach langem Grübeln kam ich auf die Idee, das Fondue im Tauchsiedertopf zuzubereiten.

Zunächst brachten wir den Weißwein zum Kochen und fügten dann ganz langsam geriebenen Emmentaler, Gruyère und Appenzeller (je ein Drittel) hinzu.

Es war köstlich, wir tunkten das Brot in die Masse und wenn diese zu steif geworden war, steckten wir den Tauchsieder so lange in die Steckdose, bis das Zeug wieder blubberte. Dabei besprachen wir die Probleme dieser Welt und je mehr wir die Flaschen Kalterer See aus dem Tengelmann leerten, desto mehr waren wir uns darüber bewusst, dass wir diese Probleme auch lösten.

Irgendwann bemerkten wir, dass der Tauchsieder wohl nicht mehr zu retten sei, Gleiches galt für den Topf, an dessen verkalkten Wänden sich der Käse festgesetzt hatte. Wir trösteten uns damit, dass ein Tauchsieder nicht viel kosten könne. Hans fand nun, dass der Heimweg doch ziemlich beschwerlich sei und schlief auf dem Bett im Zimmer des Mitbewohners ein.

Am Sonntagmorgen klingelte es an der Tür. Da ich wusste, dass es mir nicht gelten konnte, blieb ich im Bett, hörte aber, wie die Tür des Nebenzimmers aufging, und Hans in die Gegensprechanlage rief: „Schleichts eich, Saubande, bleede, ich brauch mei Ruah.“

Als ich gegen Mittag aufstand, umkreiste mich ein neunschwänziger Kater, Hans war bereits gegangen, aber Frau Pfleiderer erwartete mich erbost. Es war nämlich der Tag von Sillfiiias Erstkommunion, und diese sollte dazu genutzt werden, die zerstrittene Familie wieder zu einen. Sie habe genau gehört, wie ich ihre Schwester durch die Gegensprechanlage beleidigt hätte, nun sei der Streit bis ans Lebensende vorprogrammiert und ich solle so schnell wie möglich meine Siebensachen packen und verschwinden.

Und wieder kamen mir meine Verbindungen aus Schondorfer Tagen zugute: Ein Klassenkamerad hatte in der Habsburgerstraße 12 eine riesige Wohnung gemietet.

Dort hing seine bedeutende Kunstsammlung an den Wänden, und weil er selten da war, war es ihm ganz Recht, dass ich dort einzog. Ich glaube, im Versicherungsvertrag stand, dass die Wohnung, in der die Kunst hing, bewohnt sein müsse.

Und so habe ich die nächsten vier Jahre in Begleitung der Herren Richter, Baselitz und Warhol zugebracht. Noch heute assoziiere ich öffentliches Recht mit Marylin Monroe, das büffelte ich im Wohnzimmer, Strafrecht war im Esszimmer dran, Mao schaute zu, und dann hing da noch die Serie „Flowers“. Naja, ich lernte ja nicht überall Jus.

Taxi

Als Student fuhr ich in München Taxi. Ich glaube, auf die Taxlerprüfung habe ich mehr gebüffelt als auf das Staatsexamen. Ich musste alle Straßen der Stadt kennen. Wie man von der Schwere-Reiter-Straße zur Willibaldstraße in Laim kommt, das musste im Schlaf runtergebetet werden.

Als ich dann tatsächlich in einem wirklichen Taxi saß, stellte sich heraus, dass ich mit dem Taxifunk vollkommen überfordert war. Das lag daran, dass ich kein bayrisch konnte und ahnte, dass ich mit fränkisch nicht weit kommen würde. Hinzu kamen Münchner Eigenheiten. Dort steht am Straßenrand kein Anhalter sondern ein Aufhalter, denn der Anhalter ist ein Platz in Milbersthofen.

Wenn ich zunächst nur altväterlicher Spott meiner Kollegen ertragen musste, die mich „preissischen Studentenburschi“ nannten, so kam es zum Funkeklat, als ich eines Nachts schüchtern anfragte, ob mir einer der Kollegen helfen könne, mein Fahrgast wolle ins Puff gefahren werden, ich wüsste aber nicht, wo derlei zu finden sei.

