Sea Watch 3

Carola Rackete hat gegen italienische Gesetze verstoßen, deshalb ist es nur richtig und konsequent, dass sie verhaftet wurde und dass ihr der Prozess gemacht wird. In den sozialen Medien verstieg sich sogar jemand dazu zu behaupten, alles andere sei der Beginn des Unrechtsstaates.

Auch die italienische Verfassung sagt, dass der Staat Garant der Menschenwürde sei.

Das ist selbstverständlich.

Bundespräsident Steinmeier hat vollkommen richtig gesagt, schließlich sei Italien ja nicht irgendein Staat. Nicht nur gehört das Land zu den Gründungsmitgliedern der EU, die sich auch als Wertegemeinschaft versteht, Italien hatte schon eine Hochkultur, die auch das Wort „humanitas“ kannte, als wir nördlich der Alpen noch auf den Bäumen saßen und Eicheln rülpsten.

Auf den ersten Blick hat die Kapitänin Rackete italienisches Recht gebrochen. Wer nur darauf schaut, vergisst, dass die Grundrechte stets und immer über dem gesetzten Recht stehen. Wo der Staat die Würde des Menschen, die Unverletzlichkeit von Leib und Leben nicht mehr garantieren kann oder will, dort herrscht der sogenannte übergesetzliche Notstand.

Wenn 42 Menschen von einem Schiff aus dem Meer gefischt werden, ganz einerlei, ob das Schiff zufällig vorbeikam oder dort in humanitärer Mission kreuzte, dann muss es den nächsten sicheren Hafen anlaufen dürfen. „Sicher“ bedeutet dabei nicht nur geschützt hinter einer hohen Hafenmole, sondern auch, dass im Land, zu dem der Hafen gehört, voraussehbar den Opfern nicht erneut Unrecht getan wird.

Wenn nun ein Land, das ein Rechtsstaat ist, Hilfe und Anlanden verweigert, dann missachtet es seine eigene Verfassung, es ist nichtmehr Garant dessen, was die eigene „magna carta“ vorgibt. Die Menschenwürde wird dann nicht nur bezüglich der Opfer missachtet, sie wird auch bezüglich der Helfer mit Füßen getreten, denn niemandem ist zuzumuten, zur Untätigkeit gezwungen zu werden, wo man helfen könnte.

Wenn tatsächlich, wie von der Kapitänin befürchtet, einige der Flüchtlinge über Bord gesprungen wären und den Tod gefunden hätten, hätte man sich fragen müssen, ob die Kapitänin wegen unterlassener Hilfeleistung strafbar geworden wäre. Das Recht auf das Leben und das Recht auf Unverletzlichkeit des Leibes ist ein höheres Rechtsgut als die Gefahr, wegen Missachtung der Hafenordnung ins Gefängnis gesteckt zu werden.

Es ist unbestreitbar, dass es freiwillig gewesen wäre, wenn Menschen ins Meer gesprungen und dort ertrunken wären. Allerdings kann kein vernünftig denkender Demokrat behaupten, der Rechtsstaat habe das Recht, Menschen in die Verzweiflung zu treiben.

Wenn der Innenminister Salvini noch so sehr in menschenverachtender und widerlicher Art und Weise schimpft, sich über Frau Rackete mokiert und damit vergessen machen will, dass da mehr als 40 Menschenleben auf dem Spiel standen, dann sagt das in erster Linie etwas über den Charakter dieses Herrn aus.

Dass es die Menschen, die Italien wohnen, zulassen, dass ihre Regierung eine Politik auf Stammtischniveau betreibt, ist betrüblich aber hoffentlich ein vorübergehender Zustand.

Salvini hat ohne Not in Italien partiell das Recht auf Menschenwürde außer Kraft gesetzt. Für die davon Betroffenen ist das ein übergesetzlicher Notstand. Entgegen geltendem Recht die Einhaltung der Grundrechte zu erzwingen, ist nicht nur legitim, es ist auch Pflicht.

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