Das Frühstück war die einzige Mahlzeit, zu der man nicht pünktlich kommen musste, aber das war reine Theorie, denn am Werktag mussten wir um 8 Uhr in die Schule gehen und am Sonntag war um 9 Uhr 45 Gottesdienst.
Zum Frühstück gab es immer Brötchen. Im Dorf gab es damals noch zwei Bäcker, der Wills Beck und der Horns Beck.
Die Eltern tranken Nescafé und wir bekamen Malzkaffee aus dem Hause Kathrein. Davon wurde immer zu viel gebraut, damit am Nachmittag in der Küche eine emaillierte Kanne stünde, an der wir unseren Durst löschen konnten. Ich liebte es, verbotenerweise aus der Tülle zu trinken, und wurde zu meiner Verwunderung nie erwischt.
Als Aufstrich gab es Butter und Marmelade. Beides durfte nur ganz dünn aufgetragen werden. Nur Pflaumenmus durfte zentimeterdick drauf. Das lag daran, dass unser Vater im Krieg einen Österreicher kennen gelernt hatte, dem immer alles „Powidl“ war. Und wenn das wieder mal passierte, dann fragte er hernach „Wissen’s was dös is? – Pflaumenmus.“ Immerhin hatte dieser Herr unserem Vater erklärt, dass Powidl nur dann nicht honiggleich vom Brot rinnt, wenn man es mit der Schale einkocht, dann wirken die eingerollten Schalenreste wie kleine Tragebalken. Und so gab es bei uns ungezählte 1 Liter Weckgläser mit Powidl, den wir allein wegen der erlaubten Menge liebten.
Am Sonntag gab es für die Erwachsenen ein Ei. Wir Kinder kamen in diesen Genuss erst nach der Konfirmation. Begründung? Gab es keine, es war einfach so.
Wenn Gäste kamen, wurde manchmal zum Frühstück Käse serviert. Das grenzte in unseren kindlichen Augen an Dekadenz, obwohl wir Käse natürlich nicht mochten.
Einmal war Onkel Ullo zu Besuch und am Sonntag gab es Eier, Emmentaler, Quark und Powidl.
Onkel Ullo strich sein Brot genüsslich dick mit Butter, was wir schon bedenklich fanden, dann packte er Powidl drauf, das durfte er ja, aber dann – Sakrileg – strich er sich noch Zieberleskäs drauf, so hieß Quark damals noch in Franken. Wir Kinder beobachteten das Spektakel mit offenem Mund, so etwas hatte es noch nicht gegeben.
Vater, Onkel Ullo war sein Vetter, schmunzelte, aber Mutter blitzte ihren Mann aus bösen Augen an. Wollte sie so die Verschwendung ahnen oder dachte sie nur an das schlechte Beispiel für die Kinder?
Als der Gast weg war, erklärte uns unser Vater, dass der Onkel nach dem Krieg in Schlesien alles verloren hätte, die Flucht sei furchtbar gewesen und im Westen habe er nie Fuß fassen können, deshalb könne man ihm am Sonntag mal sowas gönnen.
Mutter sagte nur „Dass ihr bloß nicht auf die Idee kommt, euch solche Sündenschmierchen zu machen“.
Die Idee hatten wir schon, aber das Wort hatte uns bislang gefehlt. Und nun versuchten wir bei jedem Frühstück, ein Sündenschmierchen zuzubereiten. Dick Butter genügte schon, oder zwei verschiedene Marmeladen und, schwierig nicht erwischt zu werden, Zucker auf die Butter und darauf Marmelade. All das waren Sündenschmierchen und wenn wir unentdeckt blieben, war der Hochgenuss noch „höcherer“.