Schließlich musste die Zentrale eingreifen: „Kollegen, geht’s auf Kanal drei, d Oper is aus, die feine Herrschafdn woiln a sowas a neda hörn.“

Mir wurde dann auf Kanal drei, dem internen Austauschkanal unter Taxlern Aufklärung zuteil, allerdings mit dem guten Rat garniert, gleich mitzugehen, „nacher vergisst nimma, wo’s Puff ist, nedwohr.“

Ich hab’s auch so nicht vergessen, bin dann aber später dennoch ins Puff gegangen. Wenn man am in Schwabing am Kurfürstenplatz am Taxistand wartete, kam es öfter vor, dass man gebeten wurde, Essen ins Bordell in der Hohenzollernstraße zu bringen. Das war ein lukrativer Auftrag, denn zunächst gings ins Restaurant „Fiaker“ in der Belgradstraße, wo ein Henkelmann übergeben wurde und dann weiter in die Hohenzollernstraße. Während der Wartezeiten tickte die Uhr. Beim Puff angekommen, war man treppauf durch den Henkelmann als Dienstleister erkennbar, aber beim Rückweg zum Taxi machten einem die im Treppenhaus stehenden Damen Vorschläge, die mich Unschuldslamm bis hinter die Ohren erröten ließen. Die holde Weiblichkeit hatte ihre helle Freude.

Vor dem Bayerischen Hof zu warten, hatte den Vorteil, die Prominenz kennenzulernen. Einmal fuhr ich Tina Turner und ein andermal erzählte ich der Frau von Peter Alexander so herzergreifend vom harten Studentenleben, dass sie 20 Mark Trinkgeld springen ließ.

Vor dem Vier Jahreszeiten prüfte der Portier meine Englischkenntnisse, eine amerikanische Familie wollte Neuschwanstein sehen. Leider wurde nichts daraus, beim Einsteigen war die pubertierende Tochter so muffig, dass der Vater einen Wutanfall bekam und die Reise strich.

Unterdessen bin ich wieder Taxifahrer geworden.

„Bring mich doch bitte zum Flughafen Tegel“.

„Wir kommen um 13,40 in Schönefeld an, holst du uns ab, liebster Paputschi aller Zeiten?“

„Komm eine halbe Stunde später zum Hauptbahnhof, der ICE hat Verspätung.“

Gestern war es wieder einmal so weit, ich fuhr mit meiner Frau zum Hauptbahnhof, um Tochter und Enkelin abzuholen. Meiner Rolle als Taxler bewusst, ließ ich den ganzen Arm aus dem Fenster hängen. Das ist eine Armstellung, die nur Taxifahrer können und dürfen.

Was sagte da ungefragt meine holde Angetraute?

„Nimm den Arm rein, du siehst ja aus wie ein ordinärer Taxifahrer!“

Bei Babs da ist was los!

Nach glücklicher Scheidung kam Babs nach San Antonio auf Ibiza. Sie hatte dort ein kleines Häuschen und langweilte sich bald. Als lebensfrohe Rheinländerin lag der Gedanke nahe, eine Kneipe auf zu machen.

Was heute ein Kinderspiel ist, war damals schier unmöglich, der Generalissimo lebte noch und Recht und Ordnung wurden nach Gutdünken geregelt. Da genügte es eben nicht, einen Antrag zu stellen, da war voller Körpereinsatz gefragt. Das merkte Babs schnell und da sie nicht unansehnlich war, gelang es ihr in, wie man munkelte, verdächtig kurzer Zeit alle Papiere beieinander zu haben. Der hübsche Sekretär des hässlichen Bürgermeisters soll entscheide beigetragen haben.

Die Bar „Bei Babs“ wurde zum Treffpunkt aller in San Antonio lebenden Deutschsprachler. Als ich dort im Jahr 1978 aufkreuzte, kostete das 0,3 l Glas San Miguel für Residenten 20 PTAS, für Touristen 25.

Ab und zu kam ein Spanier in die Kneipe, der schon erwähnte Gemeindesekretär, manchmal der an einen Stierkämpfer gemahnende Chef der Guardia Civil und öfter auch der Chef der Bierniederlassung. Das waren allesamt wichtige Personen, die sich Babs auf ihre Weise gefügig machte. Besonders im Hochsommer war es nicht immer ganz leicht, genügend Bier zu bekommen, es musste ja zur Gänze mit dem Schiff herantransportiert werden.

Babs konnte kein spanisch. Wenn einer ihres iberischen Triumvirats kam, dann hörte sie sich lange deren Wortschwall an, lehnte sodann den Unterarm auf den Schanktisch, beugte sich vor, so dass der Gesprächspartner auch visuell auf seine Kosten kam und sagte: „Yo pensar, tu tener razón,“ also „ich denken, du Recht haben.“ Nachdem Babs noch klargemacht hatte, dass sie die Bar heute um Mitternacht schließen werde, zog der wichtige Mann zufrieden und erwartungsfroh ab.

Eines Tages erschien Günther auf der Bildfläche. Er kam aus dem Nichts, hatte nichts und konnte nichts. Er sah aus wie ein im Abstieg begriffener Vorstadtgigolo. Es war deutlich, dass er gekommen war, um in Deutschland über was auch immer Gras wachsen zu lassen.

