Auf dem Hof

Unsere Kindheit wäre erheblich langweiliger verlaufen, hätte es nicht den Gutshof gegeben. Zunächst gab es dort noch Kühe, Pferde und Schweine.

Ich mied den Kuhstall, weil ich fürchtete, die Viecher würden mir die kurzbehosten Beine mit ihrer riesigen Zunge ablecken. Vater bot mir 50 Pf, wenn ich mich traute, einmal den Futtertrog rauf und wieder runter zu laufen. Das war viel Geld und so überwand ich mich. Keine der Kühe hat geleckt. Meine „Heldentat“ war Thema beim Mittagessen und einer der „Besücher“ sagte, er habe im Kuhstall immer Angst, dass die Tiere ihm mit ihrem dreckigen Schwanz ins Gesicht schlügen. Nun hatte ich keine Angst mehr von vorne, dafür aber von hinten.

Unser Feind war der Schweizer. Der sprach fränkisch. Schweizer hatten immer ein rot-weiß gestreiftes Hemd an, und auf mindestens einer Schulter prangte ein Kuhfladen.

Weil ursprünglich die besten Rindviehpfleger aus dem CH-Land kamen, wurde ihre Herkunft zur Berufsbezeichnung. Unser Schweizer wollte nicht, dass wir im Heuboden spielten. Er meinte, wir trampelten die getrockneten Blüten kaputt und darunter leide die Qualität der Milch. Als Vater ihm sagte, wir dürften sehr wohl auf dem Heuboden spielen, war das für ihn eine herbe Niederlage. Ab sofort hasste er uns. Zunächst „vergaß“ er eine Gabel im Heu, was gefährlich hätte enden können. Unsere Rache war, dass wir auf die Gabel kackten. Das petzte der Schweizer unserem Vater, woraufhin wir das mit der Gabel petzten. Wir ernteten eine Kopfnuss, der Schweizer einen Anschiss.

Mich faszinierte jeden Morgen die Zeremonie des Anlassens der beiden Lanz Bulldogs. Diese schwarzen Monster wurden mit einer Lötlampe vorgeheizt und dann mit Manneskraft angekurbelt. Sobald die ersten schwarzen Wolken aus dem schornsteinartigen Auspuff kamen, war es bald geschafft.

Wenn wir mit all unseren Freunden im Hof spielten, „irrten“ wir ganz gewaltig, das heißt, wir störten diejenigen, die dort arbeiteten. Andererseits waren die auch ganz froh, auf diese Weise ihre Kinder in Sichtweite zu haben, denn überall lauerten mögliche Fährnisse: glühendes Eisen in der Schmiede, Sägen in der Schreinerei, heißes Pech wo die Bierfässer der Göcherles Brüh von innen ausgepicht wurden. Alles sehr verlockend und sehr verboten.

Im Herbst wenn sich der Gutshof in eine große Schlammpfütze verwandelt hatte, dann wurden Kartoffeln für die Schweine gedämpft. Ich glaube, das Ungetüm, das dann aufgestellt wurde, funktionierte nach dem Prinzip des Schnellkochtopfes. Wichtig war nur, dass köstliche Pellkartoffeln dabei entstanden, von denen wir uns bei jeder Ladung aus dem Kocher eine holten, bevor sie die Arbeiterinnen in den Kartoffelsilos feststampften.

Wenn es zum Abendessen Pellkartoffeln mit Quark (Zieberleskäs) gab, maulten wir, aber wenn es Dämpfkartoffeln ohne Quark gab, dann war das ein Fest.

In einer Ecke der Scheune lag die „Südn“ herum, vulgo Spreu, die als Rauhfutter den Schweinen und den Kühen gegeben wurde. Wir brauchten die Südn für etwas anderes: Wenn einer von uns über die Stränge schlug, wurde er hineingeworfen. Das war eine Höchststrafe, denn die schrecklich piksenden Spelzen und Grannen bekam man tagelang nicht aus den Kleidern, und frische Wäsche gab es halt nur am Samstag.

Als mir das einmal widerfuhr, führte das zu Sprachstudien, denn die „Südn“ ist trocken, wenn man aber von einem Regenguss durchnässt wurde, dann war man südnnass.

Kommentar verfassen