Bald schon keimte in ihm der Gedanke auf, der Liebhaber einer Kneipenbesitzerin zu werden, wo sich alle Deutschen trafen, könne nur von Vorteil sein. Er verbrachte nun seine Abende im „Bei Babs“ und erzählte der Wirtin von seinen vergangenen Heldentaten und auch davon, wie ungerecht das Leben ihn jüngst behandelt habe, mit der Folge, dass er mittellos sei, aber voller Tatendrang, neu anzufangen.

Mag sein, dass es Babs danach war, sich mit einem ihrer Liebhaber auch verbal austauschen zu können, jedenfalls stieg Günther zum ständigen Begleiter der Wirtin auf. „Hauptbeschäler“, sagte Rolf, der einen Reitstall betrieb.

Das Triumvirat grollte. Da die drei kein deutsch und Günther kein spanisch sprachen, blieb es bei nonverbalen Bekundungen der gegenseitigen Geringschätzung.

Eines Abends kam es zum show down, der eine boxte den anderen vor die Brust, woraufhin der andere, das Bierglas am Tresen zerschlug und auf den Kontrahenten losging. Die Wirtin schrie grell auf und nach kurzem Gemenge lag Günther am Boden und in seinem Blute. Ich erbot mich, ihn nach Ibiza ins Krankenhaus zu fahren und Günther verließ erhobenen Hauptes das Feld, er fühlte sich als moralischer Sieger.

Im Auto fiel diese Pose rasch von ihm ab. Er wurde kleinlaut und erklärte mir, er habe schreckliche Angst vor der zu erwartenden Spritze und ich solle mich nicht wundern, wenn er schreien, ja weinen werde.

Genau so kam es dann auch, ich wurde dessen Zeuge. Als Übersetzer musste ich mit ins Behandlungszimmer.

Ich habe Babs davon nichts erzählt, dennoch waren seine Nächte in ihrem Bett gezählt. Das war auch vernünftig, denn das rotierende Triumvirat, sorgte für Biernachschub, Sicherheit und ein zugedrücktes Auge von wegen der Sperrstunde.

 

A Lady never…

Die Balearischen Inseln sind wohl bestückt mit einer Brigade von britischen Ladies, denen allen einige Merkmale gemein sind:

  • Sie kamen alle, als das Pfund noch wesentlich mehr wert war, vulgo sie sind jetzt eher verarmt.
  • Sie haben alle einen tatterigen Ehemann, der zu Entsetzen der spanischen Mitbürger kurze Hosen trägt, aber dennoch aussieht, wie ein General der Indienarmee.
  • In Ermanglung eines Ehemannes haben sie einen Hund.
  • Sie können kein Wort spanisch.
  • Im Sommer liegen sie stundenlang in der prallen Sonne.
  • Den Rest des Jahres spielen sie Bridge, das hält den Geist wach.
  • Damit dieser nicht zu wach bleibt, wird beim Spielen hart gesoffen.

Die übermäßige Sonnenanbeterei bleibt natürlich nicht folgenlos, man erkennt die Untertaninnen „of her gracious majesty“ unschwer an der geröteten Elefantenhaut.

Wenn wir bei spanischen Freunden eingeladen waren und dort waren auch Gäste aus dem vereinigten Königreich, dann wurde ich immer an die Schnittstelle gesetzt, wo Spanier auf Briten stießen. Unglücklicherweise hatte sich herumgesprochen, dass ich mehrere Sprachen beherrsche. Die Folge war, dass ich die dargebotenen Speisen nicht genießen konnte, weil ich von spanisch nach englisch meist unanständige Witze übersetzen musste und von englisch nach spanisch zu erklären hatte, weshalb Gibraltar unzweifelhaft britisch sei, um dann von spanisch nach englisch die darauffolgenden Verwünschungen rüberzubringen.

Am schwierigsten war das mit den unanständigen Witzen, dazu bedarf es einer einschlägigen Etymologie, die aber dann auch nichts nutzt, wenn der Witz auf Englisch einfach nicht komisch ist.

Das Gibraltarproblem hatte ich schon bald im Griff, indem ich nach jedem Satz ein „ich übersetze nur“ einbaute. So erreichte ich wenigstens, keine entleerten Weinflaschen über den Schädel gezogen zu bekommen.

Bei all diesen Anstrengungen konnte ich zwar nicht essen, wohl aber trinken, so dass ich meistens bereits dann einen sitzen hatte, wenn man zu café y copa überging. Die Spanier tranken dann Brandy aus Jerez de la Frontera und die Briten Pure Malt aus den Highlands.

Einmal saß ich einer englischen Dame gegenüber, neben deren Gedeck der Gastgeber eine Flasche Whisky gestellt hatte. Immer wieder goss er ihr nach. Einmal vergaß er das und so bat mich mein Gegenüber dies zu tun. Erklärend fügte sie hinzu: „A Lady never helps herself, if she is properly brought up”.

Ich habe es mir verkniffen zu erwidern: „A Lady never empties the whole of a bottle if she is properly brought up”.